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Algebraische Geometrie
Grundlagen
Wintersemester 2012/2013
Frankfurt am Main
Prof.Dr.AnnetteWerner
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 1
2 Kommutative Ringe und Moduln 4
3 Der Hilbert’sche Nullstellensatz 13
4 Lokalisierung 26
5 Tensorprodukt 30
1 Einführung
In der Algebraischen Geometrie studiert man Lösungsmengen von Polynomgleichun-
genmitgeometrischenMethoden.BeispielefürPolynomgleichungensindetwadieli-
nearenGleichungssysteme
a x + +a x = b
11 1 1n n 1
···
.
.
.
a x + a x = bm,
m1 1 mn n
···
wobei(a ) undb ,...,b ElementeeinesKörpersk sind.
ij 1 m
i=1,...,m
j=1,...,n
InderLinearenAlgebralerntman,wanneinsolchesGleichungssystemeineLösungin
kn besitztundwiemandieLösungsmengebeschreibenkann.
EinweiteresBeispielsinddiePolynomgleichungenineinerUnbestimmten
a xn+a xn−1+...+a x+a = 0
n n−1 1 0
für a ,...,a k, die man in der Algebra studiert. Ist eine solche Gleichung über k
1 n
∈
nichtlösbar,sogibteseinealgebraischeKörpererweiterungL/K,indersielösbarist.
In der Algebraischen Geometrie wollen wir Lösungsmengen von beliebigen Polyno-
men in beliebig vielen Unbestimmten studieren. Das erfordert natürlich etwas mehr
Aufwand.
Wir bezeichnen den Polynomring in n Unbestimmten über dem Körper k mit
k[x ,...,x ]. Fürf ,...,f k[x ,...,x ]setzenwirdann
1 n 1 m 1 n
∈
V (f ,...,f ) = P = (P ,...,P ) kn :
k 1 m 1 n
{ ∈
f (P ,...,P ) = ... = f (P ,...,P ) = 0.
1 1 n m 1 n
V (f ,...,f )istalsodieMengeallergemeinsamenNullstellenvonf ,...,f ink.
k 1 m 1 m
Beispiel:
i) Ist f(x,y) = x2 +y2 −1 ∈ Q[x,y], so ist VR(f) = {(P1,P2) ∈ R2 : P12 +P22 = 1}
derEinheitskreisinR2.
Wirkönnenauch
VQ(f) = {(P1,P2) ∈ Q2 : P12+P22 = 1}
betrachten,diesistdieMengederrationalenZahlenaufdemEinheitskreis.Auch
VC(f) = {(P1,P2) ∈ C2;P12 +P22 = 1} ist definiert; dies ist allerdings nicht der
EinheitskreisinC2!
Da f nur die Koeffizienten 0 und 1 hat, können wir f auch im Polynomring
F2[x,y]auffassen.Dannist
VF2(f) = {P1,P2) ∈ F22 : P12+P22 = 1}
= (0,1),(1,0) .
{ }
Wir sehen schon an diesem einfachen Beispiel, dass die Nullstellenmenge von f
entscheidendvomgewähltenGrundkörperabhängt.
ii) Wirbetrachtenf(x,y) = y2 x3 x2.Hierist
− −
VR(f) = {(P1,P2) ∈ R2 : P22 = P13+P12}.
DiesisteineKurvemiteinemDoppelpunkt:
DieseKurvelässtsich„parametrisieren“durchdieAbbildung
ϕ = R R2
→
t (t2 1,t3 t).
7→ − −
Seite2
Esgiltϕ(R) V (f),wiemansofortnachrechnet.
⊂ R
Ferner ist ϕ injektiv für t / 1 , denn aus t2 1 = s2 1 und t3 t = s3 s
∈ {± } − − − −
folgtt(s2 1) = s(s2 1),alsofürs = 1aucht = s.
− − 6 ±
DieTatsache,dassϕ( 1) = ϕ(1) = 0gilt,erklärtdenDoppelpunktderKurve.
−
iii) DieausderLinearenAlgebrabekannteMenge
GL (k) = A kn×n : detA = 0
n
{ ∈ 6 }
der invertierbaren (n n) Matrizen mit Einträgen in k lässt sich ebenfalls als
× −
NullstellenmengevonPolynomenschreiben.
Dazu brauchen wir n2 Unbestimmte (x ) und eine zusätzliche Unbe-
ij
i=1,...,n
j=1,...,n
stimmte T. Die Determinante einer Matrix ist ein Polynom in den Einträgen,
wie man etwa an der Leibniz-Formel sieht. Daher ist det (x ) ein Polynom
ij i,j
ink[x ,...,x ].WirbetrachtendasPolynom
11 nn (cid:0) (cid:1)
f (x ) ,T = det(x )T 1 k[x ,...,x ,T].
ij i,j ij 11 nn
− ∈
(cid:0) (cid:1)
Esist
V (f) = (a ) kn×n,t k : det(a ) t = 1 .
k ij i,j ij i,j
{ ∈ ∈ }
DieseNullstellenmengelässtsichmitHilfederAbbildung
GL (k) V (f)
n k
→
A (A, 1 )
7→ detA
mitderMengeGL (k)identifizieren.
n
iv) Wirbetrachtennunfürn 2nochdasberühmteBeispiel
≥
f(x,y,z) = xn+yn zn.
−
Esist
V (f) = (a,b,c) Q3 : an+bn = cn
Q { ∈ }
Seite3
gerade die Menge der rationalen Lösungen der Fermat-Gleichung xn +yn = zn.
(Pierre de Fermat (1601 oder 1607/08 bis 1665) war ein französischer Jurist und
genialerHobbymathematiker,deru.a.dasTraktat„Arithmetika“vonDiophantos
vonAlexandriamitRandnotizenversah.)DiesehatimmerdietrivialenLösungen
(0,1,1), (1,0,1)(undVielfachedavon)sowie( 1,1,0),fallsnungeradeistbzw.
−
(0,1, 1) und (1,0, 1), falls n gerade ist. Man nennt eine Lösung (a,b,c) nicht
− −
trivial,fallsabc = 0ist.
6
Fürn = 2gibtesunendlichvielenicht-trivialeLösungen,diesogenanntenPytha-
goräischenTripel
a = 2AB , b = A2 B2 , c = A2+B2
−
fürganzeZahlenA > B > 0.Esgiltnämlich
a2+b2 = (2AB)2+(A2 B2)2
−
= 4A2B2+A4 2A2B2+B4
−
= (A2+B2)2 = c2.
FürA = 2undB = 1ergibtsichdasbekanntePythagoräischeTripel(2,3,5).
Istn ≧ 3,sosagtdieberühmteFermatscheVermutung,dassdieGleichung
xn+yn = zn
keine nicht-triviale Lösung in Q3 besitzt. Mit anderen Worten, die Nullstellen-
mengeV (f)bestehtnurausdenobenangegebenentrivialenLösungen.
Q
Die Fermatsche Vermutung wurde 1995 von Andrew Wiles mit den hochentwi-
ckeltenMethodenderAlgebraischenGeometriebewiesen.
2 Kommutative Ringe und Moduln
WirerinnernzunächstaneinigeBegriffeausderRingtheorie.
Ein Ring ist eine Menge A mit zwei Verknüpfungen + und , für die folgende Bedin-
·
gungengelten:
i) (A,+) ist eine abelsche Gruppe, insbesondere existiert also ein Nullelement 0 in
A.
Seite4
ii) DieMultiplikation istassoziativunddistributiv,d.h.esgiltinA
·
a(b+c) = ab+ac
und
(a+b)c = ac+bc.
AlleRinge,diewirbetrachtenwerden,sindkommutativmit1,d.h.esgiltzusätz-
lich
iii) ab = bafürallea,b A.
∈
iv) EsgibteinEinselement1 Amit1a = a1 = afürallea A.
∈ ∈
Ab sofort treffen wir folgende Vereinbarung: Mit Ring meinen wir immer einen
kommutativenRingmitEins.
Beispiel:
i) DieMengeZderganzenZahlisteinRing.EbensoistQ = p/q : p,q Z,q = 0
{ ∈ 6 }
dieMengederrationalenZahlen,einRing.
N
ii) IstAeinRing,soistauchderPolynomringA[x] = a xn : N ≧ 0,a Afür
n n
{ ∈
n=0
alle n = 0,...,N in einer Variablen über A ein RingP. Induktiv können wir den
}
PolynomringA[x ,...,x ]innVariablenüberAdefinieren..
1 n
EinRinghomomorphismusisteineAbbildungf : A B zwischenRingen,fürdie
→
i) f(a+b) = f(a)+f(b)
ii) f(ab) = f(a)f(b)
iii) f(1) = 1
gilt.
Beispiel: Ist A ein Ring und c A, so ist die Abbildung f : A[x] A,
∈ →
N N
a xn a cn einRinghomomorphismus.
n n
7→
n=0 n=0
P P
f heißt Isomorphismus von Ringen, falls es einen Ringhomomorphismus g : B A
→
gibt, so dass f g = id und g f = id gilt. Dies ist genau dann der Fall, wenn der
B A
◦ ◦
Ringhomomorphismusf injektivundsurjektivist.
EineTeilmengea AheißtIdeal,falls
⊂
Seite5
i) (a,+) eine Untergruppe von (A,+) ist, d.h. es ist 0 a und a ist abgeschlossen
∈
unter+und
−
ii) aA = agilt,d.h.fürallea aundx Aistxa a.
∈ ∈ ∈
Ist a A ein Ideal, so erbt die Quotientengruppe A/a eine Multiplikationsabbildung
⊂
vonAundwirddamitselbsteinRing.DieAbbildung
A A/a
→
x x+a,
7→
die x auf die Nebenklasse von x modulo a abbildet, ist ein surjektiver Ringhomomor-
phismus.
Beispiel:DieMengekZ = kn : n Z isteinIdealinZfürjedesk Z.Z/kZkönnen
{ ∈ } ∈
wirmitderMenge 0,...,k 1 identifizieren,wobeidieRechenoperationen+und
{ − } ·
mitHilfederDivisionmitRestmodulok definiertsind.
Beispiel:a+b,a b,KerneinesRinghomomorphismus.
∩
Ein Nullteiler in A ist ein Element a A, so dass ein b A existiert mit b = 0 und
∈ ∈ 6
ab = 0.
Beispiel: Istk > 1undl > 1,soexistierenfürn = klNullteilerimRingZ/nZ,dennes
gilt
(k+nZ)(l+nZ) = 0inZ/nZ
undbeideFaktorensind= 0.
6
Definition2.1 Ein kommutativer Ring mit 1, der keine Nullteiler enthält, heißt Inte-
gritätsring.
Beispiel: Z, jeder Körper k und jeder Polynomring A[x1,...,xn] über einem Integri-
tätsringAsindBeispielefürIntegritätsringe.
Wir benötigen nun noch einige Tatsachen über Ideale. Jedes a A definiert ein
∈
sogenanntesHauptideal(a) = aA = ab : b A .
{ ∈ }
Ist jedes Ideal a A ein Hauptideal, so heißt A Hauptidealring. Ein Ideal p = A in A
⊂ 6
Seite6
heißt Primideal, falls gilt: Ist ab p für a und b in A, so gilt a p oder b p. Also ist
∈ ∈ ∈
p AgenaudanneinPrimideal,wennA/pnullteilerfreiist.
⊂
Beispiel: Ist p eine Primzahl, so ist das von p erzeugte Hauptideal (p) = pZ in Z ein
Primideal. Ferner ist (0) Z ein Primideal. Auch das Ideal (x2 + 1) in R[x] ist ein
⊂
Primideal.
Ein Ideal m A heißt maximales Ideal, falls m = A ist und falls für jedes Ideal
⊂ 6
m a A schon m = a folgt. Ein Ideal m A ist genau dann ein maximales Ideal,
⊂ ⊂6= ⊂
wennA/meinKörperist.
Beispiel: IstpeinePrimzahl,soist(p) ZeinmaximalesIdeal.DasNullidealistnicht
⊂
maximalinZ.JedesmaximaleIdealistaucheinPrimideal.
Ist f : A B ein Ringhomomorphismus, und b B ein Ideal, so ist f−1(b) A ein
→ ∈ ⊂
Ideal.IstbeinPrimideal,soistauchf−1(b)einPrimideal.
Definition2.2 i) Es sei I eine beliebige Indexmenge und (a ) eine Familie von
i i∈I
ElementenausA.EinIdealaheißterzeugtvon(a′) ,wirschreibena = (a ) ,
1 i∈I i i∈I
falls alle a a sind und falls sich jedes x a als x = x a + ... + x a
i ∈ ∈ i1 i1 im im
schreibenlässtmitgeeignetenIndizesi ,...,i I undElementenx ,...,x
1 m ∈ i1 im ∈
A.
ii) EinIdeala Aheißtendlicherzeugt,fallsesendlichvieleElementea ,...,a
1 m
⊂ ∈
agibtmita = (a ,...,a ).
1 m
Beispiel:(x,x2,x3,...) = (x) = xf : f A[x] isteinendlicherzeugtesIdealinA[x].
{ ∈ }
Definition2.3 EinRingAheißtnoethersch,fallsjedesIdealendlicherzeugtist.
Lemma2.4 DiefolgendenAussagensindäquivalent:
i) Aistnoethersch.
ii) JedeaufsteigendeKettevonIdealena a ... a ...inAwirdstationär,
1 2 k
⊂ ⊂ ⊂ ⊂
d.h.esgibteinn mita = a fürallen ≧ n .
0 n0 n 0
iii) Jedenicht-leereMengevonIdealenbesitzteinmaximalesElementbezüglichder
Inklusion.
Seite7
Beweis:
i) ii)Seia = a .DasisteinIdealinA,alsoendlicherzeugt.
i
⇒
i∈N
S
ii) Sei iii)M eineMengevonIdealen.a Mheißtmaximal,fallsausa b,b M
⇒ ∈ ⊂ ∈
folgta = b.Angenommen,esgibtkeinmaximalesElementinM.Dannkonstru-
ierenwireineechteaufsteigendeKette.DasisteinWiderspruch.
iii) i) Für ein Ideal a A betrachten wir M = alle endlich erzeugten Ideale
⇒ ⊂ {
b a .
⊂ }
(cid:3)
Beispiel:JederHauptidealringistnoethersch,insbesondereistZnoetherschundauch
k[x]füreinenKörperk.
Lemma2.5 IstAeinnoetherscherRingunda AeinIdeal,soistA/aeinnoetherscher
⊂
Ring.
Beweis : Es sei π : A A/a die kanonische Abbildung. Ist b A/a ein Ide-
→ ⊂
al, so ist π−1(b) A ein Ideal. Nach Voraussetzung ist π−1(b) endlich erzeugt, also
⊂
π−1(b) = (a ,...,a )fürgeeignetea ,...,a A.Manrechnetleichtnach,dassdann
1 m 1 m
∈
b = π(a ),...,π(a ) gilt.Alsoistbendlicherzeugt. (cid:3)
1 m
(cid:0) (cid:1)
Definition2.6 SeiAeinRing.EinA ModulM isteineMengemiteinerVerknüpfung
−
+undeinerAbbildung(skalareMultiplikation)
A M M,
× →
(a,m) am
7→
sodassfolgendeBedingungengelten:
i) (M,+)isteineabelscheGruppe.
ii) a(x+y) = ax+ay füra A,x,y M
∈ ∈
iii) (a+b)x = ax+bxfüra,b A,x M
∈ ∈
iv) (ab)x = a(bx)füra,b A,x M
∈ ∈
v) 1x = xfürx M.
∈
Seite8