Table Of ContentRainer Schmalz-Bruns
Ansätze und
Perspektiven der
Institutionentheorie
Eine bibliographische und
konzeptionelle Einführung
Reiner Schmalz-Bruns
Ansätze und Perspektiven der Institutionentheorie
Rainer Schmalz·Bruns
unter Mitarbeit von Rainer Kühn
Ansätze und Perspektiven
der Institutionentheorie
Eine bibliographische und konzeptionelle
Einführung
~ Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Schmal:z:-Bruns, Rainer:
Ansätze und Perspektiven der Institutionentheorie : eine
bibliographische und konzeptionelle Einführung/
Reiner Schmalz-Bruns. Unter Mitarb. von Reiner Kühn.
-Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl., 1989
ISBN 978-3-8244-4013-9 ISBN 978-3-322-93831-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-93831-2
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© Springer Fachmedien Wiesbaden 1989
Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 1989
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0. Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist aus dem Diskussionszusammenhang der Sektion "Politi
sche Theorie und Ideengeschichte" in der DVPW hervorgegangen, die seit einigen Jah
ren auf kontinuierlich stattfindenden Arbeitstagungen in fachübergreifender Perspektive
das Projekt einer Theorie politischer Institutionen verfolgt hat. Dabei haben gerade die
Diskussionen mit Vertretern sozialwissenschaftlicher Nachbardisziplinen schnell gezeigt,
daß auch die politikwissenschaftliche Durchführung eines solchen Projekts von vorn
herein durch die konzeptuellen Unschärfen belastet ist, die die Verwendung des Institu
tionenbegriffs fast durchgängig begleiten. Deshalb habe ich gern die Anregung der Pro
fessoren Herrnbach und Göhler aufgegriffen, die politikwissenschaftlichen Fragestellun
gen in der allgemeinen sozialwissenschaftliehen Diskussion zu situieren, nach möglichen
konzeptuellen Anschlüssen zu suchen und dies mit einem bibliographischen Überblick
über die einschlägige Literatur zu verbinden.
Herr Prof. Dr. Gerhard Göhler hat es übernommen, dieses Projekt, das dankens
werter Weise von der DFG durch eine Sachbeihilfe gefördert wurde, zu betreuen. Damit
hat er nicht nur für den institutionellen Rahmen der Durchführung gesorgt, sondern er
hat die Arbeit über den gesamten Zeitraum interessiert und kritisch begleitet und so ent
schieden zu deren Abschluß beigetragen.
Der Bericht, den ich nunmehr vorlegen kann, wäre so allerdings ohne das weit über
seine Verpflichtungen hinausgehende Engagement Rainer Kühns nicht entstanden.
Rainer Kühn war nicht nur wesentlich an den bibliographischen Arbeiten beteiligt, son
dern er hat darüber hinaus das Register erstellt und war schließlich in mühevoller Klein
arbeit auch für die Herstellung einer publikationsfähigen Druckvorlage verantwortlich.
Ihm ist vor allem und in erster Linie zu danken.
Lüneburg, August 1988 Rainer Schma/z-Bruns
INHALT
I. EINLEITUNG 1
II. NOTIZEN ZUM FORSCHUNGSSTAND 18
II.l. ALWEMEINE HINWEISE 18
11.2. POLITIKWISSENSCHAFfLICHE ANSÄTZE 29
11.2.a. Modernisierungs-und Entwicklungstheorien 30
11.2.b. Institution-buHding 37
11.2.c. Neo-Institutionalismus 39
11.2.d. Staatstheorie 43
11.3. SOZIOLOGISCHE ANSÄTZE 47
11.3.a. Ordnungstheorie und Handlungstheorie -
Zur Beschreibung des Problems 50
11.3.b. Systemtheoretische Ansätze 53
11.3.c. Handlungstheoretische Ansätze 58
11.3.d. Rationalisierungstheorien 68
11.4. ERWEITERUNG DES DISZIPLINÄREN FOKUS 73
11.4.a. Biopolitics 74
11.4.b. Ökonomische Institutionentheorie 78
11.4.c. Politische Institutionen und das Recht 86
11.4.d. Politische Anthropologie 95
11.4.e. Praktische Philosophie 98
11.5. ZUSAMMENFASSUNG 100
vm
III. BIBLIOGRAPHIE 103
III.l. ALLGEMEINES 103
111.2. POUTIKWISSENSCHAFfUCHE ANSÄTZE 107
Politische Theorie und Institutionen 107
III.2.a. Modernisierungs-und Entwicklungstheorien 116
III.2.b. Institution-buHding 123
III.2.c. Neo-Institutionalismus 125
III.2.d. Staatstheorie 128
111.3. SOZIOLOGISCHE ANSÄTZE 132
III.3.a. Klassiker 132
Ill.3.b. Systemtheoretische Ansätze 139
III.3.c. Handlungstheoretische Ansätze 143
111.3.d. Rationalisierungstheorien 149
III.4. WEITERE SOZIALWISSENSCHAFILICHE ANSÄTZE 155
III.4.a. Biopolitics 155
111.4.b. Ökonomische Institutionentheorie 157
111.4.c. Rechtstheorie 171
III.4.d. Politische Anthropologie 177
III.4.e. Praktische Philosophie 185
IV. INDEX 191
I. EINLEITUNG
"Der Begriff der Institution hat eine große Vergangenheit und eine unsichere
Zukunft."
Mit dieser lapidaren Feststellung leitet WILLKE (1987: 162) einen neueren
Lexikonartikel -zum Begriff 'Institution' ein, und man kann dies durchaus fast als
Warnung lesen, von diesem Thema doch lieber die Finger zu lassen. Versucht man es
trotzdem, könnte es einem wie jenem Anthropologen gehen, von dem CLAESSENS (1980:
llf) berichtet: Der Forscher, der in das Gebiet der Anthropologie einzudringen
versucht, wirdangesichtsder fast überirdischen Gewalt großer Vordenker und der Viel
fältigkeit der Erscheinungsformen evolutionistischer Theoriebildung niedergedrückt und
zur bescheidenen Einkehr gezwungen.
Das ist aber nur die eine Seite des Problems einer 'großen Vergangenheit'. Die
andere Seite ist häufig die, daß die Väter ihr Erbe nicht eindeutig geregelt haben und so
den Streit der Erben -und damit die Neuaufnahme des Themas -regelrecht provozie
ren.
Schlimmer noch wird die Lage, wenn -um im Bild zu bleiben -unterschiedliche
Testamente auftauchen, und man keine Möglichkeit hat, deren Echtheit (oder wie es in
wissenschaftlichen Kontexten heißen sollte: deren Wahrheit) zu prüfen. Eine oft ge
wählte Lösung ist dann, die unüberschaubare Lage durch Sichtung und Auswertung von
Definitionen wie durch die Sichtung und Auswertung der unterschiedlichen Sichtungs
versuche aufzuklären und sich dadurch langsam so etwas wie einem kleinsten gemein
samen Nenner zu nähern. Das ergibt dann die Situation, die schon MAssiNG in bezugauf
die Institutionentheorie beklagt hat, wenn er schreibt, daß der Institutionenbegriff
"in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur häufig nicht nur unscharf und
mit verschiedenen Bedeutungen gebraucht (wird), sondern auch in einer sprach
lichen Allgemeinheit, die sich kaum präzisieren läßt" (Massing 1979: 184f).
Soweit zur Vergangenheit, nun zur Zukunft. Da ist zunächst einmal festzustellen,
daß sich im Bereich systematisch angelegter Gesellschaftstheorien Ansätze in den Vor
dergrund geschoben haben, in denen der Institutionenbegriff kategorial marginalisiert
ist und nur noch illustrativ, sozusagen als Referenz an umgangssprachlich gesteuerte
Wahrnehmungen, verwendet wird.
Dabei ist nun nicht entscheidend, sich darauf festzulegen, ob diese Tendenz ent
gegen dem ersten Anschein schon mit PARSONS eingesetzt hat, oder ob erst die Werke
von HABERMAS und LUHMANN hier so etwas wie einen Schlußstrich ziehen -
2
nachdenklich stimmen sollte jedoch, daß der Institutionenbegriff gerade in jenen theore
tischen Kontexten, in denen er seine Karriere begann, keine tragende Verwendung
mehr findet. Das ist nun soweit erklärlich, als sich offensichtlich die Attraktivität des
Begriffs in gesellschaftstheoretischen Kontexten aus den tatsächlichen (oder vermeint
lichen) Stabilisierungsleistungen von Institutionen selber speiste -indem sich dies aber
zunehmend als moderne Fiktion erwies, und die Stabilität der Institutionen als nur
scheinbare herausstellte, konnte davon die Attraktivität des Begriffs nicht unberührt
bleiben.
Soweit die groben Züge einer möglichen theoriegeschichtlichen Diagnose, die,
sollte sie sich als zutreffend herausstellen, in der Tat keine gute Prognose für das hier zu
vertretende Projekt einer Theorie politischer Institutionen zuließe oder dieses zumin
dest unter starken Rechtfertigungsdruck stellte.
Nun kann man andererseits wohl zu Recht dagegen einwenden, daß auch theore
tische Begriffe Konjunkturen haben, die keineswegs ausschließlich von innerwissen
schaftlichen Aspekten bestimmt sind: Vielmehr sind gerade die Sozialwissenschaften
darauf angewiesen, ihre Begrifflichkeit in Anschluß an gesellschaftliche Entwicklungen
und sozusagen im Dialog mit sozialen und politischen Akteuren sowie in Auseinander
setzung mit deren Versuchen der Selbstthematisierung auszuarbeiten - darauf haben
jüngst noch einmal ausdrücklich EVERs/NowoTNY in einer historisch angelegten Studie
zu den Konstitutionszusammenhängen sozialwissenschaftliehen Wissens hingewiesen
(Evers/Nowotny 1987).
Und so zeigt sich an Themen wie der Dialektik wohlfahrtsstaatlicher Emanzipa
tion, die unversehens in eine bürokratische "Kolonialisierung der Lebenswelt" (Haber
mas 1981 und 1985) umzuschlagen droht, wie an der Frage nach dem Verhältnis von ge
sellschaftlicher und technischer Entwicklung unter Stichworten wie der 'Sozialverträg
lichkeit von Technologien' resp. der 'Technikverträglichkeit der Gesellschaft', wie an
der Frage nach den Steuerungskapazitäten moderner und komplexer Gesellschaften, die
mit dem Problem der 'Rationalisierung des Zusammenspiels zwischen rationalisierten
Teilsystemen', das Offe (1986: 163) als 'Modernisierungsproblem zweiter Ordnung' cha
rakterisiert, daß der praktische wie theoretische Anlaß einer Theorie der Institution,
den SCHELSKY allgemein als Frage nach der Vermittlung von Individuum und Gesell
schaft beschrieben hat (Schelsky 1980), keineswegs obsolet ist.
Es scheint also insgesamt ausreichende Gründe dafür zu geben, die Formel WILL
KES von der "offenen Zukunft" des Institutionenbegriffs programmatisch umzukehren
3
und von einer zu eröffnenden Zukunft zu sprechen -dem Rechtfertigungsdruck auf ein
Projekt zur Theorie politischer Institutionen stehen vermutlich fundierte Recht
fertigungsgründe gegenüber.
Ich möchte diesen Eindruck nunmehr in vier Schritten kurz soweit präzisieren, daß
dabei eine Vorstellung des Argumentationsbedarfs wie der damit verbundenen theore
tischen Perspektiven entsteht (1), so daß daraus die Struktur der bibliographischen
Suchbewegungen und Kommentare im Hauptteil abgeleitet werden können. Ich stelle
also zunächst die Selektionskriterien zusammen, die uns bei der Erstellung der Biblio
graphie geleitet haben (2), um dann den Aufbau der Arbeit zu erläutern (3). Ab
schließen werde ich die Einleitung mit dem unvermeidlichen Hinweis auf die prinzi
piellen Einschränkungen, denen die bibliographische Besichtigung eines noch nicht
explorierten Forschungsfeldes unterliegt (4).
(1) Am Anfang der Beschäftigung mit einer Theorie politischer Institutionen
stehen Irritationen, die sich aus der Gegenüberstellung einer kompakten phänomeno
logischen Gegenstandsgewißheit einerseits, und der Unsicherheit über die analytische
Verwendungsweise, den methodischen Einführungskontext und die normativen Bezugs
punkte des Institutionenbegriffs andererseits ergeben.
·Diese Spannung konnte in der Politikwissenschaft, anders als in der Soziologie, der
ökonomischen Theorie oder der Rechtstheorie, in denen die Einführung und Entwicklung
des Institutionenbegriffs von vornherein an wissenschaftliche Erklärungsprobleme und
damit an eine methodische Selbstreflexion der Theoriebildung gebunden war, lange Zeit
schon deshalb unterdrückt werden, weil hier der Staat als Referenzpunkt politischer
Theoriebildung als Inbegriff eines Institutionenverständnisses gelten konnte, an das sich
- assoziativ - eine intuitive und durch eine lange Tradition fraglos gewordene Be
deutungsexplikation anschließen konnte.
Obwohl dieses theoretisch etwas naive Verständnis (Politikwissenschaft hat es
selbstverständlich und zentral mit politischen Institutionen zu tun!) auch heute noch
mitgeschleppt wird und u.a. in der neo-institutionalistischen Policy-Analyse zu
Erklärungszwecken aktiviert wird, scheint es möglich, gerade auf der Basis der zitierten
Differenzerfahrung zwischen methodischer und phänomenologischer Einführung des
Begriffs eine neue Runde der politikwissenschaftlichen Institutionentheorie zu eröffnen.
Man kann zu diesem Zweck zunächst einmal jenen politischen Prozessen und
Entwicklungen nachgehen, durch die nun gerade auch die normativen Präokkupationen
einer sich institutionalistisch verstehenden Politikwissenschaft nachhaltig irritiert wur-