Table Of ContentMichaela Goll
Arbeiten im Netz
Studien zur Sozialwissenschaft
Band 216
Michaela Güll
Arbeiten im Netz
Kommunikationsstrukturen,
Arbeitsabläufe, Wissensmanagement
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei
Der Deutschen Bibliothek erhältlich
1. Auflage Juni 2002
Alle Rechte vorbehalten
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2002
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Wiesbaden 2002
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne
der Warenzeichen-und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jeder
mann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: Horst Dieter Bürkle, Darmstadt
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
ISBN 978-3-531-13810-7 ISBN 978-3-663-07865-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07865-4
Inhalt
1 Einleitung............................................................................................. 9
2 Die Untersuchung netzbasierter Kommunikation in
Unternehmen ....................................................................................... 12
2.1 Formen und Kontexte netzbasierter Kommunikation ........................... 12
2.2 Charakteristika netzbasierter Kommunikation ...................................... 16
2.3 Netzbasierte Kommunikation in Unternehmen ..................................... 21
2.4 Resümee ................................................................................................ 26
3 Das methodische Instrumentarium ................................................... 28
3.1 Die kulturell kontextualisierte Konversationsanalyse ........................... 28
3.2 Der methodische Zugang zum Forschungsfeld ..................................... 37
3.3 Das Datenmaterial ................................................................................. 39
4 Der Eintritt ins Untersuchungsfeld ................................................... 46
5 Charakteristika der vernetzten Arbeitsorganisation ....................... 62
5.l Eine erste Kurzbeschreibung oder: "What's going on here?" ............... 62
5.2 Das Mitarbeiterprofil bei Communications:
Zusammensetzung und Rekrutierung ................................................... 63
5.3 Strukturen und Formen des räumlich verteilten Arbeitens .................... 69
5.3.1 Netzbasierte Kommunikation unter Anwesenden:
Das Arbeiten im Großraumbüro ............................................................ 70
5.3.2 Kundenzentrierte Arbeitsorganisation:
Charakteristika der "On-Site"-Telearbeit.. ............................................ 79
5.3.3 "Unsichtbare" Tätigkeiten: Telearbeit im Horne-Office ....................... 81
5.4 Die Organisation der Arbeit über vernetzte Projektteams ..................... 82
5.4.1 Charakteristika der vernetzten Organisationsstruktur ........................... 82
5.4.2 Kennzeichen des partizipativen und ergebnisorientierten
Führungskonzeptes ................................................................................ 85
5.4.3 Managementkonzepte zur Sicherung der Koordination und
Kooperation ........................................................................................... 89
6 Die Herstellung einer virtuellen Präsenz: Das Gruppenprogramm
als interaktives Werkzeug für die tägliche Arbeit ............................ 94
6.1 Aufbau und Struktur des Gruppenprogramms ...................................... 94
6.2 Der gezielte Rückgriff auf die "embodied practice": Möglichkeiten
und Grenzen einer elektronisch organisierten Terminverwaltung ......... 96
6.3 Die Vorstrukturiertheit der Kommunikationsform als
Interaktionsproblem elektronischer Aufgabenanfragen ...................... 111
6.4 "Heavy user practice": Charakteristika der innerbetrieblichen
E-Mail-Kommunikation ...................................................................... 115
7 Interne Diskussionslisten zwischen Dialog und Dokumentation ... 125
7.1 Der Beitrag der Verteilerlisten im vernetzten Wissensmanagement... 125
7.2 Struktur und Funktion der internen Listen .......................................... 127
7.2.1 Die Koordination der Proj ekte ............................................................ 13 3
7.2.2 Der gesicherte Zugang zu den interdisziplinären Themengebieten ..... 138
7.2.3 Das Management interner Arbeitsabläufe ........................................... 141
7.3 "Favoriten" als individuelle Lösungsmuster einer zentralisierten
Wissensverwaltung .............................................................................. 147
7.4 Die zentrale Organisation der Listen über individuelle
"Pflegschaften" ................................................................................... 150
7.5 Das Postingverhalten der Mitarbeiterinnen und der Umgang mit der
"Klönschnack" -Liste ........................................................................... 155
7.6 Das Leseverhalten der MitarbeiterInnen und der Umgang mit der
strukturierten Unsicherheit .................................................................. 161
7.7 Resümee .............................................................................................. 166
8 Die Konstruktion der UnternehmensweIt im Intranet ................... 168
8.1 Der Eintritt in "Bertie" oder: Eine fiktive Romanwelt als
Unternehmensmotto ............................................................................ 168
8.2 Die Funktion des Link-und Leitsystems für die Ausbildung einer
(Firmen-) Identität ............................................................................... 170
8.3 Werben, Motivieren und Verpflichten: Die verschiedenen Codes des
Intranets ............................................................................................... 175
8.4 Resümee .............................................................................................. 182
9 Die funktionelle Integration der Medien ......................................... 184
9.1 Die Funktion der Homepage fiir die Ausbildung einer
Firmenidentität .................................................................................... 184
9.2 Der häufige Rückgriff auf "alte" Medien -
Das Telefon zur Lösung interaktiver Problemsituationen ................... 192
9.3 Der seltene Rückgriff auf "alte" Medien - Das Fax als
geduldete Zwischenlösung fiir die Kommunikation nach Außen ........ 197
9.4 Die wechselseitige F okussierung verschiedener Aktivitätstypen:
Zur Ökonomie der Arbeitsorganisation ............................................... 198
Inhalt 7
10 Die Ökonomisierung der Face-to-face-Treffen ............................... 211
10.1 Der regelmäßige Austausch: Das monatliche Firmenmeeting ............ 211
10.2 Die unregelmäßige Lösung: Ad hoc organisierte Arbeitstreffen ......... 222
10.3 Von der Abwesenheit zur Anwesenheit: Der wöchentliche Bürotag .. 223
10.4 Wissensaustausch und Aufbau von Kollegialität durch Workshops ... 225
10.5 Resümee .............................................................................................. 227
11 Multi-mediales Wissensmanagement:
Die Aus- und Weiterbildung unter vernetzten Bedingungen ........ 229
11.1 Der (mögliche) Verlauf einer Einarbeitung ......................................... 229
11.2 Das Intranet als Lösung für erwartbare Probleme ............................... 234
11.3 Wissensgewinn und -vermittlung über interne Diskussionslisten ....... 243
11.4 Wissenstransparenz als Motivationsfaktor:
Die interne Koordination externer Weiterbildungsmöglichkeiten ...... 248
11.5 Vom Neuling zur KollegIn:
Sozialisation in die innerbetriebliche Kommunikationspraxis ............ 251
12 Schmunzeln, Klönen, Jammern:
Zur Pflege sozialer Beziehungen ...................................................... 260
12.1 "Cookies ofthe day and for the week":
Der Austausch informeller Nachrichten .............................................. 260
12.2 Virtuelle "Magnums" als Belohnungen:
Die Gestaltung der arbeitsbezogenen Nachrichten .............................. 267
12.3 Klönen in der "Klönschnack-Liste": Die Konstitution als Gruppe ..... 274
12.4 Die Funktion des "virtuellen Kummerkastens":
Zum Umgang mit technisch bedingten Handlungsproblemen ............ 280
12.5 Arbeitsbeziehungen und Beziehungsarbeiten ...................................... 288
13 Typen der Selbstinszenierung bei der Rekonstruktion
der Arbeitswelt .................................................................................. 292
14 Die letzten Kontakte mit dem Untersuchungsfeld .......................... 305
15 Von der Avantgarde zum "Bastelmanagement":
Schlussbetrachtungen zum Ausstieg aus der Vernetzung ............. 313
16 Literaturverzeichnis .......................................................................... 320
17 Anhang ............................................................................................... 331
17.1 Trankriptionskonventionen ................................................................. 331
17.2 Glossar ................................................................................................ 333
1 Einleitung
Die rasante Entwicklung neuer Infonnationstechnologien hat neben den Folgen fiir
die Kommunikation im infonnellen Bereich auch erhebliche Auswirkungen auf die
Strukturen und Arbeitsabläufe von Organisationen. So wird es zunehmend möglich,
Arbeit von ihrer Bindung an eine fest vorgegebene räumlich-zeitliche Struktur zu
lösen und von beliebigen Orten und zu beliebigen Zeiten zu erledigen. Durch diesen
Mobilitätsgewinn werden Organisationen tendenziell zu Einrichtungen, die kein
räumliches Zentrum mehr haben. Die Mitglieder einer Organisation treffen sich
nicht mehr "face-to-face" im Büro, bei einer Besprechung oder auf dem Gang, son
dern - elektronisch vennittelt - nur mehr "virtuell". Aus Organisationen mit einer
Finnenadresse werden Organisationen mit einer Internet-Adresse, aus Unternehmen
werden vernetzte Unternehmen.
Welche besonderen Qualitäten die elektronisch vennittelten Arbeits- und Kom
munikationsprozesse aufweisen und welche Implikationen sie fur die organisatori
sche und die soziale Struktur eines Unternehmens haben, ist das Thema der vorlie
genden Fallstudie. Bei der untersuchten Organisation handelt es sich um eine Bera
tungsgesellschaft mit 12 Mitarbeiterinnen, die Großunternehmen im Bereich IT
Strategien (IT steht für Infonnationstechnologien) und Technologien berät. Die zu
verrichtenden Aufgaben - vorwiegend individuelle Arbeiten am Computer und/oder
Beratungstätigkeiten fur Kunden - ennöglichen bzw. erfordern die Arbeit an ver
schiedenen Orten und zu flexiblen Arbeitszeiten. So findet die Arbeit häufig beim
Kunden vor Ort statt. Mitarbeiterinnen, die nicht beim Kunden sind, können entwe
der im Großraumbüro oder an ihrem Arbeitsplatz zu Hause (Horne-Office) arbeiten.
Die Koordination der individuell, an unterschiedlichen Orten erbrachten Arbeitsleis
tungen und die Kooperation der Mitarbeiterinnen untereinander fiir die gemeinsam
zu erledigenden Aufgaben werden im beobachteten Unternehmen durch verschiede
ne Kommunikationsmedien und -fonnen gesichert: über ein asynchrones Gruppen
programm (mit den Grundfunktionen E-Mail und elektronische Diskussionslisten),
ein auf HTML-Seiten basierendes finneninternes Rechnernetz, das sogenannte Int
ranet, eine FTP-Verbindung, die einen Zugang zum Intranet und zum Internet er
möglicht, über Telefon und Fax sowie über Face-to-face-Treffen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem zentralen Problem vernetzter
Unternehmen: Wie lassen sich die Orientierungen und Tätigkeiten räumlich verteilt
arbeitender Organisationsmitglieder so koordinieren und fureinander transparent
machen, dass Uninfonniertheit, doppelte Arbeit, unklare Zuständigkeiten usw. ver
mieden und aus der Tatsache der Vernetzung ein Rationalitätsgewinn erzielt werden
kann? So arbeitet die Studie zum einen heraus, welche spezifischen Software-Ein
richtungen in dem Unternehmen reziproke Infonniertheit und Kooperation erleich-
10 I Emleltung
tern bzw. ennöglichen sollen. Zum anderen wird gezeigt, wie die Mitarbeiterinnen
des Unternehmens durch die spezifische Handhabung dieser Programme kontinuier
lich die soziale Ko-Orientierung und Synchronisierung untereinander zu erreichen
versuchen. Dabei wird verdeutlicht, welche große Bedeutung gerade infonnelle
Kommunikationsweisen rur die Gruppenidentität und -loyalität der entfernt vonein
ander Arbeitenden haben. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch den besonderen
Kulturtechniken und Routinen, mit denen die Beteiligten die Medien rur sich und
ihre Bedürfuisse adaptieren, und der Frage, wie sie dabei mit Handlungsproblemen
umgehen. Thematisch reicht die Arbeit damit in die Organisationssoziologie, die
Techniksoziologie und Kommunikations- und Mediensoziologie sowie in die For
schung über Computer Supported Co operative Work hinein.
Die Kombination verschiedener Zugänge zum Untersuchungsfeld "elektronisch
vennitteltes Arbeiten" und der sich dadurch ergebende Datenkorpus stellen das
Besondere der vorliegenden Arbeit dar. Die Gelegenheit zur Erhebung der Daten bot
sich durch die Annahme einer mehr als ein Jahr dauernden Arbeitstätigkeit innerhalb
des untersuchten Unternehmens. So war es möglich, sowohl Handlungspraktiken in
ihrem Vollzug zu erfassen und Handlungsergebnisse - in Fonn der produzierten
Texte - zu sammeln, um das räumlich verteilte Arbeiten über alle verwendeten Me
dien und Face-to-face-Gespräche hinweg zugänglich zu machen. Da sich der größte
Teil der Arbeit in dem vernetzten Unternehmen am Computerbildschinn abspielt,
besteht das Datenmaterial primär aus schriftsprachlich konstituierten Texten (E
Mails, HTML-Seiten und Bildschinnmitschnitte), die allerdings durch Gliederung
und Design, durch farbige Markierungen und ikonographische Zusätze angereichert
sind und sich damit einem einfachen gesprächsanalytischen Zugriff entziehen. Er
gänzt wird dieses Datenmaterial durch Video-Aufzeichnungen der Arbeit von Firmen
rnitgliedern am Computerbildschirm sowie durch Feldnotizen, in denen vor allem über
die Face-to-face-Interaktionen berichtet wird. Insgesamt ist festzuhalten, dass auf diese
Weise ein detaillierter und umfangreicher Materialkorpus über ein nicht leicht zugäng
liches und bislang kaum erforschtes Feld zusammengetragen wurde, das von hohem
organisations-und kommunikationssoziologischen Interesse ist.
Die Studie zeigt, dass auch dort, wo es um elektronisch vennittelte Kommunika
tion geht, ein ethnographischer Ansatz geeignet ist, einen Zugang zu einem fremd
artigen Untersuchungsobjekt zu erschließen. Aus der "dichten Beschreibung" der
kommunikativen Ökologie des beobachteten Unternehmens konnten im Sinn einer
ethnographisch erweiterten Konversationsanalyse erste Schritte im Hinblick auf die
Identifizierung allgemeiner Kommunikationsstrukturen entwickelt werden. Der
methodische Zugang der Fallanalyse sowie die Verwendung mikroethnographischer
und interaktionsanalytischer Verfahren gewährleistete dabei eine realitätsnahe Er
fassung und Beschreibung. Im Sinne einer der Ethnomethodologie verpflichteten
Herangehensweise geht es nicht um die Prüfung bzw. Fonnulierung weitreichender
theoretischer Generalisierungen, sondern um eine detaillierte Beschreibung beobachte
ter Abläufe, die sich von der Frage leiten lässt: "What's going on here?". Die Herange-
Description:Die vorliegende Arbeit untersucht in Form einer detaillierten Einzelanalyse die Struktur der Kommunikations- und Arbeitsabläufe in einem vernetzten Unternehmen. Die Autorin stellt zum einen die charakteristischen Merkmale einer solchen Arbeitsorganisation vor, zum anderen beleuchtet sie das Zusamme