Table Of ContentForschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen
Joachim Vesper
Berufsstartprobleme
junger Facharbeiter
und Facharbeiterinnen
in Nordrhein-
Westfalen
FORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 3236 / Fachgruppe Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Herausgegeben vom Minister für Wissenschaft und Forschung
Dipl.-Volkswirt Dr. Joachim Vesper
Forschungsinstitut der
Friedrich-Ebert-Stiftung
Bonn-Bad Godesberg
Berufsstartprobleme junger
Facharbeiter und Facharbeiterinnen
in Nordrhein-Westfalen
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1989
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Vesper, Joachim:
Berufsstartprobleme junger Facharbeiter und
Facharbeiterinnen in Nordrhein-Westfalen/
Joachim Vesper. - Opladen : Westdt. Verl.,
1989
CForschungsberichte des Landes Nordrhein
Westfalen; Nr. 3236 : Fachgruppe Wirt
schafts- und Sozialwissenschaften)
NE: Nordrhein-Westfalen: Forschungsberichte
des Landes ...
© 1989 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Ver lag GmbH, Opladen 1989.
Textverarbeitung: Ilona Reuter
Herstellung: Westdeutscher Verlag
Lengericher Handelsdruckerei, 4540 Lengerich
ISBN 978-3-531-03236-8 ISBN 978-3-663-14495-3 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-14495-3
G L I E DER U N G
Einleitung
1. Theoretische Grundlagen und regionale Arbeitsmarkt-
strukturen 17
1.1 Berufsstartprobleme nach Ausbildungsberufen, Aus
bildungsdauer und Wirtschaftszweig des Ausbildungs-
betriebes 21
Die Entstehung des Problems an der zweiten
Schwelle - Übergangsverhalten im Handwerk 23
Funktiona1ität zwischen Ausbi1dungs- und Beschäf-
tigungssystem 32
Übergangsquoten der Facharbeit in
Baden-Württemberg 37
Freiheit der Berufswahl, regionale Bindung und
Berufswechsel 43
1.2 Arbeitshaltung, ökonomisches, soziales und
technisches Umfeld der ausgebildeten Facharbeiter 58
1.3 Die Bewertung des Suchprozesses nach Arbeit 61
1.4 Das soziale und ökonomische Umfeld der jungen
Facharbeiter 63
1.5 Das technische Umfeld der jungen Facharbeiter 64
2. Vorstellungen, Programme und Maßnahmen zur Er-
leichterung des Berufsstarts junger Facharbeiter 72
2.1 Maßnahmen der Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik
zur Erhöhung der Zahl der Jugendarbeitsplätze 79
2.2 Facharbeit über Bedarf in der Industrie 81
2.3 Berufsstart und Innovation - Das Übergangsmodell
des Bergbaus 88
Berufsstart in sogenannten maroden Branchen 90
2.4 Facharbeit, Arbeit und Umwelt -
Das Beispiel Bremens 92
IV
2.4.1 Zur Bewertung des neuen Arbeitsfeldes -
Umweltschutz und Facharbeit 94
2.4.2 Strukturwandel des regionalen Arbeitsmarktes
und Berufsstart 97
2.5 Förderung des Berufsstarts in Nordrhein-Westfalen 101
2.6 Förderung des Berufsstarts in Rheinland-Pfalz 103
2.7 Zur Bewertung der Förderprogramme an der zweiten
Schwelle des Arbeitsmarktes 105
2.7.1 Zur Frage der Mitnahmeeffekte 105
2.7.2 Mädchen in technisch-gewerblichen Berufen 107
2.7.3 Zusätzlichkeit und Kapitalintensität 109
2.8 Die Aktivitäten der Gemeinden auf dem Arbeits-
und Ausbildungsmarkt 116
2.8.1 Koordinierungsmaßnahmen 120
2.8.2 Ausbildungsplatzschaffende Maßnahmen 121
Ausbildung und Arbeit in den Stadtverwaltungen 121
2.8.4 Vollzeitschulische Ausbildung 123
2.8.5 Bewertung von Weiterbildungsmaßnahmen 127
2.8.6 Außerbetriebliche Ausbildungsstätten-GmbH's 131
2.8.7 Arbei tsbeschaffungsmaßnahmen 132
2.8.8 EG-Modellversuche 133
3. Perspektiven des Strukturwandels, Berufsarbeit
und neue Technik 136
3.1 Facharbeit und Flexibilität der Ausbildung 136
3.2 Veränderung der beruflichen Ausbildung - Kreative
Facharbeit und Anwendung von neuen Technologien 136
3.3 Bildungseinrichtungen und Bildungsprogramme zum
Umgang mit neuen Technologien 144
3.4 Einflußnahme der Facharbeiter bei Einführung und
Anwendung von Informationsquellen 145
3.5 Handarbeit und Automationsarbeit am Berufsstart 150
v
3.6 Organisation der Facharbeit mit neuen Werk zeugen
im Maschinenbau und in der Elektronik 156
Schulungsmaßnahmen 161
Arbeitsteilung und Berufsgliederung 163
3.7 Die Suche nach ausdrucksfähigen Indikatoren 167
3.8 Wertung des Zusammenhangs zwischen Berufsstart und
technischer Ausbildung 185
4. Kommunale Beschäftigungsinitiativen als punktge-
steuerte Maßnahmen 189
4.1 Zur Bewertung der städtischen Initiativen an der
zweiten Schwelle des Arbeitsmarktes 196
4.2 Zur generellen Bewertung der Ausbildung und der
Abhängigkeit von den ökonomischen Strukturen einer
Region 199
4.3 Berufsausbildung und ökonomische Möglichkeiten
einer Region - Funktion und Beruf 200
4.4 Beschäftigungssicherung und städtebauliche und
ökologische Erneuerung - Vorreiter des Handelns
nach einer langen Diskussion zur neuen Ökonomie
und Umweltarbeit 202
5. Perspektiven 205
Anhang 215
Literaturverzeichnis 231
Einleitung
Von der Zahl der jedes Jahr losgesprochenen Lehrlinge, die an
der zweiten Schwelle des Arbeitsmarktes stehen, lassen sich
beliebig große Gruppen abtrennen, deren kleinste Einheit die
individuelle Person ist. Eine Gruppe, die sofort auffällt,
wird durch jene Berufsanfänger gebildet, die mit dem Ende der
Ausbildung gleich einen Wettbewerb als Innungssieger gewonnen
haben und einen Preis nach Hause tragen. Eine andere Gruppe
zählt etwa zehn Prozent, es sind die, die nach einem halben
Jahr noch keinen Arbeitsplatz gefunden haben. Die größte
Gruppe (ca. 50 %l wird durch jene Facharbeiter gebildet, die
nach der Ausbildung im Betrieb bleiben und ihrer Ausbildung
entsprechend eingesetzt werden. Untersucht man die Übergänge
zwischen Ausbildung und Arbeitssystem, kann die Analyse auf
diese Gruppen ihr Augenmerk legen, d.h. auf die Frage, ob der
Beste richtig ausgewählt worden sei, auf die Frage, ob die
letzten 10 Prozent richtig ermittelt worden seien, und dar
über hinausgehend, ob die anderen, also die größte Gruppe,
ihren adäquaten Arbeitsplatz gefunden haben. Für diese größte
und die erste Gruppe gilt das duale System als vorbildlich. 1
Wenn der Berufsstart Probleme aufweist oder gänzlich miß
lingt, dann kann es an der Ausbildung liegen, an der dort
praktizierten Pädagogik, oder es liegt an der Vermittlung von
Technikkenntnis, an der Beherrschung der Werkzeuge, oder an
der Änderung des Industrie- und Wirtschaftssystems, durch die
ausgebi 1 dete Fähi gkei ten entweder ni cht mehr gebraucht oder
Ausbildungskapazitäten nicht mehr zur Verfügung gestellt wer-
i-------------------
"Das duale Berufsausbildungssystem trägt mit dazu bei, in
der Bundesrepublik die Jugendarbeitslosigkeit weit unter
dem Stand in den übrigen Ländern der EG zu halten. Das gute
Vorbild macht daher Schule. Immer mehr EG-Länder bauen ein
duales Bildungssystem auf. In Frankreich etwa werden jetzt
Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden, von den Sozialversi
cherungsbeiträgen befreit." (Wirtschaftswoche, Nr. 3,
15.01.1988, S.4l. Die Friedrich-Ebert-Stiftung führte zu
Fragen der Berufsausbildung, Umschulung und neuen Techno1o
gien Informationsgruppen in Italien, Japan, Ungarn und der
Bundesrepublik Deutschland durch, "unter anderem wurde vor
dem Hintergrund der Debatte in den Vereinigten Staaten über
eine Reform des öffentlichen Bildungssystems ein Informa
tions- und Studienprogramm über die Berufsausbildung in der
Bundesrepublik durchgeführt, an dem amerikanische Fachleute
aus Politik und Gewerkschaften teilnahmen."
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den. Es gibt drei Gruppen, die an einer Analyse der Berufs
startbedi ngungen Interesse haben: Di e Ini ti atoren von Pro
grammen und Richtlinien zur Förderung des Übergangs von der
Ausbildung auf den Arbeitsmarkt, die Organisatoren einer
Ausbildung Uber Bedarf, die am Verbleib der vorwiegend
Uberbetrieblich Ausgebildeten interessiert sind, und Planer,
di e di e Qual ität der Ausbi 1 dung al s Startbedi ngung vor dem
Hi ntergrund der techni schen Herausforderung bewertet wi ssen
wollen.
Zur ersten Gruppe. Wenn die Berufstartprogramme nicht fUr
spezie1le Arbeitsmarktgruppen aufgelegt sind, dann kann ihr
nur allgemein als Lohnsubvention beurteilt werden.
E~folg
Sind sie fUr sogenannte Problemgruppen aufgelegt, geht es um
die Erfolgsaussichten ~iner Förderung der Arbeitmarktchancen
di eser Gruppen. Veränderungen können nur nach Analyse der
vorherigen, vor der Förderung herrschenden Bedingungen gemes-
ser werden. In Nordrhein-Westfalen ist das Programm "Zweite
Schwelle" speziell fUr Mädchen in technisch-gewerblichen Be
rufen aufgelegt. Nach dem Erfolg von 12.000 Förderfällen des
AusbildungsDrogramms lag dieser Schritt nahe. Dieses Ausbil
dungsprogramm "Mädchen in Männerberufen" ist wissenschaftlich
intensiv und laut begleitet worden. Verkannt wurde, daß Aus
bi 1 dungspl atz und feste Anstell ung wei t vonei nander liegen.
War es während der Ausbildungsphase noch von gewissem Reiz,
an der Front gesell schaft 1 i cher Veränderung zu liegen, so
fallen doch vor einer Daueranstellung noch geschlechtsspezi
fische Schranken. Das Programm des Saarlandes steht vor ähn
lichen Schwierigkeiten. Die Frage nach der richtigen Vorbe
reitung fUr den Berufsstart betrifft die größte Gruppe - ca.
achtzig Prozent sind nach der Lehre in einer Beschäftigung zu
finden. Ob diese ausbildungs-adäquat ist, ob neuen Techniken
begegnet werden kann oder ob es reine angelernte Arbeit ist,
ist der Gegenstand der beruflichen Verbleibforschung. Diese
tritt etwas in den Hintergrund vor der lauten Frage nach
Technik und Beruf.
Am Schluß bleibt zu untersuchen, was die lokalen Initiatoren
der Ausbildung Uber Bedarf - Industrie, Handwerk und Gemein
deverwaltung - in die Wege leiten, in Bewegung setzen, um den
3
Berufsstart der mehr als ein halbes Jahr nach Arbeit Suchen-
den zu ermögl i chen. Wer ein Jahrzehnt früher geboren wurde
als die Gruppe, die jetzt den Einstieg in den Arbeitsmarkt
sucht, der hatte die Gewißheit, daß die gesamte Gruppe auf
den Arbeitsmarkt aufgenommen wurde - es handelte sich "nur"
um interne Umsetzungsprobleme. Inzwischen geht es um die in
terne Umsetzung je nach Qualifikation und Anforderung und die
Frage, wer in die Restgruppe gelangt, wer lange suchen muß.
Der Hi nwei s, daß ni cht genügend gel ernt worden sei, wi rd
schnell hervorgeholt, aber die Forderung nach Bildung, lernen
und nochmals lernen, vor allem in der Technik, verkennt die
Vielfalt der Funktionen und Berufe, in denen noch ausgebildet
und gearbeitet wird und in denen neue Technik nur marginal
Einfluß hat, sei es, daß sie betont nur Werkzeug bleibt, sei
es, daß sie schon immer eine dauernde Herausforderung war,
somit nichts Neues darstellt.
Was also sind im Arbeitsprozeß die Merkmale der neuen und
notwendi gen Technol ogi en, di e ihr Neues, kaum ist es er
reicht, gerade durch ihre Wirkung zum Standard erheben. Ihr
Gegensatz, das läßt sich aber nicht eindeutig sagen, wären
"alte Berufe". Kein Beruf als solcher ist jedoch veraltet.
Ein Beruf ist veraltet in einem regionalen Zusammenhang. Kaum
verschieben sich regionale Nachfragestrukturen - oder entste
hen Umweltengpässe -, so prägt er sich ein wenig um, schon
ist er wieder aktuell. Man denke nur an den Kachelofensetzer.
Wie es keine Berufe gibt, von denen bei noch laufender regio
naler Produktion nur abzuraten wäre, so wenig gibt es empfeh
lenswerte Berufe. Die ganze Kategorie der Zukunftsfestigkeit
ist arbeitsfremd. Allein der Gebrauch innerhalb der regiona
len Produktionszusammenhänge entscheidet, ob ein Beruf not
wendig ist und lebendig bleibt. Und wenn einer Stimmenmacher
in Baden-Württemberg lernt, sich also in der Spielwarenher
stellung ausbilden läßt, so tut er das, weil diese Berufe in
dieser Branche am Ort noch gebraucht werden, weil die Eltern
diese Arbeit ausübten und weil keine Alternative in Sicht
ist, aber eher, weil auch in diesen Berufen neue Elektronik
zu beherrschen ist, die ein weites Anwendungsfeld verspricht.
Man setzt sich als Einzelner also an die Stelle der regiona
len Funktionalstruktur. Wenn es also keine veralteten Berufe
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gibt, so gibt es zweifellos veraltete Werkzeuge. Wer von
neuen Technologien spricht, der macht nur die Sprache neu. Er
meint immer den Zusammenhang, innerhalb dessen die Werkzeuge
funktionieren. Und hier werden die Beispiele unzählbar. Daß
der Beruf des Fernsehtechnikers mit der neuen Digitaltechnik
zu tun hat, leuchtet ein. Wer denkt aber schon daran, daß
auch Btx zur Ausbildung gehören muß, sonst kann ein Gerät,
das in diesen Funktionen versagt, nicht gewartet werden.
Uns interessieren aber nicht die Einzelbeispiele, sondern die
Frage, ob die neuen Techniken richtig und schnell genug ver
mittelt werden, und zwar sowohl im Handwerk als auch in der
Industrie, um die immer noch gerichteten Ströme des Berufs
starts - vom Handwerk in die Industrie - als weiter sinnvoll
bewerten zu können. Aber ohne einzelne Beispiele wird es
nicht gehen. Zählen wir einige neugeordnete Berufe auf, so
erfahren wir den Anteil, den die neuen Techniken an den alten
Fähigkeiten aufweisen, und so erfahren wir das Allgemeingül
tige (Steuertechnik kann in der Industrie im Handwerk und im
Büro genutzt werden.)
Es gibt in den Betrieben und Berufsschulen aber auch bereits
eine Auslagerung des Lernprozesses aus der Produktion oder
dem Computersystem. Weil alles in den Maschinen verschwindet,
wird der Lauf des Dokumentes, z.B. einer Bestellung, vom Ein
gang bis zur Produktion, zur Rechnungserstellung, Buchung,
Mahnung, Bilanzierung, nachverfolgt. Die Softwarehersteller
werben mit dem umgekehrten Lauf der Dinge. Im Augenblick des
Dokumenteneingangs geschehe alles automatisch: Auftragserfas
sung, Lagerbestandsvergleich, Produktion bis zur Mahnung. Da
mit kann der Prozeß, der in der Maschine abläuft, aber nicht
mehr erlernt werden. Er muß wieder ausgegliedert werden. In
den Berufsschulen heißt das Fach im Handelsbereich "Bürowirt
schaft". In dem Maße, in dem integrierte Produktionsplanung
sich in den Produktionsbetrieben durchsetzen wird, in diesem
Maße wird auch dort eine Ausgliederung erforderlich sein. Die
Bei spi el e zei gen, daß zum Lernen ni cht nur der Umgang mi t
neuen Techniken erforderlich ist, sondern das Fachwissen die
Grundlage bleibt.