Table Of ContentTheorie:Gestaltung
T:G\07
DasInstitutfUrTheorie(ith)betreibtGrundlagen-und angewandteForschungundentwickelt
entIangaktueller iisthetischer FrageneinTheorieverstandnls,dasinengemBezugzurPraxis
der Gestaltung und Kunst und deren gesellschaftlicher Relevanzsteht. DieArbeit ist trans
diszipliniirund aufWissenstransfer undVernetzungausgerichtet.
T:G\Ot BettinaHeintz/JorgHuber(Hgg.),MitdemAugedenken:
StrategienderSichtbarmachunginwissenschajtlichenundvirtuellenWelten.
T:G\02 UrsulaBiemann (ed.),Stuffit:TheVideoEssayintheDigitalAge.
T:G\03 MarionvonOsten(Hg.),NormderAbweichung.
T:G\04 JuergAlbrecht/JorgHuber/KorneliaImesch/Karl Jost/PhilippStoellger(Hgg.),
KulturNichtVerstehen:ProduktivesNichtverstehenundVerstehenalsGestaltung.
T:G\05 JorgHuber/PhilippStoellger/GesaZiemer/SimonZumsteg(Hgg.),
AsthetikderKritik,oder:VerdeckteErmittlung.
T:G\06 JorgHuber/PhilippStoellger(Hgg.),GestaltenderKontingenz:EinBilderbuch.
T:G\07 JorgHuber/GesaZiemer/SimonZumsteg(Hgg.),ArchipeledesImaginiiren.
DiePublikationsreiheT:G(Theorie:Gestaltung)wird realisiertalsKoproduktiondesInstituts
furTheorie(ith)und EditionVoldemeer Ziirich/SpringerWienNewYork.
JorgHuber /GesaZiemer/SimonZumsteg (Hgg.)
Archipele
des Imaglnaren
mit Beitriigenvon
Christina vonBraun IsoldeCharim
PeterFuchs Gerhard Gamm SilviaHenke
JorgHuber Susanne Ludemann
Dieter Mersch EvaMeyer Ivana Muller
Michaela Ott K.LudwigPfeiffer
AlexandraPontzen Marianne Schuller
GesaZiemer SimonZumsteg
ith
InstitutfurTheorie
Theaterhaus Gessnerallee
SiemensArts Program
Edition Voldemeer Zurich
~
SpringerWien NewYork
JorgHuber
InstitutfiirTheorie(ith),DepartementKunst&Medlen,ZiircherHochschuIederKiinste(ZHdK)
GesaZiemer
InstitutfiirTheorielith),DepartementKunst&Medien,ZiircherHochschuIederKiinste(ZHdK)
Simon Zumsteg
DeutschesSeminarderUniversitiitZiirich
InstitutfiirTheorielith),DepartementKunst&Medien,ZiircherHochschuIederKiinste(ZHdK)
DasInstitutfiirTheorielith,LeitungProf.Dr.JorgHuber) istTeildes Departements
Kunst&Medien (LeitungProf.GiacoSchiesser)derZiircherHochschuIederKiinste
(ZHdK,RektorProf.Dr.Hans-PeterSchwarz).
•
Siemensartsprogram
DasWerk isturheberrechtlichgeschiitzt.DiedadurchbegriindetenRechte, insbesondere
die derUbersetzung,des Nachdruckes,derEntnahmevonAbbildungen,derFunksendung,
derWiedergabeaufphotomechanischemoderiihnIichemWegeund derSpeicherung
inDatenverarbeitungsanIagen,bleiben,auchbeinurauszugsweiserVerarbeitung,
vorbehalten.
Copyright©2009InstitutfiirTheorielith),www.lth-z.ch,undVoldemeerAG,Ziirich.
Fur dieAbbildungen Copyright©2009beiden Urhebernbzw.derenRechtsvertretung.
EditionVoldemeerZiirich
Postfach2174
CH-8027 Ziirich
AileRechte vorbehalten.
Gestaltung:EditionVoldemeerZiirich
Satz:MarcoMorgenthaler,Ziirich
Druck:Gebr.KlingenbergBuchkunst,Leipzig
PrintedinGermany
SPIN 12593828
Mit24Abbildungen
ISBN 978-3-2II-92289-7 Springer-VerlagWienNewYork
SpringerWienNewYork
Sachsenplatz4-6
A-1201Wien
www.springer.at
www.springer.com
Inhalt
SimonZumsteg
Willkommen in denArchipelendes Imaginiiren 7
ARCHIPEL DES UNSICHTBAREN
EvaMeyer
DaszusammengefalteteJetzt 43
Michaela Ott
Zwang zur Imagination 49
Susanne Ludemann
Inversionen des Blicksoderdas Unbewussteim Feld des Sehens 59
Isolde Charim
Der demokratische Glaube 77
AM THEATERHAUS GESSNERALLEE
IImagine
Daslmaqiniire alsProookation 85
ARCHIPEL DER REGEL
Dieter Mersch
Positive und negative Regeln:
ZurAmbivalenz regulierter Imaginationen 109
Marianne Schuller
Deja-vu oderder nicht-spekuliire Rest 125
K.LudwigPfeiffer
Vonder Imagination zum Imaginiiren(und womoglich zuruck) 131
ARCH1PEL DES SCHW1NDELS
GerhardGamm
VomSchwindel:AmNullpunktder Erfahrung 147
JorgHuber
Devenircadavre- l'imaginaire:Maurice Blanchotlesen 165
Silvia Henke
Das Imaginate ist schwindelerregend:
EinVersuch im Intermedialen
Christinavon Braun
Der Schwindelmit dem Schwindel 195
ARCHIPEL DER PE1NLICHKEIT
PeterFuchs
DieFunktionder Peinlichkeit - modern 2°9
Gesa Ziemer
Zwischenfalle:Peinlichkeit und Imaginares aufder Biihne 225
Alexandra Pontzen
Peinlichkeitund Imagination 235
BiographischeNotizen
Ivana Miiller
WhileWeWere Holding ItTogether(2006) [DVD]
SIMON ZUMSTEG
Willkommen in den
Archipelen des Imaginaren
»DeinerInselnistnoch,derbliihenden,keineverloren.«
- FriedrichHolderlin,DerArchipelagus
IImagine- das Imaqiniire alsProvokation- unterdiesemTitelginginZiirich
wahrend der Saison 2007/2008 eine vierteiligeVeranstaltungsreihe iiber die
Biihne,die vom ausrichtenden Theaterhaus Gessnerallee, dem SiemensArts
ProgramunddemInstitutfiirTheorie (ith)der ZiircherHochschuleder Kiinste
(ZHdK)koprogrammiertwurde.Erklartes Zieldieser Reihewar es,Kunstund
TheoriemiteinanderinsSpielzubringen undaufdieMoglichkeitenihrergegen
seitigen Befruchtung zu befragen. In dieser Absicht wurden sowohl kiinst
lerische Produktionen als auch Theoretikerinnen undTheoretiker aus unter
schiedlichen Disziplineneingeladen.DieTheorie-Gaste schauten sichjeweils
eine Performance an,urntags daraufunterdemMottoSlow Theory einerseits
eigene Thesen zum Thema zu prasentieren und andererseits das Gesehene
diskutierend mit dem Gedachten zu verkniipfen.Daraus entsprungen ist die
vorliegende Publikation,dienun allerdings auchnoch Beitragevonnachtrag
lichhinzugebetenen Fachpersonenenthalt,
DerIntention dieses Projekts entsprechendverdanktesichbereitsseinTitel
einer Performance:»1 imagine...« fungiert als Leitanapher in Ivana Miillers
StiickWhileWeWereHoldingItTogether(2006),dasbeimAuftaktder Reihezu
sehenwar und (inFormeiner DVD) auch denAufhanger undAbschlussdieses
Bandes bildet.DasSetting istinaller Kiirzeso:ZweiFrauenund drei Manner
haben sich vorschwarzem Hintergrund aufgestellt und Posen eingenommen,
die ihnen - »another position ofmyhands would have been a better choice«
- imVerlaufder gut einstiindigen Auffiihrung mitunter noch leidtun werden.
Wasda namlich offenbar gezeigt wird, ist »a series oftableaux vivants« an
lasslich einer Party im Rotterdam des 19. Jahrhunderts. Sozumindest wird
das vorgestellt, denn aIle -Handlung- entspinnt sich stets und nur iiber die
einschlagige incipit-Formel»1imagine...«.Unterbrochenvonundstrukturiert
durch Blackouts,in denen das Publikum nurmehr Gerausche verschiedens
ter Provenienz(vonzirpenden Zikadenbiszuknatternden Hubschraubern)zu
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SIMON ZUMSTEG
horenkriegt,lotendie Performenden den SpielraumderEinbildungskraftaus.
Dabei gehensie- »1 imagine not beingable toimagine anyrnore«- bis an die
Grenze(n) der Imaginationund tastensich- »runover bythe 48 bus« - sogar
bis zujenemPunktvor,an dem derWillezurWeltalsVorstellungan sein Ende
kommenmuss:Mitdem Satz »1imagine Iam finallydead«wird das Publikum
zum >Vorstellen zum Todec und insofern zum schlechthin Undenkbaren ani
miert.NochimHinblick aufunser aller Ende also ladendie Darstellendendie
Zuschauendenein,sichindie geschildertenSzenarienhineinzuversetzen,und
mit den tableaux wird folglich nicht etwa eine Nachstellung vorgestellt,son
derngleichsamderVorstellungnachgestellt.GegenEnde des Sttickswird denn
auchWert aufdie Differenz zwischen >Welt< und -Vorstellungc gelegt. Aufdie
Frage:»Are we now only thoughts?« folgen postwendend die Antwort: »No!
Weare still an image« und der nachdenkliche Kommentar:»1 wonder ifthe
people in the audience are now travelling as well- silently from one body to
another...«
Schon ziemlich zu Beginn hingegen war geaullert worden, dieAuffuhrung
habedie Qualitaten»light, entertaining,and educational«- dies wohlgemerkt
ebenfalls in jenem Modus, den man (in leicht schiefer Erganzung zu Realis,
Irrealis und Potentialis) -Imaginarius- nennen konnte. Beiweitem nicht nur
hier,hier jedoch auf eine besonders frappante Weise, macht das Stuck eine
autoreflexive Schlaufe.Wahrend zum Beispiel via »1 imagine I am standing
on stage with four other actors« das Dargestellte auf einmal mit dem Vor
gestellten koinzidiert, betreffen die Pradikate entertaining, educational und
auch light nichts weniger als das, was imAbendland lange Zeit als Auftrag
der Kunst galt.Aufgenommen werdendamit zum einen das Horazische prod
esse et delectare und zum anderen der nur geringfugig unkonventionellere
Anspruchauflenitas/" Dass dieserAnspruchim Kontext einerArt Odean die
Einbildungskraft gar an erster Stelle gehegt wird,ist vielleicht nicht weiter
iiberraschend.Leichtigkeitgehort- man denke nur an die Redewendung-auf
den Fliigeln des Geistess - zum Grundarsenal der diesbeziiglichen Metapho
rik.o2Frappantindes ist an der EinfiihrungdieserTrias,die das Stuck demAn
scheinnachin dieTraditionder -Schauhuhneals moralischeAnstalt- einreiht,
etwas anderes.Frappantist, dass das, was allgemeinzum (symbolischen) Be
standhumanistischerKunst zahlt,selbstals ProduktderPhantasieausgestellt
wird; dass also einTeilunserersozialen >Wirklichkeit< im Reichdes Imagina
ren auftaucht und damit- retroaktiv affiziert quasi - auch seine Kontingenz
01 - Schon der wohl beriihmteste SohnjenerStadt,in der die -Handlung- von While We
WereHoldingItTogetherangeblichstatthabensoli,schreibtam9.Juni 1508»anseinenFreund
Thomas Morus«,den(spateren)VerfasservonUtopia(1516):»WenaberLeichtigkeit[leoitas]
und VerspieltheitIludicruml der Behandlung storen,der mag immerhin bedenken, daBich
damit keinesfalls einNeuerer bin,sondern angroBenAutoren derVergangenheitriihmliche
Vorbilder habe« (ErasmusvonRotterdam,DasLobderTorheit [15091.hg.vonAntonJ.Gail,
Stuttgart2002,S.4[Kursivierung- d.Vf.]).
02- Zum metaphorologischen Zusammenhang von Phantasie und Schwerelosigkeit vgI.
auchGabrieleBrandstetter,»Einleitung«,in:- (Hg.),leichtigkeitllightness,Koln2003(=figu
rationen:genderIiteraturkultur 1/03),S.7-13,bes.S.7f.
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Willkommen indenArchipelendeslmaqiniiren
offenbart.AmBeispieldes Subsystems Kunstfiihrt diesinder Nussschale vor
Augen.was fur die Gesellschaft generell inAnschlag gebracht werden kann:
Normen tragen einen historischen Index;sie sind Entwurfe, aufdie sich die
soziale Gemeinschaft zwischenzeitlich geeinigt hat. und lassen sich insofern
auch als ejjets de l'imaqinaire begreifen.Dasist der Punkt, urntiber diehier
praktizierte Verwendung der beiden Begriffe,die imTitel dieser Publikation
firmieren, Rechenschaft abzulegen.Zuerst zum -Imaglnaren-.
Wenn bis anhin terminologisch ein scheinbar kunterbuntes Potpourri ge
boten wurde, in dem sich die Begriffedes Imaginaren, der Imagination. Ein
bildungskraft,Vorstellung oder Phantasie ein munteres (und zu allem Uber
fluss auch noch mehrsprachiges) Stelldichein gaben, ist das nicht zuletzt ein
Symptomder .Sachlage-.Sovielfiiltigallein schon der Begriffdes Imaginaren
lesbar ist, so vielschichtig sind auch seine Beziehungen zum genannten Be
griffsfeld,die er mit diesem tiber die etymologischenWurzeln.lat. imago und
gr.phainein. unterhalt.?"Entsprechendhat sichdas Imaginarebisdato gegen
tiber einer begriffiichen Zahmung,wie sie beispielsweise in den Disziplinen
Philosophie. Psychologic, Evolutionstheorie, Literaturwissenschaft und Psy
choanalyse versucht wurde,entweder erfolgreich widerspenstig gezeigt oder
abernururnden Preis einerisolationistischen Spezifizierunghingegeben. Mit
anderenWorten:DasImaginare ist weit davon entfernt, ein (theoretisch) un
beschriebenes Blatt zu sein; es wurde in der wissenschaftlichen Diskussion
mehrfach besetzt,wobei insbesondere dreiAspekte seinVerstandnis pragten:
»Der Begriffimpliziert zunachst Bildhaftiqkeit, denotiert tiblicherweise das
Momentder Einbildungund konnotiert inder Folgeden Status desScheinhaf
ten und Irrealen.e"
Urn-desWiderspenstigenZahmung-solIund kann esdeshalb hier genauso
weniggehen wieurndieEinengung aufeinspezifisches Konzept.VielmehrsolI
der Umstand, dass es weder das Imaginare noch einen konsistenten Diskurs
dariiber gibt,als potenzieller Gewinnverbucht worden,indem die erwahnte
Vielfaltigkeitausgeschopft wird. In diesem Sinne kreisen die versammelten
Beitrage auf dem skizzierten Begriffsfeldrund urn diese Grundfigur.Sie be
ziehen sich dabei zwar auf durchaus unterschiedlicheTheoriehorizonte,tun
dies jedoch gerade nicht, urn die disparaten Bestimmungen des Imaginaren
gegeneinanderinsFeldzufiihren,sondernurndieselben wechselseitigfrucht
barzumachen.Trotz(oderjust wegen)dieses bewusst offenenVerstandnisses
des Imaginaren bedarfes dazu gleichwohl noch einer etwas genauerenAus
fiihrung.
03- Fur eine ausfiihrlichere begriffsgeschichtliche Rekapitulation dieses semantischen
Felds vgl.WolfgangIser,DasFiktive und das Imaginiire:Perspektiven literarischerAnthro
pologie(1991).FrankfurtamMain1993.S.292-316(»HistorischeVorbemerkungen«).
04- Nicolas Pethes, »Uber Bilder(n) sprechen:Einleitung in Lesarten einer Theorie des
Imaginaren«.in;Erich Kleinschmidt/- (Hgg.),Lektiiren desImaqiniiren:Bildfunktionen in
Literaturund Kultur. Kiiln/Weimar/Wien 1999.S. 1-14.hier:S.3.Pethes' Einleitungbietet
einen instruktivenOberblicktiberdiediversenFunktionalisierungenderKategorie deslmagi
narenindenverschiedenenDisziplinen(vgl.S.1-12).
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