Table Of ContentMit freundlicher Empfehlung
K. L. Tschaikowski W. Jorde
Allergische
Krankheiten
des Magen
Darm-Traktes
Ein Ratgeber fUr die Praxis
Mit 14 Abbildungen und 13 Tabellen
Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo Hong Kong
Dr. med. KARL LUDWIG TSCHAIKOWSKI
Arzt fUr innere Medizin - Gastroenterologie
LichhoflO
50()() KOln 1
Dr. med. WOLFGANG JORDE
Arzt fUr innere Medizin - Allergologie
WallstraBe 12
4050 Monchengladbach 1
ISBN-13: 978-3-540-51362-9 e-ISBN-13: 978-3-642-74878-3
DOl: 10.1 007/978-3-642-74878-3
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Tschaikowski, Karl L.:Allergische Krankheiten des Magen-Darm-Traktes: ein Ratgeber fiir
die Praxis/K. L. Tschaikowski; W. Jorde. - Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris;
Tokyo; Hong Kong: Springer, 1989
NE: Jorde, Wolfgang
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1989
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1989
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Satz, Druck-und Bindearbeiten: Clausen & Bosse, Leck
2127/3145-543210 Gedruckt auf saurefreiem Papier
Vorwort
Obschon eine allgemeine Zunahme der allergischen Krankheiten zu
verzeichnen ist, fiihren die gastrointestinalen Allergosen ein merk
wiirdiges Schattendasein. Dies mag vor allem daran liegen, daB die
Problematik dieser allergischen Erkrankungen in den letzten 20 Jah
ren fast ausschlieBlich im wissenschaftlichen Streit urn immunologi
sche Probleme und urn die labortechnische Beweisbarkeit derartiger
Allergosen abgehandelt wurde. Der Arzt in der Praxis jedoch mochte
in erster Linie wissen, wie er die Ursache der Beschwerden seines
Patienten finden und ihn wirksam behandeln kann.
Die vorliegende Monographie versucht, diesem Bediirfnis zu ent
sprechen; sie basiert auf einer 12jahrigen allergologisch-gastroentero
logischen Zusammenarbeit. Entsprechend unserer Zielsetzung haben
wir uns bei der Erorterung theoretischer Fragen auf solche Punkte
beschrankt, die fUr das grundsatzliche Verstandnis wichtig sind, je
doch entscheidenden Wert darauf gelegt, dem niedergelassenen Kol
legen Anhaltspunkte zu geben, wie sich allergische Erkrankungen des
Magen-Darm-Traktes ohne groBen apparativen Aufwand mit den
Mitteln der Praxis erkennen und behandeln lassen.
Seit dem Beginn unserer Zusammenarbeit haben wir uns darum
bemiiht, fUr die chronisch-entziindlichen Darmerkrankungen, welche
schon vor Jahrzehnten als im wesentlichen allergisch verursacht ver
mutet wurden, ein Behandlungskonzept zu entwickeln, nachdem un
sere klinischen Beobachtungen wieder in diese Richtung wiesen. Un
sere in den letzten 12 J ahren gesammelten Erfahrungen sprechen
dafUr, daB sieh bei Beriicksichtigung allergologischer Gesichtspunkte
die Behandlungsresultate insbesondere des Morbus Crohn und der
Colitis ulcerosa verbessern lassen. Es ist deshalb nieht zuletzt unser
Anliegen, mit dieser Schrift unsere diesbeziiglichen iiberraschend po
sitiven Erfahrungen der Praxis nutzbar zu machen.
An dieser Stelle mochten wir Herrn Prof. Dr. U. HAUSER, Direktor
v
des Physikalischen Instituts I der Universitat zu KOln, fur die Durch
fuhrung der statistischen Berechnungen und Herrn Prof. Dr. med.
H. W. BAENKLER, Allergologische Abteilung des Instituts fur Immu
nologie der Universitat Erlangen, fur die kritische Durchsicht des im
munologischen Teiles unseren herzlichen Dank sagen.
KOln und Monchengladbach, K. L. TSCHAIKOWSKI
imMai1989 W.JORDE
VI
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitnng . 1
2 Grundlagen 5
2.1 Das schleimhautassoziierte Immunsystem 5
2.1.1 ZelluUire Elemente 6
2.1.2 Mediatoren... 8
2.1.3 Immunglobuline . 10
2.1.3.1 Grundstruktur . . 10
2.1.3.2 Klassen der Immunglobuline 11
2.1.4 Anatomie ......... 12
2.2 AbHiufe der Immunantwort .... 15
2.2.1 Unspezifische und spezifische Abwehr 15
2.2.2 Antigen und Antigen-Antikorper-Reaktion 15
2.3 Uberempfindlichkeit - Allergie 17
2.3.1 Typ I-Reaktion . . . . . . . 17
2.3.2 Aktivierung von Mastzellen 19
2.3.3 Typ II-Reaktion . 22
2.3.4 Typ III-Reaktion . 23
2.3.5 Arthus-Phlinomen 24
2.3.6 Typ IV-Reaktion . 24
2.4 Die Krankheitsbegriffe Allergie - Nahrungsmittelallergie 25
3 Klinischer Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
3.1 Erscheinungsformen der gastrointestinalen allergischen
Erkrankungen (episodische - chronische Allergien) 27
3.2 Okologie der Allergene 28
3.3 Allergeninvasion 32
3.4 Diagnostik . . . . . . . 33
VII
3.4.1 Anamnese ........ . 33
3.4 .1.1 Anamnestische Grundfragen 34
3.4.2 Allergenstandardisierte Kost 42
3.4.3 Allergenexposition 46
3.4.4 Hauttest ...... . 46
3.4.5 Provokation .... . 50
3.4.5.1 Inhalative Provokation 50
3.4.5.2 Orale Provokation .. 50
3.4.6 Thrombopenischer Index nach STORCK 51
3.5 Therapie . . . . . . . 53
3.5.1 Allergenkarenz .. . 53
3.5.2 Cromoglykat ... . 53
3.5.3 Hyposensibilisierung 55
3.5.3.1 Orale Hyposensibilisierung 56
3.5.3.2 Parenterale Hyposensibilisierung 57
3.5.3.3 Praktische Durchfiihrung 57
3.5.3.4 Erfolgsbeurteilung ....... . 60
3.6 Allergologische Diagnostik und Therapie
chronisch-entzundlicher Darmerkrankungen 63
3.6.1 Morbus Crohn .. . 63
3.6.2 Colitis u1cerosa .. . 87
3.6.3 Unspezifische Colitis 91
4 Kasuistiken ... 93
Erganzende Literatur 161
Sachverzeichnis ... 163
VIII
1 Einleitnng
Wenn heute ein Patient von seinem Hausarzt wegen unerkHirlicher
chronischer Durchtalle in eine Klinik eingewiesen wird, so darf er
sieher sein, daB dort mit dem gesamten derzeit zur VerfUgung stehen
den technischen Riistzeug eine subtile vollstandige Untersuchung
durehgefiihrt wird. Wenn allerdings kein organisches Substrat aufge
deckt werden kann, das fUr die Beschwerden verantwortlich zu ma
chen ist, so erfolgt gewohnlich die Entlassung mit dem Vermerk:
"Irritables Colon", und daraufhin wird der Patient zumeist einem
Psychotherapeuten vorgestellt, der die Ursache der Beschwerden in
einer bestimmten Konfliktsituation zu finden versueht. In der Regel
stellt sich aber heraus, daB den Patienten nieht mehr Konflikte be
drangen, als die meisten anderen Menschen auch. Bei entsprechender
Befragung ergeben sich jedoch haufig Hinweise auf einen Zusam
menhang der Beschwerden mit der eingenommenen Nahrung. Der
Patient selbst allerdings empfindet seine Erfahrungen, die er mit der
Unvertraglichkeit einzelner Nahrungsmittel gemaeht hat, meist als
recht widerspriichlich, so daB er sich sehlieBlich mit seinen Besehwer
den abfindet, zumal man ihm in der Klinik erklart hat, es sei "alles nur
nervos bedingt" .
Die gastrointestinalen allergischen Erkrankungen sind ein Stief
kind der heutigen lnneren Medizin. Diese Feststellung wird der Le
ser vermutlich aus eigener Erfahrung bestatigen, wenn er sich die
Frage vorlegt, ob er schon einmal einen Befundbericht in der Hand
gehabt hat, in dem der Passus stand: " ... Es handelt sich mithin urn
eine gastrointestinale Allergie. Als schuldiges Allergen haben wir
... XYZ . .. ermittelt." Mit aller Wahrscheinlichkeit wird er diese
Frage verneinen miissen. Dies ist erstaunlich, denn aus friiheren Jahr
zehnten existiert eine umfangreiche Literatur iiber Nahrungsmittel
Allergien; und ein so erfahrener zeitgenossischer Gastroenterologe
wic E. HAFTERstellt fest, daB fiinfbis sechs Prozent seiner Patienten
1
und etwa drei Prozent der GesamtbevOlkerung an gastrointestinalen
Allergosen leiden. Wie ist eine solche Diskrepanz zu erklaren?
Die Antwort ist einfaeh: Die Entwieklung zur Perfektion der ga
stroenterologisehen Diagnostik mittels einer Vielzahl von auBeror
dentlieh effizienten diagnostisehen Hilfsmitteln (Endoskopie, Ront
gen, Ultrasehall, Labor) hat zu einer ungeahnten Verbesserung der
diagnostisehen Treffsieherheit gerade in der Gastroenterologie ge
fiihrt. Unverkennbar ist aber aueh, daB damit eine Vernaehlassigung
der rein klinisehen Beobaehtung und Wertung parallel gelaufen ist mit
dem Ergebnis, daB man - tiberspitzt formuliert - dazu neigt, den Pa
tienten gerate-und laborteehniseh von oben bis unten durehzuunter
suehen, haufig aber unbewuBt der Anamnese und der unmittelbaren
Krankenbeobaehtung einen naehrangigen Platz zuweist. Denn man
ist gewohnt, von diesen teehnisehen Hilfsmitteln entseheidende dia
gnostisehe Informationen zu erhalten. Unter dieser Voraussetzung
nimmt es nieht Wunder, daB man der Allergologie nieht tiber den Weg
traut. Fatalerweise ist namlieh die Entwieklung aussagekraftiger dia
gnostiseher Hilfsmittel vor allem an den Nahrungsmittel-Allergien
vorbeigegangen: Aueh heute noeh ist man hier weitgehend allein auf
die bewahrten klinisehen Mittel-Anamnese und unmittelbare Kran
kenbeobaehtung - angewiesen, wahrend laborteehnisehe Hilfen fast
ausnahmslos versagen. Zum Vergleieh stelle man sieh hier vor, man
mtisse plotzlieh in der Gastroenterologie ohne Sonographie, Endo
skopie, Rontgen und Labor auskommen. Die Diagnostik wtirde
selbstverstandlieh ungleieh sehwieriger sein, und die diagnostisehen
Fehler wtirden betraehtlieh zunehmen. Aber die Krankheiten wiirden
unverandert weiterhin existieren, und wir Arzte wtirden uns natiirlieh
aueh unter diesen ersehwerten Bedingungen urn eine mogliehst gute
Diagnostik und Behandlung bemtihen. Jedenfalls wtirde niemand das
Vorhandensein von Gallensteinen bezweifeln, weil er sie nieht sono
graphiseh beweisen, sondern nur aufgrund kliniseher Beobaehtung
vermuten kann. 1m Gegenteil: Es wtirde gar nieht lange dauern und
man wilBte wieder sehr viel besser als heute, allein von der Anamnese
her die Gallensteine vom Ulcus und dieses von funktionellen Ober
bauehbesehwerden zu trennen. Niemand kame auf den Gedanken,
einen Patienten mit klassisehen Ulcusbesehwerden als "vegetativ"
anzusehen, weil keine Mogliehkeit besteht, das Ulcus endoskopiseh
festzustellen. 1m Prinzip batten wir keine Probleme, uns auf die neue
2
Situation einzustellen; denn wir waren in der gliicklichen Lage, daB
unsere klinischen Eindriicke, auf die wir angesichts fehlender techni
scher Hilfsmittel angewiesen waren, yom Erfahrungshintergrund der
beiden letzten lahrzehnte mit ihren subtilen diagnostischen Hilfen
mitgepragt worden sind. Ein Asthmatiker aber, der sein Asthma einer
Milchallergie verdankt, oder ein Schimmelpilzallergiker, dessen ph a
sen haft auftretenden Durchfalle immer aufs Neue irgendeiner irrele
van ten personlichen Konfliktsituation zugeordnet werden - diese
Nahrungsmittel-Allergiker befinden sich in der gleichen Situation,
wie der Gallenstein- und Ulcus-Patient vor der Rontgenara. Aber
auch unter diesen erschwerten Bedingungen ist es moglich, diagno
stisch und therapeutisch zu brauchbaren Resultaten zu kommen. Un
sere "medizinischen Vorfahren" haben es uns jedenfalls schon vor
lahrzehnten gezeigt; nur haben wir es weitgehend vergessen. Zudem
sind wir heutzutage immer in Gefahr, im Bereich der gastrointestina
len allergischen Erkrankungen das handgreiflich vor den Augen Lie
gende nicht zu sehen, weil unsere auf Endoskop und Doppelblindstu
die ausgerichtete Denkweise uns hierfiir den Blick verstellt hat. 1m
medizinischen Alltag kommt dann hinzu, daB ein Patient, der "nichts
hat", ohnehin ein ungeliebter Patient ist, weil er die umfangreichen
diagnostischen Bemiihungen nicht mit einem handfesten Untersu
chungsresultat belohnt, das den Untersuchenden in den "geistigen
GenuB der Diagnose" (BAMM) bringt. Die Folge ist, daB einem sol
chen "o.B.-Patienten" seine Klagen oft nicht geglaubt werden, son
dern man ihn mit seinem bunten und scheinbar widerspriichlichen Be
schwerdebild von vornherein als Fabulanten betrachtet. Das Ende
yom Lied ist dann haufig, daB der Patient beim Heilpraktiker landet,
und der hat oft Erfolg! Er hat deshalb Erfolg, weil er dem Patienten
irgendeine Diat verordnet, die sich auf wenige Nahrungsmittel be
schrankt, so daB die den Patienten krankmachenden Allergene zufat
lig ausgeschaltet sind. LaBt er den Patienten beispielsweise eine
"Brotchen-Milch-Diat" durchfiihren und ist der Patient nicht ausge
rechnet gegen Weizenmehl oder Milch allergisch, so wird er beim
Vorliegen einer Allergie gegen andere Nahrungsmittel (z. B. Ge
wiirze) unter dieser Kost beschwerdefrei werden. Zwar wird er wie
der krank, wenn er zu seiner gewohnten Alltagskost zuriickkehrt,
aber immerhin: Als der Heilpraktiker ihn "behandelte", war er be
schwerdefrei! Hatte ausgerechnet der Heilpraktiker Erfolg, so kann
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