Table Of ContentHans-Jürgen Zobel
Altes Testament —
Literatursammlung und Heilige Schrift
w
DE
G
Beihefte zur Zeitschrift für die
alttestamentliche Wissenschaft
Herausgegeben von
Otto Kaiser
Band 212
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1993
Hans-Jürgen Zobel
Altes Testament —
Literatursammlung und
Heilige Schrift
Gesammelte Aufsätze zur
Entstehung, Geschichte und Auslegung
des Alten Testaments
Herausgegeben von
Julia Männchen und Ernst-Joachim Waschke
Walter de Gruyter · Berlin · New York
1993
© Gedruckt auf säurefreiem Papier,
das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — ClP-Einheitsaufnahme
Zobel, Hans-Jürgen:
Altes Testament — Literatursammlung und Heilige Schrift : gesam-
melte Aufsätze zur Entstehung, Geschichte und Auslegung des
Alten Testaments / Hans-Jürgen Zobel. Hrsg. von Julia Männchen
und Ernst-Joachim Waschke. — Berlin ; New York : de Gruyter,
1993
(Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft ;
Bd. 212)
ISBN 3-11-013982-0
NE: Männchen, Julia [Hrsg.]; Zeitschrift für die alttestamentliche
Wissenschaft / Beihefte
ISSN 0934-2575
© Copyright 1993 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro-
verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Printed in Germany
Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65
Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz und Bauer, Berlin 61
Vorwort
Mit dieser Aufsatzsammlung wollen wir unseren Lehrer Hans-Jürgen
Zobel zu seinem 65. Geburtstag am 24. Mai 1993 grüßen und ihm zugleich
danken für das, was er in fast drei Jahrzehnten für die alttestamentliche
Wissenschaft geleistet hat.
Daß nach der deutschen Vereinigung auf unserem Wissenschaftsgebiet
der Graben zwischen Ost und West nicht so breit geworden und daß es zu
keiner wirklichen Entfremdung gekommen ist wie auf so vielen anderen
Gebieten, daran trägt er maßgeblichen Anteil. Er hat das Gespräch zwi-
schen den Alttestamentlern immer wieder gesucht, gefördert und angeregt,
wohl wissend, daß ein freier, die Grenzen überbrückender Austausch für
ihn nur im Kontext der Evangelischen Kirche möglich war. Die Universität
als Ort der Wissenschaft und die Kirche als Ort der Verkündigung waren
ihm gleichermaßen wichtig. Die daraus erwachsene und oft nur schwer zu
ertragende Spannung eines Hochschullehrers an einer "sozialistischen" Uni-
versität und eines theologischen Lehrers ließ sich letztlich nur aushalten im
Wissen um den eigentlichen Auftrag und das Ziel theologischer Ausbil-
dung. Darum hat er sich an seinen beiden Wirkungsstätten, den Universitä-
ten in Halle und Greifswald, als Mitglied und Vorsitzender des Theologi-
schen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union, als Lehrer im
Kirchlichen Fernunterricht mit erwachsenen Gemeindegliedern und als
Synodaler bemüht.
Die Wissenschaft des Alten Testaments wie das theologische Lehramt
waren für ihn nie Selbstzweck, sondern hieraus begründete er für sich den
Anspruch zu gesellschaftlicher Verantwortung. Dies setzte häufig genug
viel diplomatisches Geschick voraus, das ihm in hohem Maße zu eigen war,
aber Mißverständnisse und auch Widerspruch nicht ausschloß. Zehn Jahre
war er Dekan und Sektionsdirektor der Theologischen Fakultät in Greifs-
wald und nach dem politischen Umbruch 1989 der seit vielen Jahren erste
freigewählte Rektor der Greifswalder Universität. Er hatte damit in jeweils
unterschiedlich schwierigen Zeiten Aufgaben übernommen, die das Leben
eines Wissenschaftlers und Lehrers nicht erfüllen, aber völlig ausfüllen
können. Daß er dennoch Alttestamentler blieb, zeugt nicht nur von seiner
Energie, sondern auch von seiner leidenschaftlichen Bindung an das Alte
Testament. Es zeugt von der Freude, mit der er das Alte Testament selbst
VI Vorwort
studierte und auslegte, eine Freude, die er mehreren Generationen von Stu-
denten und Schülern an der Universität wie auch im Raum der Kirche wei-
terzugeben vermochte.
Angesichts dessen müssen wir uns natürlich fragen, ob es angemessen
ist, dem verehrten Jubilar einen Ausschnitt aus seinen eigenen Arbeiten zu
dedicieren. Wenn wir uns trotzdem dazu entschlossen haben, dann aus dem
Grund, um mit dieser Aufsatzsammlung ein Stück alttestamentlicher For-
schung in der DDR zu dokumentieren, die zwar nicht abseits der
internationalen Diskussion erfolgte, aber doch einen eigenen Kontext und
andere Bedingungen aufzuweisen hatte als der übrige deutschsprachige
Raum. Dies am Werk Hans-Jürgen Zobels einer breiteren Öffentlichkeit
zugänglich zu machen ist u.E. dadurch gerechtfertigt, daß er als Schüler
Otto Eißfeldts in Halle zu der Generation gehört, die die Tradition der
bedeutenden Alttestamentier an den ostdeutschen Universitäten bewahrt und
weitergeführt hat.
Die Gliederung der Aufsatzsammlung in "Geschichte und Überliefe-
rungsgeschichte" , "Religion und Theologie" sowie "Forschungsgeschichte"
zeigt sowohl die Schwerpunkte als auch die Komplexität der Arbeiten Hans-
Jürgen Zobels zum Alten Testament auf. Als Titel haben wir einen Aufsatz
gewählt, dessen Fragestellung "Altes Testament — Literatursammlung und
Heilige Schrift?" ihn immer wieder bewegte; seine Antwort, daß die histo-
risch-kritische Forschung allein eine dienende Funktion hat, insofern sie
hilft, das Alte Testament als Heilige Schrift zu sehen und zu verstehen, ist
uns in den gemeinsamen Jahren wichtig geworden. Am Ende steht ein Vor-
trag zum 100. Geburtstag von Otto Eißfeldt, in dem er nicht allein seinen
Lehrer würdigt, sondern aus dessen Leben und Werk theologische und wis-
senschaftliche Ansprüche formuliert, denen er sich selbst verpflichtet fühlt.
Allen, die zum Entstehen dieser Festschrift beigetragen haben, möchten
wir unseren Dank sagen: An erster Stelle Herrn Prof. Dr. Otto Kaiser D.D.
und dem Verlag Walter de Gruyter für die Bereitschaft, die Aufsatzsamm-
lung in die Beihefte zur ZAW aufzunehmen, den Damen und Herren stud,
theol. Marianne Domes und Benjamin Ziemer, die abschließend Korrektur
lasen sowie Frau Bettina Stephan, die nicht scannbare Aufsätze neu
geschrieben hat.
Julia Männchen Ernst-Joachim Waschke
Thomas Neumann Konstantin Zobel
Greifswald Halle/Saale
im Frühjahr 1993
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Altes Testament — Literatursammlung und Heilige Schrift? 1
I. Geschichte und Überlieferungsgeschichte des Alten Testaments
Die Stammessprüche des Mose-Segens (Dtn 33,6-25)
Ihr "Sitz im Leben" 19
Das Ost- und Westjordanland in seiner Bedeutung
für die frühe Geschichte Israels 31
Beiträge zur Geschichte Groß-Judas in früh- und vordavidischer Zeit 53
Prophet in Israel und Juda 77
Hosea und das Deuteronomium 97
II. Religion und Theologie des Alten Testaments
Der kanaanäische Hintergrund der Vorstellung vom lebendigen Gott:
Jahwes Verhältnis zu El und Baal 117
Göttertriaden im Alten Vorderen Orient
und die alttestamentliche Gottesvorstellung 137
Geschichte und Überlieferung. Die Theologien Israels und Judas 155
"Alt" und "Neu" in der Verkündigung des Propheten Deuterojesaja 171
Das Ich des Psalmisten und das Ich des Propheten 181
III. Forschungsgeschichte des Alten Testaments
Die Hebraisten an der Universität zu Wittenberg (1502-1817) 201
Geschichte des Deutschen Evangelischen Instituts für
Altertumswissenschaft des Heiligen Landes von den
Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg 229
Wilhelm Gesenius — Sein Leben und sein Wirken 245
Otto Eißfeldt als Theologe 267
Nachweis der Erstveröffentlichung der Beiträge 293
Personenregister 295
Stellenregister 299
Altes Testament — Literatursammlung und Heilige Schrift?
Alfred Jepsen in memoriam zum 28. März 1980
Versuch einer Klärung*
A. Jepsen hat in seinem Aufsatz über die "Wissenschaft vom Alten
Testament"1 die Problemstellung, nämlich das Verhältnis von wissenschaft-
licher Arbeit am AT und kirchlicher Praxis, an J. Wellhausen aufgezeigt.
Er wirkte von 1872-1882 in Greifswald und schuf in diesem Jahrzehnt die
Werke, die seinen Ruf als "Historiker"2 begründeten und die ihren hohen
wissenschaftlichen Rang bis in unsere Tage hinein bewahrt haben: "Die
Pharisäer und die Sadduzäer", 1874; "Die Composition des Hexateuchs" in
den Jahrbüchern für Deutsche Theologie Bd. 21 und 22, 1876 und 1877,
sowie in der 4. Aufl. der Bleekschen Einleitung; "Prolegomena zur
Geschichte Israels", 1878, damals noch unter dem Titel "Geschichte
Israels, 1. Band"; "Geschichte Israels", Privatdruck für seine Freunde
Weihnachten 1880.3 Dieses Greifswalder Jahrzehnt aber findet sein Ende
im Gesuch Wellhausens an den preußischen Kultusminister um Versetzung
in die Philosophische Fakultät. Wellhausen schreibt unter dem 5. April
1882 aus Greifswald:4 "Ew. Excellenz werden sich vielleicht erinnern, daß
ich Ihnen zu Ostern 1880 die Bitte vortrug, womöglich in die
(
philosophische Fakultät versetzt zu werden, und zugleich die Gründe zur
Motivierung dieser Bitte darzulegen versuchte. Ich bin Theologe geworden,
weil mich die wissenschaftliche Behandlung der Bibel interessierte, es ist
mir erst allmählich aufgegangen, daß ein Professor der Theologie zugleich
die praktische Aufgabe hat, die Studenten für den Dienst in der
evangelischen Kirche vorzubereiten, und daß ich dieser praktischen
Aufgabe nicht genüge, vielmehr trotz aller Zurückhaltung meinerseits,
* Vorläufer dieses Beitrags wurden vorgetragen auf der 16. Tagung der Hochschul-
theologen der Ostseeländer vom 20.-23.6.77 in Kopenhagen und bei einer Gastvorle-
sung in Leipzig am 28.3.78.
1 Wissenschaft vom Alten Testament (AVTRW, 1) 1958 = Der Herr ist Gott, 1978,
13-38.
2 O. Eißfeldt, Julius Wellhausen (Kl. Sehr. I, 1962, 56-71 = Kl. Sehr. z. AT, 1971,
409-424), 57 = 410.
3 J. Wellhausen, Grundrisse zum AT, hrsg. v. R. Smend, 1965, 13-64.
4 A. Jepsen, Wellhausen in Greifswald (Festschr. z. 500-Jahrfeier der Univ. Greifs-
wald, II, 1956, 47-56 = Der Herr ist Gott, 1978, 254-270), 54 = 266.
2 Altes Testament — Literatursammlung und Heilige Schrift
meine Zuhörer für ihr Amt eher untüchtig mache. Seitdem liegt mir meine
theologische Professur schwer auf dem Gewissen."
Wellhausen, dieser unbestechliche Kritiker und geniale Historiker, der
Inbegriff historisch-kritischer Wissenschaft, hat einen Gegensatz empfunden
zwischen Wissenschaft und Praxis, zwischen Katheder und Kanzel, zwi-
schen der wissenschaftlichen Behandlung des AT und seiner Predigt als
Heiliger Schrift. Die Frage, ob historisch-kritische Arbeit am AT eine
theologische Relevanz eben auch für die Aufgaben eines evangelischen
Pfarrers hat, ist von Wellhausen negativ beantwortet worden. Er sah in der
Philosophischen Fakultät seinen eigentlichen Wirkungskreis und fand in der
Philosophischen Fakultät von Halle seine neue Wirkungsstätte. Aber ist
diese Alternative richtig? Ist diese Konsequenz zwingend? Besteht zwischen
historisch-kritischer Wissenschaft und theologischer Wertung des AT ein
derartiger Widerspruch?
Dieser Fragestellung ist, worauf A. Jepsen zu Recht aufmerksam
machte, nicht durch den Hinweis auszuweichen, daß Wellhausens "Schüler,
und das wurde die große Mehrzahl der Theologen", den Bruch ihres Mei-
sters mit der Theologie nicht mit- oder nach vollzogen, sondern Theologen
blieben.5 Auch der Versuch, diese Unvereinbarkeit von alttestamentlicher
Wissenschaft und theologischer Praxis als persönliches, nur von ihm so
empfundenes Problem Wellhausens zu deklarieren, ist deshalb unangemes-
sen, weil so das Gewicht der Fragestellung nicht oder doch nur gering
geachtet wird. Daß sich die heutige Situation in Theologie bzw.
alttestamentlicher Wissenschaft und kirchlicher Praxis grundsätzlich kaum
von der Wellhausens und seiner Zeit unterscheidet, also auch kein Abschie-
ben dieser Fragestellung auf das Gleis der Geschichte erlaubt ist, läßt etwa
die knappe Feststellung von G. Ebeling erkennen: "Eine theologische
Fakultät besteht heute vorwiegend aus Historikern."6 Dazu tritt der andere
Satz, daß "die historisch-kritische Methode ... zwar prinzipiell in Geltung
(steht), daß sie aber faktisch ... doch weithin in Theologie und Kirche als
lästige Störung empfunden" wird.7
A. Jepsen geht das Problem von der Kanonfrage aus an: "Denn ein
'Altes Testament' als solches gibt es nur als Teil des christlichen Kanons".8
5 A.a.O. (Anm. 1), 14.
6 Wort und Glaube I., 31967, 382.
7 A.a.O., 49.
8 A.a.O. (Anm. 1), 15. — Vgl. aber auch Jepsen, Die Botschaft des AT (FS H. Schrei-
ner, 1953, 149-163). — ders., Theologie des AT (Bericht von der Theologie, hrsg. v.
G. Kulicke, K. Matthiae u. P.-P. Sänger, 1971, 15-32 = Der Herr ist Gott, 1978,
142-154).