Table Of ContentALLGEMEINE
KONSTITUTIONSLEHRE
IN NATURWISSENSOHAFTLIOHER
UND MEDIZINISOHER BETRAOHTUNG
VON
O. NAEGELI
DR. :MED .. DR. JUR. H. C .. DR. DER NATURWISSENSCHAFTEN H. C.
O. O. PROFESSOR DER INNEREN :MEDIZIN AN DER UNIVERSITAT
UND DIREKTOR DER MEDIZINISCHEN UNIVERSITATSKLINIK ZURICH
ZWEITE AUFLAGE
MIT 32 ZUM TElL FARBIGEN ABBlLDUNGEN
BERLIN
VERLAG VON JULIUS SPRINGER
1934
ISBN-13: 978-3-642-90191-1 e-ISBN-13 978-3-642-92048-6
001: 10.1007/978-3-642-92048-6
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER UBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN
COPYRIGHT 1934 BY JULIUS SPRINGER IN BERLIN
Reprint of the original edition 1934
Vorwort zur ersten Auflage.
Wegleitend fiir dieses Buch ist der Gedanke, daB menschliche Konsti
tutionslehre nur im innigsten Zusammenhang mit den Erfahrungen
iiber Konstitutionen auf dem Gesamtgebiete der Naturwissenschaften
richtig dargestellt werden kann. Darum ist einer eingehenden natur
wissenschaftlichen Betrachtungsweise in allen hier aufgeworfenen Pro
blemen der gr6Bte Raum gewahrt worden.
lch empfinde es schmerzlich, daB die Medizin viel zu sehr, und wie
mir scheint, immer starker von Botanik und Zoologie sich entfernt
und glaubt, ihre eigenen Wege gehen zu k6nnen. 1m Gegensatz zu
friiheren Dezennien interessiert sich der Mediziner heute recht wenig
dafiir, welche Vorstellungen sich die Naturwissenschaften iiber Konsti
tutionen und Neuentstehungen in der Natur machen.
Diese Trennung kann nicht gut sein und muB sofort zu groBen lrr
tiimern in der Betrachtung menschlicher Konstitutionen fiihren. Das
laBt sich in den medizinischen Werken der neuesten Zeit durch zahl
reiche Beispiele belegen.
Aber auch die Naturwissenschaftler kiimmern sich gleichfalls recht
wenig um das reiche Tatsachenmaterial, das aus medizinischen Be
obachtungen stammt, und das zum Teil glanzende Dokumente enthalt,
weil die Analyse menschlicher Konstitutionen in mancher Hinsicht auBer
ordentlich viel feiner und ausgedehnter durchgefiihrt werden kann als
die Priifung in den Naturwissenschaften. Der hohe Stand der medizi
nischen Untersuchungsmethodik und die viel gr6Bere Differenzierung
der Art homo sapiens, erklart das. So k6nnen wir heute durch die Spalt
lampenuntersuchung den Star auf ganz verschiedene Arten von Linsen
triibungen mit v6llig selbstandiger Genese zurUckfiihren und scheinbar
Einheitliches in biologisch und konstitutionell ganz verschiedenes
zerlegen, und in der feineren Zellmorphologie der roten Blutzellen finden
wir den Weg, die Anamien in vollstandig verschiedene Typen zu trennen.
lch habe daher den Wunsch, es m6chten meine hier vorliegenden
Ausfiihrungen, die ich seit einer Reihe von Jahren in Vorlesungsform
gehalten habe, ein Bindeglied bilden zwischen Naturwissenschaften
und Medizin, aus dem beide Teile eines unteilbaren Reiches Anregungen
und Wissen sch6pfen.
Die eingehende Beschaftigung mit Naturwissenschaften, insbeson
dere mit Botanik, seit meiner Jugend und die stete Fortfiihrung dieser
Studien erlauben es mir, viele eigene, namentlich botanische Beobach
tungen, als Beispiele meinen Schilderungen einzureihen. lch habe
IV VOl'WOl't zur zweiten Auflage.
stets das Empfinden, daB nur das, was man selbst gepriift und selbst
erlebt hat, ganz festen Boden fUr die kritische Beurteilung schafft.
Der Charakter des Buches ist ein personlieher. Deswegen sind meine
eigenen botanischen und medizinisehen Arbeiten oft zitiert; nicht etwa,
daB nicht andere Beobachtungen ebensogut verwendet werden konnten,
sondern deswegen, weil diese letzteren fiir mich nieht den gleiehen
Grad der Sieherheit in der Beurteilung des Beobaehteten enthalten:
Die hauptsachlichsten Gesetze der Vererbung und der zytologischen
Forschung in den Vererbungsfragen muB ich als bekannt voraussetzen.
Eine Wiederholung hatte den Umfang des Buches zu sehr vcrgroBert,
was ieh durchaus vermeiden wollte.
Die Unvollstandigkeit und Ungleichheit meiner Darstellungen kenne
ieh sehr wohl. Fiir jede Kritik und fUr jeden Hinweis zu einem weiteren
Ausbau der Ziele, die dieses Bueh verfolgt, bin ich dankbar.
Z ii ric h, den 1. Marz 1927.
o.
NAEGELI.
Vonvort zur zweiten Auflage.
In den 7 Jahren seit dem Erscheinen der ersten Auflage sind die
hier erorterten Probleme der Konstitution und der Vererbung in auBer
ordentlich weite Kreise hineingedrungen, und vor allem hat auch die
medizinischc Wisscnschaft sieh mit diesen Fragen weit eingehender
beschaftigt, als dies seit langen Dezennien der Fall gewesen ist. Ich halte
es daher fiir richtig, das vorliegende Werk in etwas erweiterter Gestalt
neu aufzulegen. Dabei will ieh die feste Grundlage aller dieser Probleme,
die naturwissensehaftliche Basis, noeh fester in den V ordergrund stellen
als bisher; denn das ist gegeniiber den vielfaeh noch vollkommen ver
schwommenen Ansichten und Auffassungen in diesen Fragen notiger
denn je.
Die letzten 7 Jahre haben aber gerade auch auf naturwissensehaft
lichem Gebiet enorme Fortsehritte gebracht, und zwar Fortsehritte, die
sich ganz direkt auch auf medizinisehe Probleme auswirken. Vor allem
weise ieh darauf hin, wie das Problem der DE VRIEsschen Mutation heute in
den Mittelpunkt vieler Fragen der Variabilitat und der Evolution getreten
ist. Wahrend friiher viele Mediziner den DE VRIEsschen Begriff iiberhaupt
nieht gekannt haben, sieht man jetzt in vielen Arbeiten liber konsti
tutionelle Fragen die Mutationslehre ausgewertet und die friihere Ab
lehnung und Opposition ist versehwunden. Vor aHem haben die experi
menteHen Forsehungen liber Mutation in den lctzten Jahren einen
enormen Wert bekommen, ganz besonders die Studien der Morganschule
und die Mogliehkeit, dureh bestimmte Experimente, ganz besonders dureh
v
Vorwort Zllr zweiten Allflage.
Rontgenstrahlen, die Hiiufigkeit der auch in der Natur vorkommenden
Mutationen enorm zu steigern, so daB die Hiiufigkeitsrate auf das 150fache
gesteigert werden konnte. Auch das Problem der gerichteten Mutation
hat ganz besonderes Interesse gefunden und ist fUr unsere Vorstellungen
von groBer Bedeutung.
Wie wichtig die MORGANSehen Untersuchungen iiber Mutation auch
fUr die Medizin geworden sind, beleuehtet am besten die Verleihung des
Nobelpreises fUr Medizin und Physiologie an MORGAN 1933.
AuBer der noch breiteren naturwissensehaftlichen Basis habe ieh
aber auch zahlreiche medizinisehe Probleme viel eingehender behandelt,
um so im Kreise der Arzte noch groBeres Interesse fUr all diese grund
legenden Fragen zu finden.
Z uri c h, im Miirz 1934.
O. NAEGELI.
Literaturhinweise konnten leider nur beschriinkt gegeben werden
und meist nur abgekurzt, z. B. bedeutet Zitat (69/30): KongreBzentral
hIatt fUr innere Medizin, Bd. 69, S. 30.
Inhaltsvel'zeichl1 is.
Seite
Einleitung. Beispiele fUr die Bedeutung des konstitutionellen Denkens 1
Del' Konstitutions- und Dispositionsbegriff lin Laufe del' Jahrhunderte 8
Die naturwissenschaftliche Auffassung ube'L' Art und Variabilitat und uber
Neuentstehung von Arten . . . . . . . . 17
a) Sammelart = vorgetauschte Variabilitat 18
b) Wirkliche Variabilitat . . . . . . . . . 22
1. lVIodifikationen . . . . . . . . . . . 22
2. Die lVIutation (DE VRIES) odeI' ldiovariation (SIEMENS) 32
Beispiele fur lVIutationen in del' Botanik . 43
lVIutationen in del' Zoologie. . . . . . . . . . . . 44
lVIutationen beirn lVIenschen. . . . . . . . . . . . 45
FrUhere Auslegungen del' menschlichen lVIutationen 48
Beispiele fUr genotypisch bedingte Erscheinungen und lVIuta-
tionen bcim lVIenschen . . . . . . . . . . 51
AuJ3ere "Abnormitaten". . . . . . . . . 51
Knochen-, Gelenks- und lVIuskelaffektionen 55
Blutanomalien und Blutkrankheiten . 58
Heredopathien des Nervensystems . . . . 60
Reredopathien in del' Augenheilkunde 63
Heredopathien des Gehororgans, von Nase und Rals 65
Hcredopathicn in del' Dermatologie . . . . . 67
Krankheiten del' Haare, Nagel, Schweifl- und Talgdrusen,
Zahne und lVIundschleimhaut 68
Herz- und Gefaflleiden 69
Lungenaffektionen . . . . . . 69
lVIagen-Darmaffektionen . . . . 69
Konstitution in del' Gynakologie . 70
Konstitutionelle Affektionen in del' Padiatrie 70
Konstitutionelle innersekretorische Affektionen. 70
Konstitutionelle Urogenitalaffektionen. . . . . 70
"Chemische Anomalien" und konstitutionelle Stoffwechsel-
affektionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Das lVIutationsproblem bei malignen Tumoren. . . . 71
3. Die Kombination, Rybridisation (JVIixovariation, SIE~1ENS) . 72
Neukombinationen beim lVIenschen, Hybridisation 80
4. Keirnesinduktion . . . . . . . . . . . 83
5. Die Vererbung erworbener Eigensehaften 87
Analyse del' Varia.bilitaten 92
a.) Die Priifung del' Vererbllng . 92
b) Priifung durch Hybridisation. 93
0) Geogra.phische Grunde. . . . 94
d) Eingehende morphologische Analyse. 94
e) Biologisch-fllnktionelle Priifung. . 95
f) Priifung durch Variationsstatistik. . 97
Inhaltsverzeichnis. VII
Seito
g) Pl'iifung auf biologische Arten . . . . . . . . . . . . . . . .. 97
h) Priifung auf nicht faBbare, nUl' aus biologischen El'scheinungen erkenn-
bare Arten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
i) Zwillingsforschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
Kritiklose und falsche Bewertung del' Variabilitaten. . . 99
Allgemeine klinische Gesichtspunkte del' Konstitutionsforschung 104
1. Ahnentafeln . . . . . . . . . . . . . . 105
2. Zwillingsforschung ........... 106
3. Priifung auf die Art des Vererbungstypus . 107
4. Familiarer Typ del' Erbkrankheiten 107
5. Rasse und Konstitution . . . . . . . . 109
6. Blutgruppen und Vererbung . . . . . . 112
7. Korperbautypen und Konstitutionsfragen 112
8. Die Geschlechtskonstitution von Bedeutung fiir Krankheiten 114
9. Alter und Konstitution . . . . . . . . . . . . . . . . 115
10. Verdrangung einer Krankheit durch eine andere. . . . . . 121
11. Krankheiten, die experimentell nicht erzeugbar sind, zum Teil beim
Tier nicht vorkommen und daher als Konstitutionskrankheiten vel'-
dachtig sein miissen. . . . . . . . . . . . . . . 123
Konstitutionsfragen bei Iufektionskrankheiten. . . . . . . . . . .. 125
Variabilitat und deren Bedeutung in del' Bakteriologie . . . . .. 141
Die Konstitutionslehre in ihrer Anwendung auf die Entstehung und die
Weiterentwicklung del' Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . .. 145
a) Die Konstitutionsverschiedenheiten des Tuberkelbazillus 147
b) Die Konstitutionsverschiedenheiten des Menschen im Kampfe mit del'
Tuberkulose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Die konstitutionelle hamolytische Anamie (Kugelzellenanamie) 157
Hamophilie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Die Chlorose, Bleichsucht . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
Das Problem del' perniziosen Anamie als Konstitutionskrankheit 166
Atrophische Myotonie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
Atrophische Myotonie und Chlorose . . . . . . . . . . . . 171
Die Einteilung del' Psychoneurosen nach den Grundsatzen del' Konstitutions-
lehre . . . . . 172
Namenverzeichnis. 176
Sachverzeichnis 179
Einleitung.
Beispiele fUr die Bedeutung des konstitutionellen
Denkens.
Konstanz konstitutioneller geistiger Eigenschaften. In der Dichtung
des schwabischen Dichters MORIKE sind die fiinf Gedichte an Peregrina
das Bedeutendste seiner Muse. Nie hat der Dichter spater wieder Tone
gefunden, die gleich tief aus seinem Herzen kamen.
Wer war Peregrina? Ein junges Madchen aus Schaffhausen, das sich
selbst als cine Fremde hinstellte und seine Herkunft stets geheimhielt,
Abb. 1. Haus der Peregrina.
das sich gewbhnlich vor einer Stadt in hysterischem Schlafzustand auf
finden lieB, urn gleich das Interesse und die Augen aller Welt auf sich
zu ziehen und auch sofort von einem Sagenkreis umwoben wurde.
1823 ist sic zum erstenmal in Ludwigsburg aufgetaucht und hat
MO.RIKE gefangen genommen. Sie wurde in seine Familie eingefiihrt und
mit Wohltaten iiberhauft; ein 1mbandiger Drang nach Freiheit und
nach Abenteuern hat sie nach kurzer Zeit wieder fortgetrieben. Spater
brachte sie 10 Jahre mit Zigeunern zu.
Naegeli, Konstitutionslehre. 2. Auf!. 1
2 Beispiele fur die Bedeutung des konstitutionellen Denkens.
Erst VOl' knrzer Zeit ist das spatere Lebensschicksal Peregrinas mit
Sicherheit festgestellt worden. P. CORRODI schildert, wie sie einen
1
ehrbaren Schreiner geheiratet nnd in dem kleinen thnrgauischen Dorfe
Wylen 1865 gestorben ist, nachdem sie durch ein untadelhaftes Leben
ihre fruheren Sunden gebiiBt hatte.
Ais ich diese Zeilen las, habe ich mil' sofort gesagt, wenn es eine Kon
stitntionslehre gibt, die einmal Geschaffenes als nnabanderlich darstellt,
so kann diesel' SehlnB nicht richtig sein. Meine Nachforsehungen an Ort
nnd Stelle haben denn auch ergeben,
daB Peregrina anch in den fortgeschrit
teneren Jahren ihres Lebens romantische
Beziehungen zu den Herren del' kleinen
N achbarstadt nnterhalten hat, daB sie
ein uberaus merkwurdiges Geschopf ge
blieben ist, uberschwenglich in Freude
nnd Trauer, daB sie als gntmiitig trotz
ihrer auffalligen Eigensehaften beliebt,
ja verehrt war, und daB aueh an ihrem
Sterbensorte ein Sagenkreis sie nmwoben
hielt.
Peregrina ist in allen wesentlichen
Eigenschaften die gleiehe geblieben. Nur
die auBeren Dmstiinde des vorgesehrit
teneren Alters und die i.iberaus einfachen
landliehen Verhiiltnisse (ihr Herd hatte
nul' ein einziges rundes Loeh) hatten eine
auBere Modifikation herbeigcfuhrt und
andere Bedingungen del' Le bensgestaltung
geschaffen.
Abb. 2. Schech el Beled. Konstanz konstitutioneller kiirper-
lieher Eigeusehaften. 1m Lande der
Pharaonen lebt auch hente das "ewige Yolk del' Agypter". An einem
kleinen Orte haben die Ausgrabnngen VOl' einigen Jahrzehnten die
beriihmt gewordene Statue des SOHEOH -EL-BELED zutage gefordert,
eine Statue von groBer Naturlichkeit del' Darstellung. Ais die Dorf
bewohner sie ansahen, erklarten sie sofort: Das ist ja unser Dorfschnlze,
der SOHEOH-EL-BELED, so sehr stimmten aIle Zuge des Agypters VOl'
mehreren Jahrtansenden mit denen des jetzt lebenden uberein. Dnd
doeh haben zahlreiche Erobererzuge fremder Volker das Yolk del' Agypter
nnterjocht, nnd immer neue fremde Stamme haben zn starken
Misehnngen del' Konstitutionen gefiihrt. Wie ist es moglich, daB dennoch
1 CORRODI, PAUL: Das Urbild von MORIRES Peregrina. Jahrbuch der litera
rischen Vereinigung. Winterthur 1923.
Beispiele ftir die Bedeutung des konstitutionellen Denkens. 3
sehr viele Agypter, besonders in Oberagypten, noch so auBerordentlich
stark dem fruheren Pharaonenvolk gleichen, und wie kommt es, daB
einzelne Typen noch vollig dem Typus, del' vor 4 und 5 Jahrtausenden
gelebt hat, entsprechen ~
Wenn man sieh aIle Faktoren uberlegt, die in Betracht kommen, so
ist die Beantwortung del' Frage nicht sehr schwer. Agypten war stets
ein ganz allBerordentlich stark bevolkcrtes Land. Man denke an das
groBe Theben mit seinen 100 Toren gegenuber dem griechischen Theben.
Agypten ist auch heute mit seinen 15 Millionen auf del' anbaufahigen
Flache das weitaus starkstbevolkerte Land del' Welt, dreimal stii,rker
besiedelt als Deutschland und wesentlich starker als Belgien. Zu diesen
Millionen kamen die fremden Eroberer doch nul' mit wenigen Hundert
tausenden, gewohnlich in noch viel kleinerer Zahl, und diese wurden
weitgehend von den Ureinwohnern im Laufe del' Zeiten aufgesogen.
Nach dem MENDELschen Spaltungsgesetz muBte daher zufolge del'
MengenverhiUtnisse oft del' alte Urtypns 1 wieder zum Vorschein kommen,
mindestens in sehr groBer Allniiherung. Jeder, del' Agypten selbst
kennengelernt hat, wird beim Vergleich der Statuen und auch del'
anderen Darstelhmgen im iigyptischen Museum in eindringlicher Deutlich
keit weitgehende Ubereinstimmung von Einst und Jetzt finden konnen.
In anderer Weise hat ein so ernster Forscher wie SCHWEINFURT zu
diesen Problemen Stellung genom men : Keine Rasse ist von so aus
gepragter Eigenart wie das ewige Volk der Agypter. Die Menschen
mussen hier immer wieder zu dem von der Natur bedingten Typus sich
umgestalton, wenn ihnen auch urspriinglich ein anderer Typus vor
gezeichnet war. Diese Rassenstetigkeit steht im Widerspruch zu unseren
Vorstellungen von Verfall und Entartung.
Noch beweisender, sagt er, ist die Tierwelt fur die umgestaltende
Nilluft. Nach wenigen Generationen werde das in Agypten eingefiihrte
europiiische Rind zum agyptischen Biiffe!' Die klimatischen Faktoren
und die Einflusse der AuBenwelt sehaffen in sehr kurzer Zeit den agyp
tischen Typ des Rindes.
Dieser Erkliirungsversueh ist selbstverstiindlich irrig. Er entspricht
dem alten Denken, wio es vor del' Ara der Konstitutionslehre geherrscht
hat. Er beleuchtet grell, wie naiv das menschliche Denken fruher go
wesen ist, wie dem exogenen Faktor damals alles fur moglich zuge
schrieben und dem endogenen keine Bedeutung beigelegt worden ist.
1 In diesel' Beziehung sind die Untersuchungen FrSCm]Rs (Verlag Jona 1912)
iiber die Rehobother Bastarde in Stidafrika von iiberzeugender Beweiskraft. Aus
diesen lVIischungen von Buren mit Hottentotten entsteht ein groBes kiirperliches
und geistiges Mosaik, und immer zeigt sich das Abspalten, Herausmendeln von
Eigenschaften del' beiden Rassen. FISCHER hat die Giiltigkeit der Mendelspaltung
in diesen seinen Untersuchungen auch fur Menschenrassenbastarde bewiesen.
Seither ist das allgemein gultige dieser Gesetze an weiteren Bastardmischungell
gezeigt worden.
1*