Table Of ContentAllgemeine lineare Verfahren fu¨r Differential-Algebraische
Gleichungen mit Index 2
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Doktorgrades
der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakult¨at
der Universit¨at zu K¨oln
vorgelegt von
Daniel Weiß
aus Siegen
Hundt Druck GmbH, K¨oln
2007
Berichterstatter: Prof. Dr. Johannes Schropp
Prof. Dr. Tassilo Ku¨pper
Tag der mu¨ndlichen Pru¨fung: 28.02.2007
Kurzzusammenfassung
Viele Prozesse der Physik, Chemie und der Ingenieurwissenschaften k¨onnen durch
gew¨ohnliche Differentialgleichungen beschrieben werden, wobei die mathematische
Beschreibung dieser Prozesse oft auch algebraische Gleichungen liefert. Diese Glei-
chungensindzumBeispieldurchdieKirchhoffschenGesetze,bestimmteErhaltungs-
gr¨oßen wie Volumen oder Energie und geometrische und kinetische Nebenbedingun-
gen gegeben. Dies fu¨hrt zu den so genannten Differential-Algebraischen Gleichun-
gen (DAEs). Insbesondere durch die verst¨arkte Simulation dieser Prozesse entstand
großes Interesse an DAEs und deren numerischer Behandlung. Im Vordergrund ste-
hen dabei die Simulationen von so genannten Mehrk¨orpersystemen, wie sie zum
Beispiel in der Fahrzeugtechnik und der Robotik auftreten, und von elektrischen
Schaltkreisen bei der Chipentwicklung.
Allgemeine lineare Verfahren wurden bereits Mitte der 60ziger Jahre des letzten
Jahrhunderts als Verallgemeinerung der klassischen Verfahren, insbesondere der
Runge-Kutta Verfahren und der linearen Mehrschrittverfahren, eingefu¨hrt. Dieses
Konzept erm¨oglicht zum einen eine einheitliche theoretische Untersuchung der klas-
sischen Verfahren und zum anderen die Herleitung neuer numerischer Methoden.
Bis heute werden allgemeine lineare Verfahren auch fu¨r steife Differentialgleichungen
entwickelt, die auch auf Differential-Algebraische Gleichungen angewendet werden
k¨onnen.
In der vorliegenden Arbeit werden zun¨achst gewisse grundlegende Aussagen u¨ber
DAEs und allgemeine lineare Verfahren wiederholt. Anschließend wird die formale
Anwendung allgemeiner linearer Verfahren auf DAEs diskutiert. Dabei stellt sich
heraus, dass der St¨orungsindex einer impliziten DAE als Maß der numerischen
Schwierigkeiten, welche bei der Berechnung einer N¨aherungsl¨osung auftreten, ir-
refu¨hrend sein kann. Tats¨achlich sollte der St¨orungsindex eines entsprechend aug-
mentierten Systems als dieses Maß betrachtet werden. Zudem werden allgemeine li-
neare Verfahren fu¨r Index-2 DAEs in Hessenberg Form ausfu¨hrlich analysiert. Dabei
liegtderSchwerpunktbeiderBeantwortungderklassischenFragenderNumerischen
Analysis an die Stabilit¨at, Konsistenz und Konvergenz des Verfahrens. Des Weiteren
wird eine U¨bertragung der Konvergenzresultate auf spezielle semi-explizite Index-2
DAEs durchgefu¨hrt. Abschließend sind einige Aspekte der Implementierung solcher
Verfahren beschrieben und numerische Berechnungen an Beispielen pr¨asentiert.
Abstract
The dynamic behaviour of various applications of physics, chemistry and science
of engineering could be modelled by differential equations, while the mathematical
description of these dynamics often includes algebraic equations. These equations
are due to Kirchhoff’s laws, certain conservation laws, i.e., conservation of volume
or energy, and geometrical and kinematic constraints. This leads to Differential-
Algebraic Equations (DAEs). Especially the simulation of these dynamics rose grea-
ter interest on DAEs and their numerical treatment. These are mainly simulations
of multibody systems, for example of vehicle systems and robotics, and simulations
of electrical circuits.
General Linear Methods (GLMs) were introduced as a generalization of the classical
methods in particular of Runge-Kutta and linear multi-step methods in the sixties
of the last century. They provide a unifying framework of classical methods and
offer the possibility of developing new methods. Until now general linear methods
also for stiff differential equations are derived, which could be applied to differential-
algebraic equations.
In this thesis certain basic statements on DAEs and general linear methods are
repeated at first. Then the formal application of general linear methods to DAEs
is discussed. It turns out, that the perturbation index is sometimes not the right
measure for the difficulties, which occur by the computation of an approximation.
Actuallytheperturbationindexofacertainaugmentedsystemshouldbeinterpreted
as this measure. In addition general linear methods for Index-2 DAEs in Hessenberg
form are analyzed in detail. The classical questions of the Numerical Analysis of
stability, consistency and convergence are answered. Moreover the results of conver-
gence are formulated for certain semi-explicit Index-2 DAEs. Finally some aspects
of the implementation of these Methods are described and numerical computations
are presented.
Vorwort
Ich m¨ochte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Herrn Prof. Dr. J. Schropp fu¨r
seine“doktorv¨aterliche“ Art und fu¨r die tollen Zeiten in Konstanz bedanken. Zudem
bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. T. Ku¨pper dafu¨r, dass er mir in der Endphase
dieser Arbeit in einer Art und Weise den Ru¨cken frei gehalten hat, wie es nicht
selbstverst¨andlich war. Frau Prof. Dr. C. Tischendorf gilt mein Dank fu¨r die Un-
terstu¨tzung bei der Auseinandersetzung mit Differential-Algebraischen Gleichungen
der Schaltkreissimulation.
Diese Arbeit widme ich meiner Tochter Julie, meinem Sohn Moritz und vor allem
meiner Frau Sabine, die mir Kraft gegeben haben diese Arbeit zu vollenden.
K¨oln, 30. April 2007 Daniel Weiß
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Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1
1 Das Problem: Differential-Algebraische Gleichungen 5
1.1 “Der“ Index einer DAE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2 Index-2 DAEs in Hessenberg Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
2 Das numerische Verfahren: Allgemeine lineare Verfahren 21
2.1 Definition, Beispiele und lineare Stabilit¨at . . . . . . . . . . . . . . . 29
2.2 Stabilit¨at, Konsistenz und Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3 Allgemeine lineare Verfahren fu¨r DAEs 41
3.1 Die Augmentierung impliziter DAEs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.2 Index-2 DAEs in Hessenberg Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
3.2.1 Das Gleichungssystem der Stufenwerte . . . . . . . . . . . . . 53
3.2.2 Stabilit¨at . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
3.2.3 Konvergenz und Konsistenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
3.3 Semi-explizite Index-2 DAEs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
4 Implementierung 119
4.1 Startprozedur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120
4.2 Vereinfachtes Newton-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
4.3 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
4.3.1 Das Pendel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
4.3.2 Eine lineare DAE mit properem Hauptterm . . . . . . . . . . 142
4.3.3 Der “Andrews’ squeezer Mechanismus“ . . . . . . . . . . . . . 144
A DAEs mit properem Hauptterm 149
B Programme 153
Literaturverzeichnis 170
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Inhaltsverzeichnis
iv
Einleitung
Viele Prozesse der Physik, Chemie und der Ingenieurwissenschaften k¨onnen durch
gew¨ohnliche Differentialgleichungen beschrieben werden. Dabei liefert die mathema-
tischeBeschreibungdieserProzesseoftauchalgebraischeGleichungenbedingtdurch
zum Beispiel die Kirchhoffschen Gesetze, bestimmte Erhaltungsgr¨oßen wie Volumen
oder Energie und geometrische und kinetische Nebenbedingungen. Dies fu¨hrt zu den
so genannten Differential-Algebraischen Gleichungen (Equations, kurz: DAEs), wel-
che, wie der Name schon sagt, neben gew¨ohnlichen Differential- auch algebraische
Gleichungen umfassen.
In der klassischen mathematischen Modellierung wurden diese algebraischen Glei-
chungen genutzt, um eine Differentialgleichung fu¨r die so genannten Zustandskoor-
dinaten zu ermitteln. Diese Gleichung heißt Zustandsform. Die Zustandskoordina-
ten sind dabei sorgf¨altig gew¨ahlte Koordinaten minimaler Anzahl. Die Herleitung
einer Zustandsform bedarf dabei analytischer Arbeit, die in der neueren, compu-
tergestu¨tzten Modellbildung nicht erwu¨nscht oder nicht m¨oglich ist. Zudem werden
durch die Reduktion auf die Zustandskoordinaten gewisse Strukturen der Gleichun-
gen zerst¨ort. Dies ist zum Beispiel in der Modellierung elektrischer Schaltkreise die
du¨nne Besetztheit von Matrizen.
Insbesondere durch die verst¨arkte Simulation gewisser Prozesse, bei der auch das
mathematische Modell rechnergestu¨tzt aufgestellt wird, entstand großes Interesse
an Differential-Algebraischen Gleichungen und deren numerischer Behandlung. Im
Vordergrund stehen dabei die Simulationen von so genannten Mehrk¨orpersystemen,
wie sie zum Beispiel in der Fahrzeugtechnik und der Robotik auftreten, und von
elektrischen Schaltkreisen. Mitte der 80ziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurden
daher viele numerische Verfahren fu¨r DAEs entwickelt und theoretisch untersucht
(vgl. zum Beispiel [HLR89, BCP, GM]). Dabei waren numerische Verfahren fu¨r
steife Differentialgleichungen die ersten Verfahren, die erfolgreich auf DAEs ange-
wendet wurden. Die wohl bekanntesten Codes zum L¨osen Differential-Algebraischer
Gleichungen sind DASSL von L. Petzold und RADAU5 (vgl. [HW] Appendix. Fort-
ran Codes). W¨ahrend DASSL auf BDF-Methoden basiert, welche von Curtiss und
Hirschfelder Mitte des 20. Jahrhunderts fu¨r steife Differentialgleichungen entwickelt
wurden, liegt dem RADAU5 Code ein Runge-Kutta Verfahren der RadauIIA-Klasse
zugrunde. Beide Codes werden erfolgreich auf gewisse DAEs angewendet.
Die Klasse der allgemeinen linearen Verfahren (General Linear Methods, kurz:
GLMs) stellt eine Verallgemeinerung der klassischen Verfahren dar. Sie wurden be-
1
Inhaltsverzeichnis
reits 1966 von J. Butcher formuliert. Zwei Ziele standen dabei im Vordergrund. Zum
einen die Bereitstellung eines unifying framework der linearen Mehrschritt- und der
Runge-Kutta Verfahren und zum anderen die Entwicklung neuer numerischer Me-
thoden, welche die Vorteile der klassischen Verfahren in sich vereinen, deren Nach-
teile jedoch nicht aufweisen. Bis heute werden in dieser sehr umfassenden Klasse
neue Verfahren fu¨r gew¨ohnliche aber auch steife Differentialgleichungen entwickelt
(vgl. [BJ04a, BJ04b, BP06, BR05, BW03]), welche theoretisch auch auf Differential-
Algebraische Gleichungen angewendet werden k¨onnten. Dieser Entwicklungsprozess
ist noch nicht abgeschlossen, so dass auch in Zukunft weitere neue Verfahren ent-
stehen werden.
W¨ahrend lineare Mehrschrittverfahren und Runge-Kutta Verfahren fu¨r Differential-
Algebraische Gleichungen bereits untersucht wurden (vgl. zu den linearen Mehr-
schrittverfahren [BCP, G71, GM, HW, LP86] und zu den Runge-Kutta Verfahren
[HLR89, HW, GM, P86, BP89]) sind allgemeine lineare Verfahren angewendet auf
DAEs noch nicht ausfu¨hrlich analysiert. Stefan Schneider betrachtete bereits allge-
meine lineare Verfahren fu¨r Index-3 DAEs in Hessenberg Form (vgl. [Sch97]) und
Steffen Voigtmann entwickelte ku¨rzlich allgemeine lineare Verfahren fu¨r eine Klas-
se Differential-Algebraischer Gleichungen, wie sie bei der Beschreibung elektrischer
Schaltkreise vorkommen (vgl. [Voigtmann06]). Eine ausfu¨hrliche Untersuchung von
allgemeinen linearen Verfahren fu¨r Index-2 DAEs insbesondere der DAEs in Hessen-
berg Form scheint daher n¨otig zu sein.
Die Simulation von Prozessen in den Natur- und Ingenieurwissenschaften wird auf-
grundderKostenreduzierungweiterzunehmen.Insbesonderemu¨ssendabeivermehrt
auch Differential-Algebraische Gleichungen m¨oglichst effizient gel¨ost werden. Zudem
spielen verschiedene Aspekte in der Anwendung eine Rolle. Solche Aspekte sind zum
Beispiel die Echtzeitintergration oder die Integration, welche geometrische Struktu-
renerh¨alt.EsgehtnichtnurdarumeineDAEzul¨osen,sondernsie“richtig“ zul¨osen.
Wie bei gew¨ohnlichen Differentialgleichungen sollten daher verschiedene numerische
Verfahren mit ihren jeweiligen Vorteilen zum L¨osen von Differential-Algebraischen
Gleichungen bereit stehen. Es ist daher vernu¨nftig auch die Klasse der allgemeinen
linearen Verfahren angewendet auf DAEs ausfu¨hrlicher zu untersuchen.
Ein weiterer Grund sich mit allgemeinen linearen Verfahren fu¨r DAEs zu besch¨afti-
gen liegt in dem unifying framework. Aussagen die u¨ber GLMs angewendet auf
Differential-AlgebraischeGleichungengetroffenwerdenk¨onnen,geltenfu¨reinengroß-
teil der numerischen Verfahren, die heutzutage zum L¨osen von DAEs eingesetzt wer-
den. Die formale Anwendung allgemeiner linearer Verfahren auf DAEs kann somit
zum besseren Verst¨andnis der allgemeinen Numerik Differential-Algebraischer Glei-
chungen beitragen (vgl. zum Beispiel Unterkapitel 3.1).
Die Arbeit gliedert sich wie folgt: In den Kapiteln 1 und 2 sind grundlegende Aus-
sagen u¨ber Differential-Algebraische Gleichungen und allgemeine lineare Verfahren
formuliert. Dabei sind nur die Aspekte beschrieben, welche fu¨r die sp¨ateren Kapitel
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Description:Konzept ermöglicht zum einen eine einheitliche theoretische Untersuchung der klas- sischen Verfahren und zum anderen die .. sind typische Gleichungen der Mechanik (vgl. weiter unten den Abschnitt über me- chanische Mehrkörpersysteme). imD(t) = imR(t), t ∈ I. Folgerungen (vgl. [M02b]):.