Table Of ContentTom Sommerlatte (Hrsg.)
Angewandte Systemforschung
Tom Sommerlatte (Hrsg.)
Angewandte
Systemforschung
Ein interdisziplinarer Ansatz
GABLER
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
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Der Deutschen Bibliothek erhaltlich
Dr.-Ing. Tom Sommerlatte ist Chairman Management Consulting Worldwide und Vice President
bei Arthur D. Little International, Inc.
1. Auflage Mai 2002
Aile Rechte vorbehalten
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 2002
Lektorat: Ulrike Lorcher
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Fachverlagsgruppe BertelsmannSpringer.
www.gabler.de
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von jedermann benutzt werden durften.
Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de
Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
ISBN-13: 978-3-409-11879-8 e-ISBN-13: 978-3-322-82389-2
001: 10.1007/978-3-322-82389-2
Vorwort
Ais am 11. Dezember 1999 eine Reihe von Professoren der Universitat Kassel im
SchlOr.,chen SchOnfeld zu einem Kolloquium zum Thema "Systemdesign" zusam
menkamen und einen Tag lang Ober Systemansatze in ihren Fachgebieten disku
tierten, geschahen drei bemerkenswerte Dinge:
• Aile hOrten einander staunend zu, wie intensiv man sich in den vertretenen
Fachgebieten Wirtschaftswissenschaften, Umweltforschung, Maschinenbau,
Architektur, Soziologie, Psychologie und Produkt-Design mit Systemfragen
auseinander setzt.
• Aile entdeckten Gemeinsamkeiten und Kooperationspotenziale, Ober die bis
her nicht oder viel zu wenig gesprochen worden war.
• Einer wurde gefunden, der die Beitrage zusammentragen und in ein Buch zum
Thema "Angewandte Systemforschung" verwandeln sollte.
Der eine war ich. Ais ich die zunachst einfach erscheindende Nebenbeschaftigung
begann, wurde schnell klar, dass das Thema einen umfassenderen Rahmen er
fordert, als ihn die Teilnehmer des Kolloquiums verkOrpert hatten. So kamen wei
tere wichtige Autoren dazu. Noch immer kann das daraus entstandene Buch kei
nen Anspruch auf Volistandigkeit erheben, aber das Wichtigste haben wir wohl
dabei.
Die enorme Kleinarbeit des Lektorierens, Abgleichens und Formatierens soli nicht
verschwiegen werden - es kommen trotz aller Gemeinsamkeiten der Grundthe
matik und BemOhungen doch sehr unterschiedliche Welten zusammen. Dass das
ZusammenfOhren geklappt hat, ist der Energie, Ausdauer und Gewissenhaftigkeit
von Frau Hannelore GOsgen zu verdanken, die die Manuskripte im BOro und zu
Hause, einschlier.,lich an Wochenenden, in das System des Buches einpasste. Ihr
danke ich im Namen aller Autoren sehr herzlich. Dank gilt auch Frau Ulrike
LOrcher, Lektorin des Programmbereichs Wissenschaft des Gabler-Verlags, die
mit einem detaillierten Briefing und am Schluss auch mit Geduld den Entste
hungsprozess begleitete. Sicher gebOhrt auch einigen guten Geistern hinter den
Autoren Dank, die dafOr sorgten, dass die Beitrage elektronisch in passender
Form bei uns landeten.
Und nun: anregende LektOre!
Prof. Dr.-Ing. Tom Sommerlatte
im Marz 2002
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Autorenverzeichnis IX
Einleitung 1
A. Begriffsbestimmung 1
B. Systemisch denken, handeln und gestalten - 7
der gemeinsame Nenner einer situationsgerechten Universalitat
Tom Sommerlatte
Die Omnipotenz der Systeme
1.1 Genesis 23
1.1.1 Entwicklung des Systemdenkens 23
Helmut Krauch
1.1.2 Systeme aus kybernetischer Sicht 31
H. Michael Mirow
1.1.3 Systeme aus soziologischer Sicht 38
Helmut Willke
1.2 Konkurrierende Ansatze der Systemforschung 48
Karl-Heinz Simon
1.3 Handeln in komplexen Zusammenhangen 68
Ernst-Dieter Lantermann
1.4 Moderne Systemkonzepte in den Wirtschaftswissenschaften 80
Frank Beckenbach
1.5 Gestaltung von Mensch-Maschine-Systemen 101
Katharina Seifert, Siegmund Pastoor, Klaus-Peter Timpe
1.6 Chancen einer interdisziplinaren Systemforschung 124
Tom Sommerlatte
Systemansatze in ausgewahlten Anwendungsgebieten
2.1 Das Innovationssystem der Oberlebensfahigkeit 133
Tom Sommerlatte
2.2 e-Transformation - die Vernetzung der Organisation 143
Tom Sommerlatte
2.3 Mobiles Internet - ein System aus Netz, Diensten und Inhalten 157
Klaus David
2.4 Systemtheorie und Designpraxis 172
Wolfgang Jonas
2.5 Strategieentwicklung fOr sich schnell wandelnde Umfelder 189
Alexander Fink
2.6 e-Learning and Knowledge Management 209
Jose L. EncarnaC;8o, Christoph Hornung
2.7 Engineering- und Enterprise-Systeme 226
Hans-Jorg Bullinger, Joachim Warschat
Methoden der Systemanalyse und des Systemdesign
3.1 Unbundling von System en 253
Tom Sommerlatte
3.2 Maieutik 273
Helmut Krauch
3.3 Simulation und virtuelles Engineering 285
Ulrich Trottenberg, Johannes Linden, Clemens-August Thole
3.4 Szenariotechniken 297
Alexander Fink
3.5 Varietatserzeugung und -einschrankung: Entwerfen von System en 320
Hans Dehlinger
3.6 Industriedesign - System und Strategie 345
Horst Sommerlatte
Ausblick 351
Wie kommt Interdisziplinaritat zustande?
Literaturverzeichnis 359
Kurzbiografien der Autoren 377
Autorenverzeichnis
Herausgeber:
Prof. Dr.-Ing. Tom Sommerlatte
Autoren:
Prof. Dr. Frank Beckenbach Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
Universitat Kassel
Prof. Dr. Hans-Jorg Bullinger Fraunhofer-Institut fOr Arbeitswirtschaft
und Organisation, lAO
Prof. Dr.-Ing. Klaus David Fachbereich Elektrotechnik
Lehrstuhl fOr Kommunikationstechnik
Universitat Kassel
Prof. Dr. Hans Dehlinger Fachgebiet Produktdesign
Universitat Kassel
Prof. Dr. Jose L. Encarnar;ao Fraunhofer-Institut fOr
Graphische Datenverarbeitung, IGD
Dr.-Ing. Alexander Fink Szenario Management International
Dr. Christoph Hornung Fraunhofer-Institut fOr
Graphische Datenverarbeitung, IGD
Prof. Dr. Wolfgang Jonas Hochschule fOr Kunst und Design Halle
Fachgebiet Prozessdesign
Prof. Dr. Helmut Krauch Emeritiert,
Universitat Kassel
Prof. Dr. Ernst-Dieter Lantermann Fachbereich Psychologie
Universitat Kassel
Autoren (Fortsetzung):
Dr. Johannes Linden Fraunhofer-Gesellschaft am
Institutszentrum Birlinghoven
Prof. Dr. H. Michael Mirow Leiter des Zentralbereichs Corporate
Strategies, Siemens MOnchen
Dr.-Ing. Siegmund Pastoor Zentrum Mensch-Maschine-Systeme
Technische Universitat Berlin
Dipl.-Psych. Katharina Seifert Zentrum Mensch-Maschine-Systeme
Technische Universitat Berlin
Dr. Karl-Heinz Simon Wissenschaftszentrum fOr Umwelt
systemforschung, Universitat Kassel
Prof. Horst Sommerlatte Fachgebiet Produktdesign
Universitat Kassel
Prof. Dr.-Ing. Tom Sommerlatte Arthur D. Little, Inc.
Prof. Dr. Klaus-Peter Timpe Zentrum Mensch-Maschine-Systeme
Technische Universitat Berlin
Dipl.-Math. Clemens-August Thole Fraunhofer-Institut fOr Algorithmen und
Wissenschaftliches Rechnen,
GMD-SCAI
Prof. Dr. Ulrich Trottenberg Fraunhofer-Institut fOr Algorithmen und
Wissenschaftliches Rech nen,
GMD-SCAI
Prof. Dr.-Ing. habil. Joachim Warschat Fraunhofer-Institut fOr Arbeitswirtschaft
und Organisation, lAO
Prof. Dr. Helmut Willke Fakultat fOr Soziologie
Universitat Bielefeld
8egriffsbestimmung 1
Einleitung
A. 8egriffsbestimmung
Die Begriffe, die in diesem Buch verwendet werden, finden sich in vielen Ver6f
fentlichungen und seit geraumer Zeit auch immer mehr im fachlichen und allge
meinen Sprachgebrauch - ohne allerdings einigermai1en definiert und zueinander
in Bezug gesetzt zu werden.
Es handelt sich um: System, Systemanalyse, Systemdesign, Systemforschung,
Systemwissenschaften und Systemtheorie.
Da es keine verbindlichen Definitionen dieser Begriffe gibt oder sie in einzelnen
Fachgebieten unterschiedlich benutzt werden, 5011 fUr den Zweck dieses Buches
die folgende Begriffsbestimmung benutzt und gleichzeitig zur Diskussion gestellt
werden.
System
Das Wort "System" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "Zusammenstel
lung". Unter einem System ist eine Menge von Elementen zu verstehen, zwischen
denen Beziehungen und Wechselbeziehungen bestehen und die sich dadurch von
ihrem Umfeld abgrenzen (Krauch, 1964, Seite 1).
In der Kybernetik wird unter einem System eine beliebige Ansammlung von mit
einander in Beziehung stehenden Teilen (Elementen) verstanden. Die Beziehun
gen zwischen den Elementen mOssen als messbare Tatbestande beobachtbar
sein. Durch die messbaren Beziehungen der Elemente untereinander unterschei
det sich ein System von einer Menge, unter der nur "eine Zusammenfassung von
bestimmten, wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung und unseres
Denkens" verstanden wird (Mirow, 1969, Seite 21).
Systeme umfassen sowohl mathematische oder logische Gebilde als auch mate
rielle und/oder energetische Gegebenheiten. Dabei stellen die erstgenannten
Systeme gew6hnlich Hilfsmittel zur Beschreibung oder zur Bildung von Theorien
der letztgenannten Systeme dar, die als Teile der realen Welt interpretiert werden
und aus der jeweiligen Perspektive zu einem gegebenen Zeitpunkt durch einen
gegebenen Zustand charakterisiert sind.
Die Art der Beziehungen (zwischen den Systemelementen) gibt an, wie eine
Menge von Elementen ein komplexes Ganzes formt und sich damit von einer ein
fachen Aggregation unterscheidet. Das Netz dieser vermaschten Beziehungen
bildet die Struktur des Systems. Die Struktur reprasentiert den Aufbau oder die
Organisation eines Systems. Ihr Erkennen ist fUr das Verstehen der Dynamik ei
nes Systems von grundlegender Bedeutung, denn es sind die Interaktionen im
2 8egriffsbestimmung
System, die seine zeitlichen Veranderungen, d.h. das Wachsen, Schrumpfen oder
Oszillieren der einzelnen Systemelemente, produzieren.
Die systeminharente Dynamik findet ihre Zweckbestimmung in den Interaktionen
mit der Umwelt. Umwelt ist dabei definiert als die Menge aller das System umge
bend en Objekte, deren Veranderungen das System beeinflussen und/oder deren
Attribute durch das Verhalten des Systems verandert werden. Die Wechselwir
kung zwischen System und Umwelt (zusammen beschreiben sie ein Super- oder
Metasystem) bilden einen regenerativen, durch ROckkopplung gekennzeichneten
Aktions-/Reaktionsprozess.
Komplexe dynamische Systeme im Sinne von Feedbacksystemen sind durch ihre
Orientierung an Zielen charakterisiert. Die organisierten Elemente einer solchen
Gesamtheit kooperieren fOr einen gemeinsamen Zweck (Zahn, 1972, Seite 8).
"System" ist eine Grundkategorie der modernen Soziologie zur Analyse der
Wechselwirkungen aufeinander bezogenen (interdependenten) Handelns mehre
rer Individuen, Gruppen oder Organisationen.
Ein System besitzt ein gewisses Mar.. von Integration und Geschlossenheit im
Verhaltnis seiner Elemente zueinander (Struktur), eine es von anderen Systemen,
d.h. von der Umwelt, abhebende Grenze, eine gewisse Ordnung in den Beziehun
gen mit anderen Systemen und eine gewisse Kontinuitat und Regelmar..igkeit in
den Beziehungen zwischen den Elementen des Systems (Hartfield, 1976).
Viele Erscheinungen werden im normalen Sprachgebrauch als System bezeich
net: EDV-System, Datenbank-System, Kommunikations-System, Transport-Sys
tem, Planungs-System, Sonnen-System, Wirtschafts-System. Bei anderer Gele
genheit wird, wenn notwendig, eine entsprechende Erganzung hinzugefOgt: die
Unternehmung, ein sozio-technisch-Okonomisches System; der Teich, ein biologi
sches System.
Bei den Beziehungen zwischen den Elementen eines Systems kann es sich um
Materialflussbezieh u ngen, I nformationsflussbeziehu ngen, Lagebezieh ungen,
Wirkzusammenhange etc. handeln.
Systeme haben eine Grenze gegenOber dem Umfeld. Unter einer Systemgrenze
versteht man die mehr oder weniger willkOrliche Abgrenzung zwischen dem Sys
tem und seiner Umgebung bzw. dem Umfeld, in das es eingebettet ist. Die im
Systems Engineering interessierenden Systeme sind in der Regel offen, ihre Ele
mente weisen nicht nur untereinander, sondern auch mit ihrer Umgebung Bezie
hungen auf. Unter Umfeld oder Umgebung versteht man Systeme oder Elemente,
die aur..erhalb der Systemgrenzen liegen, die aber dennoch auf das System Ein
fluss nehmen bzw. durch das System beeinflusst werden kOnnen. (Daenzer, Hu
ber, 1999, Seiten 5 und 6).
Die Frage, ob z.B. eine Unternehmung, ein Betrieb, eine Branche oder ein Biotop
ein System sei oder nicht, ist gegenstandslos. Wesentlich ist vielmehr, dass es
sich um sehr komplexe Gesamtheiten handelt, die in ihren vielfaltigen Funktionen