Table Of ContentMONOGRAPHIEN ADS DEM GESAMTGEBIETE DER NEUROLOGIE DND
PSYCHIATRIE
HERAUSGEGEBENVON
O. BUMKE . O. FOERSTER· E. RUDIN· H. SPATZ
HEFT 67
BEHANDLUNGUNDVERHUTUNG
DER
GEISTESKRANKHEITEN
ALLGEMEINE ERFAHRUNGEN
GRUNDSATZE·TECHNIK·BIOLOGIE
VON
PROFESSOR DR. CARL SCHNEIDER
DIREKTOR DER PSYCHIATRISCH·NEUROLOGISCHEN
UNIVERSITATSKLINIK IN HEIDELBERG
MIT 81 ABBILDUNGEN 1M TEXT
UND AUF 4 TAFELN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1939
ISBN 978-3-642-51787-7 ISBN 978-3-642-51827-0 (eBook)
DOI10.1007/978-3-642-51827-0
ALLE RECHTE. INSBESONDERE DAS DER tJBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN.
COPYRIGHT 1939 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN.
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1939
Vorwort.
Die vorliegende Arbeit war nach dem mir zuteil gewordenen Auft rag als
Handbuchbeitrag fiir den Erganzungsband des BUMKEschen Handbuchs gedacht.
Infolge seines Umfangs iiberschritt der Beitrag jedoch den Rahmen des Planes
fiir den Erganzungsband. Fiir diesen Fall hatten Herausgeber und Verlag die
Obernahme der Beitrage in die Monographiensammlung vorgesehen, besonders
dann, wenn in dem vorliegenden Beitrag im wesentlichen eine Neubearbeitung
des ganzen Gebietes vorgenommen war. Infolge dieser urspriinglichen Anlage
tragt die Monographie zu gleicher Zeit das Geprage eines Handbuchbeitrages,
besonders auch hinsichtIich des Schrifttums und der Zuriickhaltung bestimmter
subjektiver Grundeinstellungen des Verfassers.
Heidelberg, im April 1939.
CARL SCHNEIDER.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung . . . . . 1
Die Behandlung der Geisteskrankheiten.
A. Einfiihrung. . . 3
Schwierigkeiten im Ansatz psychiatrischer Therapie S. 3. - Metaphysische
Vorurteile und Nachwirkungen derselben S.4. - Gefahr kritiklosen Be
handelns S. 6. - Schwierigkeiten der Erfolgsbeurteilung S. 7. - Gefahr
der Stimmungsmache S.9. - Gefahr des rohen Empirismus S.lO.
Beziehungen zur Wandlung der Medizin im 19. Jahrhundert S.lO. -
Psychiatrische Therapie als Erfahrungswissenschaft S. 12.
B. Zur Gescbichte der psychiatrischen Heilverfahren 13
Abhangigkeit von weltanschaulichen Einfliissen S.13. - Einteilung in
Epochen S. 14.
Das Altertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Chemiatrische Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Behandlung der Psychosen mit groBen Camphergaben S.20.
Die sog. psychische oder moralische Behandlung der Geisteskranken 28
Erste Entwicklung der Arbeitstherapie S.31.
Ubergang zur abwartenden Behandlung . . . . . 38
Die abwartende Behandlungsform S.40.
Die fiirsorgerisch-pflegerische Epoche um 1900 . . 45
Die neue Zeit der aktiv- biologischen Behandlungsverfahren. 57
Schwierigkeiten der Erfolgsbeurteilung und Erfolgsvergleichung S. 61. -
Anforderungen an die Methodik der Erfolgsbeurteilung S. 64. - Bedeutung
biologisch ausgerichteter Krankheitsbegriffe S. 66. - Problematik der
sog. Friihbehandlung S. 67. - Die Problematik der sog. kausalen und
symptomatischen Therapie S.71. - Problematik der Erfolgsstatistik
S. 73. - Mogliche Einwande und ihre Widerlegung S. 76. - Die Pro
blematik des Individualisierens S.79.
Die Aufgabe der nachsten Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Die Bedeutung der Therapie fiir die nosologische Theorie S. 81. - Kon
stitutionsforschung und Therapie S. 83. - Typologie und Therapie S. 84. -
Erbbiologie und Therapie S. 87. - Pathophysiologie und Therapie S.88.
C. Die einzelnen Heilweisen und ihre Heilverfahren . . . . . . . . . . . . . . 91
I. Die (sogenannte) Arbeitstherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Beispiele arbeitstherapeutischen Vorgehens S.92. - Das Erfolgsproblem
in der Arbeitstherapie S. 102. - Die Deutung der Arbeitstherapie. Arbeits
therapie als FiirsorgemaBnahme S. 115. - Arbeitstherapie als Wirtschafts
maBnahme S. 117. - Wissenschaftliche Deutungen der Arbeitstherapie.
Die psychologische Deutung S. U8. - Kritik der psychologischen Deutung
S. 120. - Beispiele fUr die Arbeitstherapie bei schweren organischen Ver
wirrtheitszustanden S. 123. - Biologische Deutung und biologischer Ansatz
der Arbeitstherapie bei SIMON S. 125. - Biologische Deutung der Arbeits
therapie und Prozentziffer der beschaftigten Kranken S. 128. - Biologische
Deutung und die angeblichen gefahrlichen Auswirkungen der Arbeits
therapie S. 130. - Die biologische Begriindung der Arbeitstherapie bei
Inhaltsverzeichnis. v
Seite
XITSCHE S. 132. - Theoretische Grundlagen des wissenschaftlichen Aus
baues der sog. Arbeitstherapie S. 134. - [I. Die Bedeutung der Instinkt
reaktionen S. 134. - 2. Die Stellung des Tatigseins in der Biologie arbeits
therapeutischer Wirkungen S. 137. - 3. Die Bedeutung der biologischen
Verschiedenheiten einzelner seelischer Funktionen in der Arbeitstherapie
S. 139. - 4. Die Bedeutung sog. Symptomverbande in der Biologie der
Arbeitstherapie S. 141.] - Die Bedeutung dieser Lehre fUr Nosologie und
Therapie S. 144.
a) Die biologische Bedeutung des Umgangs mit den Geisteskranken .... 147
Anekdotische Erfahrungen und ihre Kritik S. 147. - Grundsatz der An
schaulichkeit S.152. - Entgegenkommen gegen einzelne pathologische
Funktionen S. 154. - Versperrung aller Ausweichmoglichkeiten S. 156. -
Empfanglichkeit der Kranken S. 157. - Bedeutung der Beschaftigung und
der Zahl der Behandlungs-und Pflegepersonen: "die psychologische Zange"
S. 159. - Einzelne Indikationen fiir Umgangsregeln S. 161. - Verschiedene
biologische ~Tirkung verschiedener Umgangsregeln S. 162 . .'-Einbeziehung
der Angehorigen S. 163. - Weitere Einzelregeln und ihre Verwendung:
Hypermetamorphose, Echolalie, Halluzinationen S. 164. - Die Wirkungs
wei sen S. 166. - Haltungen des Arztes S. 167. - Einzelanforderungen an
den Arzt S. 169. - Lebensordnung der geschlossenen Anstalt und Klinik
S. 171. - Gruppenbildung S. 172. - Tageseinteilung S. 173. - Ex
plorationsfiihrung S. 174. - Rhythmisierung des Tageslaufes S. 174. -
Turnen und Gymnastik S. 175. - Sorge fiir Abwechslung u. a. Die Frage
der Entlohnung S. 175.
b) Die Bekampfung asozialer und stiirender Auswirkungen der Geisteskrank-
heiten ............................... 177
I. Die Arbeitstherapie bei Erregungszustanden ............. 178
Angstliche Erregung S. 180. - Epileptische Ausnahmezustande S. 181. -
Schizophrene Erregungen S. 181.
2. Die krankhaften Augenblicksreaktionen . . . . . . . . 183
Die Frage der kurzfristigen Isolierung S. 184.
3. Die krankhaften Gewohnungen und Dauereinstellungen . 186
c) Zur Praxis der Arbeitstherapie. . . . . . . . . . . . . 189
Allgemeine Wirkungen und Voraussetzungen S. 189. - Arbeitsarten und
Arbeitsbeschaffung S.19I. - Anzeigen zum Verzicht auf Beschaftigung
S. 192. - Umformung des Werkvorganges S. 193. - Neue oder gewohnte
Tatigkeit? S. 193. - Geistige Arbeit S. 194. - Verengerung oder Er
weiterung der Arbeitssituation S. 194. - Die Bettbehandlung S. 198.
d) Die Beriicksichtigung der sog. Symptomverbande in der Arbeitstherapie . 199
Einwande und Widerlegung S. 199. - Beriicksichtigung der Symptomen
verbande in der Schizophrenie S. 200. - Vorgehen bei manisch-depressiven
Psychosen S. 205. - Das Vorgehen bei Amentia und seniler Demenz S. 207.
- Grenzen der Arbeitstherapie S. 210.
e) Die Verwendung der Arbeitstherapie zur Unterbrechung der antreibenden
Wechselwirkungen zwischen erkrankten Funktionen. . . . . . . .. 210
Die Zustandsbilder. und die therapeutische Alternative S.210. - Die
Formen der pathologischen \Vechselantriebe und die Begriindung des
therapeutischen Vorgehens S.212. - Die ungiinstigen Wirkungen der
Erregungen im Wechselantrieb S. 214. - Angst, Hunger und Ubermiidung
im Wechselantrieb mit psycho-pathologischen Symptomen S. 215. - Die
Wirkung der Arbeitstherapie und einzelne Regeln S. 216.
f) Die Bedeutung der Arbeitstherapie . . . . . . . . . . . . . . .. 218
II. Die biologische Umstimmung . . . . . . . . . . . . . . . .. 220
Hautreize S.220. - Moderne Umstimmungsmittel und allgemeine Er
fahrungen S. 221. - Umstimmungswirkungen der Malaria S. 223. - Er
gebnisse bei Psychosen. Theoretisches S. 224. - Allgemeine Wirkungen
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
anderer Umstimmungsverfahren: Pyrifer u. a. S. 226. - Milchpraparate u.ii.
S.231. - Umstimmungsbehandlung bei Schizophrenie S.233. - Die
Deutung der Verschiedenheiten in den Behandlungsergebnissen S. 234. -
[a) Die Bedeutung biologischer Rhythmen in der Umstimmungsbehandlung
S. 235. - b) Biologische Rhythmen in der Schizophrenie S. 236. - c) Be·
deutung der ailgemeinen Reaktionslage des Organismus. Zentrale Steuerung
der Reaktionslage S. 238. - d) Bedeutung einer (hypothetischen) Labilitiit
des Stoffwechselgleichgewichts S. 240.] - Das Problem der Heilanzeigen
fiir die Umstimmungsbehandlung S. 241. - BLUMES Faile S. 242. - Die
Falle MENNINGER VON LERCHENTHALS S. 243. - Die Deutung der Er·
fahrungen mit Hilfe der "Symptomverbandslehre" S.244.
III. Die Behandlung mit Arzneien ................... 248
a) Die Verwendung der Schlafmittel. Die Dauerschlafbehandlung ..... 248
Neue Schlafmittel S. 249. - Ausbleiben einer beruhigenden Dauerwirkung
der Schlafmittel bei Geisteskranken S. 249. - Schlafmittel als chemische
Zwangsjacke. Indikationen dafiir. Scopolamin S.250. - Allgemeine
Wirkung der Schlafmittel S. 251. - Bedeutung des Verzichtes auf Schlaf·
mittel S. 252. - Hirnstamm· und Gro.Bhirnmittel S. 253. - Anwendungs.
grundsatze S. 254. - Dauerschlaf S. 256. - Die Technik des Dauerschlafes
S. 256. - Komplikationen S. 259. - Indikationen S. 261. - Theorie der
Indikationsstellung. Die Bedeutung der "Symptomverbande" S. 262. -
Heilungsverlaufe bei erfolgreichem Dauerschlaf S. 264. - Nachbehandlung
S. 266. - Bedingungen des Erfolges oder Mi.Berfolges. Pathopsychologisches
und Pathophysiologisches S.266. - Zur Theorie der Dauerschlafwirkung
S.267.
b) Andere Arzneimittel. . . . 269
Vasomotorenbeein£lussung S.270.
IV. Die Diatbehandlung . . . . ............... . 271
Rohkost und Salzarmut S.272. - Wasserhaushalt S.272. - Vitamin·
zufuhr S.272.
V. Die Hormonbehandlung ............ . 274
VI. Die physikalischen Behandlungsverfahren .. . 275
Hydrotherapie S.275. - Kurzwellen u. a. S.276.
VII. Die Krampfbehandlung ............ . 278
Die Krampfmittel: Campher, Cardiazol, Azoman S.278.
a) Die Technik . . . . . . . . . . . . . . . . 282
b) Die Symptomatologie . . . . . . . . . . . . 284
c) Schwierigkeiten, Komplikationen und Todesfalle 288
d) Die Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . 291
Die Ergebnisse in ihren Beziehungen zu einzelnen Symptomen und Zu·
standsbildern S.294.
e) Die Heilungsverliiufe . . . . . . . . . 295
f) Die Pathopsychologie des Cardiazolanfalls 297
g) Die Pathophysiologie des Cardiazolanfalls 301
h) Die Theorien der Cardiazolwirkungen .. 310
i) Die Heilanzeigen fiir das Cardiazol . . . 313
VIII. Die Verwendungsformen des Insulins 323
a) Die Behandlung des Delirium tremens mit Insulin . 323
b) Die Morphiumentziehung mit Insulin ...... . 324
c) Mastkuren und Behandlung der Leber durch Insulin in der Psychiatrie 325
d) Die Sprengung der Nahrungsverweigerung durch Insulin . . . . . . . 326
e) Die Anwendung des hypoglykamischen Zustandes (Insulinshock) .... 326
1. Die Organisation der Insulinabteilung S. 327. - 2. Die Vorbereitung der
Kur S.330. - 3. Die Behandlung der Kranken vor der Kur S.331. -
4. Die Tcchnik der Insulinkur S. 332. - 5. Schwierigkeiten und Gefahren
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
wahrend der Kur S.347. [<X) Verletzungen S.347. - (J) Temperatur
erhOhungen S. 348. - y) Spontane Ausregulierungen S. 348. - ~) Organ
schaden S. 348. - 10) Nachshocks S. 349. - C) Verlangerte Komata S. 349.
- 1J) Epileptische Anfalle S. 352. - fJ) Sterblichkeit S. 354. - t) Sonstige
Komplikationen bei der Insulinbehandlung S. 356.] - 6. Erfolge S. 356.-
7. Der Heilungsverlauf S. 358. - Typen des Heilungsverlaufes S.359. -
Bedeutung der Symptomverbandlehre S. 363. - Bedeutung der Schwer
besinnlichkeit S. 363. - Bedeutung "extrapyramidaler" Symptome S. 364.
- Bedeutung der Gewichtskurve S. 365. - 8. Die Theorienbildung S. 366.
- Spontanhypoglykamie und Insulinshock S. 367. - Humorale Befunde
S. 369. - Histologische Befunde S. 376. - Die "psychologische Theorie"
und ihre Kritik S. 379. - Unterschiedliche Beeinflussung verschiedener
seelischer Funktionen durch den hypoglykamischen Zustand S.379. -
Unterschiede zwischen dem schizophrenen Erleben und dem Erleben im
hypoglykamischen Zustand S. 380. - Humoralpathologische Theorie
(DUSSIK) und ihre Kritik S.386. - Neuropatho-physiologische Theorie
(KUPPERS, v. ANGYALL) und ihre Kritik S.387. - 9. Die Heilanzeigen
S.389.
IX. Die Psychotherapie ......................... 390
Psychotherapie in der Rekonvaleszenz S. 390. - Unterschiede zwischen
Psychotherapie und Arbeitstherapie S. 392. - Psychotherapie und bio
logische Grundlagen der Rekonvaleszenzperiode S.393. - Biologisch
ausgerichtete Psychotherapie bei Psychopathien und Stiirungen des
sozialen Verhaltens S.394. - Abwehr von Mi.Bverstandnissen S.396.
X. Die Verbindung mehrerer Heilverfahren .............. 396
Allgemeine Erfahrungen S. 396. - Erfahrungen bei der Schizophrenie
S. 397. - Formen der Verbindung von Cardiazol- und Insulinbehandlung
S. 398. - Erfahrungen tiber die Indikationen S. 398. - Zur Theorie der
Kombinationen S.400. - Pathophysiologische Unterschiede der Heil
verfahren (besonders zwischen Cardiazol und Insulin) S. 402. - Bedeutung
der Lehre von den Symptomverbanden ftir die Theorie der Mittelkombina
tionen S.404. - Gefahr der Polypragmasie S.406.
XI. Behandlung und Betreuung der unheilbar Kranken ........ 407
Offene Ftirsorge S. 407. - Irrenarztliche Behandlung. Irrenpflege und
Volkswirtschaft S.410. - Arbeitstherapie in der Heil- und Pflegeanstalt
Wiesloch S. 411. - Die Stellung des Pflegepersonals S. 415. - Die Stel
lung des Anstaltsdirektors S.415.
XII. Schlu.Bbemerkungen ........................ 416
Die Verhiitung der Geistesstorungen.
I. Die Prophylaxe der exogenen Psychosen und die psychische Hygiene 421
II. Die Verhtitung der Weitergabe kranker Erbanlagen ........ 426
Gesetz zur Verhtitung erbkranken Nachwuchses S.426. - Schwachsinn
S.439. - Asozialitat S.441. - Einfache Dummheit S.444. - Schizo
phrenie S.448. - Manisch-depressives Irresein S.452. - Schwerer
Alkoholismus. Erblicher Veitstanz S.454. - Epilepsie S.456. - Un
zulangliche Einwande S. 472. - Gesetz zum Schutz der Erbgesundheit des
deutschen Volkes (Ehegesundheitsgesetz) S.475. - Die eugenische
Schwangerschaftsunterbrechung in der Psychiatrie S. 480.
"Nachtrag, betreffend Cardiazolbehandlung 483
Literaturverzeichnis . 485
N amen verzeichnis 508
Sachverzeichnis . . . 512
Einleitung.
"Aile Krankheiten im Leib, wie sie geboren werden, also
in der Arznei werden ir Cur auch geboren, und wiewol nun bisher
ein unmiigliche heilung dieser Krankheit gesetzt ist worden, so
ist das unser grundt auf den wir unser medizin sezen und uns
die experienz des angeben hat, darumb wir nicht hintersich
trachten, sondern zweierlei arznei [beschreiben], eine die do ist
auf irs gleichen corporalisch und eine die do ist uf irs gleichen
spiritualisch. "
(PARACELSUS, de aegritudinibus amentium, method II. Cap. I.)
Wenn nicht alle Zeichen triigen, so befindet sich die Lehre von den Geistes
storungen in einem entscheidenden Abschnitt ihrer Umbildungzu einer wahrhaft
exakten Naturwissenschaft. Die Bedeutung dieses Vorganges liegt darin, daB
in der Psychiatrie die dem Menschen eigentiimlichsten Lebensvorgange den
Gegenstand einer umfassenden Untersuchung bilden. Die Vollendung des Umbaus
der Psychiatrie schlieBt daher eine biologische Auffassung seelischer Tatsachen
in sich, die bislang zwar oft angestrebt, aber noch nicht gestaltet wurde, und
die sich gegeniiber den jahrhundertelang gefestigten unbiologischen Anschau
ungen noch nicht durchzusetzen vermochte.
Eingeleitet wurde der Umbau durch die Errungenschaften der Erbbiologie
und der Konstitutionsforschung im 20. Jahrhundert. In einen neuen Abschnitt
ist er eingetreten durch die eugenischen Aufgaben der Erbgesundheitsgesetz
gebung und die Inanspruchnahme biologischer Heilweisen bei den Geistes
storungen.
Wenn wir hier nach alter Gepflogenheit Verhiitung und Behandlung der
Geistesstorungen nebeneinander besprechen, so hat dies doch einen neuen Sinn
iiber die bloBe nochmalige Anwendung des alten Grundsatzes hinaus, daB Vor
beugung die beste Behandlung sei.
Denn der durch erfolgreiche Heilverfahren der Genesung zugefiihrte Geistes
kranke muB bei allen Erbleiden zum Gegenstand der Erbvorbeugung werden.
Aber mehr: Erbvorbeugung, Erbbiologie und Konstitutionsforschung breiten
eine Fiille von Tatsachen aus, deren Beriicksichtigung bei der Anwendung von
Heilverfahren im Einzelfalle unerlaBlich ist.
Umgekehrt erschlieBt der heilende Eingriff uns Zusammenhange des natiir
lichen Geschehens im menschlichen Organismus, welche auf anderem Wege
unzuganglich sind und daher die eingehendste Beriicksichtigung aller Fachzweige
der Heilkunde, besonders aber der einzelnen Forschungsrichtungen in der Psych
iatrie, verdienen.
Vorbeugung und Behandlung treten so ein aus dem bloB praktischen Verband
der Heilkunde in ihre gemeinsame und therapeutisch einheitliche wissenschaftliche
Schneider, Geisteskrankheiten. 1
2 Einleitung.
Grundlage. In diese wissenschaftlichen Grundlagen wird zugleich eine erb
biologisch untermauerte, konstitutionsbiologisch auseinandergefaltete und (im
weiteren Fortschreiten) rassenbiologische Lehre vom seelischen Gemeinschafts
leben der Menschen eingebaut werden mussen, welche als gesamtbiologisch aus
gerichtete Teilgrundlage der Psychiatrie an die Stelle der bisherigen unbiologisch
und geisteswissenschaftlich gesehenen soziologischen Auffassungen treten wird.
Hier hat die Lehre von der Behandlung seelischer Storungen einen unabdrang
baren Platz deswegen, wei! in ihr bestimmte Grunderscheinungen hervortreten,
die fUr die biologische Gesamtauffassung eines so individuellen Geschehens wie
das der Entfaltung seelischer geistiger Lebensvorgange aus den ursprunglichen
biologischen Anlagegegebenheiten unter den biologischen Wirkungen der Umwelt
unentbehrlich sind.
Verhutung und Behandlung geistiger Storungen bedingen sich so gegenseitig
nicht nur praktisch, sondern auch wissenschaftlich und sind mit ihrer Er
fahrung unentbehrlich fUr die biologische Gesamtauffassung des menschlichen
individuellen und allgemeinen Lebensgeschehens.
Wir besprechen hier nur die allgemeinen Erfahrungen. Die spezielle Be
handlung, welche vor aHem die Verbindung mehrerer Heilweisen verlangt, gehort
zur Darstellung der einzelnen Psychosen. Unsere Darstellung solI durch die
Herausarbeitung der fur die einzelnen Heilweisen gesicherten Erfahrungen deren
Verwendung und Verbindung bei den einzelnen Psychosen untermauern.
Die Behandlung
der Geisteskrankheiten.
A. Einfiihrung.
Schwierigkeiten im Ansatz psychiatrischer Therapie.
Die Psychiatrie bildet ein lebendiges und anschauliches Beispiel dafiir, wie
lange es unter der Vorherrschaft wissenschaftlicher und weItanschaulicher,
praktischer und theoretischer V orurteile dauert, bis sich die Heilkunde zu be
wahrten, jederzeit in ihrer Giite erprobbaren und der Vielgestaltigkeit der Einzel
falle geniigend angepaBten Heilverfahren durchringt. Erleben wir so, wie langsam
die Erfahrung fortschreitet, so sehen wir freilich auch gerade an der Geschichte
der psychiatrischen Heilweisen, wie die praktische Erfahrung der wissenschaft
lichen Deutung immer weit vorauseilt, wie gliickliche Kuren den Ansporn zur
Entwicklung von praktischen Grundsatzen fiir die Beeinflussung der Krankheits
vorgange abgeben, hinter welcher die wissenschaftliche Deutung der hierbei
sich abspielenden Naturvorgange und damit die Erringung wissenschaftlich
gesicherter Behandlungsgrundsatze langsam herhinkt.
Die Psychiatrie ist eine Wissenschaft, in welcher die Praxis und die Forschung
noch bin in unsere Zeit von solchen weltanschaulichen Voraussetzungen teils
offen, teils verhiiIlt bestimmt oder mitbestimmt wurden, welche in anderen
Wissenschaftszweigen langst als iiberwunden gelten konnten. So konnte eine
einheitliche Lehre von der Behandlung der Geistesstorungen sich auch nicht
oder nur als roheste Erfahrungssammlung entwickeln.
Wir sehen, daB bis in unsere Zeit die gleichen Heilweisen der Geisteskrank
heiten bald auftauchen, bald der Vergessenheit verfaIlen, um nach einiger Zeit
wieder entdeckt und mit derselben Begeisterung wie einst verfochten zu werden,
bis man sie dann wieder einmal als ungeniigend beiseite tut. Seit den Zeiten
der alten humoralpathologischen Ableitungsbehandlung bis zur neuesten ASCH
NERschen sog. Konstitutionstherapie, in welcher die Ableitung auf den Darm,
die Vesikatorien und der FixationsabsceB auch fiir die Psychiatrie ihre Wieder
erstehung feierten, begegnen wir in der Psychiatrie einem fortwahrenden Schwan
ken der Heilweisen. EinschlieBlich der modernen Shockbehandlung, der Arbeits
therapie und der Diatkuren haben aIle unsere Heilverfahren nicht nur ihre Vor
laufer vor einigen Jahrhunderten oder Jahrtausenden gehabt, sondern sie sind
sogar oft in einer unserer Zeit genau entsprechenden Art und Weise gehandhabt
und beurteilt worden.
Wie bedauerlich ist es, daB unter der vorherrschenden Meinung von der un
vorstellbaren Verschiedenheit der seelischen und leiblichen Lebenserscheinungen
1*