Table Of ContentSkript zur Vorlesung
Algebraische Geometrie II
Wintersemester 2013/2014
Frankfurt am Main
Prof. Dr. Annette Werner
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 1
2 Kategorientheorie 7
3 Garbenkohomologie 30
4 Quasikohärente Modulgarben 36
5 C˘ech–Kohomologie 47
6 Divisoren und Geradenbündel 53
1 Einführung
Wir wollen in dieser Vorlesung die Kohomologie abelscher Garben auf Schemata
studieren. Dazu werden wir einen technischen Apparat entwickeln, der auch auf
andereGebieteangewandtwerdenkann.WirgebenzunächsteinigenatürlicheBei-
spielefürKohomologiegruppen.
Beispiel1.1 (HomologievonGraphen)
Es sei G ein Graph, d.h. G = (V,E) mit einer Eckenmenge V und einer Kanten-
mengeE,dieauszweielementigenTeilmengen{v,w}vonV besteht.Mankanndie
Elemente v ∈ V als Punkte und die Kanten {v,w} als Verbindungsstrecke zwischen
v undw zeichnen:
Beispiele:
Ein Graph heißt orientiert, wenn man für jede Kante e eine Anfangsecke o(e) („ori-
gin“) und eine Endecke t(e) („terminus“) festlegt. Graphisch kann man dies durch
EinzeichnenvonPfeilspitzenaufdenKantendarstellen.
Es sei G ein zusammenhängender Graph, d.h. je zwei Ecken in G lassen sich durch
einen Kantenzug verbinden. Wir wählen auf G eine beliebige Orientierung. Jede
Kante e in E hat dann eine Anfangsecke o(e) und eine Endecke t(e). Wir nehmen
außerdeman,dassV undE endlicheMengensind.
WirdefinierenzweiC−Vektorräume
C0(G,Z) = C
v∈V
M
und
C1(G,Z) = C.
e∈E
M
AußerdemdefinierenwireineAbbildung
d : C1(G,C) → C0(G,C),
Seite1
indemwirdasTupel (a ) mita ∈ CaufdasTupel (b ) mit
e e∈E e v v∈V
b = Σa −Σa
v e e
t(e)=v o(e)=v
abbilden. Das können wir auch folgendermaßen formulieren. Ist V = {v ,...,v }
1 n
die Menge der Ecken von G und E = {e ,...,e } die Menge der Kanten von G,
1 m
dannistC0(G,C) = C = Cn
v∈V
undC1(G,C) = CL= Cm.
e∈E
L
EsseiD = (d ) dien×m-MatrixmitdenEinträgen
ij i=1...n
j=1...m
−1, fallsv = o(e )
i j
d = 1, fallsv = t(e )
ij i j
0, sonst.
Dann ist d : C1(G,C) = Cm → Cn = C0(G,C) die Abbildung, die durch Multiplika-
tionmitderMatrixD gegebenwird.
Beispiel:IstGderorientierteGraph
v
4
e
4 e
3
,
e e
v1 1 v2 2 v3
soist
−1 0 0 −1
1 −1 1 0
D = .
0 1 0 0
0 0 −1 1
WirerhaltendenfolgendenKomplex
0 → C1(G,C) −→d C0(G,C) → 0.
Ein Komplex ist eine Kette von Abbildungen, so dass jeweils die Verknüpfung von
zwei aufeinander folgenden Abbildungen trivial ist. Das ist im vorliegenden Fall
Seite2
keine interessante Aussage, wohl aber bei höherdimensionalen Simplizialkomple-
xen.
Der Komplex ist nicht exakt. Die Abweichung von der Exaktheit wird durch die
sogenanntenHomologiegruppengemessen.Wirdefinieren:
H1(G,C) = KerndundH0(G,C) = C0(G,C)/Bildd.
NachderDimensionsformelgilt
m = dim C1(G,C) = dim Kernd+dim Bildd.
C C C
Ferner gilt dim Bild d = rang (D). Die Spalten von D entsprechen den Kanten
C
von G. In jeder Spalte von D steht genau eine 1 (nämlich dann, wenn die Ecke mit
der entsprechenden Zeilennummer die Endecke ist) und eine −1 (dann, wenn die
zugehörige Ecke die Anfangsecke ist). Also ist die Summe über die Zeilen von D
derNullvektor.DaheristderZeilenrangvonD höchstensn−1.Angenommen,die
Zeilenz ,...,z vonD genügenderlinearenRelation
1 n
α z +...+α z = 0
1 1 n n
für α ,...,α ∈ C. D hat genau dann in Position (i,j) einen Eintrag 6= 0, falls v
1 n i
eine Ecke von e ist. In der Spalte j steht aber nur ein weiterer Eintrag 6= 0, nämlich
j
geradeanPosition(k,j),wobeiv dieandereEckevone ist.EinerderEinträgeder
k j
Spalte j ist 1, der andere −1. Also folgt: α = α . Dasselbe Verfahren wiederholen
i k
wir mit der k−ten Zeile. Da G zusammenhängend ist, folgt α = ... = α . Daraus
1 n
schließenwirdim Bildd = rang(D) = n−1. Somitfolgt:
C
dim H0(G,C) = dim C0(G,C)−dim Bildd
C C C
= n−(n−1) = 1
und
dim H1(G,C) = dim kerd
C C
= dim C1(G,C)−dim Bildd
C C
= m−(n−1) = m−n+1.
Die Zahl dim H1(G,C) ist das sogenannte Geschlecht des Graphen. Dieses hängt
C
nichtvondergewähltenOrientierungab.AnschaulichistdasGeschlechtdieAnzahl
der „Löcher“ in G. Genauer gesagt, gilt folgende Tatsache, die man mit Linearer
Algebrabeweisenkann:
Seite3
EingeschlossenerKantenzugC = (e ,...,e )inGisteineFolgevonKanten,sodass
1 r
e benachbartzue ,e benachbartzue ,...,e benachbartzue unde benachbart
1 2 2 3 r−1 r r
zue ist.Fernernehmenwiran,dasskeineKantedoppeltinC auftritt.
1
Jeder geschlossene Kantenweg C in G definiert folgendermaßen ein Element h =
C
h (e) inC1(G,C) = C.Wirdefinieren
C e∈E
e∈E
(cid:0) (cid:1) L
1, fallse = e undt(e )eineEckevone ist.
i i i+1
h (e) = −1, fallse = e undo(e )eineEckevone ist.
C i i i+1
0, fallse 6= e füri = 1,...,r ist.
i
Hiersetzenwire = e ,fallsi = r ist.Danngilt
i+1 1
Satz1.1 DerVektorraumKerndwirdvonallenElementenh fürgeschlosseneKantenzüge
C
C ⊂ Gerzeugt.
Beispiel1.2(Garbenkohomologie)
Wir betrachten den topologischen Raum T = C\{0} und die Garben O sowie O×
T T
aufT,diefolgendermaßendefiniertsind:
FüralleU ⊂ T offen ist
O (U) = {f : U → Cholomorph}
T
und
O×(U) = {f : U → C\{0}holomorph}
T
mitdenoffensichtlichenRestriktionsabbildungen.DieAbbildung
O (U) → O×(U)
T T
f 7→ exp (2πif),
wobei exp die komplexe Exponentialfunktion ist, vermittelt einen Garbenmorphis-
mus
exp(2πi) : O −→ O×.
T T
OffenbaristderKernvon
O (U) → O×(U)
T T
f 7→ exp (2πif)
gerade die Untergruppe aller holomorphen Funktionen f : U → Z, d.h. also die
UntergruppeallerlokalkonstantenFunktionenmitWerteninZ.DaheristdieGarbe
Seite4
Ker exp(2πi) geradediekonstanteGarbeZ .
T
Wir brauchen folgende Tatsache aus der komplexen Analysis: Ist U ⊂ C eine
(cid:0) (cid:1)
einfach zusammenhängende offene Teilmenge, so existiert für jede holomorphe,
nicht-verschwindende Funktion g auf U eine holomorphe Funktion f auf U mit
exp(f) = g.Beispielefüroffene,einfachzusammenhängendeTeilmengensindetwa
offeneSternmengenU,indeneneseinenPunktpgibt,sodassdieVerbindungsstre-
ckevonpzujedemPunktx ∈ U ganzinU liegt.
AusdieserTatsachefolgtsofort:DerGarbenmorphismus
exp(2πi) : O −→ O×
T T
ist surjektiv, denn er ist surjektiv auf einer geeigneten offenen Überdeckung jeder
offenen Teilmenge.AlsoistdieSequenz
0 → Z → O ex−p(→2πi) O× → 0
T T T
vonGarbenabelscherGruppenaufT exakt.Insbesondereist
0 → Z → O (T) → O×(T)
T T
exakt,aberdieletzteAbbildungistnichtsurjektiv.Dassiehtmanso:Wäresiesurjek-
tiv,dannexistierteeineholomorpheFunktionf aufT = C× mite2πif(z) = z,woraus
nachAbleiten 1 = 2πif′(z)folgte.DieFunktion 1 hättealsoeineStammfunktionauf
z z
T,wasderTatsachewiderspricht,dassdieUmlaufzahl
1
= 2πi
z
Z
K1(0)
ist.(HieristK (0)dieKreislinievomRadius1um0.)
1
WasistalsodasBildvon
exp(2πi) : O (T) → O×(T) ?
T T
Wirbenutzendiebeidenoffenen Sternmengen
T = C\[0,∞[= {z ∈ C : fallsz ∈ R, soistz < 0},
1
undT = C\]−∞,0] = {z ∈ C : fallsz ∈ R, soistz > 0}
2
Danngilt
T = T ∪T .
1 2
Seite5
Sei g : T → C\{0} eine beliebige holomorphe Funktion. Da T und T offene Stern-
1 2
mengen sind, existiert ein f ∈ O (T ) mit exp(2πif ) = g sowie ein f ∈ O (T )
1 T 1 1 | 2 T 2
T1
mitexp(2πif ) = g .
2 |
T2
FerneristT ∩T = C\R = H ∪H
1 2 + −
mitH = {z ∈ C : Im(z) > 0}und
+
H = {z ∈ C : Im(z) < 0}.
−
AufT ∩T gilt
1 2
exp(2πif | ) = g | = exp(2πif | ),
1 T ∩T T ∩T 2 T ∩T
1 2 1 2 1 2
alsoistf1 |T ∩T −f2 |T ∩T ∈ ZT(T1∩T2).NunistZT(T1∩T2) = Z⊕Z,wobeidie
1 2 1 2
erste Komponente den Wert auf H+ und die zweite Komponente den Wert auf H
−
angibt.
Dahergibtes(a ,a ) ∈ Z⊕Zmit
+ −
(f −f ) = a
1 2 | H +
+
und(f −f ) = a .
1 2 | H −
−
Wählen wir andere f′ ∈ O (T ) und f′ ∈ O (T ) mit exp(2πif′) = g und
1 T 1 2 T 2 1 | T
1
exp(2πif′) = g , so ist f − f′ ∈ Z (T ) = Z und f − f′ ∈ Z (T ) = Z. Sind
2 | T 1 1 T 1 2 2 T 2
2
b,c ∈ Z mitf −f′ = bundf −f′ = c,sogilt
1 1 2 2
(f −f ) = (f′ −f′) +(b−c)
1 2 | H 1 2 | H
+ +
und
(f −f ) = (f′ −f′) +(b−c).
1 2 | H 1 2 | H
− −
Wirdefinierennun
H1(T,Z ) := Z⊕Z(cid:30){(a,a) : a ∈ Z}
T
als Quotient der abelschen Gruppe Z ⊕ Z nach der diagonal eingebetteten Unter-
gruppeZ.FernerdefinierenwireinenHomomorphismus
δ : O×(T) → H1(T,Z )
T T
g 7→ (f −f ,f −f ),
1 2| H 1 2| H
+ −
Seite6
wobeif ∈ O (T )undf ∈ O (T )beliebigeElementemit
1 T 1 2 T 2
exp(2πif ) = g und exp(2πif ) = g
1 | T 2 | T
1 2
sind.
Wir haben oben nachgerechnet, dass das Ergebnis nicht von der Wahl von (f ,f )
1 2
abhängt.
DieSequenz
0 → Z → O (T) exp→(2πi) O×(T) →δ H1(T,Z )
T T T
istexakt,denng ∈ O×(T)liegtgenaudannimKernvonδ,wenn
T
f −f = 0 undf −f = 0ist.
1 2| H 1 2| H
+ −
Dies ist genau dann der Fall, wenn f = f ist, wenn es also ein
1| T ∩T 2| T ∩T
1 2 1 2
f ∈ O (T)mitf = f undf = f gibt.Einsolchesf erfüllt
T | T 1 | T 2
1 2
exp(2πif ) = g und
| T | T
1 1
exp(2πif ) = g ,
| T | T
2 2
alsoauchexp(2πif) = g.
H1(T,Z )isteinBeispielfüreineKohomologiegruppeabelscherGarben,wiewirsie
T
später definieren werden. Die obige Sequenz ist ein Beispiel einer „langen exakten
Kohomologiesequenz“ zueinerkurzenexaktenSequenz vonGarben.
2 Kategorientheorie
Definition2.1 Eine Kategorie a besteht aus einer Klasse von Objekten Ob(a), sowie für
je zwei Objekte A,B aus einer Menge Hom(A,B) der Morphismen von A nach B, so dass
folgendeBedingungenerfülltsind:
i) SindA,B,C Objektevona,soexistierteineVerknüpfungsabbildung
Hom(A,B)×Hom(B,C) → Hom(A,C)
(f,g) 7→ g◦f
ii) Hom(A,B)undHom(A′,B′)sinddisjunkt,außerwennA = A′ undB = B′ gilt.
Seite7
iii) FürjedesObjektAinaexistierteinElementid ∈ Hom(A,A)sodassfüralleObjekte
A
B und alle f ∈ Hom(A,B) die Regel f ◦ id = f und für alle g ∈ Hom(B,A) die
A
Regelid ◦g = g gilt.
A
iv) Fürf ∈ Hom(A,B),g ∈ Hom(B,C)undh ∈ Hom(C,D) gilt
(h◦g)◦f = h◦(g ◦f).
IstOb(a)sogareineMenge,soheißtakleineKategorie.
Beispiele
1) DieKategorieSetsderMengenmit denmengentheoretischenAbbildungen.
2) DieKategorieTopdertopologischenRäumezusammenmitdenstetigenAbbildungen.
3) DieKategorieGroupsderGruppenmitGruppenhomomorphismen.
4) DieKategorieAbderabelschenGruppenzusammenmitGruppenhomomorphismen.
5) Für jeden kommutativen Ring A existiert die Kategorie Mod der A−Moduln mit
A
Modulhomomorphismen.
6) Auch die Homomorphismen f : G → H abelscher Gruppen bilden die Objekte einer
Kategorie. Ein Morphismus von f : G → H nach f′ : G′ → H′ wird dabei durch ein
Paar (g,h) von Gruppenhomomorphismen g : G → G′ und h : H → H′ gegeben, so
dassdasDiagramm
f
G H
g h
f′
G′ H′
kommutiert.
Definition2.2 EineKategoriebisteineUnterkategoriederKategoriea,fallsgilt:
i) JedesObjektausbistauchObjektina.
ii) JederMorphismusinbistauchMorphismusina.
iii) Die Verknüpfung von Morphismen in b stimmt mit der Verknüpfung von Morphis-
meninaüberein.
iv) FüralleObjekteB inbistid auchdieidentischeAbbildungina.
B
Seite8