Table Of ContentAstrophysik
Karl-Heinz Spatschek
Astrophysik
Eine Einführung in Theorie
und Grundlagen
2. Auflage
Karl-HeinzSpatschek
UniversitätDüsseldorf
Düsseldorf
Deutschland
ISBN978-3-662-55466-1 ISBN978-3-662-55467-8(eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-662-55467-8
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Vorwort
AstrophysikalischeForschungsergebnissefindenindiesenTagenerstaunlichoftdenWeg
an prominente Stellen in Nachrichtensendungen und Zeitungsmeldungen. Das ist sicher
auchderjüngsten,dramatischenEntwicklungderAstrophysikgeschuldet,diesichinder
VergabedreierPhysik-Nobelpreise(direktfürastrophysikalischeForschung)indenletzten
Jahrenwiderspiegelt.GemeintsinddieNobelpreisederJahre2002,2006und2011.Der
jüngste Nobelpreis (2015) hat indirekt sehr viel mit Astrophysik zu tun. Die offiziellen
StatementsderSchwedischenAkademielauten:
(cid:129) The Nobel Prize in Physics 2002 was divided, one half jointly to Raymond Davis Jr.
andMasatoshiKoshiba„forpioneeringcontributionstoastrophysics,inparticularfor
the detection of cosmic neutrinos“ and the other half to Riccardo Giacconi „for pio-
neeringcontributionstoastrophysics,whichhaveledtothediscoveryofcosmicX-ray
sources“.
(cid:129) The Nobel Prize in Physics 2006 was awarded jointly to John C. Mather and George
F. Smoot „for their discovery of the blackbody form and anisotropy of the cosmic
microwavebackgroundradiation“.
(cid:129) The 2011 Nobel Prize in Physics was divided, one half awarded to Saul Perlmutter,
theotherhalfjointlytoBrianP.SchmidtandAdamG.Riess„forthediscoveryofthe
acceleratingexpansionoftheUniversethroughobservationsofdistantsupernovae“.
Neutrinomasse,„DunkleMaterie“und„DunkleEnergie“sindalsStichworteengmitden
Entdeckungenverknüpft.DeshalbmussauchderNobelpreis2015hiererwähntwerden:
(cid:129) TheNobelPrizeinPhysics2015wasawardedjointlytoTakaakiKajitaandArthurB.
McDonald„forthediscoveryofneutrinooscillations,whichshowsthatneutrinoshave
mass“.
Noch aktueller ist der direkte Nachweis von Gravitationswellen im September 2015
(d.h. fast genau 100 Jahre nach ihrer Vorhersage durch Einstein). Der direkte Nachweis
V
VI Vorwort
ist – nach dem Nobelpreis 1993 an Taylor und Hulse für den indirekten Nachweis von
Gravitationsstrahlung–dasjüngsteBeispieleinernobelpreiswürdigenEntdeckunginder
Astrophysik.1
Blicktmanweiterzurück,sofindetmanweiteredurchNobelpreisegewürdigtewissen-
schaftlicheMeilensteinederAstrophysik,aufdiewirimVerlaufdesBucheszusprechen
kommen. Und die Zahl der Nobelpreise wäre sicher noch größer – man denke nur an
Edwin Hubble, wenn nach damaliger Lesart nicht „astronomische“ Ergebnisse von der
Nobelpreisvergabeausgeschlossengewesenwären.
Man muss allerdings nicht unbedingt die Zahl der Nobelpreise bemühen, um breite
ZustimmungfürdieAussagezubekommen,dassmoderneAstrophysikeinäußerstfaszi-
nierendesGebietist.WirsindseitfrüherKindheit,alleinschondurchdieunausweichliche
„Himmelsbeobachtung“,mitastronomischenFragestellungenrechtbewusstkonfrontiert.
Auch haben die meisten von uns sich immer wieder erkenntnistheoretische Fragen der
Art „Woher kommen wir, wohin gehen wir?“ gestellt und dabei auch aus dem naturwis-
senschaftlichenBereichHilfestellungenerwartet.DiesefrüheBefassungmitderMaterie,
ohneabschließendeAntwortenaufallesgefundenzuhaben,lässtauchNicht-Spezialisten
AstronomieundAstrophysikweiterhinalsäußerstspannendundwichtigbewerten.
Die Motivation für das Gebiet ist also gleichsam „gottgegeben“. Der „Preis“ für die
enorme Bedeutung ist die Breite. Und diese nun seriös in einem einzigen Buch vorstel-
lenzuwollen,istwegenderVielzahlderAspektezumScheiternverurteilt.Alsomüssen
wir eingrenzen. Daher soll der Versuch unternommen werden, eine Art Leitfaden für
das Erschließen des so spannenden Fachgebiets aufzustellen. Zum Beispiel für Studie-
rendeimHauptstudiumPhysik,diegeradedenGrundkursTheoretischePhysikabsolviert
haben. Die „Einführung in die Theoretische Astrophysik“ soll eine solide Möglichkeit
bieten, ihre gerade erworbenen methodischen Fähigkeiten in einem Gebiet zu erproben,
von dem sie schon viel gehört haben, dessen vielzitierte Phänomene sie aber bis dahin
noch nicht quantitativ erfassen konnten. So soll dieses Buch insbesondere Hinweise lie-
fern,wieeinigewesentlicheundbekannteastrophysikalischeErscheinungenmodellmäßig
beschriebenundmitdengängigenMethodenderTheoretischenPhysikbehandeltwerden
können. Das kann nur exemplarisch geschehen; jedweder Anspruch auf Vollständigkeit
mussunterbleiben.Trotzdemhoffeich,dassdiephysikalischenBeispielezueinemgroßen
TeilAntwortenaufdieFragenliefern,dieauchdieastrophysikalischenLaienmotiviertha-
ben,sichmitdemGebietetwasnäherzubeschäftigen.DiegewähltenThemensollenauch
aufzeigen,wiegesichert(oderspekulativ)mancheAussagensind.DassvieleFragenun-
beantwortet bleiben, hat zwei Gründe. Erstens kann – wie bereits mehrfach betont – in
dieser Einführung nur eine kleine Zahl von Problemen behandelt werden. Andererseits
sindgeradeinderAstrophysiknochheutevieleFragenoffen.DassLetzteressoist,macht
auchganzsichereinengroßenTeildesReizesdiesesGebietesaus.
1The Nobel Prize in Physics 2017 was divided, one half awarded to Rainer Weiss, the other half
jointlytoBarryC.BarishandKipS.Thorne„fordecisivecontributionstotheLIGOdetectorand
theobservationofgravitationalwaves“.
Vorwort VII
Gegenstand des Buches sind die Grundlagen und gesicherten Erkenntnisse der mo-
dernen Astrophysik. Da dieser Wissenschaftszweig auf astronomischen Beobachtungen
aufbaut,wirdauchein–allerdingssehrkurzer–Abrissder„Werkzeuge“derAstronomie
gegeben,sofernsiefürdieAbhandlungderAstrophysikrelevantsind.
Teil I „Einführung in die Astrophysik“ beinhaltet den seitenmäßig umfangreichs-
ten Teil des Buches. In ihm stehen grundsätzliche Aspekte der Astrophysik, wie z.B.
Gravitationskollaps, stellare Nukleosynthese, Zustandsgleichungen in dichter Materie,
Materie-Strahlungs-Wechselwirkung,Wärmetransport,thermonukleareFusion,(einfache)
Sternmodelle,imVordergrund,wobeidemÜberblickgegenüberderDetailerarbeitungder
Vorzug gegeben wird. Die Theorie der Sternentwicklung nimmt einen wesentlichen Teil
der Darstellung ein. Weißen Zwergen, Neutronensternen, Pulsaren, Schwarzen Löchern
sindjeweilseigeneKapitelgewidmet,soweitsienochohnefundierteKenntnissederAll-
gemeinenRelativitätstheorieauskommen.TeilIIträgtderTatsacheRechnung,dassviele
astrophysikalische Aspekte Grundkenntnisse der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART)
erfordern. Die ART ist eine der elegantesten Theorien der Physik. In ihrer ganzen Kom-
plexität lässt sie sich keinesfalls auf wenigen Seiten darstellen. Wenn man sie allerdings
füreinigegrundsätzlicheProbleme„nuranwenden“will,dannisteineVermittlungeiniger
„technischerVorschriften“ausreichend.GenaudasgeschiehtineinemCrash-KursinTeil
II,wobeiauchgleicheinigeART-Phänomeneberechnetwerden.EsbestehtdieHoffnung,
dassnacheinemkurzenunderfolgreichenUmgangmitderARTdieScheuvorihrgenom-
menist.DassolldieMotivationsteigern,sichaucheinmalausführlichermitderARTzu
beschäftigen (wozu dringend geraten wird).In TeilIII nutzen wir die ART zur Entwick-
lung kosmologischer Modelle. Auch wenn nur die bekanntesten diskutiert werden, zeigt
dieeinfacheTheoriebereitsdenZusammenhangmitdenaktuellenFragennachDunkler
Materie,DunklerEnergieundInflation,umnureinigezunennen,auf.Wennesauchviele
interessante kosmologische Ansätze gibt, die dieses Buch trotz seiner zweiten Auflage
nichtaufzeigt,danngeschiehtdasvordemHintergrundeinesBonmots,dasdemberühm-
tenTheoretischenPhysikerLandauzugeschriebenwird:„Cosmologistsareofteninerror,
but never in doubt“. Wahrscheinlich wird sich bei manchen Erklärungsversuchen erst in
dennächstenJahren„dieSpreuvomWeizentrennen“.
AbschließendnocheinWortzurDarstellung.Bewusstsindindiesem„Leitfaden“die
meisten Abbildungen recht plakativ gestaltet. Dementsprechend findet man nicht allzu
viele Reproduktionen aus Originalpublikationen, mit all den wichtigen Details, die für
eineseriösewissenschaftlicheWeiterarbeitnötigsind.WirlebenimZeitalterdesInternets,
mitschnellemZugangzueinerunermesslichenZahlvonwissenschaftlichenPublikationen
undDaten.Wennmanweiß,wasmansuchensoll,wirdmaninderRegelschnellinallen
Details fündig. Die entscheidende Frage istdabei: Was istwichtig, und wie ordne iches
ein?ZurBeantwortungdieserFragensolldasBuchHilfestellungleisten.
DieAbfassungdesBucheshatvielZeitundGeduldgekostet.IchbinmeinerFrauGer-
trudfürihrVerständnissehrdankbar.DemFachPhysikanderHeinrich-Heine-Universität
Düsseldorf danke ich für die zahlreichen Hilfestellungen und Möglichkeiten, den Inhalt
immerwiederStudierendenvermittelnzukönnen.ImSpringer-VerlaghabenFrauDr.Lisa
VIII Vorwort
EdelhäuserundFrauAnjaGrothdieEntwicklungdesBucheskonstruktivkritischundstets
motivierendbegleitet.FürihrezahlreichenAnregungenbinichsehrdankbar.VielPositi-
ves ist mit fremder Hilfe eingeflossen – für das verbliebene Negative übernehme ich die
alleinigeVerantwortung.
Düsseldorf,imJuni2017 K.H.Spatschek
Inhaltsverzeichnis
TeilI EinführungindiemoderneAstrophysik
1 EinigewichtigephysikalischeGrundlagen........................... 3
1.1 Überblick ................................................ 3
1.2 GrößenordnungenundModellbereiche .......................... 15
1.2.1 Orts-undZeitskalen .................................. 15
1.2.2 KräfteundEnergieskalen............................... 21
1.2.3 Gravitation ......................................... 25
1.2.4 Modellzonen ........................................ 29
1.3 AstrophysikalischeStrukturen ................................ 34
1.3.1 DasUniversuminsgesamt .............................. 34
1.3.2 Virialtheorem ....................................... 43
1.3.3 AbschätzungenfürdieGrößevonStrukturen ................ 45
1.4 StrahlungundHelligkeit..................................... 54
1.4.1 SpektraleVerteilungvonPhotonenimGleichgewicht.......... 55
1.4.2 HelligkeitundGrößenklassen ........................... 63
1.4.3 Hertzsprung-Russell-Diagramm.......................... 70
1.5 Strahlungs-undEnergietransport .............................. 72
1.5.1 Strahlungstransportgleichung............................ 72
1.5.2 DiffusionsmodellefürdenTransport ...................... 81
1.5.3 KonvektiverTransport ................................. 86
2 Beobachtungsmöglichkeiten ...................................... 91
2.1 Klassische Verfahren zur Bestimmung astrophysikalischer
Größen ................................................. 91
2.1.1 MethodenderAbstandsbestimmung ...................... 92
2.1.2 StarkvereinfachteModellefürCepheiden .................. 103
2.1.3 Massenbestimmung................................... 110
2.1.4 Radiusbestimmung ................................... 111
IX
X Inhaltsverzeichnis
2.1.5 Oberflächentemperatur ................................ 112
2.1.6 Geschwindigkeitsbestimmung ........................... 112
2.2 Beobachtungsinstrumente.................................... 117
3 KosmischeStrahlung ........................................... 131
3.1 Überblick ................................................ 131
3.2 Beschleunigungsmechanismen ................................ 141
3.2.1 Fermi-BeschleunigungdurchmagnetischeSpiegel............ 142
3.2.2 Fermi-Beschleunigung................................. 150
4 SternaufbauundSternentwicklung ................................ 157
4.1 GrundgleichungenfürbrennendeSterne ......................... 158
4.1.1 Sternaufbaugleichungen................................ 160
4.1.2 Zustandsgleichungen .................................. 163
4.1.3 SternaufbaugleichungenundVirialtheorem ................. 169
4.2 StellareEnergiequellen...................................... 170
4.2.1 Grundsätzliches...................................... 171
4.2.2 FusionsprozesseinSternen ............................. 183
4.3 UnsereSonne ............................................. 187
4.3.1 Sonnenparameter..................................... 187
4.3.2 Energietransport,EnergiebilanzundStabilitätderSonne ....... 191
4.3.3 Sonnenatmosphäre.................................... 194
4.3.4 Helioseismologie..................................... 200
4.3.5 PrototypeinesStandardsonnenmodells .................... 201
4.3.6 SolareNeutrinos ..................................... 204
4.3.7 AusblickaufdieweitereSonnenentwicklung ................ 205
4.4 ZustandsgleichungenundChandrasekhar-Masse................... 207
4.4.1 ThermodynamikdesidealenklassischenGases .............. 208
4.4.2 IdealeQuantengase ................................... 212
4.4.3 PhysikalischeBedingungenfürWeißeZwerge............... 220
4.4.4 PolytropeZustandsgleichungenundAdiabatenindices ......... 223
4.4.5 Chandrasekhar-Masse ................................. 226
4.4.6 ZustandsgleichungendichterCoulomb-Systeme.............. 235
4.4.7 NeutronenkommeninsSpiel ............................ 245
4.5 Strukturbildung ........................................... 249
4.5.1 QualitativeAussagen.................................. 250
4.5.2 Jeans-Instabilität ..................................... 253
4.6 Sternentwicklung:Anfänge................................... 261
4.6.1 EntwicklungderProtosterne ............................ 261
4.6.2 SkalierungenimHertzsprung-Russell-Diagramm............. 267
4.6.3 ApproximativeLösungderSternaufbaugleichungen........... 271
4.6.4 Massengrenzen ...................................... 282