Table Of ContentBeleuchtung
der Broſchüre
„ Warum unterlag Oeſterreich"
von A. d. A."
nebſt
Erörterungen über einige Urſachen des Verluſtes
der Schlacht von Solferino.
Wien, 1861.
Wilhelm Braumüller,
l. fi. 5ofondibändler.
3m Verlage von Wilhelm Braumüller, t. t. Hofbuchhändler in Wien
iſt erſchienen:
Taktiſche Thematik
für Offiziere aller. Waffen
von
Alexander Kocziczka,
I. I. Major im 39. Linien-Infanterie-Regiment Dom Miguel, Befißer des
MilitarVerdienſtfreuzes.
2 Bände und Atlas. 1857. Preis: 7 fl. 90 Nr.
Mit dem vorſtehenden Werle bietet der Verfaſſer den Herren ſubalternen
Difizieren ein Handbuch zur Verfaſſung von „taktiſchen Aufgaben“. Der erſte Band
enthält eine umfaſſende Theorie der Ausarbeitung, der zweite Band 44 vollſtändig
ausgearbeitete Beiſpiele, welche ſich auf lebrreiche Terrain-Abſchnitte der öſterreichiſchen
Monarchie beziehen. Auf den beigegebenen 20 in Stein gravirten Plänen erſcheinen
die Truppenſtellungen in Farbendrud.
Der Felddienſt.
Ein Handbuch
für Offiziere aller Waffen.
Von
Joh. Bapt. Schels,
1. i. Oberſilieutenant.
2 Bände. Neue Ausgabe. 12. 1859. Preis: 2 fl.
Unter dem beſcheidenen Titel „ der Felddienſt" gibt der Herr Berfaſſer im
Grunde die Hauptmomente der angewandteu Taktit und des tleinen Krieges, und
zählt alles auf, was der vollkommen brauchbareOffizier, der ausgebildete Militär,
nicht bloß der untern, ſondern auch höherer Dienſtgrade in jeder Kriegslage wiſſen
muß. Von den böchſt anerkennenden Stimmen, welche über vorliegendes Werf laut
geworden, heben wir nur die eine des damaligen Hauptmanns, jebigen Feldmarſchall.
lieutenants Heller bervor, der ſich im 10. Hefte der öſterr. milit. Zeitſchrift u. U. alſo
äußert: „Bei der umfaſſenden Befanntſchaft des Verfaſſers mit allen Zweigen der
Militär-Literatur, hat derſelbe das Beſte über jeden Gegenſtand benüßt, und zugleich
aus den reichen Erfahrungen ſeiner cigenen militäriſchen Laufbahn in einer viel.
bewegten Kriego-Epoche geſchöpft. Wir fönnen ihm alſo zu dieſer überaus verdienſt
lichen Arbeit nur Glüd wünſchen, und dürfen ihm ſchon im Voraus eine günſtige
Aufnahme bei unſeren Waffengefähiten verſprechen. Es iſt ein Budy, das in den
Händen jedes gebildeten Offiziers ſein ſollte.“
Beleuchtung
der Broſchüre
„Warum unterlag Oeſterreich“
„von A. d. A.“
nebſt
Erörterungen über einige Urſachen des Verluſtes
der Schladt von Solferino.
Wien, 1861.
Wilhelm Braumüller,
k. k. Hoſbuchhändler.
RITTST MOSFET
Wir ſind geneigt, den Ausnahmen mehr Werth beizulegen, als ſie
verdienen, weil ſie aus der gleichmäßigen Fläche der allgemeinen
Regel hervorragend, ſchärfer ins Auge fallen
Vorwort.
Die Beleuchtung der Broſchüre: „ Warum unterlag Deſterreich?".
war urſprünglich als Rezenſion für eine militäriſche Zeitſchriftgeſchrieben.
Später beſchloß ich einige Erörterungen über die Urſachen des Verluſtes
der Schlacht von Solferino beizufügen.
Zu dieſem Zwecke wurden mir auf meine Bitte werthvolle An
gaben über die Situazion vor dieſer Schlacht und über mehrere Details
derſelben von einem höchſt verläßlichen Augenzeugen nebſt Auszügen
aus ſeinem Tagebuche gewährt. Da dieſe an und für ſich als gewich
tiger und intereſſanter Beitrag zur Kenntniß und Beurtheilung der ba
maligen Ereigniſſe ſich darſtellten, ſo glaubte ich das Ganze in der
vorliegenden Form geben zu follen.
Mit dieſen Blättern beabſichtigte ich der Verbreitung mehrerer
irriger Auffaſſungen über die f. t. Armee entgegen zu wirken und auch
zur Berichtigung der beſonders über die Schlacht von Solferino in
ſo großer Zahl verbreiteten irrthümlichen Gerüchte beizutragen.
Gleichzeitig wünſchte ich einige wenn auch nur indirekte An
deutungen zu geben über die Verwerthung der Lehren des leßten Krieges
und über die Mittel zur Erhöhung der Wirkſamkeit der Armee in einem
fünftigen Feldzuge.
Da die Ariegsmarine auch einen wichtigen Theil der Wehrkraft
des Vaterlandes bildet und eine kürzlich erſchienene Broſchüre für eine
ſchleunige, ſehr bedeutende Bergrößerung derſelben plaidirt, ſo glaubte
ich in einem Anhange die Zweckdienlichkeit und Nothwendigkeit dieſes Vor
ſchlags einer Prüfung unterziehen zu ſollen, um zu erforſchen, ob dieſe
Vermehrung der f. f. Kriegsmarine in dem beanſpruchten Ausmaße,
in der ausgeſprochenen Art und der Zeit von 2 Jahren als ein Zu
ſammenwirken oder wegen Abſorbirung der für die Armee dermalen
nöthigen Geldmittel als eine Theilung und Schwächung der entſchei
denden Kräfte erſcheine.
Ich gewärtige, daß Einige meine Vertheidigung gegen die Angriffe
auf die öſterreichiſche Armee und namentlich auf die Regiments-Auditore
zu wenig kräftig und im Ausdrucke zu milde finden werden; während
Andere es mir zum Vorwurf machen dürften, daß ich der Intelligenz
des Verfaſſers, der durch Verwandlung von Theilen des edlen Metalls
der neueſten Militärliteratur, wie auch ſeiner eigenen Erfahrungen und
Kenntniſſe in gangbare Scheidemünze unter der Chiffre a. A. eine nüß
liche Thätigkeit entwidelt, durd, größere Schonung nicht mehr Rechnung
getragen habe. Doch glaubte ich, durch vorzugsweiſe objektive Behand
lung dem Zwecke am beſten zu dienen.
Wien, im Dezember 1860.
Ein oft-deutſcher Stabsoffizier.
.
Wie
ie es ſcheint, haben außer Rußland auch andere Staaten
ſowohl ihre emigrirten als ihre im Lande gebliebenen Vaterlands
freunde, welche der eigenen Leidenſchaftlichkeit und dem Welt
beſſerungsdrange zu genügen, die Zuſtände des Voltes und der
Armee, die Gebrechen der Regierung und Truppenführung zum
Gegenſtande verzerrter Darſtellungen machen und ſich mit der
Behauptung entſchuldigen, ſie wünſchten hiedurch die volle Er
kenntniß und Verbeſſerung der beſtehenden Mängel anzubahnen.
Nach einem Deſterreichs Macht in Italien ſo tief erſchüt
ternden Feldzuge, bei der Spannung der Gemüther, herbeigeführt
durch die ſpätern Ereigniſſe im Süden und Weſten Europa's und
durch die im eigenen Lande ſich entwickelnden politiſchen Verände
rungen, war die Erwedung einer ſolchen Geiſtesthätigkeit auch in
Deſterreich als natürliche Folge der gährenden, noch nicht zur
Klärung gelangten Elemente wohl zu erwarten. Wir leben in
einer Zeit der Aufgeregtheit, wo ſich faſt jede Intelligenz gedrängt
fühlt, ihr Wiſſen ohne Rückſicht auf Potenz und Werth deſſelben
zu zeigen und nach Möglichkeit geltend zu machen.
Man kann dieſen zahlreichen , an die Oberfläche tretenden
Gasblaſen ſchon wegen ihrer efemeren Eriſtenz keine beſondere
Bedeutung beilegen, und wir würden auch die eben erſchienene
Broſchüre: „Warum unterlag Deſterreich ?“ nach mehreren ſie
karakteriſirenden Merkmalen unbeachtet gelaſſen haben, wäre nicht
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trop der Maßloſigkeit im Beurtheilen und Verdammen des Bes
ſtehenden, doch auch ein redliches Streben, das Gute zu fördern
und Verbeſſerungen Eingang zu verſchaffen, deutlich erkennbar,
und hätte nicht die Achtung vor dem guten Willen, den der Ver
faſſer wiederholt betheuert, uns beſtimmt, ſeine Behauptungen
einer nähern Würdigung zu unterziehen.
Uebrigens könnten die in mehreren Stellen enthaltenen Wahr
heiten und von geiſtiger Befähigung zeugenden Vorſchläge manchen
Leſer veranlaſſen, auch jenen Auslaſſungen des Verfaſſers Glaub
würdigkeit beizumeſſen, bei welchen er von Leidenſchaftlichkeit ergrif
fen, vom Einzelnen auf das Ganze ſchließt, die Ausnahme mit
der allgemeinen Regel verwechſelt und um ſeine Verbeſſerungs
vorſdyläge zu begründen, ſtellenweiſe vorkommende Uebelſtände als
die Disziplin und den Heeresbeſtand zerfreſſende Ueberwucherungen
darſtellt, wo er ferners die Armee im Ganzen und einzelne
Branchen derſelben insbeſondere mit unverdientem Tadel überſchüt
tet und in ſeinem Urtheil eben ſo befangen, als ungerecht iſt.
Ohne auf die Darſtellungen der beiden erſten Paragrafe
einzugehen, welche die allgemeine Lage Deſterreichs ſeit 1848 vom
Standpunkte des Verfaſſers aus in ſehr gewandter Weiſe ſkizziren,
beginnen wir mit den Urſadyen, welche dem Nichterfolg der öſter
reichiſchen Waffen im Jahre 1859 zu Grunde liegen ſollen.
: Der Verfaſſer tadelt mit vollem Rechte die in den legten
10 Jahren vorgenommene Vermiſdzung der Volfsſtämme in den
einzelnen Regimentern und Korps der Armee. Daß hiedurch das
Band zwiſchen Offizieren und Mannſchaft gelockert, das durch die
einheitliche Heimat und Sprache geförderte Zuſammenhalten
der letztern gehindert, der wichtige Einfluß der Unteroffiziere
auf die Mannſchaft gelähmt, die vorbereitende Belehrung im Frie
den, wie die Ausführung der Anordnungen und die Begeiſterung
der Truppe im Kriege ſehr beeinträchtigt wurden, unterliegt keinem
Zweifel. Eine Germaniſirung der Armee konnte durch dieſe
Maßregel wohl kaum angeſtrebt werden, weil die Dienſtzeit des
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Soldaten hicfür zu kurz iſt, auch die Erfahrung gezeigt hat, daß
in Italien garniſonirende ſlaviſche und ungariſche Regimenter das
Italieniſche vielleichter erlernten, als die deutſche Kommando
ſprache. Wir wären daher geneigt anzunehmen, daß dieſe Maß
regel vielleicht mit Ausnahme der techniſchen Truppen
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nicht ſowohl in politiſchen Motiven, als in geografiſchen und
adminiſtrativen ihren Grund hatte, wobei der leichten und wohl
feilen Ergänzung der Truppe ein zu großes, der Nazionalität ein
zu geringes Augenmerk geſchenkt wurde. Auch kam dieſe Maße
regel theilweiſe wohl auch zur Ausgleichung des Grundbudyſtandes
der Regimenter vor. Da die Regimenter und Korps aus Unter
abtheilungen beſtehen, ſo wäre es leicht geweſen, den aus dieſer
Sprachenvermiſchung hervorgegangenen Uebelſtänden gleich dort,
wo man ſie am erſten und am meiſten fühlte, durch Zuweiſung
gleicher Nazionalitäten in die einzelnen Kompanien entgegenzu
wirken.
Was der Verfaſſer über die Zuſammenſegung des öſterreichi
ſchen Offizierskorps ſagt, lautet beinahe, als ob der Verſtand und
die Geſinnung von der Geburt abhänge und als ob man eine
höhere militäriſche Bildung nur in Militär-Akademien, eine gerin
gere in den niedern militäriſchen Erziehungsanſtalten erlangen
könnte oder als ob der Bildungsgrad von der Abſtammung aus
dem außeröſterreichiſchen Deutſchland dependirte und als ob die
vom Unteroffizier Avanßirten ein verderblicher Krebsſchaden des
Offizierskorps wären. Abgeſehen davon, daß dieſe Behauptungen
auf die Kavalerie und Artillerie wegen der großen Homogenität
ihrer Offizierskorps gar nicht paſſen, ſo zeigt der Verfaſſer auch
hiedurch, daß er von einzelnen Erſcheinungen unrichtige Schlüſſe
auf das Algemeine macht.
Er ſieht feindliche, ſich abſtoßende Elemente, aus Provinzial
patriotismus ſprießenden Haß gegen alles Fremde, alles Maß über
ſchreitenden Egoismus, Rangſucht, Neid gegen höhere Intelligenz,
Reibungen, geheime Anfeindungen, Zerſplitterung des Offizierskorps
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in ſdyroff und feindſelig einander gegenüberſtehende Koterien, Man
gel an Willen und an Fähigkeit, ſowie an wiſſenſchaftlicher Aus
bildung bei den Befehlenden und den Belehrenden u. ſ. w.
Hat der Verfaſſer verſucht, ſich zu erklären, wie es möglidy
ſei, daß ein aus ſo feindſeligen Elementen zuſammengeſegtes, die
deutlichen Merkmale weit vorgeſchrittener innerer Zerſeßung zur
Schau tragendes, mit den ihm namentlich pag. 10, 11, 17, 19,
23, 46 u. 47 vorgeworfenen Gebrechen behaftetes Offizierskorps
noch nicht auseinander gefallen ſei, ſondern ungeachtet des dem
Verfaſſer ſo augenſcheinlichen Zuſtandes völliger Auflöſung noch
ſolcher Leiſtungen im Frieden und Kriege fähig war und iſt, wie
ſie das Garniſonsleben, der Manövrirplatz und der legte Feldzug
unleugbar aufweiſen.
Unbegründet iſt die Behauptung des Verfaſſers, daß eine
ſchroffe, die Achtung der Perſon verlegende, ja brutale Behand
lung von oben herab in der Armee in neuerer Zeit Plaß gegrif
fen habe. Es iſt im Gegentheile eine von mehreren Seiten
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wahrgenommene Erſcheinung, daß in Folge der in der Neuzeit
leichteren geſelligen Berührungen der verſchiedenen Stände und
mehr hervortretender Werthſchägung der Individualitäten einzelne
junge Militäre die vom Dienſtreglement vorgeſchriebene Auszeich
nung des Vorgeſezten audy außer Dienſt, aus Bequemlichkeit oder
Unachtſamkeit minder bemerkbar machen, ſo daß die den Offizieren
obliegende Pflicht angemeſſener Achtungsbezeigung gegen den Hö
hern nicht immer ihren genügenden Ausdruck findet. Dieſe Er
ſcheinung berechtigt in ihrem dermaligen vereinzelten Auftreten,
zumal bei der Beſchränkung derſelben auf ein geringes Maß durdy
die Vorgeſepten ſelbſt, nicht zur geringſten Beſorgniß einer Störung
des esprit de corps.
Die vom Verfaſſer ſehr treffend geſchilderte Verderblichkeit
das Raiſonnirens ganz anerkennend , glauben wir dasſelbe nicht
auf Erbitterung und Kränkung über erlittene Unbilden zurückführen
zu können. Es iſt eine alte, in allen Heeren vorkommende