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URBAN &: FISCHER
ELSEVIER
München Jena
URBA_N & FISCHER 0
Zuschriften und Kritik an:
Eisevier Lektorat Ivledizinstudium, Karlstraße 45, 80333 München
Liebe Smdeminnen, liebe Smdemen! aneig.l1et, kann oft seinen Patiemen durch frühere Diagnose
Wichtiger Hinweis für den Benutzer
steIlung und Überweisung an einen Spezialisten große
Die Erkennmisse in der Medizin umerliegen laufendem iNandei durch und klinische und Autoren dieses Wer-
Die Psychiatrie hatte und hat immer noch eine schwierige Dienste leisten. Umgekehrt sollten z. B. in der Onkologie
kes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk gemachten therapeutischen Angaben hinsichtlich Indikation, Dosie-
rung und unerwünschter dem derzeitigen vVissensstand entsprechen. Das entbinder den Nutzer dieses Werkes aber nicht von der Ver Stellung in Medizin und Gesellschaft. Bis heute 'Nerden die schwerstkranken Patienten auch von psychischer Seite
pflichtung, anhand der Beipacv,zettel zu verschreibender Präparate zu überprüfen, ob die don i\.ngaben von denen in diesem Buch psychiatrische Patienten gesellschaftlich stigmatisiert. Des betreut werden, um ihnen eine ganzheitliche Therapie zu
abweichen. und seine Verordnung in eigener zu treffen. halb fällt es vielen Menschen schwer, ein solches Leiden an ermöglichen.
sich selbst zu erkennen oder zu akzeptieren. Sehr häufig
werden von den Betroffenen die Ursachen ihrer Erkrankung Dieses Buch aus der BASICS-Reihe soll also einen Überblick
in einer körperlichen Störung oder im sozialen Umfeld über dieses sehr vielseitige Fach bieten, ohne ausführlichere
gesucht. In der Bevölkerung wird die Institution "Psychia Lehrbücher ersetzen zu wollen. Die Themen 'Nerden groß
trie" oft primär mit der Angst vor ZwangsLherapie und Ent teils auf einer oder zwei Doppelseiten abgehandelt, so dass
mündigung verbunden. Auch die durchaus berechtigte ein schneller Einstieg in die einzelnen Bereiche ermöglicht
Furcht, schief angesehen oder für "verrückt" erldärt zu \;vird. Ergänzt ""verden die Idar strukmrierten Inhalte durch
'Nerden, wenn man einen Psychiater aufsucht oder gar in zahlreiche Tabellen und Abbildungen. Um den klinischen
der Klinik ("Klapse") gewesen ist, fixiert den der Psychiatrie Bezug herzustellen und auf Probleme bei der Diagnose
anhaftenden Ruf. steIlung oder Umerscheidung zwischen körperlicher oder
psychischer Störung hinzuweisen, dienen die Fallbeispiele
In der Medizin wird die Psychiatrie oft als "Psychofach" am Ende des Buches.
abgetan, das ausschließlich dem Interessierten vorbehalten
ist. Dabei wird übersehen, dass viele Erkrankungen psy Mein besonderer Dank gilt Dr. Florian Pilger, der mir nicht
chisch bedingt sind oder zumindest psychische Komponen nur aber besonders bei fachlichen Aspekten eine große Hilfe
ten haben, die auch berücksichtigt werden müssen. Sowohl war. Des Weiteren danke ich meiner Lektorin Dagmar Rei
für die Lebensqualität des Patienten als auch für seine Hei che (Sprachquadrat) und meiner Betreuerin vom Elsevier,
lung ist es wichtig, den seelischen Aspekt nicht zu vernach Urban & Fischer Verlag Willi Haas für die große Geduld und
lässigen. So konnte z.B. gezeigt werden, dass somatische Unterstützung in jeglicher Hinsicht. Für viele hilfreiche Rat
Erkrankungen besser und effektiver geheilt werden konnten, schläge (nicht nur) in studentischer Hinsicht danke ich Claas
wenn die psychische Betreuung adäquat war. Bartram und meinen Eltern, weil sie immer himer mir stan
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Imernet Bis zu 30% der Patienten einer Allgemeinarztpraxis leiden den und mich umerstützten.
umer http://dnb_d-nb.de abrufDar. an psychischen Erkrankungen. Das Fach der Psychiatrie ist
weit gefächert. Dazu gehören nicht nur die bekanme Schi Ich hoffe, die Studenten im klinischen Abschnitt mit die
zophrenie oder die Depression, sondern es geht auch um sem Buch unterstützen zu können und sie für das Fach und
Alle Rechte vorbehalten Abhängigkeiten von verschiedensten Substanzen, um Schlaf dessen Bedeutung ein wenig zu gewinnen.
1. Aut1age April 2006
oder Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen und anderes. Viel Spaß damit!
© Elsevier GmbH, München
Im Gegensatz zur allgemein vorherrschenden Meinung ist
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprim der Elsevier GmbH.
die Psychiatrie also Teil eines jeden Fachgebietes in der München, im Winter 2005
06 07 08 09 10 5 4 3 2 o Medizin. Derjenige, der sich darin zeitig Grundkenntnisse Eva Wunn
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Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist
ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfciltigungen, Übersetzungen, lvlikroverfilmungen und die Ein
speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Programmleitung: Dr. Dorotl1ea Hennessen
Lektorat: Willi Haas
Redaktion: Dagrnar Reiche
Herstellung: Christine Jehl, Rainald SC!1\varz
Satz: Kösel, Krugzell
Druck und Bindung: MKT-Prim
Covergestaltung: Spieszdesigr1, Büro für Gestaltung, Neu-Ulm
Bildquelle: © DigitalVlsioniGettylmages, München
Gedruckt auf 1000 g Nopacoat Edition 1,1 fach Volumen
Printed in Slovenia
ISBN 978-3-437-42226-3
Aktuelle Informationen fLnden Sie Lm Internet unter wv.lw.elsevier.de und irvvi\"1.elsevier.col11
It
A., Aa. Arteria, Aneriae Mio. Millionen
2-21 Persönlichkeitsstörungen i\bb. Abbildung MMS Mini Mental State
und Verhaltensauffälligkeiten 48-57 Abk. _Abkürzung MNS malignes neuroleptisches Syndrom
2-9 Persönlichkeitsstörungen I ................... . 48 AD Antid epressiva Mrd. Milliarden
Einführung und Anamneseerhebung ............ . 2 Persönlichkeitsstörungen II ................... . 50 ADHS Aufm er ksamkei tsdefizi t -Hy perakti vi tä IS- MRT Magnetresonanztomographie/-gramm
SY11drom
Psychopathologischer Befund ................. . 4 I Essstörungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . 52 ÄtioI. Ätiologie Nc!., Ncll. Nudeus, Nudei
Klassifikation und Epidemiologie .............. . 6 I Schlafstörungen J .......................... . 54 AV-Block atrioventrikulärer Block NL Neuroleptika
Diagnostik in der Psychiarrie .................. . 8 Schlafstörungen i! ......................... . 56 NW Nebenwirkung
Benzos Benzodiazepine
Therapie 10-21 Abhängigkeit ........................... . 58-63 BMI Body-Mass-Index o.g. oben genannt
Psychotherapie I .......................... . 10 l\lkoholabhängigkeit I ....................... . 58 bzw. bezieh ungsweise PET Po si tronenemissionstomographie/-gramm
Psychotherapie II .......................... . 12 111 Alkoholabhängigkeit II ...................... . 60 Ph. Phase
Psychotherapie III ......................... . 14 I Drogenabhängigkeit ........................ . 62 ca. zirka (ungefähr) pos. positiv
CJK Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Psychopharmaka I ......................... . 16 Progn. Prognose
Kinder- und Jugendpsychiatrie .......... . 64-69 CT Computertomographie/-gramm
Psychopharmaka II ......................... . 18 Prophy!. Prophylaxe
Psychopharmaka III ........................ . 20 Iil Kinder- und ]ugendpsychiarrie I ................ . 64 PS Persönüchkeitsstörung
DD Differentialdiagnose
111 Kinder- und ]ugendpsychiarrie II ............... . 66 PTBS posttraumatische Belasrungsstörung
d.h. das heißt
B Spezieller Teil ....................... . 22-81 I Mentale Retardierung ....................... . 68
reI. relativ
EEG Elektroenzephalographie/-gramm RLS Restless-Legs-Syndrom
Affektive Störungen .................... . 24-29 Gerontopsychiatrie ..................... . 70-73 EKT Elektrokrampftl1erapie
111 Affektive Störungen I ...................... . 24 I Gerontopsychiarrie I ........................ . 70 EOG Elektrookulogramm s. siehe
EPMS extrapyramidal-motorische Störungen s.a. siehe auch
111 At'fektive Störungen II ...................... . 26 I Gerontopsychiatrie II ....................... . 72
ete. et cetera SAS Schlafapnoesyndrom
11 Affektive Störungen III ...................... . 28
Spezielle Themen ....................... . 74-81 evtl. eventuell s. c. subkutan
SLE systemischer Lupus erytl1ematodes
Schizophrene Psychosen ............... . 30-35 I Psychiarrische Notfälle _. .................... . 74 GABA Gammaaminobuttersäure SNRI selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahme-
111 Schizophrenie I ........................... . 30 IIlSexualstörungen .......................... . 76 ges. gesamt hemmer
Iil Schizophrenie II ........................... . 32 I Psychiarrische Krankheitsbilder in Neurologie ggf. gegebenenfalls s.o. siehe oben
I Schizophrenie III .. ........................ . 34 und Innerer Medizin ....................... . 78 Ggs. Gegensatz sog. so genannt
I Forensische Psychiarrie ...................... . 80 GI(-)T(rakt) Gastrointestinaltrakt SPECT Single-Photon-Emissionscomputer-
GT Gesprächstl1erapie tomographie/-gramm
Neurotische Störungen ................. . 36-47
......................... . 82-91 SSRI selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-
I Angststörungen I .......................... . 36 ';"IHV~"''''''''~''"' HIV human immunodeficiency virus hemmer
111 Angststörungen II ......................... . 38 Fall 1: Suizidalität 84 HOPS hirn organisches Psychosyndrom STH somatotropes Hormon
111 Zwangsstörungen .......................... . 40 Fall 2: Schizophrenie ....................... . 86 s. u. siehe unten
I Somatoforme Störungen ..................... . 42 Fall 3: Essstörung .......................... . 88 LA. im Allgemeinen Syn. Synonym
111 Belastungs- und Anpassungsstörungen ........... . 44 Fall 4: Somatoforme Störung .................. . 90 i. a. intraarteriell
Iil Dissoziative Störungen ...................... . 46 Lm. in tram uskulär Tab. Tabelle
92-96 lnd. Indikation Ther. Therapie
inkl. inklusive
u.a. unter anderem
E 97-104 insbes. insbesondere
u.Ä. und Ähnliches
insges. insgesamt
u.U. unter Umständen
IPT interpersonelle Psychotherapie
u.v.a. und viele andere
Lv. intravenös
v., Vv. Vena, Venae
KH Krank.heit
v.a. Verdacht auf
KHK koronare Herzkrankheit
v.a. vor allem
Klassifik. Klassifikation
vgl. vergleiche
Komp!. Komplikationen
VT Verhaltenstherapie
Kontraind. Kontraindil<:ation( en)
WHO World Healili Organisation
L] Lebensjahr WS Wirbelsäule
Y.'
;: Mm. Musculus, Musculi z.B. zum Beispiel
MAO-Hemmer Monoaminooxidasehemmer ZNS Zentralnervensystem
~ Min. Minuten z. T. zum Teil
~ mind. mindestens zzt. zur Zeit
'./
f
:f>
~:y';<:
L
Grundl n
2 3
ist psychiatrisches den über seine Probleme zu sprechen und offene Fragen stellen.
Medikamentenanamnese
Auch sollte man keinen falschen Ehrgeiz enliNickeln, schon Überprüfen der Kraft, des Muskeltonus, fv1uske!atrophien (Hypotonie,
Die aktuelle Medikation ebenso ivie relevante frühere Ivledi
im Erslgespräch alle relevanten Fakten zu erfal1ren und damit Rigorr Spastik, Paresen?), Deformitäten an Vv'irbelsäule, einzelnen
kamente sollten in Dosierung, Frequenz und Dauer der Ein
Gelenken oder Extremitäten? Absinktendenz im Vorhalteversuch?
Das Feld der Psychiatrie ist weit. Etwa 30 % der Patienten das Gespräch zu sehr zu strukturieren.
nahme erfragt 'Nerden. Auch Phytotherapemika oder homöo
einer Allgemeinarztpraxis haben psychische Erkrankungen. Am Ende eines Gesprächs (und das beuifft nicht nur das Erst Sensibilität Berührungs-. Schmerz-, Vibrations-, !emperaturemDfinden? Auf
pathische Mittel sind dabei von Interesse. Wichtig ist es beiden Selten gleich? Hypästhesie? Parästhesie? Hypalgesie?
Zu den Häufigsten zählen die Depression, die Angster gespräch] sollte eine Zusammenfassung erarbeitet werden;
auch zu erfahren, ob somatische Krankheiten bestehen, die Nervendennungsschmerzen? Pos. Lasegue? Zahlen werden. auf die
krankung und der Alkoholismus. Nur wenige psychische außerdem sollten diagnostische oder therapeutische Schritte, Haut geschrieben, erkannt? "
medikamentös behandelt werden, da es multiple Wechsel
Störungen werden auch als solche erkannt. Oft präsentieren die sich aus dem Gespräch ergeben, erläutert werden. wirkungen mit Psychopharmaka gibt und so z. B. ein Antide Reflexe Eigenreflexe seitengleich auslösbar? Hyper-jHypo-l Areflexie? Bauch
sich vorwiegend somatische Sympwme. Sowohl bei der De Es ist sinnvoll, den Patienten darauf hinzuweisen, dass alle an hautreflex? Pathologische Reflexe (pos. Babinski?)
pressivum nicht die gewünschte Wirkung erzielen könnte.
pression als auch bei der Angslslörung oder den somatoformen seiner Behandlung beteiligten Personen an die Schweige Vegetativum Aussch8idungsfunktionen intakt? Genitalfunktion intakt? Libido?
Störungen gibt es Ausprägungen, bei denen fast ausschließlich pflicht gebunden sind. Koordination Diadochokinese? Feinmotorik? Tremor? Stand-jGangbild. über-
Suchtanamnese
körperliche Sympwme im Vordergrund stehen. Aufvvändige schießende Bewegungen? Finger-Nasa-Versuch? - '
Dazu gehören Gepflogenheiten wie Alkohol-, Nikotin- und
und vielseitige diagnostische Bestrebungen, dem vermeint Aktuelle I(rankheitsgeschichte Tab. 1) Sprache/ Spontansprache, Nachsprechen, Benennen?
Drogenkonsum. Wichtig ist es auch, die Regelmäßigkeit und
lichen körperlichen Leiden auf die Spur zu kommen, schlagen Zu Beginn der Anamnese sollte man sich auf die aktuell be Verständnis
Menge des Konsums zu erfragen.
fehl. Hinzu kommt, dass dadurch der Glaube des Patienten stehende Symptomatik konzentrieren. Dauer und Intensität, Hirnnerven
tatsächlich an einer somatischen Erkrankung zu leiden, sozu Auslöser und Umstände, die die Symptomatik lindern, Geruchssinn intakt? Anosmie?
Familien- und Sozialanamnese
sagen bestätigt und damit fixiert wird. Hier soll darauf hinge müssen erfragt werden. Dabei ist es auch wichtig, nach Die Familienanamnese ist unentbehrlich, da viele psychiatri Visus? Gesichtsfeld? Augenhintergrund?
wiesen werden, dass alle diese psychisch Erkrankten inklusive Schlafstörungen, Appetit und Schmerzen zu fragen.
sche Erkrankungen (z. B. Depressionen, Schizophrenie) auch 111, IV, VI Isokore Pupillen? Prompte Reaktion auf Lichteinfall? Augenmuskel
des Hypochonders tatsächlich unter ihren körperlichen oder Blickparese?
eine genetische Komponente besitzen.
Beschwerden leiden. Lediglich für den Simulanten trifft dies Das soziale Umfeld bzw. die soziale Einbettung des Patienten V GesichtssensibiJität seitengleich regelrecht? Kaumuskulatur intakt?
nicht zu - er versucht, sein Umfeld zu täuschen (doch auch Masseterreilex? Nervenaustrittspunkte schmerzhaft?
ist oft bedeutsam: Die Art der Unterkunft, das familiäre Um
dies hat Krankheitswert! ). Wenn auch mannigfaltige Unter VII Mimische und willkürliche Gesichtsmuskulatur intakt?
feld, die Stellung des Patienten in der Gesellschaft sowie seine
suchungen kein organisches Korrelat als Beweis einer Erkran Psychische und somatische Vorgeschichte finanzielle Situation sollten eruiert werden. VIII Gehör beidseits?
kung liefern und so evil. erst nach langer Zeit die Diagnose Der Therapeut sollte (mit Hilfe einer evtL schon bestehenden IX,X Würgereflex intakt? Gaumensegel seitengleich? Uvula mittelständig?
eines zugrunde liegenden psychischen Leidens gestellt wird, Patientenakte oder mit dem Patienten selbst) alle zurück
Fremdanamnese XI Funktion Mm. trapezius und sternocleidomastoideus intakt?
ist es sehr schwierig, den Patienten für diese Sicht der Dinge liegenden Krankheitsepisoden mit Dauer, Symptomatik und
Bei vielen Syndromen, bei denen der Patient z. B. nicht XII Zunge beim Herausstrecken seitengleich? Abweichungen?
zu gewinnen. Er fühlt sich nicht selten stigmatisiert und nicht medikamentöser Therapie erarbeiten. Ganz wichtig für die
krankheitseinsichtig ist, hilft es, die Familie oder das nahe so Faszikulieren?
mehr ernst genommen. So ist auch das häufig zu beobach Entscheidung, ob ein Patient stationär aufgenommen werden
ziale Umfeld zu befragen, um die Schwere und das Ausmaß
tende "doctor shopping" zu erklären. Das Vertrauensverhält muss, sind Fragen nach Selbstverletzung oder Suizidalität. Tab. 2: Übersicht über eine orientierende neurologische Untersuchung
der Krankheit zu erkennen und eine möglichst objektive Mei (mögliche pathologische Befunde "fett" ausgezeichnet).
nis ist gestört, die Patienten wechseln den Arzt. Auch körperliche Erkrankungen, Operationen und frühere
nung zu erhalten. Hilfreich können auch Informationen vom
In der Psychiatrie werden psychische und körperliche Fakto stationäre Aufenthalte werden erfragt.
Hausarzt sein. Zudem kann die Miteinbeziehung der Familie
ren für die Entstehung einer Erkrankung gleichermaßen be
in die Diagnostik (und ggf. auch die Therapie) eine Voraus
rücksichtigt. Damit spielt sie in jedem Fachgebiet eine große
setzung für eine bessere Akzeptanz einer psychischen Erkran Zusammenfassung
Rolle. So entstehen z. B. depressive Episoden oft im Rahmen
kung sein und z. B. auch für eine bessere Compliance bei der
Die Psychiatrie ist ein weites und wichtiges Feld in
schwerer körperlicher Leiden, z. B. nach der Diagnose
Medikamenteneinnahme sorgen. Zu beachten ist die Schwei
"Krebs". Hier ist es besonders wichtig, den Betroffenen adä der Medizin. Sie als reines "Psychofach" abzutun
gepflicht!
quate Hilfe anzubieten und einen Spezialisten hinzuzuziehen, '* wäre falsch und würde den Bedürfnissen vieler
denn die "Gesundheit der Seele" bedeutet schließlich auch Aktuelle Entwicklung der aktuellen Beschwerden und Symptome
Krankheitsanamnese Schweigepflicht Patienten nicht gerecht werden.
Lebensqualität. Subjektive Gewichtung der Symptome, Beurteilung und
Erleben der Erkrankung In der Psychiatrie hat das Erstgespräch als vertrau
[n der Psychiatrie kommt der Schweigepflicht eine besondere
Anamnese Auslösefaktoren, die insbes. folgende Problemfelder Bedeutung zu, da die Gefahr einer Stigmatisierung durch ensbildende Basis einen besonderen Stellenwert.
betreffen:
Persönliche Bindungen, Beziehungen, Familie Außenstehende, auch Familienangehörige, groß ist. Die Erschwert wird der Arzt-Patienten-Kontakt bei nicht
Das Erstgespräch Berufsprobleme, Lernschwierigkeiten psychiatrische Behandlung ist daher für den Patienten nicht
eigen motivierten Patienten. Außerdem kämpft der
Von besonderer Bedeutung ist der Erstkontakt nicht zuletzt Soziokultureller Hintergrund
selten mit Schamgefühlen verbunden. Es ist oft sinnvoll, den
deshalb, weil manche Patienten sehr ängstlich, unsicher, Bisherige psychopharmakologische, psychotherapeuti Patienten zu Beginn einer Therapie nochmals explizit auf die Betroffene gegen eine Stigmatisierung, die im Zu
misstrauisch oder ablehnend einer Begegnung mit dem Psy sche oder andere Behandlungsversuche? Erfolg?
bestehende Schweigepflicht seitens des Therapeuten hinzu sammenhang mit psychischen Erkrankungen oder
chiater gegenüberstehen. Oft steht dies auch in Zusammen Therapiemotivation, ErNartung an die Behandlung,
weisen. Nur der Patient selber kann den Arzt von der Schwei Psychotherapie enorm ist. Besonders ,in der Psychia
hang mit der Frage, ob ein Patient aus eigener Entscheidung Krankheitseinsicht?
gepflicht entbinden (s, a. Forensik, S. 81).
Rat sucht oder fremdmotiviert in eine Praxis/Klinik kommt. Komplikationen wie: delinquentes Verhalten? trie gilt besondere Achtsamkeit den nicht ausge
Selbst-jFremdverletzungjGefährdung? Abusus
Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ist sowohl für sprochenen Worten und den zwischenmenschlichen
psychotroper Substanzen? Untersuchung
die Compliance - also das Einhalten gewisser Behandlungs
Frühere Erkrankungen Psychisch Beziehungen. Trotz allem muss sich der Therapeut an
regeln so\:v:ie eine verlässliche Medikamenteneinnahme - als
Somatisch Eine orientierende körperliche und v. a. neurologische Unter
auch für die weitere Betreuung und den Erfolg einer Therapie gewisse objektivierbare Strukturen halten, ohne die
Diagnosen, Verlauf und Art der Erkrankung suchung schließt sich jedem Erstgespräch bzw. jeder Neuauf
wichtig. Deshalb sollte der Patient im Erstgespräch erfahren, eine Diagnose und ein Therapieplan nicht möglich
Psychosoziale KonSeqUenzen nahme an. Da differentialdiagnostisch v.a. körperliche Erkran
dass der Arzt auf ihn eingeht, ihn ernst nimmt und nicht
kungen ausgeschlossen werden müssen, ist die Überprüfung sind.
be-oder verurteilt. Der Arzt sollte dem Patienten Zeit geben, Tab. 1: Inhalt der Krankenanamnese.
des neurologischen Systems unabdingbar Tab. 2).
Grundl
4 5
r
variieren. Im VVahnverlauf unterscheidet man fol PaIiem nimmt beim Spazierengehen einen Baumstamm als
Bei der Erhebung des psychopathologischen Befundes wird Orientierungsstörungen
gende STadien: Wahnstimmung -7 manifester Wahn -7 Menschen
versucht, das Krankheitsbild zu beschreiben und verschiede
Resid ualivahn.
ne psychische Dimensionen zu charakterisieren, ohne aber Unterschieden werden die Orientierung zur eigenen Person
eine direkte Verknüpfung zu Ätiologie oder Pathogenese her (Name, Geburtsdatum, Vorgeschichte), zum Ort (Kranken unterscheidet folgende Wahnformen: Ich-Störungen (s. S. 31)
Wahnstimmung: Der Patient hat das Gefühl, dass ervvas
zustellen. haus, Station, Wohnort), zur Zeit (Datum, Monat, Jahr) und
"vor sich geht". Darunter versteht man die Störung der Integrität der eigenen
zur Situation (Untersuchungssituation, Klinik, zu Hause).
Vvalmwahrnehmung: Reale Sinneswahrnehmungen aus der Person. Die eigene Persönlichkeit kann nicht mehr gegen die
Äußeres Auftreten
Umvvelt erhalten eine abnorme Bedeutung, die von außen Umwelt oder andere Personen abgegrenzt werden, bZ\iIf. die
Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen
nicht nachvollziehbar ist. Beispiel: Der Patient berichtet, dass Grenzen zwischen Ich und Umwelt verschwimmen. Bei
Wichtig dabei sind u. a. das gesamte Erscheinungsbild, die
alle Ampeln für ihn auf "Grün" geschaltet sind. spiele:
Kleidung, Gestik, Mimik und die Körperpflege. Aufmerksamkeit und Konzentration lassen sich z. B.
Wahneinfall: plötzliches Auftauchen von wahnhaften Über· Depersonalisation und Derealisation (sog. Entfremdungs
durch Rechenaufgaben (von 100 fortlaufend 7 abziehen) oder
zeugungen in der Vorstellungs\A/elt ohne Sinneswahrnehmung. erlebnisse I
das Buchstabierenlassen von Wörtern testen.
Verhalten
Gedankenausbreitung, -entzug, -eingebung
Das Kurzeitgedächtnis lässt sich überprüfen, indem man
Häufige Wahnthemen sind:
Wie verhält sich der Patient in der Untersuchungssituation? drei Begriffe, wie z. B. Ei, Baum, Auto vorspricht und diese
Verfolgungswahn (welcher den häufigsten Wahn darstellt) Affektstörungen (s. Affektive Störungen, S. 24)
Ist er beispielsweise ablehnend oder misstrauisch, aggressiv gleich und nach einigen Minuten reproduzieren lässt. Auch
Beziehungswahn: Der Patient bezieht Vorgänge, die um
oder eher zurückhaltend? Wirkt er kooperativ? Gibt es Hin das Langzeitgedächtnis sollte mit Fragen über die eigene
ihn herum geschehen, auf sich; er sieht sich in Beziehung Bei der Anamnese und Untersuchung ist auf einen gedrück
weise auf ein Akzeptieren der Krankheit? Auch ist es wichtig Kindheit o. Ä. geprüft werden.
stehen zu einigen oder auch vielen Geschehnissen. ten Affekt (wie bei depressiven Episoden) zu achten sowie auf
zu berücksichtigen, wie sich der Patiem ausdrückt und ob er
Größenwahn: Hier geht es um Themen wie Macht, hohe eine gehobene Stimmung (wie sie bei einer Manie vor
sich über seine Krankheit bereits informiert hat. Denkstörungen (s. Schizophrenie, S. 31)
Abstammung oder als Sonderform den religiösen Wahn: Der kommt). Weitere Beispiele von Begrifflichkeiten zur Beschrei
Patient ist z. B. Jünger Christi, kommuniziert mit Gott oder ist bung eines (pathologisch) veränderten Gemütszustandes sind:
Bewusstseinsstörungen Formale Denkstörungen
der zukünftige Bundeskanzler. Ratlosigkeit, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Affektarmutl
Diese betreffen Störungen des Denkablaufs. Man unter
Verarmungswahn: Die Betroffenen sind überzeugt, dass -starre
Unterschieden werden quantitative und qualitative Be scheidet:
sie schon in naher Zukunft alles verlieren werden und ihre Euphorie, gesteigertes Selbstwertgefühl, Gereiztheit oder
wusstseinsstörungen Abb. 1, Tab. 1). Beispiele für quali Denkverlangsamung, Denkhemmung
Familie in eine desolate finanzielle Situation abrutschen wird Aggressivität
tative Bewusstseinseinschränkungen sind: Gedankensperren und Gedankenabreißen, d.h., der Patient
(z. B. als Symptom bei depressiven Störungen). Parathymie: Gefühl und Situation passen nicht zusammen
Delir (z. B. Alkoholentzugsdelir), bei dem das Bewusstsein verliert mitten im Gespräch den Faden oder hat das Gefühl,
VersÜl1digungswahn: Hier geht es um die Überzeugung, (Patient erzählt lachend vom Tod seiner Mutter).
in erheblichem Maße durch Orientierungs-, Gedächtnis- und dass seine Gedanken "gesperrt" sind
durch das eigene Handeln Schuld auf sich zu laden (auch ty Wichtig ist auch, sich nach zirkadianen Besonderheiten zu
Auffassungsstörungen beeinträchtigt ist Eingeengtes Denken, Grübeln, Perseveration, Haften (es
pisch im Rahmen von Depressionen). erkundigen, z. B. nach Morgen- oder Abendtief.
Dämmerzustand, z. B. postiktal (= nach einem Krampf wird über die immer gleiche Thematik nachgedacht und ge
anfall): Bewusstseinseinengung (d.h., das Wahrnehmen ist grübelt, ohne dass andere Inhalte zugelassen werden können)
Zwänge (s. Zwangsstörungen, S. 40) Antriebsstörungen und Psychomotorik
auf bestimmte Themen eingeengt) oder Bewusstseinsver Umständliches, zerfahrenes ("Wortsalat", kein Zusammen
Man unterscheidet Zwangsgedanken von Zwangshand
schiebung (Farben werden hier z. B. intensiver gesehen oder hang erkennbar) und inkohärentes (Zusammenhang gelo
lungen. Häufige Zwangshandlungen sind: Antriebsarmut, Passivität
Musik lauter gehört) ckert, sehr sprunghaft) Denken: Der Patient hat Schwierigkei
Waschzwang Gesteigerte Motorik, Logorrhö
ten, seine Gedanken klar und verständlich zu äußern. Er
Kontrollzwang Mutismus: wortkarg bis Versiegen der Sprache
Unter quantitativen Bewusstseinsstörungen versteht man kann sich nicht logisch geordnet äußern.
Putzzwang Logorrhö: verstärkter Redefluss
eine Bewusstseinsminderung als Störung der Vigilanz, die in Ideenflucht: Dabei geht die Fähigkeit verloren, das Denken
Stupor: schwere Antriebshemmung bis zur völligen Re
verschiedene Grade eingeteilt werden kann. auf einen Gegenstand zu richten (die Betroffenen kommen
ZVvänge findet man als eigenes Erkrankungsbild, aber auch gungslosigkeit
vom Hundertsten ins Tausendste), der Denkablauf ist be
bei Schizophrenien, depressiven Episoden oder Persönlich
schleunigt, und die Patienten sind erhöht ablenkbar.
keitsstörungen. Im Unterschied zum Wahn nehmen die
Betroffenen ihre Zwänge als sinnlos wahr und leiden unter Zusammenfassung
Inhaltliche Denkstörungen
Wahn ihnen. Die Erhebung des psychopathologischen Befundes soll
Bei Zwangsgedanken drängen sich immer wieder gewisse
Der Wahn bedeutet für den Betroffenen eine unabänderliche dazu dienen, möglichst vollständig und objektiv die
Denkinhalte auf, die nicht unterdrückt werden können.
Realität. Er lässt sich nicht vorn Gegenteil überzeugen und
Dies wird als sehr quälend erlebt. vorliegenden Symptome zu erkennen. Dies ist wichtig zur
kann auch nicht von einern anderen Standpunkt aus seine
DiagnosesteIlung und dient als Grundlage einer Thera
Quantitative
Bewusstseinsstörungen Wahrnehmungsstörungen pie. Manche Symptome sind dabei typisch für bestimmte
Bewusstseinsgrad Definition
Krankheitsbilder, sie können aber auch bei verschiede
Zu den Wahrnehmungsstörungen zählen Halluzinationen und
Benommenheit Patient ist teilnahmslos und verlangsamt, v,a. in der Infor
Illusionen: nen Störungen auftreten. So ist die Störung des Affekts
mationsaufnahme und
Somnolenz Patient ist schläfrig, reagiert nicht adäquat auf Ansprechen, Halluzinationen sind Trugwahrnehmungen ohne objektiv und Antriebs eines der Hauptsymptome der Depression.
ist aber erweck bar gegebenen Sinnesreiz. Man unterscheidet optische (z.B.
Allerdings können diese Symptome auch bei einer
Qualitative Sopor Patient schläft und ist nur durch Schmerzreize erweckbar vieiße Mäuse], akustische (z. B. Stimmen), olfaktorische,
Bewusstseinsstörungen Koma Patient ist nicht mehr bei Bewusstsein und auch nicht durch gustatorische und taktile (= haptische) Halluzinationen. Schizophrenie vorherrschend sein. Es ist also Vorsicht
starke Reize er\veckbar Bei Illusionen geht es im Gegensatz dazu um die Verken vor einer überschnellen DiagnosesteIlung geboten!
nung, also Fehldeutung real vorhandener Gegenstände (ein
Abb. 1: Einteilung der Bewusstseinsstörungen. [1] Tab. 1: Quantitative Bewusstseinsstörungen.
Grundl
6 7
Abb. 2: Psychische Erkrankungen in hausärztlichen Praxen. [11
FO Organische einschließlich somatischer psychischer Störungen
Demenzen verschiedener Ätiologie
Es gibt zwei große Klassifikationssys
teme in der Psychiatrie. Erstens die von aufgrund einer Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns
der WHO etablierte IC D-1 0 (= Interna F 1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Suchterkrankungen)
tional Classification of Diseases, derzeit Alkohol
in der 10. Auflage) und zweitens das
von der American Psychiatric Associa
F2 schizotype und wahnhafte Störungen
tion entwickelte DSM IV (= Diagnostic
F3 Affektive Störungen
Systems Manual, derzeit in der 4. Auf
Depression
lage). Wichtig ist, dass internationale Manie
Standards verwendet werden, damit die Bipolare Störung
Diagnostik einer psychischen Krankheit F4 ßelastungs-und somatororme Störungen
Angststörungen (Phobien, Panikstörung, generalisierte Angststörung)
normiert abläuft.
Anpassungsstörungen
Somatoforme Störungen (körperliche Beschwerden ohne morphologisches Korrelat)
Dissoziative Störungen
Standardisierung
Zur DiagnosesteUung müssen sich
bestimmte Symptome präsentieren und F5 Verhaltensauffälligkeiten im Zusammenhang mit körperlichen Störungen oder Faktoren Um eine bestimmte Diagnose stellen zu können, stehen ver medizinischen Fachrichtung, hilfreich, sich auf diesem Gebiet
zwar in einer gewissen Ausprägung und Essstörungen (Anorexie, Bulimie) schiedene standardisierte Mittel zur Verfügung. Beispiels Wissen anzueignen. Studien konnten zeigen, dass bis zu 30 %
über einen definierten Zeitraum. Auf dem Schlafstörungen
weise gibt es strukturierte Interviews, in denen spezielle Fra der Patienten in einer allgemeinärztlichen Praxis (auch) unter
Weg zur DiagnosesteIlung müssen ver Psychische Störungen im Wochenbett
schiedene differentialdiagnostische Pro gen zur Befunderhebung festgelegt sind. Die Auswertung psychischen Symptomen leiden. Im Vordergrund stehen dabei
F6 Persönlichkeits-und Verhaltensstörungen
zesse durchlaufen werden, um andere Alle Formen der Persönlichkeitsstörung dieser Interviews entbehrt jedoch nicht einer gewissen Sub depressive Erkrankungen, Angststörungen, Alkoholismus und
(oft auch organische) Krankheiten auszu Störungen der Impulskontrolle jektivität des jeweiligen Untersuchers. Es existieren auch somatoforme Erkrankungen. Leider werden diese oftmals nur
schließen Abb. 1). der Geschlechtsidentität und der sexuellen Präferenz
standardisierte Interviews, bei denen die Antworten kodiert selten erkannt und behandelt, was für die Betroffenen zu
F7 Intelligenzminderung sind. Deren Auswertung kann EDV-gestützt erfolgen. einer erheblichen Reduktion der Lebensqualität führt. So wer
Einteilung in verschiedene Grade je nach IQ
ICD-10 den z. B. nur 50 % aller Depressionen vom Hausarzt richtig
Im Gegensatz zur ICD-9 hat die ICD-l 0 F8 Entwicklungsstörungen DSM-System diagnostiziert und von diesen wiederum nur 10% adäquat
Störungen in der Entwicklung von Sprache, des Sprechens, schulischer sowie motorischer Fertigkeiten
die klassische triadische Einteilung psy Das DSM-System folgt einer multiaxialen Klassifikation: behandelt. Abbildung 2 zeigt die häufigsten Symptome,
Tiefgreifende Entwicklungsstörungen wie z. B. Autismus
chischer Störungen komplett verlassen. Achse I: Aktuelles psychopathologisches Syndrom mit denen Patienten beim Hausarzt vorstellig werden.
F9 Verhaltensstörungen und emotionale Störungen mit Beginn in Kindheit und Jugend
Zuvor wurden organisch bedingte, endo ADHS-Syndrom (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom) Achse II: Persönlichkeitsstörung
gene und psychogene Störungen unter Störungen des Sozialverhaltens oder anderen Verhaltens Achse III: Körperliche Erkrankung
Ticstörungen
schieden. Diese Einteilung wurde zu Achse IV: Situativer Auslöser
gunsten einer rein deskriptiven, also Tab. 1: Diagnostische Hauptgruppen bei ICD-l0 (die Gruppe F ist für psychiatrische Störungen relevant). Achse V: Soziale Adaptation Zusammenfassung
eher phänomenologischen Klassifi
In der Psychiatrie existieren zwei international aner
kation geändert Tab. 1). Deskriptiv Dies soll zu einer größtmöglichen Fülle an Informationen
kannte Klassifikationssysteme: Die ICD-l0 der WHO und
bedeutet, dass die Erkrankungen ent über den Patienten führen.
sprechend ihrem Verlauf, ihrer Dauer die DSM-IV der American Psychiatrie Association.
und Symptomatik charakterisiert und
Die Vorteile dieser Systeme liegen in der Möglichkeit
nicht mehr unter ätiologischen Ge
einer internationalen Verständigung und Angleichung
sichtspunkten betrachtet werden. Psychische Erkrankungen sind allgemein sehr häufig (vgl. die
Prävalenz-bzw. Inzidenzraten in den einzelnen Kapiteln). der Diagnostik und Therapie. Jedoch geben diese
organische Ursachen
• Tumor Deshalb ist es für jeden Mediziner, unabhängig von seiner Kodierungen keinen therapeutischen Rat. Sorgfältige
• Schäde!~Hirn·Trauma
• Infektion
• Degeneration Differentialdiagnostik ist mittels diagnostischer
Interviews und Checklisten möglich. EbenfaUssollte auf
das Vorliegen komorbider Störungen geachtet werden.
So treten z. B. im Rahmen von Depressionen häufig auch
Angstsyndromeauf, dieggf. die zugrunde liegende
mentale
Depression maskieren können. Es ist für jeden Medizi-
ner, gleich in welchem Gebiet er tätig ist, von größter
Wichtigkeit, psychiatrische Symptome erkennen und
Abb. 1: Der Weg zur Diagnose: Beim Durchlaufen einordnen zu können, da psychische Erkrankungen sehr
der differentialdiagnostischen Strecke haben
weit verbreitet sind.
Symptome weiter oben Vorrang gegenüber denen
DIAGNOSE unten. [2]
Grundl n
8 9
Die Diagnostik in der Psychiatrie bewegt Exazerbation: bezeichnet den Aus Umer anderem geht es um Lebens Abb. i: Desoxy-Glukose-PET - verringerter Stoff·
sich auf drei Ebenen .Abb. 1, S. bruch einer Krank.l1eit. zufriedenheit, Leistungsorientierung, wechsel im temporo-parietalen Hirnbereich bei be
ginnender AlzheimEl"-Demenz_ Rechts: Symptom
Davon bildet die Symptomebene die Residualsymptomatik: Darumer Testpsychologiscl1e Untersuchungen sol Gehemmtheit, Offenheit, Aggressivität
progression nach 2 Jahren. 11]
umerste - hier \,verden lediglich ver versteht man die nicht vollständige len in der Psychiatrie eine objektivere usw.
schiedene psychopathologische Befunde Rückbildung mancher für die Krank11eit Diagnostik ermöglichen. Wichtige Eva
aufgelistet B. "Wahnvorstellung", fy-pischen S~;1nptome. Bestimmte Krank luationskriterien stellen dabei die Objek rative Diagnostik
"Depersonalisation", "AmriebssIÖ heiten verlaufen in Phasen oder Schü tivität, die Reliabilität und die Validität
rung"J. ben. zwischen denen entweder eine dar: EEG (Elektroenzephalographie)
Die nächste Smfe bildet die Syn völlige Gesundung eintritt oder aber Objektivität: Die Ergebnisse eines Das Elekuoenzephalogramm ist ein SPECT (Single-Photon-Emissions Labordiagnostik
dromebene, auf der verschiedene eine Residualsymptomatik bestehen Tests sollen vom Untersucher unabhän -wichtiges diagnostisches Hilfsmittel zur computertomographie)
Symptome, die überzufällig häufig bleiben kann. gig sein. Erkennung von hirnorganischen Stö Dem Patiemen werden hier radioaktiv Drogenscreening im Blut oder Urin:
gemeinsam auftreten, zu übergeordne Remission (Voll-/Partial-): Der Begriff Reliabilität: Sie ist ein Maß für die rungen. Neben seiner Bedeutung in der markierte Substanzen gespritzt. Em Dabei können folgende Substanzen
ten Syndromen zusammengefasst wer bedeutet so viel wie Heilung oder Gene Wiederholbarkeit eines Tests, d.h. die (neurologischen) Diagnostik von Epi sprechend können Veränderungen des identifiziert werden: Alkohol, Amphet
den (z. B. "depressives SY11drom"). sung. Man unterscheidet die vollstän Zuverlässigkeit, mit der ein bestimmtes lepsien und zur Differenzierung von regionalen Blutstroms sichtbar gemaCht amine, Barbiturate, Benzodiazepine,
Die oberste stellt die Diagnoseebene dige Heilung von der nur teilweisen Ge Merkmal erfasst wird. psychischen Veränderungen nach Dro werden. Angewendet wird das Verfah Cannabis, Halluzinogene, Opiate, LSD,
dar, bei der Symptome, Syndrome und nesung. Diese beiden Begriffe werden Validität: Diese gibt den Grad der gen- oder Medikamemenmissbrauch ren v. a. bei ischämischen Hirnprozessen Kokain.
zusätzliche Merkmale zusammenlaufen, im Zusammenhang mit therapeutischen Genauigkeit an, d. h. die Gültigkeit \vird es in der Psychiatrie auch zur und zur Demenzabklärung. Ein großer Überprüfung von Pharmakaspiegeln
was sie v. a. in Lehrbüchern tun, aber Interventionen gebraucht im Gegensatz eines Testverfahrens. Überwachung von Psychopharmaka Vorteil der SPECT besteht darin, dass sie zur Therapieüberwachung: Damit kann
wie so oft in der Medizin im klinischen zur sog. Spomamemission, die sozusa Therapien eingesetzt, die Einfluss auf bereits pathologische Strömungsverän bei Medikamenten mit enger therapeu
Alltag nicht immer (z. B. Diagnose gen "ohne therapeutisches Zutun" ein Testpsychologische Verfahren wendet die Hirnströme haben. derungen aufzeigt, bevor der Patient tischer Breite (z. B. Lithium) einer
"S chizophrenie " ). tritt. man z. B. im Bereich der Leistungs- und klinisch auffällig ist. Intoxikation vorgebeugt, aber auch die
Rückfall/Rezidiv: Von einem Rück Persönlichkeitsdiagnostik an. CT (Computertomographie) Dosis bei zu geringen Spiegeln erhöht
Grundbegriffe fall spricht man, wenn bei einem Patien Da verschiedene Körpergewebe Rönt PET (Positronenemissions werden (z. B. infolge eines erhöhten
ten die krankheitsspezifischen Sym Leistungsdiagnostik genstrahlen unterschiedlich stark absor tomographie) Metabolismus verschiedener SSRI im
Epidemiologie ptome (während einer Remissionsphase) Intelligenztests (z. B. Hamburger bieren, kann je nach Dichte des Gewe Sie erlaubt die regionale Messung und Rahmen des Cytochrom-Polymor
Morbidität: Sie stellt die Krankheits wieder auftreten. Wechslel~Intelligenztest für Erwach bes ein aussage kräftiges Bild entstehen. Darstellung von intrazerebralen Stoff phismus).
häufigkeit innerhalb einer Population sene = HAWIEj Der Einsatz von Kontrastmittel erbringt wechselvorgängen und somit Regionen Ausschluss organischer Erkrankungen
dar und wird mittels Prävalenz und In Untersuchungsinstrumente zur Tests zur Beurteilung von Konzentra oft bessere Aussagewerte, v. a. im Be der Aktivität. Dargestellt werden Durch wie Hypo- oder Hyperthyreose und vie
zidenz beschrieben. psychiatrischen Diagnostik tion und Aufmerksamkeitsleistungen reich der Tumordiagnostik. Angewendet blutung, Stoffwechselprozesse und Me len anderen Störungen, die psychische
Prävalenz: Sie stellt die Gesamtheit (z. B. Test d2) wird die CT in der Psychiatrie/Psycho dikamentenwechselwirkungen. Wichti Symptome auslösen können
der Krankheitsfälle zu einem bestimm Strukturierte Interviews Tests zur Beurteilung von Gedächtnis somatik in erster Linie zum Ausschluss ge Informationen kann die PET zur Liquordiagnostik zum Ausschluss ent
ten Zeitpunkt bzw. im Laufe des Lebens Ein Interview dient der Informations leistungen organischer Ursachen bei psychischen Demenzdiagnostik (auch DD wie Pseu zündlicher Gehirnerkrankungen, die
(Lebenszeitprävalenz) in einer vorher sammlung. Damit alle wichtigen Fragen Spezielle Tests für den gerontopsych Symptomen. Auch atrophische Prozesse dodemenz im Rahmen einer depressi· ebenfalls psychische Symptome verur
definierten Population dar. gestellt werden, um möglichst umfang iatrischen Bereich, wie z. B. der Mini können anhand einer Ventrikelerweite ven Episode), zu anderen degenerativen sachen können
Inzidenz: Sie bezeichnet die Anzahl reiche Informationen zu erhalten, gibt Mental-State (MMS) oder andere Test rung bzw. einer Verminderung der Hirn Prozessen, Enzephalitiden und chroni
der Neuerkrankungen innerhalb eines es strukturierte Interviews, die systema verfahren zur Demenzdiagnostik. substanz erkannt werden. Allerdings schen Intoxikationen liefern Abb. 1).
bestimmten Zeitraumes. tisch gegliedert sind. Es existieren vor sind gewisse atrophische Prozesse mit
Mortalität: Die "Sterblichkeit" be formulierte Fragen, deren Bewertung Persönlichkeitsdiagnostik zunehmendem Alter physiologisch und
schreibt das Verhältnis der Anzahl der aber oft dem Untersucher überlassen Man unterscheidet hier Verfahren zur müssen somit immer zum .Alter des Pa
Sterbefälle (infolge einer bestimmten bleibt. Feststellung der aktuell vorliegenden tienten in Beziehung gesetzt werden.
Krankheit) zur Zahl der in einer Bevöl Persönlichkeitsstruktur (z. B. das FPI Zusammenfassung
kerungsgruppe betroffenen Kranken. Standardisierte Interviews [Freiburger-Persönlichkei ts-Inven tar] , MRT (Magnetresonanztomographie) 1-'l':'\l~t1I:::1·trjfl stehen im Gegensatz zur somatischen Medizin eher weni
Alle diagnostischen Schritte, alle Ele den IvLMPI [Multiphasic-Minnesota Die MRT hat den großen Vorteil der
ger objektive Untersucnul1gsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine apparative ZU
Verlauf mente einer Informationserhebung und Personality-Inventory] und das Eysenck fehlenden Strahlenbelastung und einer
Erstmanifestation: Die Erstmanifes auch deren Auswertung sind hier genau Persönlichkeitsinventar) von Verfahren, besseren und genaueren Auflösung. Ausschlussdiagnostik angefordert.
tation bedeutet das erstmalige Auftreten festgelegt. Die Auswertung erfolgt meist die prämorbide Charaktereigenschaften Sie funktioniert mit einem Magnetfeld, meisten .psy<::hischen Erkrankungen hinterlassen keine morphologisch
der Krankheit. Dabei ist nicht enthalten, per Computer, ebenso die Diagnose erfassen, also die Persönlichkeit vor nach dem sich verschiedene Körper
baren .B efunde und müssen klinischen Symptomatik
wie die Krankheit aufgetreten ist (akut, stellung. Ausbruch einer Krankheit beschreiben zellen wie Kompassnadeln ausrichten,
subakut, schleichend). sollen. Beim FPI z. B. werden mehrere wodurch verschiedene Gewebe dar die Diagnosestellung zu ",rl,,,j,..l~t,,,,rn
Prodromi: Bei einem schleichenden Fragen zur Selbstbeschreibung gestellt, gestellt werden können. Sie ist aller
Krankheitsbeginn lassen sich häufig sog. auf die mit stimmt/stimmt nicht geant dings kosten- und zeitaufwändiger als
verschiec{enetestpsycl1olog1sche Untersuchungsinstru.:.
Vorläufer- oder Prodromalsymptome de wortet wird. Aus den Antworten wird eine CI
mente entwickelt. beruben.auf Erfahrungswerten bzw. orientieren sich an
finieren, die mehr oder weniger typisch ein Persönlichkeitsprofil erstellt, das
für die bevorstehende Krankheit sind. verschiedene Dimensionen umfasst. Normstlchproben und I~önnen auch computerisiert ausgewertet
werden, um die Subjektivität des Untersuchers
a''':'.<.U:;:'1.;1
Thera e
I 10 1
Psychoanalytisch-psychodynamische ausgeübt, Grenzen werden hier ausgereizt. In dieser Phase auch wenn er scheinbar keinen Zusammenhang im Gesagten Vorteil: Diese Therapie beschäftigt sich im Gegensatz zu
wird auch das Über-leh strukturiert, indem sich das Kind mit sehen kann. Die Arbeit des Therapeuten besteht neben der der medikamentösen Therapie mit den Ursachen der Krank
Therapieverfahren
der Ausbildung von Gewissen, Normen und Regeln beschäf Abstinenz (d.h. "Zuhören und nichts von sich erzählen") in heit bzvi. den Gründen einer Fehlen1:'lvicklung. Man könnte
Zu den psychoanal'(Lisch-psychodynamische Therapieverfah tigt. Die anschließende ödipale Phase, welche bis zum der Deutung dieser aus dem Unterbewussten stammenden also sagen, die Psychotherapie betreibt Ursachenforschung
ren gehören zum einen die klassische Psychoanalyse, zum 5. Lebensjahr reicht, wird durch die Entdeckung des eigenen Themen. statt "Symptomdoktorei".
anderen tiefenpsychologisch fundierte Verfahren. Genitales gekennzeichnet. Es bilden sich Phantasien und Therapeutisch genutzt werden auch interpersonelle Vorgänge
Die Psychoanalyse geht davon aus, dass in jedem Individuum Vorstellungen heraus, die sich hauptsächlich auf den gegen wie Übertragung und Gegenübertragung: Unter Übertra Tiefenpsychologisch fundierte (dynamische)
unbewusste leh-A.nteile existieren, die Einfluss auf unser Tun geschlechtlichen Elternteil beziehen. Es entsteht der so ge gung versteht man, dass nicht verarbeitete Konflikte von Psychotherapie
und Handeln ebenso wie auf unser emotionales Erleben ha nannte Ödipuskomplex. Analog zur antiken Sage kommt es Seiten des Patienten in der Beziehung zum Therapeuten re Im Zentrum stehen aktuelle Symptome bzvv. Belastungen,
ben. Nicht bewusste Gedanken, Vorstellungen oder Träume hierbei zu Liebe und geheimen Wünschen dem gegenge aktualisiert werden und dabei die früheren Gefühle bzw. jedoch im Kontext der Gesamtpersönlichkeit und Lebens
können aufgedeckt und bearbeitet werden. Ins Unterbewuss schlechtlichen Elternteil gegenüber. Der gleichgeschlechtliche nicht adäquaten Verhaltensmuster auf z.T. unbewusster geschichte des Patienten. Das Setting sieht Klient und Thera
te verdrängte Konflikte sollten nach Auffassung der Psycho wird gehasst, und es entsteht eine eifersüchtige Konkurrenz. Ebene wieder erscheinen. Beispielsweise spricht der Klient peut (im Gegensatz zur klassischen Psychoanalyse) sitzend,
analyse wieder ins Bewusstsein gebracht und dann adäquat Es folgt die Latenzphase bis zum Beginn der Pubertät, in der mit dem Therapeuten und fühlt sich so, wie er damals mit sie schließen ein Arbeitsbündnis, das darin besteht, neuro
bearbeitet werden. Begründet wurde die klassische Psycho sich die psychosoziale Kompetenz entwickelt. Das leh und seinem Vater gesprochen hat bzw. sich ihm gegenüber gefühlt tische Fehlhaltungen des Patienten und den daraus entstehen
analyse von S. Freud als Urvater der Psychotherapie. Bis das Über-leh festigen sich. Die Pubertätsphase zeigt einen hat, als er auch zu spät (damals nach Hause und nicht in die den Leidensdruck zu erkennen und zu bearbeiten. Techniken
heute ist die Psychoanalyse von verschiedenen psychothera Rollenwechsel von der kindlichen in eine eigenständige Therapiestunde ) gekommen ist. Bei der Gegenübertragung sind auch hier Deutung, Widerstandsanalyse und Über
peutischen Schulen modifiziert bzw. weiterenn:vickelt wor Erwachsenenrolle. handelt es sich um Empfindungen, die der Patient beim tragungsphänomene.
Therapeuten auslöst. Der Therapeut soll sich seinerseits diese Therapiedauer: Anfangs 1-2 Sitzungen/Woche, dann
den.
Empfindungen, die in ihm wachgerufen werden, bewusst auch in größeren Abständen möglich
Krankheitskonzepte
Ein Konflikt entsteht enn:veder durch widersprüchliche Hal machen und sie wiederum - unter Berücksichtigung eigener Indikation: reaktive Störungen (z. B. bestimmte Depres
Grundlagen
tungen der verschiedenen Instanzen oder aber durch eine (biographischer) Anteile zu deuten wissen. sionsformen, Anpassungs- und akute Belastungsstörungen,
Das Instanzenmodell ungünstige Entwicklung in einer der o.g. Phasen. Wenn ein Therapiedauer: Langzeittherapie, mind. 2-3 Sitzungen/ Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, somatoforme Störungen
Laut Freud besteht die menschliche Psyche aus drei Instan Konflikt vom leh nicht angemessen bewältigt werden kann, Woche Vorteil: geringerer zeitlicher Aufwand, größere Indikations
zen: Dem Es, dem Ich und dem Über-Ich. Das Es ist durch entsteht Angst. Diese Angst zwingt das Individuum, den Indikation: Neurosen breite, problembezogen
unbewusste Triebe und Impulse gekennzeichnet, das Über Konflikt ins Unterbewusstsein zu verdrängen, um ungestört Nachteil: hoher zeitlicher Aufwand, gewisse Vorausset Nachteil: ggf. zu wenig lösungs- und gegenwartsorientiert
leh stellt die moralische Instanz dar, die aus übernommenen weiterleben zu können. Diesen Vorgang nennt man Abwehr zungen seitens des Patienten erforderlich: sprachliche im Vergleich zur VT
Idealen und Normen besteht. Das leh ist die Koordinations Tab. 1). Falls eine Enn:vicklungsphasenstörung vorliegt, Ausdrucksfahigkeit, Introspektionsfahigkeit, relativ hohe
instanz, die zwischen Über-leh, Es und Außenwelt vermittelt, kann es zu einer sog. Fixierung in dieser Phase kommen; die Frustrationstoleranz, gewisse leh-Stärke
d.h., das leh muss den Anforderungen, die die Realität an den Phase kann im späteren Leben dann reaktiviert werden.
Menschen stellt, gerecht werden.
Therapiekonzept Exkurs: Sigmund Freud
Das entwicklungspsychologische Modell In einem Brief an Wifhelm Fliess formuliert Freud 1897 nach
selbstanalytischen Betrachtungen erstmals den nÖdipus Komplex",
Nach Freud verläuft die menschliche Enn:vicklung in ver Klassische Psychoanalyse
also das Phänomen libidinöser Bindungen zur eigenen Mutter bei
schiedenen Phasen, beginnend mit der oralen Phase im ers Ziel ist es, unbewusste Konflikte und Probleme dem leh
einem gleiChzeitigen Rivalitätsverhältnis zum Vater. Im November
ten Lebensjahr. Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken werden zugänglich zu machen, um sie anschließend bearbeiten zu 1899 veröffentlicht Freud sein Werk "Die Traumdeutung", Tradi
oral durch Lutschen oder Saugen befriedigt. Weinen dient der können. Beim klassischen psychoanalytischen Setting liegt tionell setzt .man den Beginn der Psychoanalyse mit d.em Publi
kationsjahr dieses.Buches an. 1910 gründet Freud die "Inter':' Zusammenfassung
Kontaktaufnahme und dem Ausdruck von Unzufriedenheit. der Patient - wie zu Zeiten Freuds auf der berühmten
nationale psychoanalytische Vereinigung" (IPV), es folgen 1911. die
In der analen Phase, die sich vom zweiten bis zum dritten Couch, der Therapeut sitzt am Kopfende hinter ihm. Grund amerikanische sowie 1919 die britische psychoanalytische Ver Sigmund Freud ist der Begründer der Psychoanalyse. Er
Lebensjahr anschließt, wird beispielsweise durch die Kon lage ist die freie Assoziation, was bedeutet, dass der Patient einigung.
entwickelte sowohl das Instanzenmodell (Ich, Es, Über
trolle über die Darmfunktion Autonomie erlebt und Macht alles erwähnen soll, was ihm gerade in den Sinn kommt, Freud erforschte zunächst die Hypnose und deren Wirkung, um
psychisch kranken Personen zu helfen. Später wandte ersieh von Ich) als auch das Phasenmodell (orale, anale, ödipale,
dieser Technik ab und entwickelteeil1e Behandlungsform, die u.a.
Latenz-und Pubertätsphase). Das typische Setting einer
auf freier Assoziationen Traumdeutung beruhte, um die see:-
lische Struktur des zu verstehen und zu behandeln Psychoanalyse geht auf seine Gedanken zurück.
(psychoanalyse). Nach ihm ist der,,freudsche Versprecher"als
offensichtlichstes Beispiel einer Fehlleistung benannt. In der klassischen Psychoanalyse geht es um die Auf
Abwehrmechanismus Erklärung Eine der meist bezweIfelten Theorien FHll.ld~ ist die vom "Pellis:
deckung unbewusster Konflikte, die in früher Kindheit
Projektion Probleme oder Verhaltensweisen, die man an sich ablehnt, neid"; Dieser stehe in der psychischen Entwicklungvoh Mädchen
werden auf andere übertragen und dann kritisiert symmetrisch der Kastrationsangst de~Jungeng<lgenuber, Aus entstanden. Um die Integrität des Individuums zu
seinen Analysen schloss Freud, dass psychischfehlgeleiteteHand
Verdrängung Angstbesetzte Situationen, nicht akzeptierte Triebe oder lungen von Frauen oft aufdie mangelhaftepsycl1ischaVerarbei- gewährleisten, wurden diese ins Unterbewusstsein
Affekte werden durch Verdrängung vom Bewusstsein fernge
. der Tatsache zurückgingen, dass ihnen der PEmiseil1ss Jun
halten, wodurch eine scheinbar normale Fassade aufrechter "verbannt".
gen unerreichbar feflle,woraus ein Gefühl des Neides resultiere.
halten wird
Bei der psychodynamischen Therapie liegt der Fokus
Sublimierung Umwandlung von Affekten und Trieben in sozial höher bewer
tete oder akzeptierte Formen, z. B. Umwandlung von sexuel eher auf aktuellen Problemen, die jedoch "ganzheit
len Trieben in intellektuelle oder künstlerische Fertigkeiten
lich" zur Person mit ihrer individuellen Vorgeschichte
Reaktionsbildung Statt einem verdrängten Impuls zu folgen, wird eine Verhal
betrachtet werden.
tensweise ins Gegenteil verkehrt, z. B. in übertriebene
Freundlichkeit statt Aggressivität
Tab. 1: Beispiele verschiedener Formen der Abwehr.
