Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 1645
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
vom Landesamt für Forschung, Düsseldorf
DK 62-503,5 62-503,3 62-50
Prof Dr. Otto Schäfer
Dr.-Ing.JosefJ anzig
Dr.-Ing. Helmut Schwarz
Dipl.-Ing. Klaus W. Pleßmann
Institut für Regeltechnik der Rhein.-Westf. Techn. Hochschule Aachen
Beiträge zur Analyse
des dynamischen Verhaltens von Regelkreisen
WESTDEUTSCHER VERLAG KÖLN UND OPLADEN 1966
ISBN 978-3-663-03061-4 ISBN 978-3-663-04250-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-04250-1
Verlags-Nr.011645
© 1966 by Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen
Gesamtherstellung : Westdeutscher Verlag'
Lineare Regelkreise unter dem Einfluß von stochastischen
Störgrößen
Von O. SCHÄFER und J. JANZING
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Inhalt
1. Einführung .................................................... 9
2. Beschreibung stochastischer Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
3. Untersuchungs methoden ......................................... 14
3.1 Kriterien für die Beurteilung der Regelgüte .................... 14
3.2 Verwendete Störgrößen ..................................... 17
3.21 Leistungsdichte der Störgrößen .............................. 17
3.22 Amplitudenverteilung der Störgrößen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19
3.3 Messung des quadratischen Mittelwertes von stochastischen Funk-
tionen am Analogrechner .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24
3.31 Integration über eine endliche Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 24
3.32 Benutzung von Ersatz-Zeitfunktionen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25
3.33 Graphische Bestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 26
4. Untersuchungen an linearen Regelkreisen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
4.1 Übersicht über das Verhalten von linearen Regelkreisen bei stocha-
stischen Stör größen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
4.2 Messungen an einer Regelstrecke erster Ordnung mit Totzeit. . . .. 34
4.21 P-Regler .................................................. 34
4.22 I-Regler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 37
4.23 PI-Regler. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40
4.24 Einfluß des Vorhaltes ....................................... 47
4.25 Unterschied zwischen Effektivwert und absolutem Mittelwert bei der
stochastischen Rechteckschwingung als Störgröße .............. 50
5. Zusammenfassung............................................... 55
6. Literaturverzeichnis ............................................. 57
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1. Einführung
Das Verhalten eines Regelkreises wird üblicher weise danach beurteilt, wie er auf
bestimmte Test-Eingangsfunktionen reagiert, wobei das bekannteste Testsignal
die Sprungfunktion ist. Auch die Optimierungsvorschläge gehen von der Be
dingung aus, daß eine sprungförmige Störgröße eine möglichst kleine und kurz
zeitige Regelabweichung ergibt. In der Praxis tritt diese Störgrößenform jedoch
nur selten auf; meistens ist die Störgröße eine zufällige oder » stochastische«
Funktion, die sich nur mit Kennwerten der mathematischen Statistik beschreiben
läßt. Über die Anwendung der statistischen Betrachtungsweise in der Regelungs
technik liegt bereits eine große Anzahl von Arbeiten vor. Doch behandeln diese
vorwiegend Folgesysteme, bei denen sich ein optimaler Gesamtentwurf gemäß
der Wienerschen Optimalfiltertheorie durchführen läßt. Die der vorliegenden
Arbeit zugrunde liegende Fragestellung ist wesentlich bescheidener und mehr den
Verfahrens-Regelkreisen angepaßt. Vorausgesetzt ist nämlich einmal, daß eine un
veränderliche Regelstrecke vorliegt, und zum anderen, daß nur die bekannten
Reglertypen verwendet werden. Lediglich die Reglerparameter sollen veränderlich
sein, und gefragt ist danach, welche Regelgüte sich auf diese Weise bei verschie
denen stochastischen Störgrößen erreichen läßt. Auch diese Frage wurde bereits
in der Literatur angeschnitten, aber nur bei ganz einfachen Systemen, die noch
eine rechnerische Behandlung gestatten. Bei Systemen höherer Ordnung ist eine
Berechnung kaum noch möglich, man geht zweckmäßig zu Messungen an Modell
anordnungen über. Für die vorliegenden Untersuchungen stand ein Telefunken
Analogrechner Typ RA 463/2 zur Verfügung. Die verwendeten Meßmethoden
sind in Abschnitt 3 ausführlich beschrieben. Zuvor ist jedoch eine Bemerkung
über das benutzte Optimierungskriterium gemacht. Denn die Frage, ob das
Minimum vom Effektivwert der Ausgangsgröße für die Regelungstechnik ein
brauchbares Einstellkriterium ist, läßt sich nicht so generell beantworten, wie es
oft in der Literatur geschieht.
Die in Abschnitt 4 angegebenen Meßergebnisse sind nun keineswegs als Einstel/
vorschriften für die Optimierung 210n Regelanlagen gedacht; die zugrunde gelegte Form
der Störleistungsdichte wird nämlich in der Praxis niemals exakt vorliegen. Die
quantitativen Angaben sollen lediglich Tendenzen sichtbar machen und einen
Überblick über das Verhalten der linearen Regelkreise ermöglichen. Die Beschrän
kung auf den Fall, daß die Störgröße am Anfang der Strecke angreift, ist von dieser
Zielsetzung her gerechtfertigt; für einen anderen Störort läßt sich die grund
sätzliche Anderung der Ergebnisse leicht übersehen.
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2. Beschreibung stochastischer Funktionen
In diesem Abschnitt sollen nur kurz die verwendeten Begriffe zur Beschreibung der
stochastischen Funktionen erläutert werden. Im übrigen sei zur Einführung auf
die Literatur verwiesen [1], [2], [3]. Mehrere Lehrbücher der Regelungstechnik
enthalten eine knappe, auf die Regelungstechnik zugeschnittene Einführung in
dieses Gebiet [4], [5], [6].
Eine Funktion xC!) wird dann als stochastisch bezeichnet, wenn ihre Funktions
werte durch den Zufall bedingt sind. Sie läßt sich also nicht durch einen analy
tischen Ausdruck, sondern nur durch statistische Kennwerte beschreiben. In der
vorliegenden Arbeit werden im wesentlichen zwei Kennwerte benutzt; der eine
enthält eine Wahrscheinlichkeitsaussage über die vorkommenden Amplituden und
der zweite über die Frequenzverteilung der Funktion. Bei stationären stocha
stischen Funktionen, die wir im folgenden stets voraussetzen wollen, sind diese
Kennwerte nicht von dem Zeitintervall abhängig, in dem sie gemessen werden.
Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die stochastische Funktion ~(t) einen Wert an
nimmt, der kleiner als ein vorgegebener Wert x ist, bezeichnet man als Ver te i
lungsfunktion.
W(x) = W[~ :;;; x]
Sie ist für wachsende x immer eine wachsende Funktion und nimmt für x -+ 00
den Wert W(oo) = 1 an. Abb. 2.1 a zeigt den grundsätzlichen Verlauf. Die Wahr
scheinlichkeit, daß sich die Amplitude im Untervall Xl < ~ :;;; X2 befindet, ist
W [Xl < ~ :;;; X2] = W (X2) - W (Xl)
+
Betrachten wir ein Intervall zwischen X und X dx, so gilt entsprechend
W[x < ~ :;;; x + dx] = dW(x) = -d;W;;(;x-) dx
Den Wert dW(x) bezeichnet man als Verteilungs dichte w(x). Der Ausdruck
dx
w(x) dx ist also die Wahrscheinlichkeit dafür, daß die Amplitude im Bereich
+
zwischen x und x dx liegt. In Abb. 2.1 b ist die zur abgebildeten Verteilungs
funktion gehörige Verteilungsdichte angegeben. Zur Kennzeichnung der Ampli
tudenverteilung wird überwiegend die Verteilungsdichte w(x) benutzt. Am
Analogrechner läßt sich allerdings leichter die Verteilungsfunktion W (x) be
stimmen.
Die in der Regelungstechnik vorkommenden Störgrößen haben vorwiegend eine
Amplitudenverteilung, die man als Gauß-Verteilung bezeichnet. Ihre Verteilungs
dichte hat die Form
10
a)
b)
Abb. 2.1 Wahrscheinlichkeitsfunktion und Wahrscheinlichkeitsdichte
1 x'
w(x) = -,~==--- e 2X;
V2n Xe
V
wenn der lineare Mittelwert der Funktion x(t) gleich Null ist. Xe ist hierbei der
Effektivwert -V =- 1 JT
x2(t) = lim - x2(t) dt ,
T-+Oo T 0
der auch mit Hilfe der Beziehung V
l
-V x2(t) = x2w(x)dx
berechnet werden kann. Bei dieser Verteilungs art ist die Wahrscheinlichkeit, daß
die Amplitudenwerte im Bereich x = ± 3 Xe liegen gleich 0,9974; größere
Amplitudenwerte als der dreifache Effektivwert kommen also praktisch nicht vor.
Die stochastische Rechteckfunktion mit der konstanten Amplitude X, die in
3.223 beschrieben wird, hat eine Verteilungs dichte, die aus zwei 15-Funktionen
besteht (Abb. 2.2). Ihre Verteilungsfunktion W(x) ist eine zweistufige Treppen
funktion. j
I
a) Wt(x)
1
,O_
J~I----'~
-x +x -+x
I
't
I
b)
-x
Abb. 2.2 Wahrscheinlichkeitsfunktion und Wahrscheinlichkeitsdichte einer stocha
stischen Rechteckschwingung mit konstanter Amplitude
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Zur Kennzeichnung der Frequenzverteilung der Funktion x(t) dient die Lei
stungsdichte Sx(w). Sie ist definiert als
. 1
Sx(w) = 11m -laT(w)12
T~oo 2 T
wobei aT(w) die Fourier-Transformierte
1 +1T -iwt
aT(w) = ,j- XT(t) e dt
y2n -T
der Funktion
XT(t) = {oX (t) - T < t ~ + T
t<-T,t>+T
ist. Die Leistungsdichte läßt sich physikalisch folgendermaßen deuten. Ist x(t)
die Spannung an einem Widerstand von 1 (l, so ist Sx(w) dw die mittlere Leistung,
+
die in dem Widerstand im Frequenzintervall w ... w dw auftritt. Da die
Leistungsdichte eine gerade Funktion von w ist, kann man ihre Darstellung auf
positive Werte von w beschränken. Eine stochastische Funktion, deren Leistungs
dichte eine Konstante ist, bezeichnet man als »weißes Rauschen«. In Wirklichkeit
kann eine derartige Funktion nicht auftreten, da ihre Erzeugung mit einem un
endlich hohen Verbrauch an Energie verbunden wäre. Trotzdem erweist sich
dieser Begriff als nützlich, wenn eine Leistungsdichte in dem endlichen, uns inter
essierenden Frequenzbereich einen annähernd konstanten Wert besitzt.
Der quadratische Mittelwert von x(t) ergibt sich nach der obigen Definition als
das Integral über die Leistungsdichte zu (Theorem von Parseval)
Der Leistungsdichte entspricht im Zeitbereich die Autokorrelationsfunktion, die
wie folgt definiert ist:
1 1+T
f/Jx(r) = lim - x(t) x(t-r) dt.
T~oo2T_T
Autokorrelationsfunktion und Leistungsdichte sind durch die Fourier-Transfor
mation miteinander verbunden. Es ist
Sx(w) = -1 1+00 f/Jx(r) e- icH dr
n
-00
f/Jx(r) =-1 1+00 Sx(w)e iwr dw
2
-00
Wir wollen fast ausschließlich die Leistungsdichte verwenden, da sie sich für
unsere Zwecke besser eignet als die Korrelationsfunktion. Die Leistungsdichte
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der Ausgangsgröße eines linearen Übertragungssystems mit dem Frequenzgang
F(iw) ergibt sich nämlich aus der einfachen Beziehung
Sx(w) = [F(iw)[2 Sz(w) ,
während der entsprechende Zusammenhang zwischen den Korrelationsfunktionen
durch ein Faltungsintegral gegeben ist.
Abb. 2.3 Lineares Übertragungsglied
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