Table Of ContentRheinisch -Westfalische Akademie der Wissenschaften
Natur-, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften Vortrage· N 259
Herausgegeben von der
Rheinisch-Westfalischen Akademie der Wissenschaften
DIETRICH WELTE
Anwendung der organischen Geochemie
fur die Erdolexploration
WERNER SCHREYER
Hochdruckforschung in der modernen Gesteinskunde
Westdeutscher Verlag
240. Sitzung am 4. Februar 1976 in Düsseldorf
© 1976 by Westdeutscher Verlag GmbH Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag GmbH
ISBN 978-3-531-08259-2 ISBN 978-3-322-85370-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-85370-7
Inhalt
Dietrich Welte, Aachen
Anwendung der organischen Geochemie fur die Erdolexploration
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1. Das organische Material der Erdolmuttergesteine ........ . . . . 10
2. Die Neubildung von Kohlenwasserstoffen in tiefversenkten Erd-
olmuttergesteinen ...................................... 12
3. Chemofossilien als Korrela tionsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
4. Moglichkeiten zur besseren Abschatzung des Kohlenwasserstoff-
potentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Literatur ............................................... 26
Diskussionsbeitrage
Professor Dr.-lng. Oskar Pawelski; Professor Dr. rer. nat. Dietrich
Welte; Professor Dr. phil. Lothar Jaenicke; Professor Dr.-lng. Hel
mut Domke; Professor Dr. phil., Dr. rer. nat. h. c. Fritz Micheel;
Professor Dr. phil. Maximilian Steiner; Professor Dr. med. Ludwig
E. Feinendegen; Professor Dr. phil., Dr. h. c. Ernst Peschl . . . . . . . . 27
Werner Schreyer, Bochum
Hochdruckforschung in der modernen Gesteinskunde
1. Erdwissenschaftliche Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
2. Physikalisch-chemische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3. Druck-Temperatur-Stabilitatsfelder von Mineralen und Mineral-
parag enes en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4. SchluBwort ........................................... 68
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Diskussionsbeitrage
Professor Dr. phil., Dr. rer. techno Eduard Muckenhausen; Professor
Dr. rer. nat. Werner Schreyer; Professor Dr.-lng. Franz Bollenrath;
Professor Dr.-lng, Oskar Pawelski; Professor Dr. rer. nat. Eckart
Kneller; Professor Dr.-lng. Helmut Domke; Professor Dr. phil. Lo-
thar Jaenicke; Professor Dr. phil. Maximilian Steiner. . . . . . . . . . . . 73
Anwendung der organischen Geochemie
fiir die Erdolexploration
Von Dietrich Welte, Aachen
Einleitung
Erdal und Erdgas werden seit Jahrzehnten, hauptsachlich mit Methoden
der Geologie und Geophysik, erfolgreich aufgesucht. Die Explorationsfor
schung hat sich in den letzten 5-10 Jahren der Fortschritte auf dem Gebiet
der Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik bedient und dadurch die
geophysikalischen Methoden sehr stark verbessert. Die geologischen Me
thoden hingegen haben grundsatzliche Verbesserungen nicht erfahren. Erst
die neuesten Erkenntnisse tiber die Entstehung, Migration und Akkumula
tion von Erdal und Erdgas ftihren zur Zeit zu einer Revision herkamm
licher, geologischer Methoden, das heiBt, zu einer Verbesserung und Erweite
rung. Dabei spielen die organische Geochemie und die organische Petrologie
eine sehr wichtige Rolle. 1m folgenden Vortrag sollen wesentliche Erkennt
nisse aus diesen beiden Wissenschaftszweigen, die zur Erdalsuche beitragen
kannen, geschildert werden.
Die Bedeutung der Erdalexplorationsforschung wird am besten durch die
Tatsache unterstrichen, daB Erdal, Erdgas und Kohle mit Sicherheit noch bis
zum Ende des zweiten Jahrtausends den wesentlichen Anteil an unserer
Energieversorgung tragen werden. Auf dem Hintergrund der zunehmenden
Verknappung von Rohstoffen aller Art, insbesondere von Energiestoffen,
muB jede Methode eingesetzt werden, die dazu beitragt, die Aufsuchung und
Gewinnung von Erdal und Erdgas zu verbessern. Eine Gegeniiberstellung
der fossilen Energievorrate und des Energieverbrauchs mag das Grundsatz
liche der EngpaB-Situation auf dem Erdal- und Erdgassektor unterstreichen
(Fig. 1). 1m Jahre 1974 wurden die gesamten Energievorrate der Welt auf
10640 Mrd. t SKE (1 SKE = 7000 kcal/kg) geschatzt. Nur etwa 10% die
ser Reserve sind als MineralOl bzw. Erdgas vorhanden. Vergleichen wir
demgegeniiber den Verbrauch aus dem Jahre 1974, so zeigt sich ganz deut
lich, daB das Mineralal mit 45% und das Erdgas mit 22010 weit starker ge
nutzt wurden als die Kohle, die nur 33% des Verbrauchs ausmachte. Es be
steht also ein dringender Bedarf, die Exploration nach Erdal und Erdgas zu
verstarken und so rationell wie maglich zu gestalten. Diese Aufgabe stellt
8 Dietrich Welte
Vorriite 1974 Verbrauoo
v.H
100 - Erdgas
Mineralol
90-
80-
70 -
60-
50-
Kohle
1.0 -
30-
20-
10 -
o
_ L-________ ________ _______________________________ _
~ ~~
10640 Mrd. t SKE 7,5 Mrd. t SKE
Fig. 1: Vorrate und Verbrauch von Kohle, Mineralol und Erdgas in der Welt. (Entnommen
aus: Steinkohle 1974/75, Daten und Tendenzen. Gesamtverband des deutschen Steinkohle
bergbaus)
sich ganz besonders in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, die
fur die Bedarfsdeckung zu 95010 auf Erdoleinfuhren aus dem Ausland ange
wiesen ist. Es liegt daher im Interesse unseres Landes, uns an der ErschlieBung
neuer Roholquellen zu beteiligen, urn un sere Versorgungsbasis zu verb rei
tern und urn eine Kontinuitat der Lieferungen zu angemessenen Bedingun
gen sicherzustellen. Der Verfugungsanspruch des Industriestaates Bundes
republik auf neu zu erschlieBende Erdolfelder wird mit Sicherheit auch daran
gemessen werden, was wir selbst zur ErschlieBung von Erdalvorkommen
beizusteuern bereit sind.
Grundtatsachen der Erdolentstehung
Zur Einfuhrung in die nachfolgende Problematik machte ich ganz kurz
auf einige Grundtatsachen der Erdalentstehung eingehen. Erdal und Erdgas
sind organischer Entstehung, d. h. sie sind hervorgegangen aus den Ober
resten von Organismen. Die wichtigsten Organismengruppen, die zur Bil
dung von Erdal und Erdgas beigetragen haben, sind das Phytoplankton und
Anwendung der organismen Geomemie fiir die Erdolexploration 9
Zooplankton der Weltmeere, hohere Pflanzen, die im wesentlichen von den
Kontinenten stammen, und Bakterien, die die Oberreste aus den ersten drei
Gruppen uberpragen und die auch selbst als Lieferant von organischem
Material beitragen. Der Anteil dieser verschiedenen Organismengruppen
wird u. a. durch die Faziesdifferenzierungen des jeweiligen Sedimentations
raumes bestimmt, in dem ein Erdolmuttergestein abgelagert wurde.
Die sogenannten "Erdolmuttergesteine" sind Sedimente, die sich unter
aquatischen Bedingungen gebildet haben und einen relativ groBen Anteil an
organischem Detritus enthalten. Normalerweise liegt der Gehalt der Erdol
muttergesteine an organ is chern Kohlenstoff in der GroBenordnung von
0,3% bis 5% org. C. Vertreter solcher Sedimenttypen finden wir auch heute
noch, so z. B. in den Ablagerungen des Schwarzen Meeres, der Ostsee, im
Bereich des Nigerdeltas und an vielen anderen Stell en, wo die Erhaltung der
abgestorbenen, organischen Substanz durch die jeweiligen geologischen Be
dingungen begunstigt wird. In einem solchen frisch abgelagerten Sediment,
das reich ist an organischem Material, gibt es noch kein Erdol, und es kann
sich auch zunachst kein Erdol bilden. Dazu ist es notwendig, daB diese Sedi
mente von neuem Sedimentmaterial uberlagert und in groBere Tiefen abge
senkt werden. Durch die Absenkung kommen die Erdolmuttergesteine in
Zonen hoherer Temperatur. Erst wenn ein gewisser TemperaturschweIlen
wert von 50 bis 70°C uberschritten wird, konnen sich in den Gesteinen
aus dem feinverteilten organischen Material Erdolkohlenwasserstoffe bil
den. Sie liegen jedoch in den Erdolmuttergesteinen aufgrund ihrer Entstehung
aus dem organischen Detritus ebenfalls in feinstverteilter Form vor.
Erdolmuttergesteine weisen nur eine geringe Eigenporositat auf und sind
daher als Ort der Lagerstattenbildung ungeeignet. Es ist deshalb notwendig,
daB die Kohlenwasserstoffe aus den Muttergesteinen in porose Speicher
gesteine wandern, urn dort eine Lagerstatte zu bilden. Erdol wird also in der
Regel nicht dort gefunden, wo es entstanden ist, sondern es wandert von
dem Ort seiner Entstehung aus dem Erdolmuttergestein zum Ort der Lager
statte, also in das Reservoirgestein. Die Reservoirgesteine mussen sich in
einer geologischen Hochlage befinden und mit einer undurchlassigen Deck
schicht, z. B. aus Ton oder Salz, abgedeckt sein. Aus dieser Tatsache, daB
Erdol mobil ist und sich im Porenraum der Gesteine bewegt, ergeben sich
eine Reihe von Komplikationen fur die Aufsuchung. So ist es, selbst dann,
wenn eine Lagerstatte bereits gefunden wurde, haufig sehr schwierig festzu
steIlen, wo das dazugehorige Muttergestein ist und unter welchen geolo
gischen Voraussetzungen sich das Erdol gebildet hat. Umgekehrt ist es fur
aIle Explorationsvorhaben vorteilhaft, wenn Klarheit dariiber besteht, wo
in einem Sedimentbecken Erdolmuttergesteine zu find en sind, in denen sich
10 Dietridl Welte
Kohlenwasserstoffe gebildet haben. All diesen Problemen der Entstehung
und Wanderung von Erdol und Erdgas und den Beziehungen zwisdten
Lagerstatten und Muttergestein widmet sidt die organisdte Geochemie, oder
besser gesagt, die Erdolgeodtemie. Das heiBt, sie kann wesentlidt dazu bei
tragen, eine klare Konzeption iiber Ablauf, Zeitpunkt und Quantitat der
Kohlenwasserstoffbildung zu entwickeln. Dies wiederum ist fUr die Explo
rationspraxis auBerordentlidt widttig.
1. Das organische Material der E rdolmuttergesteine
Auf die Bedeutung des Phytoplanktons und der hoheren Pflanzen fUr die
Erdolmuttergesteine wurde bereits hingewiesen. Beide Organismengruppen
sind, wenn man von autotrophen Bakterien absieht, die alleinigen Primar
erzeuger organisdten Materials. Auf dem Weg der Photosynthese produzieren
sie, mit Hilfe des Chorophylls und des Sonnenlichtes, organische Substanzen
aus dem C02 der Atmosphare. Abbauprodukte des Chlorophyll-Molekiils
sind in allen Erdolmuttergesteinen auffindbar. Fig. 2 zeigt ein Chlorophyll
Molekiil. In bestimmten Teilen mancher Pflanzen madtt es bis zu 20/0 der
Trockenmasse aus. Eine besondere Rolle in der Geochemie des Erdols spielt
eine Isoprenoid-Seitenkette am Chlorophyll-Molekiil, die sogenannte
" Phytyl-Gruppe" . Das Kohlenstoffskelett der Phytyl-Seitenkette ist als
Diterpenrest aus vier Isoprenoidbausteinen (C5) zusammengesetzt (Fig. 6).
Fig. 2: Chlorophyll-Molekiil
Anwendung der organismen Geomemie fUr die Erdolexploration 11
Am Beispiel des Phytols soIl die Rolle solch charakteristischer Kohlen
stoffskelette in der Erdolgeochemie kurz erHiutert werden. Das Phytol be
steht aus 20 C-Atomen. Es hat eine charakteristische Isoprenoidstruktur mit
16 C-Atomen in einer Reihe und jeweils in regelmaBigen Abstanden von
4 C-Atomen insgesamt 4 Methyl-Seitengruppen. Das Phytol-Molekiil ist an
das Chlorophyll-Molekul uber eine Esterbrucke gebunden. Diese Ester
brucke wird durch diagenetische Prozesse im frisch abgelagerten Sediment
aufgespalten, und in den Sedimenten finden wir entsprechende Relikte des
Phytols, am haufigsten zunachst ein Phytadien-Molekul. In diagenetisch
weiter entwickelten Muttergesteinen tritt dann entweder bevorzugt das ge
sattigte Phytan-Molekul auf, bei dem das gesamte Kohlenstoffskelett des
Phytols erhalten geblieben ist, oder aber das C19-Isoprenoid, das Pristan,
das lC-Atom weniger enthalt. Meistens findet man sowohl Pristan als auch
Phytan in beachtlichen Mengen. In Erdolen, die aus solchen Erdolmutter
gesteinen hervorgegangen sind, finden sich dann entsprechende Konzen
trationen an Phytan und Pristan.
Der Kern des Chlorophyll-Molekuls macht eine ahnliche Diagenese durch
wie die Phytyl-Seitenkette und wird sowohl in den Extrakten aus Erdol
muttergesteinen als auch in Erdolen in Form von Porphyrinen wiedergefun
den. Die Porphyrine enthalten statt des urspriinglichen Magnesium-Zentral
atoms im Chlorophyll entweder Nickel oder Vanadyl. Das Beispiel des
Chlorophylls verdeutlicht uns also, wie charakteristische biologische Mole
kulstrukturen uber viele Millionen Jahre hinweg, uber geologische Zeit
dume, in leicht verandertem Zustand erhalten bleiben und in Form ihrer
Abbauprodukte sowohl in den Erdolmuttergesteinen als auch in den Erdolen
wiedergefunden werden konnen. Es ist deutlich, daB auf dies em Wege so
wohl Aussagen uber die Ausgangssubstanzen der Erdole gemacht werden
konnen als auch uber den Entstehungsmechanismus derselben. Molekul
strukturen, wie wir sie im Phytan bzw. Pristan oder im Porphyrin soeben
kennengelernt haben, bezeichnet man als "biologische Markierer" oder auch
als "Chemofossilien".
Solche Chemofossilien gibt es in groBer Zahl, und im Laufe dieses Vor
trages werde ich noch einige andere vorstellen, z. B. solche, die sich von den
Steroiden bzw. Triterpenen des Pflanzen- und Tierreiches ableiten lassen.
Die Chemofossilien haben die Eigenschaft, daB sich die relativen Mengen
bestimmter Gruppen, oder Kombinationen derselben, vorzuglich als Er
kennungsmerkmale fUr Erdole oder Erdolmuttergesteine eignen. Diese Me
thode des "Fingerabdruckverfahrens" macht man sich zunutze, urn Aus
sagen daruber zu machen, ob ein bestimmtes Erdol aus einem bestimmten
Erdolmuttergestein abgeleitet werden kann. Das heiBt, man vergleicht