Table Of ContentWeitere Veroffentlichungen des Autors im Vieweg Verlag 
Einfiihrung in die Kybernetik 
VIII, 267 Seiten mit 77 Abb. (uni-text) Paperback 
ISBN  3 528 03539 0 
Inhalt 
Grundbegriffe - Informationstheorie - Regelung - Steuerung - Lernen - Sinnes 
erfahrung -- Bipolare Wirkungsgefuge - Leistungen und Grenzen der kybernetischen 
Betrachtungsweise. 
Die Erkenntnis des Lebendigen 
VII, 289 Seiten mit 35 Abb. Kartoniert 
ISBN  3 528 08267 4 
Inhalt 
Die Frage nach dem Wesen des Lebendigen - Die Nachricht als Me~gr6~e - Geregelte 
Systeme - Die Steuerung und das Programm - Was hei~t Lernen? - Die antagoni 
stische Steuerung physiologischer Gleichgewichte - Gewinn und Grenzen der 
Anwendung der Kybernetik in der Biologie - Die Seele als Trager des Lebens - Die 
Evolution im Verstandnis des dialektischen Materialismus - Wachstum und Ver 
erbung informationstheoretisch gesehen - Richtung der Naturprozesse und Begriff 
der Zeit - Die Evolution - Bemerkungen zum Bewu~tsein - Der Mensch in der 
Natlfr und der Mensch der Natur gegenuber. 
Naturerkenntnis und Wirklichkeit 
IV, 232 Seiten mit 7 Abb. Kartoniert 
ISBN  3 528 08266 6 
Inhalt 
Naturphilosophie als kritische Wissenschaft - Das Ziel der Erkenntnis: Einsicht oder 
Voraussicht? - Wege der Begriffs- und Theorienbildung - Was sagt das Experiment? 
Die Prufung naturwissenschaftlicher Theorien - Raum und Zeit. Probleme der 
Metrik - Was ist das Beharrende? - Naturgesetzlichkeit - Kontinuum und Diskre 
tion - Wahrscheinlichkeit - 1st unsere Naturerfahrung eindeutig? - Die Natur 
wissenschaft zur Frage nach der Wirklichkeit der Welt - Wissenschaftliche und 
existentielle Wirklichkeit.
Hans Sachsse 
Anthropoiogie 
derTechnik 
Ein Beitrag 
zur Stellung des Menschen in der Welt 
Mit 15 Abbildungen 
Vieweg
ClP-Kurztltelaufnahme der Deutschen Blbliothek 
Sachsse, Hans 
Anthropologle der Techmlc e. BeItr. zur Stellung d. 
Menschen III d. Welt. - 1. Auf!. - BraunschweIg· 
Vieweg,1978. 
ISBN-13: 978-3-528-08377-9 
1978 
Alle Rechte der deutschen Ausgabe vorbehalten 
© FriedL Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1978 
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und andere Medien. 
Satz: Textverarbeitung Steinberger, Mainz 
Umschlagfoto: Felszeichnung. Mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Verlags-Anstalt, 
Stuttgart 
ISBN -13: 978-3-528-08377-9  e-ISBN -13: 978-3-322-83849-0 
DOl: 10.1007/978-3-322-83849-0
Vorwort 
Bis  in  die  jiingste Zeit hat sieh der Mensch ziemlich naiv dem technischen Fort 
schritt anvertraut, ohne viel danach zu fragen, was dieses Phanomen Technik eigent 
lich bedeutet und wie es in den Rahmen menschlichen Lebens einzugliedern sei. Die 
Erkenntnistheorie, die Frage nach dem Wissen-Konnen, gehort zu den klassischen 
und vielbearbeiteten Themen  der Philosophie. Demgegeniiber hat die Frage nach 
dem Machen-Konnen, die Techniktheorie in der Geistesgeschichte nur eine geringe 
Rolle  gespielt.  Das  ist  erstaunlich, weil  der Mensch mit seiner Technik Verande 
rungen  seiner Lebensverhaltnisse schafft, die ihrerseits nachhaltig auf seine biolo 
gische wie geistige Entwieklung zuruckwirken. Der Einflu6 der Technik auf unser 
Leben,  der Ansporn, die formende und bestimmende Kraft des Machen-Konnens 
im Laufe der Geschichte yom Faustkeil iiber den Streitwagen und das Schie6pulver 
bis zur Atomkraft, von den Hieroglyphen bis zum Fernsehen und zur Elektronik 
ist  im  Vergleieh  zur bekannten  Kriegs-,  Wirtschafts- und Geistesgeschiehte noch 
wenig systematisch studiert worden. 
Aber die  Technik ist  seit  der Menschwerdung  der  folgenschwere Griff nach der 
Wirklichkeit. Welche Miihe gibt sich die Philosophie, die Wirklichkeit zu begreifen, 
aber  wie strittig sind auch heute noch ihre Fragestellungen. Der Technik geht es 
erst recht urn die Wirklichkeit, aber sie greift unmittelbar in ihr Geflige und bringt 
Verandertes, Neues hervor. Dnd es ist iiberraschend: Verwirklichen ist einfacher als 
die Wirklichkeit zu verstehen. Ergreifen geht schneller als Begreifen. 
Heute spiiren wir, da6 wir mit dem unbekiimmerten technischen Fortschritt, flir den 
das Neue auch schon der Bessere bedeutet, auf eine Grenze sto6en, da6 wir dabei 
sind,  uns  eine Wirklichkeit  zu schaffen mit Sachzwangen und Problemen, in der 
wir uns immer weniger zurechtfinden. Es geniigt nicht mehr zu erkennen, was sieh 
mit Hilfe der Technik alles machen la6t, sondern es bedarf einer Besinnung auf die 
Funktion, auf den Rang, auf die Bedeutung der Technik flir den Menschen, es bedarf 
einer Techniktheorie in anthropologischer Sieht. 
Die Arbeit an diesem Buch steht in engem Zusammenhang mit meinem personlichen 
Lebensweg.  Ais  Naturwissenschaftler  und  Techniker  habe  ich  25 Jahre  in  der 
deutschen chemischen Gro6industrie verbracht und mich lebhaft den Freuden und 
Leiden  wissenschaftlicher  Forschung  und  technischer Verwirklichung gewidmet. 
Gerade dem,  der mitten und hautnah im Getriebe steht, kommen die ungewohn 
lichen Moglichkeiten wie  auch die Probleme des naturwissenschaftlich-technischen 
Fortschritts  unmittelbar zum Bewu6tsein.  In  der Sorge  urn zukiinftige Entwick 
lungen habe ich mich spater der GESELLSCHAFT FOR VERANTWORTUNG IN 
DER WISSENSCHAFT angeschlossen. 1m Rahmen dieser Gesellschaft haben wir in 
der Reihe der Uni-Taschenbiicher drei Bande zum Thema Technik und Gesellschaft 
herausgegeben mit dem Ziel, Material iiber die gesellschaftliche Beziehung der Tech 
nik flir den Schulunterricht und die Erwachsenbildung bereitzustellen. Es wurden 
zu  diesem  Zweck etwa  400 Werke  deutschsprachiger  Literatur kommentiert und 
III
an Hand ausgewahlter Textproben dargestellt, die den EinfluB der Technik auf die 
Geistesgeschichte, die Behandlung der Technik in der schon en Literatur, die Rolle 
der Technik in  Utopien und Science-Fiction-Buchern, die  wirtschaftlichen Organi 
sationsformen  technischer  Zusammenarbeit  und  anderes  mehr  zum Gegenstand 
hatten. Aus dieser gemeinsamen Arbeit mit ihrem umfangreichen Literaturstudium 
sind zahlreiche Anregungen flir das vorliegende Buch hervorgegangen. Es ist mir ein 
Bedurfnis,  auch  hier meinen Mitarbeitern bei der Herausgabe dieser Kommentare 
meinen  herzlichen  Dank  auszusprechen,  namentlich  den  Herren  Alois  Huning, 
Reinhard lung, Manfred Kunzelmann, Hans Werner Muller, Rupert Schmidt, Heinz 
Rudi Spiegel und Fritz Winterling. Desgleichen danke ich herzlich dem Karlsruher 
Gesprachskreis urn Simon Moser, insbesondere den Herren Hans Lenk, Ernst Olde 
meyer, Friedrich Rapp und Gunter Ropohl sowie zahlreichen anderen Kollegen, die 
ich nicht aIle mit Namen aufzahlen kann, flir anregende Diskussion. Mein Wunsch ist, 
daB  dieses  Buch,  dem  ebenso  personliches Erleben  wie  wissenschaftliche  Arbeit 
zugrunde liegt, dazu beitragen moge, daB der Mensch mit seiner Technik sich selbst 
besser versteht. 
Hans Sachsse 
Wiesbaden, September 1977 
IV
Inhaltsverzeichnis 
1  Einfiihrung: Was ist Technikphilosophie?  ................................ . 
1.1  Die Fragestellung  ............................................. . 
1.2 Das Problem der Technik heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  3 
1.3  Die Technik als ein StUck von uns selbst  .............................. ,  6 
2  Physikalische und biologische Wurzeln der Technik .......................... ,  9 
2.1  Der Umweg zum Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  9 
2.2 Geregelte Systeme  ............................................. 17 
2.2.1 Grundbegriffe der Kybemetik ................................. ,  17 
2.2.2 Optimierung und Lemen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  23 
2.2.3 Eine allgemeine Theorie der Entwicklung  .......................... 27 
2.3  Biologische und technische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  34 
2.4 Die Wendung nach aufl,en und die Wendung nach innen  .. , ................-.. 46 
3  Geschichte der Technik - Evolution des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  54 
3.1  Das erwachende Ich und sein GegenUber ............................... 54 
3.2 Jager-und Sammlergesellschaften  ................................... 61 
3.3 Agrarkulturen  ................................................ 68 
3.3.1 Die neolithische Revolution und ihre Folgen  ....................... ,  68 
3.3.2 Die Erfahrung und BewaItigung der Zeitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  79 
3.4 Industriezivilisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  85 
4  Technik aus der Sicht des Individuums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  93 
4.1  Die Reflexionsstufen technischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  93 
4.1.1 Schritte der Bewufl,twerdung ................................... 93 
4.1.2 Autobiographische Zeugnisse  .................................. 95 
4.2 Wissenschaftliche und technische Forschung: Vergleich zweier Suchprozesse ....... 104 
4.2.1 Die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Technik  .................. 104 
4.2.2 Die Entwicklung der Wissenschaft  ............................... 106 
4.2.3 Der Fortschritt der Technik  ................................... 121 
4.2.4 Theorie und Praxis  ......................................... 128 
5  Technik als soziales Phanomen  ........................................ 130 
5.1  Organisationsformen technischer Zusammenarbeit in der Geschichte  ............ 130 
5.2 Die modeme Technik I: Wettbewerbssysteme  ........................... 142 
5.2.1 Das Modell der Marktwirtschaft ................................. 142 
5.2.2 Probleme der Marktwirtschaft .................................. 154 
5.3  Die modeme Technik II: Zentralverwaltungswirtschaft  ..................... 164 
5.4 Dritte Wege?  ................................................. 175 
v
6  Der Technizismus der Neuzeit ......................................... 180 
6.1  Die technizistische Philosophie von Descartes bis Feuerbach .................. 180 
6.2 Der Marxismus als Antwort auf die industrielle Zivilisation ................... 197 
6.2.1 Karl Marx ............................................... 197 
6.2.2 Der russische Marxismus und der Neomarxismus des Westens  ............. 206 
6.2.3 Die gro~e Lehre Mao Tse-tungs ................................. 212 
6.3  Der Einflu~ der Technik auf das allgemeine Bew~tsein heute ................. 227 
6.4 Das Scheitem der technizistischen Philosophie ........................... 235 
7  Die Oberwindung des Technizismus und die ethische Bewiiltigung der Technik ......... 240 
7.1  Philosophische Besinnung auf die Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 
7.2 Die Kritik der Naturwissenschaft am cartesianischen Weltbild ................. 243 
7.3  Die Wiedergewinnung der Realitiit ................................... 252 
7.4 Kompiementille Gemeinschaft  ..................................... 258 
Literaturverzeichnis  ................................................. 271 
Bildquellennachweis  ................................................. 278 
Begriffserliiuterungen  ................................................ 279 
Personenregister  ................................................... 282 
Sachregister  ...................................................... 285 
VI
1  Einfiihrung: Was ist Technikphilosophie? 
1.1  Die Fragestellung 
Die Philosophie der Technik fragt: Was meinen wir, wenn wir von Technik sprechen 
und welchen Sinn hat dieses Gemeinte fUr unser Leben als Ganzes? Welches sind die 
Voraussetzungen, da~ es Technik gibt, wie ist Technik im Zusammenhang unseres 
Lebens zu verstehen und wie verhalt sie sich zu anderen Bereichen unseres Lebens, 
zu Wirtschaft und Wissenschaft, zu Politik, Kunst und Religion? Geht es bei ihr urn 
die individuelle Leistung oder ist Technik als uberindividuelles System zu verstehen? 
1st sie der Widersacher der Natur oder ihr Vollender? 1st sie etwas Gutes oder etwas 
Bases oder steht sie jenseits moralischer Werte? Kannen wir sie beherrschen oder 
beherrscht sie uns?  Und wohin [uhrt der Weg,  wenn wir mit der Technik die Welt 
veriindern, - und mit der Welt auch uns selbst? 
Auf diese vielen Fragen gibt es noch mehr Antworten, denn die Vorstellungen, was 
Technik ist, gehen weit auseinander. Wir werden uns die Vielfalt der Auffassungen 
vergegenwartigen mussen, wenn wir besser verstehen wollen, was es mit der Technik 
auf sich hat. Schon das Wort Technik hat einen breiten Bedeutungsumfang. Wenn 
wir von Technik sprechen, denken wir wohl an Autos, Ki.ihlschranke, Fernsehappa 
rate, an Fabriken oder an die technische Einrichtung von Krankenhausern. Wir den 
ken an den Fortschritt der Naturwissenschaften und an ihre Anwendung in der indu 
striellen Produktion.  Aber es gibt auch eine Technik der Diskussionsleitung, der 
GesprachsfUhrung und des Vortrags. Es gibt Techniken der Verwaltung und Organi 
sation. Bei einer Vortragsveranstaltung hei~t es etwa: Das Mittagessen mu~ aus tech 
nischen Grunden urn 12 Uhr stattfinden. Man wei~, es hat sich mit den Speiseraum 
lichkeiten nicht anders einrichten lassen, aber es hat nichts mit dem Inhalt der Vor 
trage zu tun. Es gibt eine Technik der Forschung, des Experimentierens und eine 
Technik des Kunstlers, diesen besonderen Pinselstrich eines MaIers; der Sanger lernt 
die Technik des Atmens, und uber die Technik der Liebe gibt es in vielen Kultur 
sprachen dicke Bucher. Auch gibt es Techniken der Religion, Dbungen, Exerzitien 
zur Gewinnung religiaser Einsicht,  etwa  durch Fasten,  durch Einsamkeit, durch 
Steuerung des Vorstellungsvermagens auf bestimmte Sachverhalte. Dber die Technik 
der  Meditation gibt  es  ein  umfangreiches Schrifttum in  der religiasen  Literatur 
Asiens und des Abendlandes. Buddhas Lehre, so kann man sagen, beschrankt sich 
praktisch auf einen umfangreichen Katalog technischer Ratschlage, urn aus "der Ver 
blendung zu  erwachen", sie betreffen die Ernahrungsweise, die Atemtechnik, die 
Karperhaltung und dariiber hinaus den "Heiligen achtfachen Pfad" der Lebensprakti 
ken, bestimmte Steuerungen der Aufmerksamkeit und Versenkungsubungen betrifft.l 
Hermann Oldenberg, Buddha, sein Leben, seine  Lehre, seine Gemeinde, Miinchen,  1961. 
Hans Sachsse, Verstrickt in eine fremde Welt, Siidasiens Kulturen und die Entwicklungshilfe 
des Westens, Nomos, Baden-Baden, 1965
- Offenbar mu~ diesen sehr verschiedenen Verwendungen des Begriffes Technik 
etwas Gemeinsames zugrunde liegen, denn sonst wUrden wir nicht das gleiche Wort 
gebrauchen.  Die  Gemeinsamkeit  angesichts  dieses  breiten  Verwendungsumfangs 
erklart sich dadurch, daft wir mit Technik gar nicht Inhalt und Ziel eines Verhaltens 
bezeichnen, sondern nur die  Weise  des  Vorgehens,  die Art des Handelns, die ihre 
eigenen MaBstabe hat und ganz unabhangig von den Inhalten besser oder schlechter 
sein kann. Ein Vortrag kann technisch ausgezeichnet sein, obwohl sein Inhalt irre 
fiihrend oder falsch ist, und ein Gebaude kann technisch bestens erstellt und trotz 
dem unbrauchbar oder haBlich sein. Die Bedingungen und M6glichkeiten der Ver 
fahrensweisen gilt es also zu analysieren. 
Eine eigenartige Schwierigkeit, mit der sich jede Philosophie der Technik auseinan 
dersetzen muB, bereitet die Frage nach dem Wert dieses Vorgehens, das wir Technik 
nennen.  Seit den Uranfangen der Menschheit bis zum heutigen Tage hat sich keine 
iibereinstimmende Antwort gefunden, ob die M6glichkeit, technisch zu verfahren, 
dem Menschen zum Heil oder zum Verderben gereicht. Wir klagen heute zumeist die 
"moderne Technik" an und machen sie verantwortlich fiir die Entseelung des Lebens 
und die Zerst6rung der Umwelt, flir die Vernichtungskraft der Kriege und die Mani 
pulation der Massen; in unzahligen literarischen Au~erungen wird sie als unnatiirliche 
und naturwidrige geHihrliche Macht dargestellt, wahrend die Technik friiherer J ahr 
hunderte, Handwerk, Ackerbau und Viehzucht als natiirliche Errungenschaften der 
Menschheit verstanden werden. Aber wo will man hier die Grenze zwischen natiirlich 
und unnatiirlich ziehen? Waren etwa der Faustkeil und das Feuer, die Urbarmachung 
des Landes, das Rad, die Schrift, der Streitwagen, das SchieBpulver und der Buch 
druck im Guten wie im B6sen weniger umwalzende Ereignisse als das Flugzeug, die 
Atomenergie und die Computertechnik? Zu leicht neigt man dazu, das Gewohnte als 
natiirlich zu bezeichnen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, da~ das zwiespaltige 
Verhaltnis  des Menschen  zu  seiner Technik,  daB  diese  Ha~-Liebe nicht  erst ein 
Ergebnis der jiingsten Zeit ist, sondern weit zuriickreicht, berichten doch schon die 
My then der Vorzeit dariiber. Hephast, der Gott der Schmiedekunst, war haBlich von 
Gestalt, was bei den Griechen einem Charakterfehler ahnlich ist. Seine Mutter Hera 
warf ihn daher yom Olymp, und er fiel in den Okeanos. Die freundlichen G6ttinnen 
Thetis und Eurynome nahmen ihn auf und richteten ihm verborgen in tiefer See eine 
Grotte als Schrniedewerkstatt ein,  und dort fertigte er kunstvolle und uniibertreff 
liche Werke. Ais Hera von seiner Kunst erfuhr, nahm sie ihn wieder in den Olymp 
auf, aber Zeus warf ihn bei spaterer Gelegenhcit ein zweites Mal herunter, und nun 
fiel er auf die Insel Lemnos und brach beide Beine. Aber er fertigte sich goldene 
Kriicken,  die  sich  selbst  bewegen  konnten und  die ihn flihrten wie Magde. Man 
beachte die Symbolik: wieviel Kriicken brauchen wir heute?! Auch der Gedanke der 
Automatik ist vorweggenommen. - Von Prometheus heiBt es, er habe die Zahl und 
die Schrift erfunden, er habe den Menschen gezeigt, wie man Tiere zahme und sattle, 
er habe sie die Astronomie, Navigation, Medizin und Metallurgie gelehrt und ihnen 
das Feuer yom Himmel gebracht. Auch er geh6rt in die Reihe der gro~en, grausam 
bestraften Frevler. Die Entwicklung der Technik in der Geschichte ist von Mifttrauen 
begleitet. Das griechische Wort techne bezeichnet nicht nur die Kunstfertigkeit, son 
dern auch die Schlauheit und den listigen Anschlag. Und ahnlich bedeutet mechane 
2
nicht nur Werkzeug und Maschine, sondern auch Kunstgriff und Kriegslist. In seiner 
Einleitung zur Bewegungslehre schreibt Aristoteles beziiglich der Hebelgesetze bei 
der Verwendung des Wuchtbaumes, da~ in den Fallen, wo ein kleines Gewicht eine 
gro& Last bewege, die tt~chne durch List und Erfmdung die Natur besiege.2  Ais man 
dem Konig Archidamos von Sparta 370 v. Chr. eines der neuen Katapultgeschiitze 
aus Sizilien zeigte, sagte er. "Beim Herakles, der Heldenmut eines Mannes gilt nichts 
mehr!"3  Das Wort techmio,  kiinstlich verfertigen, hat speziell den Sinn von sich 
verst ellen und heucheln angenommen. Die Zahl der Beispiele la~t sich belie big ver 
mehren. Die Technik-Philosophie steht hier offenbar vor einer fundamentalen Frage: 
Wollen wir nun die Technik oder wollen wir sie nicht? Und wie ist die Gespaltenheit 
des Urteils gegeniiber dieser so wirkungsvollen Verfahrensweise zu verstehen? 
1.2  Das Problem der Technik heute 
Die  Frage  nach  der Technik hat sich in unserem lahrhundert in ungewohnlicher 
Weise  zugespitzt.  Auf der  einen Seite  ist  die  Technik zum  dominanten Faktor 
unseres Lebens geworden. Die Bemiihungen unserer Offentlichen wie privaten Insti 
tutionen, die Sorge der Staatsmanner und Fiihrer des offentlichen und wirtschaft 
lichen  Lebens  gilt  der Forderung  der Technik.  Die  Planungswissenschaft,  deren 
Thema  die  exaktere Organisation technischen Handelns ist, ist eine eigenstandige 
Disziplin geworden, und bessere Planung wird immer nachdriicklicher fiir alle For 
men un seres Verhaltens gefordert. Und wahrend man friiher unter Technik nur die 
Ingenieurtechnik, die Maschinentechnik verstanden hat, wird inzwischen das techni 
sche Vorgehen auf alle Bereiche unseres Lebens angewendet, es gibt eine Biotechnik, 
eine Psychotechnik und eine Soziotechnik. Die Technik ist aber auch in ungeahnter 
Weise der Trager unseres gesamten materiellen wie geistigen Lebens geworden. Ohne 
die technische Leistung wiirde etwa ein Drittel der Menschheit verhungern, die Tech 
nik hat uns weitgehend von Kalte, Hunger, korperlichem Schmerz und Krankheit 
befreit, sie hat die Reichweite unserer Sinnesorgane und unsere korperliche Beweg 
lichkeit urn viele Gro~enordnungen erhoht, sie schafft uns einen Informationsreich 
tum, der die Beschrankungen von Raum und Zeit iiberwindet und zu einer unge 
wohnlichen Erweiterung unseres Bewu~tseins fUhrt. Kennen wir doch heute manche 
Zeitepoche der Vergangenheit besser als sie sich selbst gekannt hat. 
Angesichts dieser au~erordentlichen und nicht ungefahrlichen Steigerung der Lebens 
moglichkeiten, verbunden mit einer durch die Technik bewirkten sprunghaften Ver 
mehrung des vitalen Wachstums ist das Echo in Wort und Schrift auf dieses Phlino 
men Technik, das unsere Neuzeit pragt, iiberraschend gering und iiberwiegend nega 
tiv.  In der erzahlenden Literatur und der Dichtung, die ein feiner Seismograph fUr 
die Offentliche Meinung ist, wird die Technik - wie einem geheimen Einverstandnis 
2  Aristoteles, Kleine Schriften zur Physik und Metaphysik, 847 a 
3  Johannes Volkmann, Die Waffentechnik in ihrem Einflu~ auf das soziale Leben der Antike, 
in: Die Entwicklung der Kriegswaffe und ihr Zusammenhang mit der Sozialordnung, Leopold 
von Wiese, Hrsg. Kolner Universitatsverlag, 1953, S. 94 
3