Table Of ContentBericht der Enquete-Kommission
"Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements"
Enquete-Kommission
"Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements"
des Deutschen Bundestages
Schriftenreihe
Band4
Enquete-Kommission
"Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements"
Deutscher Bundestag
Bericht
Bürgerschaftliches
Engagement:
auf dem Weg in eine
zukunftsfähige
Bürgergesellschaft
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2002
Der vorliegende Bericht ist identisch mit der Bundestagsdrucksache 14/8900
vom 3. Juni 2002.
Fotos: W. Steche
Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahrne
Ein Titeldatensatz für die Publikation ist bei
Der Deutschen Bibliothek erhältlich
ISBN 978-3-8100-3660-5 ISBN 978-3-322-92328-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-92328-8
© 2002 Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Leske + Buderich, Opladen 2002
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Vorwort zur Schriftenreihe
"Bürgerschaftliches Engagement ist eine unverzichtbare Bedingung für den
Zusammenhalt unserer Gesellschaft" - mit dieser Leitlinie ist die Arbeit der
Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" im
Einsetzungsbeschluss des Deutschen Bundestages beschrieben worden. Seit
ihrer Konstituierung am 14. Februar 2000 hat die Kommission in zahlreichen
Sitzungen, öffentlichen Anhörungen, Expertengesprächen sowie durch Gut
achten von externen Sachverständigen eine fundierte Bestandsaufnahme der
Strukturen und Perspektiven bürgerschaftliehen Engagements in Deutschland
erarbeitet. Am 3. Juni 2002 hat die Enquete-Kommission ihren Bericht dem
Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Thierse, übergeben.
Gleichzeitig wurden damit dem Parlament konkrete Handlungsempfehlungen
für eine nachhaltige Förderung bürgerschaftliehen Engagements in Deutsch
land an die Hand gegeben.
Darüber hinaus betrachtet es die Enquete-Kommission als eine ihrer we
sentlichen Aufgaben, an einem öffentlichen Bewusstseinswandel für die Be
deutung bürgerschaftliehen Engagements mitzuwirken. Wir haben uns des
halb entschieden, neben dem Bericht weitere Gutachten und Arbeitsmateriali
en, die im Laufe der Kommissionsarbeit entstanden sind, in einer Schriften
reihe zu veröffentlichen.
Die Enquete-Kommission will mit der Veröffentlichung dieser Schriften
reihe wichtige Anregungen für eine Stärkung der Bürgergesellschaft und eine
Neubestimmung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Bürgergesell
schaft geben. Mit dem "Internationalen Jahr der Freiwilligen" hat der Diskurs
über bürgerschaftliebes Engagement neue Impulse erhalten, die weit über das
Jahr 2001 hinausreichen.
Dr. Michael Bürsch, MdB
Vorsitzender
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Mitglieder der Enquete-Kommission ,,Zukunft des Bürgerschaftlichen Enga
gements" sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Paul-Löbe-Haus, Berlin
Vorwort
Für eine starke Bürgergesellschaft
"Bürgerschaftliches Engagement ist eine unverzichtbare Bedingung für den
Zusammenhalt der Gesellschaft" - mit dieser Grundüberzeugung hat der
Deutsche Bundestag im Dezember 1999 die Enquete-Kommission "Zukunft
des Bürgerschaftlichen Engagements" eingesetzt und ihr den Auftrag erteilt,
"konkrete politische Strategien und Maßnahmen zur Förderung des freiwilli
gen, gemeinwohlorientierten, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichteten
bürgerschaftliehen Engagements in Deutschland zu erarbeiten".
Diesen Auftrag hat die Enquete-Kommission nunmehr erfüllt und legt
nach gut zweijähriger Arbeit sowohl eine systematische Bestandsaufnahme
der Wirklichkeit bürgerschaftliehen Engagements als auch politische Hand
lungsempfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen vor.
Leitend für die Arbeit der Enquete-Kommission war zunächst und vor
allem die Vielfalt bürgerschaftliehen Engagements. Neben der Tätigkeit in
Vereinen und Verbänden, Kirchen, karitativen und anderen gemeinnützigen
Organisationen, in Freiwilligenagenturen, Hospizbewegungen oder Tafeln um-
8 Vorwort
fasst es - um nur einige Beispiele zu geben -die Mitarbeit in Selbsthilfegrup
pen, Nachbarschaftsinitiativen und Tauschringen. Ferner politisches Engage
ment in Bürgerinitiativen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Volksbe
gehren oder anderen Formen von direktdemokratischer Bürgerbeteiligung,
auch die Arbeit in Parteien und Gewerkschaften oder den Einsatz in Freiwil
ligendiensten. Nicht zuletzt gemeinwohlorientierte Aktivitäten von Unter
nehmen und Stiftungen mit gemeinnütziger Zielsetzung.
Fazit: Bürgerschaftliebes Engagement bedeutet Vielfalt, und erst in die
sem weiten Verständnis, das all diese vielfältigen Tätigkeiten einbezieht, er
schließen sich die Dimensionen dieser Aktivitäten und ihre Bedeutung für un
ser Gemeinwesen. Die Bürgerinnen und Bürger erneuern mit ihrem freiwilli
gen Engagement in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Tag für
Tag die Bindekräfte unserer Gesellschaft. Sie schaffen eine Atmosphäre der
Solidarität, der Zugehörigkeit und des gegenseitigen Vertrauens. Kurz, sie er
halten und mehren, was wir heute "soziales Kapital" nennen: die Verbunden
heit und das Verständnis zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft, die
Verlässlichkeit gemeinsam geteilter Regeln, Normen und Werte und nicht
zuletzt das Vertrauen in die Institutionen des Staates.
Maßgeblich für die Arbeit der Enquete-Kommission war eine weitere
Leitlinie: Die Förderung bezieht sich nicht nur auf die aktiven Bürgerinnen
und Bürger und deren je individuelles Engagement, sondern hat auch und vor
allem eine gesellschaftspolitische Dimension.
Die Debatte war lange Zeit bestimmt von jener Perspektive, die die en
gagierten Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt rückt und bürger
schaftliches Engagement als einen bunten Markt der Möglichkeiten er
scheinen lässt. Auch unser Interesse hat Fragen gegolten nach der individu
ellen Motivation der Engagierten und nach der Gestaltung von Rahmenbe
dingungen, die geeignet sind, die persönliche Bereitschaft zum bürger
schaftlichen Engagement zu erhöhen. Wichtig scheint uns ein Strukturwan
del in den Motiven der engagierten Bürgerinnen und Bürger: Während
Menschen sich früher typischerweise langfristig einer bestimmten Organi
sation verpflichteten und "ihrem" Verein ein Leben lang verbunden blie
ben, engagieren sich heute immer mehr Menschen eher spontan und pro
jektförmig. Engagement muss zur jeweiligen Lebenssituation passen. Noch
bedeutsamer aber ist die Beobachtung, dass bürgerschaftlieh Engagierte mit
ihren Aktivitäten heute in stärkerem Maße Bedürfnisse nach Eigenverant
wortung und Selbstbestimmung verbinden als früher; daraus resultieren
neuartige Anforderungen an Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglich
keiten.
Die Veränderungen in den Motiven und Handlungszusammenhängen bür
gerschaftlieh Engagierter haben in der Arbeit der Enquete-Kommission eine
maßgebliche Rolle gespielt: An den veränderten Motiven werden sich auch zu
künftige Strategien und Maßnahmen zur Förderung des bürgerschaftliehen En-
Für eine starke Bürgerschaft 9
gagements orientieren müssen. Darüber hinaus aber steht die Förderung des
bürgerschaftliehen Engagements im Kontext eines der wichtigsten gesellschafts
politischen Reformprojekte unserer Zeit: der Stärkung der Bürgergesellschaft
Die Bürgergesellschaft, jenes Netzwerk von selbstorganisierten, freiwilli
gen Assoziationen - Vereine und Verbände, NGO's, Bürgerinitiativen und
Selbsthilfegruppen, Stiftungen und Freiwilligendienste, aber auch politische
Parteien und Gewerkschaften usw.-bildet ein Tätigkeitsfeld eigener Art zwi
schen Staat, Wirtschaft und Familie. Bürgergesellschaft als Reformperspekti
ve erfordert von Seiten der Wirtschaft Unternehmen, die sich dem Gemein
wesen gegenüber verantwortlich verhalten und in diesem Sinne als "Corpo
rate Citizens" selbst Teil der Bürgergesellschaft sind. Vor allem aber bedarf
die Bürgergesellschaft eines unterstützenden Staates, der bürgerschaftliebes
Engagement nicht durch unnötige bürokratische Auflagen reglementiert und
hemmt, sondern schützt und ermöglicht.
Kurz: es geht um ein neues Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und
Gesellschaft, in dem bürgerschaftliebes Engagement eine zentrale Rolle
spielt.
Besondere Bedeutung kommt dabei jenen Organisationen, Institutionen
und Initiativen zu, die gewissermaßen das Verbindungsstück zwischen den
engagierten Bürgern und Bürgerinnen auf der einen Seite, der Bürgergesell
schaft als ganzer auf der anderen Seite bilden. Besteht doch die Bürgergesell
schaft nicht nur aus Individuen, sondern auch aus einer Vielzahl verschieden
artiger Organisationen. Sie bilden die institutionelle Grundstruktur der Bür
gergesellschaft, die zugleich die Rahmenbedingungen für das bürgerschaftli
ehe Engagement der Bürgerinnen und Bürger darstellt.
Mit unserem Bericht wenden wir uns nicht nur an Bundesregierung und
Gesetzgeber, sondern an eine Vielzahl von Akteuren: die Bürgerinnen und
Bürger, die zivilgesellschaftlichen Organisationen, aber auch die staatlichen
Institutionen und nicht zuletzt die Unternehmen und die Gewerkschaften - sie
alle sollen ermutigt werden, sich stärker als bisher für bürgerschaftliebes En
gagement zu öffnen. Denn die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, sich
zu engagieren, steht in direkter Wechselwirkung mit den Möglichkeiten zu
bürgerschaftliebem Engagement, die von den Organisationen geboten werden.
Demokratische, beteiligungsfreundliche Strukturen staatlicher Institutionen
und die glaubwürdige Gemeinwohlorientierung von Unternehmen haben di
rekten Einfluss auf die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, Verantwor
tung für das Gemeinwesen zu übernehmen.
Noch ein Wort zur Enquete-Kommission als einem Instrument der Poli
tikberatung, das in mehrerlei Hinsicht Maßstäbe setzt: in ihrer paritätischen
Zusammensetzung aus Politikern und Wissenschaftlern in der Langfeistigkeit
ihres Auftrags, die einen mehrjährigen, kontinuierlichen Diskussionszusam
menhang stiftet, und in der Dimension ihrer Themenstellungen, die stets Fra
gen von grundsätzlicher gesellschaftspolitischer Relevanz aufgreifen.