Table Of ContentKARIN SCHLAPBACH
AUGUSTIN
CONTRA ACADEMICOS
BUCH 1
w
DE
G
PATRISTISCHE TEXTE UND STUDIEN
IM AUFTRAG DER
PATRISTISCHEN KOMMISSION
DER AKADEMIEN DER WISSENSCHAFTEN
IN DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
HERAUSGEGEBEN VON
H. C. BRENNECKE UND E. MÜHLENBERG
BAND 58
WALTER DE GRUYTER · BERLIN • NEW YORK
2003
AUGUSTIN
CONTRA ACADEMICOS
(VEL DE ACADEMICIS)
BUCH 1
EINLEITUNG UND KOMMENTAR
VON
KARIN SCHLAPBACH
WALTER DE GRUYTER • BERLIN · NEW YORK
2003
® Gedruckt auf sä urefreiem Papier,
das die US-ANSI-Norm ü ber Haltbarkeit erfü 11t.
ISBN 3-11-017811-7
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ü ber http://dnb.ddb.de abrufbar.
© Copyright 2003 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin
Dieses Werk einschließ lieh aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschii tzt. Jede Verwertung
auß erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulä ssig und strafbar. Das gilt insbesondere fü r Vervielfá ltigungen, Ü bersetzungen, Mikro-
verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in Germany
Einbandgestaltung: Christopher Schneider, Berlin
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist die leicht veränderte Fassung meiner Dissertation,
die im Dezember 2001 von der Philosophischen Fakultät der Universität
Zürich angenommen wurde. Der grösste Teil des Kommentars ist im Rahmen
eines Forschungsprojekts des Schweizerischen Nationalfonds unter der Lei-
tung von Prof. T. Fuhrer entstanden; wichtige Aspekte konnte ich während
meines Aufenthalts im Schweizerischen Institut und am Institutum Patristi-
cum Augustinianum in Rom ausarbeiten, der vom Schweizerischen National-
fonds mitfinanziert wurde. Frau Prof. T. Fuhrer, die die Dissertation angeregt
und begleitet hat, und Herrn Prof. A. Schindler, der das Korreferat übernom-
men hat, sowie dem Schweizerischen Nationalfonds möchte ich daher an
erster Stelle danken.
Während der Arbeit wurde ich von vielen Seiten unterstützt, und es ist
unmöglich, die Namen aller, deren Hilfe ich in Anspruch nehmen konnte, zu
erwähnen. Besonders herzlich danken möchte ich Herrn Prof. H. Marti
(Zürich), der die gesamte Arbeit gelesen und mit unzähligen Hinweisen be-
reichert hat, sowie Frau Prof. C. Walde (Basel) und den Herren Proff. R.
Brändle (Basel), F. Graf (Ohio), A. Grilli (Mailand) und W. Klingshirn
(Washington D.C.), mit denen ich einzelne Teile besprechen konnte. Für stets
erfrischendes und ermunterndes Feedback danke ich Frau Prof. M.T. Fögen
(Zürich/Frankfurt a.M.).
Vielfältige Anregungen verdanke ich auch den Diskussionen mit Laura
Gemelli Marciano, Franziska Egli, Ruth E. Harder, Bärbel Schnegg und Vir-
gilio Masciadri. Für Unterstützung und Ermutigung, die weit über Fachliches
hinausgehen, danke ich ganz besonders Barbara von Reibnitz und Andrea
Malits.
Bei der Vorbereitung der Drucklegung waren mir Simone Vögtle und
Julia Pischel eine unschätzbare Hilfe.
Schliesslich möchte ich Frau Prof. A. Wlosok und den Herren Proff. H.C.
Brennecke und E. Mühlenberg für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe PTS
herzlich danken.
Zürich, im Dezember 2002 Karin Schlapbach
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1
1. Vorbemerkungen 1
2. Die Thematik von Contra Académicos 1 4
3. Protreptik und Propädeutik 7
4. Das Verhältnis zu Ciceros Hortensius. 13
Kommentar. 26
1,1-1,4: Proömium. Protreptik zur Philosophie. 26
1,1: Anrede an Romanianus. 27
1, 2: Romanianus' bisheriges Leben .46
1,3: Protreptische Rede 51
1,4: Konkrete Dialogsituation. 60
1,5-1,9: Glück und Wahrheit 67
1, 5: Glück und Wahrheit. 73
1, 6: Formulierung der beiden Grundpositionen 86
1, 7: Cicero als Licentius' Gewährsmann 90
1,8: Trygetius' Distanzierung von Ciceros Autorität 103
1, 9: Menschliche und göttliche Vollkommenheit. 107
1, 10-1, 12: Irrweg und Irrtum 117
1, 10: Erste Definition: Irren als 'Suchen, ohne zu finden' 117
1,11: Zweite Definition:
Irrtum als 'Zustimmung zum Falschen anstelle des Wahren' 121
1, 12: Licentius prüft das Beispiel des Reisenden 129
1, 13-1, 15: Weisheit als Weg. 132
1, 13: Erste Definition: Weisheit als 'rechter Lebensweg' 132
1, 14: Zweite Definition: Weisheit als 'Weg zur Wahrheit' 136
1,15: Problem des infiniten Regresses beim Definieren 139
1, 16-1, 23: Weisheit als Wissen, Divination als Wissensquelle 146
1, 16: Dritte Definition:
Weisheit als 'Wissen um die menschlichen und göttlichen Dinge' 155
1, 17: Albicerius: Ein stoischer Weiser? 160
vm
Inhaltsverzeichnis
1,18: Weitere Beispiele für Albicerius' Wissen 163
1,19: Gegenargument (1):
Albicerius erfüllt die Kriterien des stoischen Wissensbegriffs nicht 168
1, 20: Gegenargument (2):
'Die menschlichen Dinge'. Divination mit Hilfe von Dämonen 176
1,21: disciplinae vs. 'Wissen' der Dämonen 186
1, 22: Gegenargumente (3) und (4): 'Die göttlichen Dinge'
(3): Diese sind ausschliesslich intellektuell erfassbar (Z. 1-13)
(4): Albicerius übertrifft den skeptischen Weisen (Z. 13-23) 191
1, 23: Der sapiens in der Beschreibung des Licentius 199
1, 24-1, 25: Rekapitulation .209
1, 24: Rekapitulation der Gesprächsschritte 210
1, 25: Fazit 215
Anhänge 219
Bibliographie 221
1. Texte - Übersetzungen - Kommentare 221
2. Lexika - Grammatiken. 223
3. Aufsätze - Monographien 224
Indices 233
1. Stellen 233
2. Namen und Sachen 250
Einleitung
1. Vorbemerkungen
Das erste Buch von Augustine Dialog Contra Académicos stellt Themen zur
Debatte, die seit dem Hellenismus zwischen Skeptikern und Dogmatikern
heftig umstritten waren, nämlich die Fragen, ob und wie Wissen erlangt und
vermittelt werden kann und in welchem Verhältnis Erkenntnis und Glück
stehen. Doch obwohl Contra Académicos 1 einen interessanten Beitrag zur
Geschichte der Argumente leisten kann, die in dieser Kontroverse verwendet
wurden, ist dem Text in der Forschung bisher wenig Aufmerksamkeit zuteil
geworden.1 Während der antike Skeptizismus seit einigen Jahren Gegenstand
eines wachsenden philosophischen und philologischen Interesses ist, blieb
Contra Académicos 1 von dieser Entwicklung ausgeschlossen. Gemessen an
Augustine Auseinandersetzung mit der akademischen Skepsis in den folgen-
den beiden Büchern desselben Dialogs sowie an Ciceros Academici libri und
an Sextus Empiricus' Darstellung der pyrrhonischen Skepsis schien das
Schülergespräch des ersten Buchs von Contra Académicos unergiebig und
langatmig. Wenn es nicht ganz übergangen wurde, begnügte man sich meist
mit einigen abschätzigen Sätzen, so beispielsweise Marrou, der zum Schluss
kommt, das erste Buch von Contra Académicos sei "mehr ein Rededuell als
ernsthafte Wahrheitssuche."2
1 Zum Hauptinteresse der bisherigen Forschung, dem Verhältnis von Acad. 1 zu Ciceros
Hortensius, s.u. S. 13-25.
2 Marrou 311/265. Zu Augustins philosophischen Frühdialogen insgesamt (neben Contra
Académicos auch De beata vita und De ordine) schreibt Marrou 310/264: "Die Bilanz
des ersten Teiles ist freilich im allgemeinen überwiegend negativ, denn er wirkt wie ein
breites und nicht enden sollendes Vorspiel. Gewiss wird die Fragestellung von Anfang an
sehr klar umrissen, aber sehr bald verliert sich die Erörterung und hält sich bei tausend
Kleinigkeiten auf, so dass man nicht von der Stelle kommt. ... Ohne Übertreibung wird
man sagen können, dass für ihn (seil. Augustin) die Bedeutung jedes dieser Dialoge ganz
in der Schlussdarstellung liegt." Vgl. Holte 79 über Acad.: "Nous pouvons laisser de côté
le livre I, qui ne fait que décrire comment Augustin entraîne pédagogiquement ses élèves
Licentius et Trygetius à mener à bien des raisonnements philosophiques"; O'Meara,
Acad. 30: "The first book ... fails notably to stir one's interest or advance the argument"
(vgl. dens., Hist. 171f.); Hagendahl 525: "The discussion in Contra Académicos is rather
desultory as long as it is carried on mainly by the younger participants." Ohne zu werten
stellt hingegen Graeser 252 fest, dass "zunächst einmal so etwas wie ein thematisches
2 Einleitung
Wenn sich jedoch die Tendenz, Contra Académicos 1 für das Studium des
antiken Skeptizismus zu übergehen, insofern nachvollziehen lässt, als das
erste Buch dieses Dialogs der Herausforderung des Skeptizismus tatsächlich
auf eine andere Art und Weise begegnet als die folgenden beiden Bücher,3 so
beruhen umgekehrt die abwertenden Einschätzungen des ersten Buchs gerade
auf der Vernachlässigung dieser Tatsache. Statt Contra Académicos 1 in
seiner Eigenart wahrzunehmen, wurden bestimmte Erwartungen an das Buch
herangetragen, die dem Gegenstand nicht gerecht werden konnten. Dies wird
im oben zitierten Fazit über Contra Académicos 1 besonders deutlich, das
dem Umstand nicht Rechnung trägt, dass der Wert des Gesprächs für die
Teilnehmer gerade in der 'Ertüchtigung* durch die dialektische Übung
besteht, wobei der Unterschied zwischen Rededuell und Wahrheitssuche im
Dialog der Schüler eigens thematisiert wird.4
Der breite Raum, den die Übung in Contra Académicos einnimmt, mag
auf moderne Leser, die die inhaltlichen Resultate einer philosophischen Aus-
einandersetzung in den Vordergrund stellen, überdimensioniert wirken. An-
dererseits wird daran aber sichtbar, welch grosser Wert in der Antike auf die
philosophische Propädeutik gelegt wurde, also auf die Frage, nach welchen
ethischen Regeln und technischen Methoden überhaupt philosophiert werden
soll. Diese Fragestellung hängt wiederum aufs engste mit der Thematik von
Contra Académicos, also der Auseinandersetzung mit den akademischen
Skeptikern zusammen, denn die philosophische Propädeutik in Contra Aca-
démicos 1 zielt letztlich auf die Frage ab, wie Erkenntnis erlangt und Wissen
vermittelt werden kann. Mit anderen Worten, die Propädeutik hat genau das
zum Inhalt, dessen Möglichkeit die Skeptiker grundsätzlich bestreiten. Wird
das Spannungsverhältnis zwischen dem Bestreben einerseits, Methoden des
Lehrens und Lernens bereitzustellen, und der skeptischen Haltung anderer-
seits einmal erkannt, kann die ausführliche Erprobung und Thematisierung
verschiedener Formen der Wissensvermittlung im ersten Buch des Dialogs
gegen die Skeptiker nicht mehr erstaunen.5
Umfeld geschaffen wird, in dem technische Fragen erst mit Aussicht auf Erfolg gestellt
und angegangen werden können. So beginnen die Erörterungen des Dialogs dann auch
recht allgemein mit grundsätzlichen Erwägungen zum Verhältnis von Wahrheit, Weisheit
und Glück. Dies entspricht dem protreptischen bzw. zur Philosophie 'mahnenden' Cha-
rakter der Schrift."
3 Vgl. unten S. 4.
4 Dazu unten S. 10. Ähnlich auch Voss, Dialog 284: "Das Gespräch zwischen Licentius
mit seinen immer neuen Ansätzen, für dessen wenig zielstrebigen Verlauf Augustin
verantwortlich ist, dient weit über das Erfordernis der Sacherkenntnis hinaus der Übung
der Jungen."
5 Nicht zufällig polemisiert Sextus Empiricus nicht nur gegen die gegnerischen Philoso-
phenschulen, sondern auch gegen alle Arten von Wissenschaft (vgl. Barnes 53 und bes.