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Algebra I
Wintersemester 2004/2005
Prof.Dr.AnnetteWerner
Inhaltsverzeichnis
Einfu¨hrung 1
1 Gruppentheorie 2
2 Ringe 14
3 Polynomringe 38
4 AlgebraischeKo¨rpererweiterungen 51
5 NormaleundseparableErweiterungen 65
6 EndlicheKo¨rper 74
7 Galoistheorie 76
8 Sylowsa¨tze 86
9 Einheitswurzeln 93
10 Auflo¨sbareErweiterungen 98
Einf¨uhrung
DasWort(cid:147)Algebra(cid:148)kommtausdemArabischenundbedeutetsovielwiedasRech-
nenmitGleichungen.DabeiinteressiertmansichinderAlgebravorallemfu¤rPoly-
nomgleichungen,alsoetwa
3x4+x2+2x+3=0; (1)
wobeixeineunbekannteGro¤(cid:223)eist.
MankannauchGleichungeninmehrerenunbekanntenGro¤(cid:223)enbetrachten,wieetwa
y2 =x3+2xy+1:
KommtinjedemSummandennureineunbekannteGro¤(cid:223)emitdemExponenten1vor,
sonenntmandieGleichunglinear,wiez.B.
3x+5y+1=0:
SystemesolcherlinearenGleichungenstudiertmaninderlinearenAlgebra.
In der Algebra interessieren wir uns fu¤r die Lo¤sungen von Polynomgleichungen in
einerunbekanntenGro¤(cid:223)exwiein(1).
Dergro¤(cid:223)teExponent,mit demxin einersolchen Gleichung auftritt,hei(cid:223)t derGrad
derGleichung(oderauchderGraddesPolynomsaufderlinkenSeite).
LineareGleichungen,alsoGleichungenvomGrad1,zulo¤sen,stelltkeinebesondere
Herausforderungdar:
x+a=0 x= a:
, (cid:0)
QuadratischeGleichungen,alsoGleichungenvomGrad2,lerntmaninderSchulezu
lo¤sen:
a a2
x2+ax+b=0 x= b:
, (cid:0)2 (cid:6) 4 (cid:0)
r
BeikubischenGleichungen,alsoGleichungenvomGrad3,fa¤ngtesan,interessantzu
werden.SchonindemspeziellenFall
x3+ax=bmita;b>0
bedurfteeseinigerAnstrengungen,bisim16.JahrhunderteineLo¤sung
b b 2 a 3 b b 2 a 3
3 3
x= + + + +
vu2 s 2 3 vu2 (cid:0)s 2 3
u (cid:18) (cid:19) (cid:16) (cid:17) u (cid:18) (cid:19) (cid:16) (cid:17)
t t
gefundenwurde.
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LangeZeit habensichMathematikermitdemFindensolcherLo¤sungen fu¤rkonkret
gegebeneGleichungenbescha¤ftigt.WiediekomplizierteLo¤sungsformelfu¤rdiekubi-
scheGleichungschonahnenla¤sst,kommtmansonichtsehrweit.U¤berGleichungen
vomGrad 5warlangesehrwenigbekannt.NochzuLeibniz’Zeiten(1646-1716)
(cid:21)
warnichteinmalbekannt,obGleichungen5.Gradesu¤berhaupteineLo¤sungbesitzen,
die sich durch sukzessives Wurzelziehen erhalten la¤sst. Dies ist die Frage nach der
(cid:147)Au(cid:3)o¤sbarkeitalgebraischerGleichungendurchRadikale(cid:148): Fu¤rwelcheGleichungen
lassen sich Lo¤sungen durch wiederholte Anwendungen von Addition, Subtraktion
Multiplikation,DivisionundWurzelziehenausdenKoef(cid:2)zientengewinnen?
DerrichtigeHebelzumStudiumderalgebraischenGleichungenineinerunbekann-
ten Gro¤(cid:223)e wurde schlie(cid:223)lich von Evariste Galois um 1830 angesetzt. Mit Hilfe der
Galoistheorie kannmandieLo¤sungensolcherGleichungenmitHilfevonGruppen-
theorie beschreiben.Durch diese Theorie lassen sich viele Fragen, wie etwa die der
Au(cid:3)o¤sbarkeit algebraischer Gleichungen durch Radikale, beantworten. Die Galois-
theorieisteinBeispieldafu¤r,dasseinmathematischesProblemofterstmiteinemab-
straktenZugangunddenrichtigenBegriffenzuga¤nglichwird.Wirbeginnendement-
sprechendersteinmalmitetwasTheorieu¤berGruppenundPolynomringe.
WirschreibenZfu¤rdieMengederganzenZahlen,N= 1;2;::: fu¤rdieMengeder
f g
natu¤rlichenZahlenundsetzenN0 =N 0 .
[f g
MitQ,Rbzw.Cbezeichnenwirdierationalen,reellenbzw.komplexenZahlen.
An manchen Stellen (cid:2)nden Sie ein (U¤A) fu¤r U¤bungsaufgabe. Dann sollten Sie sich
unbedingtmitPapierundBleistiftvonderRichtigkeitdesBehauptetenu¤berzeugen.
1 Gruppentheorie
ZuersteinigeDe(cid:2)nitionen:
De(cid:2)nition1.1 EineMengeM zusammenmiteinerAbbildung
:M M M (Multiplikation)
(cid:1) (cid:2) !
hei(cid:223)tMonoid,falls
i) (ab)c=a(bc)fu¤rallea;b;c M ( istassoziativ).
2 (cid:1)
ii) Esgibteine M,sodassea=ae=afu¤rallea M (neutralesElement)
2 2
IneinemMonoidkannmanalsofu¤rendlichvieleElementea ;:::;a M dasPro-
1 n
2
dukt ni=1ai = a1(cid:1)(cid:1)(cid:1)an de(cid:2)nierensowie fu¤rallea 2 M undn 2 Ndien-tePotenz
an = n a.Zusa¤tzlichsetzenwira0 =e.
Qi=1
Q
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De(cid:2)nition1.2 EineGruppeisteinMonoidG,sodassjedesElementvonGeinInver-
sesbesitzt.MitanderenWorten,eineGruppeisteineMengeGzusammenmiteiner
Abbildung
:G G G;
(cid:1) (cid:2) !
diewirofteinfachalsab=a bschreiben,sodassgilt
(cid:1)
i) istassoziativ
(cid:1)
ii) esgibteine G,sodassae=ea=afu¤rallea G
2 2
iii) zujedema Ggibteseinb G,sodassab=e=ba.
2 2
Ghei(cid:223)tkommutativoderabelsch,fallszusa¤tzlichgilt
iv) ab=bafu¤rallea;b G.
2
Bemerkung:Mankann inDe(cid:2)nition 1.2die Bedingungenii)bzw.iii) durchdie fol-
gendenBedingungenii’)bzw.iii’)ersetzen:
ii’) esgibteine Gmitea=afu¤rallea Gund
2 2
iii’) zujedema Gexistierteinb Gmitba=e
2 2
Mankannfernerzeigen,dassdasneutraleElementesowie dasinverse Elementzu
jedem a eindeutig bestimmt sind. Letzteres bezeichnet man mit a(cid:0)1. Das neutrale
Element bezeichnen wir meist einfach mit 1. Oft schreibt man die Verknu¤pfung in
n
einerGruppeinadditiverForm,alsoa+b, a undna.Dannbezeichnetmandas
i
i=1
neutraleElementmit0unddasinverseElemPentzuamit a.
(cid:0)
Beispiel:
i) Z;Q;R;CsindabelscheGruppenbezu¤glichderAddition.
ii) Q(cid:3) = Q 0 ;R(cid:3) = R 0 ;C(cid:3) = C 0 undQ>0 = x Q : x > 0 sowie
nf g nf g nf g f 2 g
R>0 = x R:x>0 sindabelscheGruppenbezu¤glichderMultiplikation.
f 2 g
iii) NundZsindbezu¤glichderMultiplikationMonoide,aberkeineGruppen.
iv) Ist X eine Menge, so ist die Menge S(X) = f : X X bijektiv bezu¤glich
f ! g
derHintereinanderausfu¤hrungvonAbbildungeneineGruppe.HatX mehrals
zweiElemente,soistS(X)nichtabelsch.
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v) IstX eineMengeundGeineGruppe,soistdieMengeGX := Abb(X;G)der
Abbildungen von X nach G eine Gruppe, wenn man (f g)(x) = f(x) g(x)
(cid:1) (cid:1)
setzt.DasneutraleElementistdiekonstanteAbbildungf(x)=1.
vi) IstI eineIndexmengeund(G ) eineFamilievonGruppen.Dannwird G
i i2I i
i2I
zueinerGruppe,wennwir Q
(g ) (h ) =(g h )
i i2I i i2I i i i2I
(cid:1)
setzen.
G hei(cid:223)tdasProduktderGruppenG .ImFalleG = Gfu¤ralleiist G
i i i
’
i2I i2I
GQI ausv). Q
De(cid:2)nition1.3 EsseiGeinMonoid.EineTeilmengeH Ghei(cid:223)tUntermonoid,falls
(cid:26)
gilt:
i) e H
2
ii) a;b H ab H.
2 ) 2
IstGsogareineGruppe,sohei(cid:223)tH GUntergruppe,fallsi),ii)und
(cid:26)
iii) a H a(cid:0)1 H
2 ) 2
gilt.
Beispiel:
i) InjederGruppeGistGselbstsowie e eineUntergruppe.
f g
ii) AllemZ= mk:k Z fu¤rm ZsindUntergruppenvonZ.
f 2 g 2
mZistdie(cid:148)vonmerzeugtezyklischeUntergruppevonZ(cid:148).
De(cid:2)nition1.4 Seien G;G0 Monoide mit den neutralen Elementen e;e0. Eine Abbil-
dung’:G G0 hei(cid:223)tMonoidhomomorphismus,fallsgilt:
!
i) ’(e)=e0
ii) ’(ab)=’(a)’(b)fu¤rallea;b G.
2
SindGundG0 sogarGruppen,sohei(cid:223)t’auchGruppenhomomorphismus.
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Lemma1.5 EineAbbildung’:G G0zwischenGruppenistgenaudanneinGrup-
!
penhomomorphismus,wenn
’(ab)=’(a)’(b)fu¤rallea;b G
2
gilt.
e(cid:1)e=e
Beweis:Wirmu¤sseni)ausDe(cid:2)nition1.4zeigen.Esgilt’(e) = ’(ee) = ’(e)’(e),
nachMultiplikationmit’(e)(cid:0)1 folgte0 =’(e). (cid:3)
Lemma1.6 Ist’:G G0 einGruppenhomomorphismus,sogiltfu¤rallea G:
! 2
’(a(cid:0)1)=(’(a))(cid:0)1:
DieAbbildung’vertauschtalsomitInversenbildung.
Beweis:Esist’(a)’(a(cid:0)1)=’(e)=e. (cid:3)
WeitereBegriffe:
EinGruppenhomomorphismus’:G G0hei(cid:223)tIsomorphismus,falls’einInverses
!
besitzt,d.h.fallseseinenGruppenhomomorphismus :G0 Gmit
!
’=idG und’ =idG0
(cid:14) (cid:14)
gibt.A¤quivalentdazuist,dassderHomomorphismus’bijektivist.
Ein injektiver Gruppenhomomorphismus hei(cid:223)t Monomorphismus, ein surjektiver
Gruppenhomomorphismushei(cid:223)tEpimorphismus.
EinenHomomorphismus ’ : G GvonGnachGbezeichnetmanauchalsEndo-
!
morphismus,einIsomorphismus’:G GvonGnachGhei(cid:223)tAutomorphismus.
!
Sind ’ : G G0 und : G0 G00 Gruppenhomomorphismen, so ist auch die
! !
Verknu¤pfung ’:G G00 einGruppenhomomorphismus.
(cid:14) !
ZujedemGruppenhomomorphismus’:G G0 geho¤rtdieUntergruppe
!
Kern’= x G:’(x)=e0
f 2 g
vonG,wobeie0 dasneutraleElementvonG0 ist,unddieUntergruppe
Bild’ = ’(G)
= y G0 : esgibteinx Gmit’(x)=y
f 2 2 g
vonG0.
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EinGruppenhomomorphismus’:G G0 istinjektivgenaudann,wenn
!
Kern’= e
f g
istundsurjektivgenaudann,wenn
Bild’=G0
ist,wiemanleichtnachrechnet(U¤A).
De(cid:2)nition1.7 Es sei G eine Gruppe und H G eine Untergruppe. Eine Linksne-
(cid:26)
benklassevonH inGisteineTeilmengevonGderGestalt
aH := ab:b H :
f 2 g
Lemma1.8 Fu¤rzweiLinksnebenklassenaH undbH vonH inGsinda¤quivalent:
i) aH =bH
ii) aH bH =
\ 6 ;
iii) a bH
2
iv) b(cid:0)1a H
2
Beweis:i) ii)istklar,daa 1 aH istundsomitaH = gilt.
) (cid:1) 2 6 ;
ii) iii):Esexistiereeinc aH bH,alsoc=ah =bh fu¤rh ;h H.Darausfolgt
1 2 1 2
) 2 \ 2
a=bh h(cid:0)1 bH.
2 1 2
iii) iv)folgtdurchMultiplikationmitb(cid:0)1
)
iv) i):Ausb(cid:0)1a H folgta bH,alsoaH bH.DaH eineUntergruppevonG
) 2 2 (cid:26)
ist,entha¤ltsiemitb(cid:0)1aauch(b(cid:0)1a)(cid:0)1 =a(cid:0)1b.Alsofolgtb aH undsomitbH aH.
2 (cid:26)
InsgesamtalsoaH =bH. (cid:3)
Satz1.9 Zwischen je zweiLinksnebenklassen von H in G gibt es einebijektive Ab-
bildung.(Mansagtauch,siesindgleichma¤chtig.)
ZweiLinksnebenklassensindentwederdisjunktodergleich.GistdisjunkteVereini-
gungallerLinksnebenklassen.
Beweis:Fu¤ra;b GvermitteltdieAbbildung
2
’: G G
!
g ba(cid:0)1g
7!
eineBijektion’:aH bH.
!
DiezweiteBehauptungfolgtausLemma1.8.
Dajedesa GinderLinksnebenklasseaH liegt,folgtauchdiedritteBehauptung.(cid:3)
2
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Die Elemente einer Linksnebenklasse aH werden auch als Vertreter (oder Re-
pra¤sentanten)dieserLinksnebenklassebezeichnet.Fu¤rjedenVertretera0vonaH (al-
sojedesa0 aH)giltaH =a0H nachLemma1.8.
2
MitG=H bezeichnenwirdieMengederLinksnebenklassenvonH inG.
Ganz analog kann man auch RechtsnebenklassenHa de(cid:2)nieren, na¤mlich als Teil-
mengenvonGderForm
Ha= ha:h H :
f 2 g
Diebijektive AbbildungG G,die g aufg(cid:0)1 schickt,induzierteine Bijektion zwi-
!
schenderMengederLinksnebenklassenG=H undderMengederRechtsnebenklas-
sen,diewirmitH Gbezeichnen(U¤A).
n
De(cid:2)nition1.10 DieAnzahlderElementeinG=H bezeichnenwirals
G:H;
undnennendieseZahldenIndexvon H in G.
Mitord(G)bezeichnenwirdieOrdnungvonG,d.h.dieAnzahlderElementeinG.
Korollar1.11(SatzvonLagrange) Sei G eine endliche Gruppe und H eine Unter-
gruppevonG.Danngilt
ord(G)=ord(H) (G:H):
(cid:1)
Beweis:DasfolgtausSatz1.9. (cid:3)
De(cid:2)nition1.12 Eine Untergruppe H G hei(cid:223)t Normalteileroder normale Unter-
(cid:26)
gruppe von G, wenn aH = Ha fu¤r alle a G gilt, d.h. wenn fu¤r jedes a G die
2 2
zugeho¤rigeLinksnebenklassemitderRechtsnebenklasseu¤bereinstimmt.
WirnennenindiesemFalldieNebenklasseaH =HaauchRestklassevonamodulo
H.
Bemerkung1.13 i) H istNormalteilerinG
fu¤rallea GistaHa(cid:0)1 =H
, 2
fu¤rallea GistaHa(cid:0)1 H
, 2 (cid:26)
ii) IneinerabelschenGruppeistjedeUntergruppeeinNormalteiler
iii) DerKerneinesGruppenhomomorphismus’:G G0iststetseinNormalteiler
!
vonG.
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Beweis:
i) H Normalteiler, aHa(cid:0)1 =H fu¤rallea G, aHa(cid:0)1 H fu¤rallea G.
) 2 ) (cid:26) 2
FallsaHa(cid:0)1 H fu¤rallea G,sogiltaucha(cid:0)1Ha H fu¤rallea G.Alsoist
(cid:26) 2 (cid:26) 2
aH HaundHa aH,d.h.aH =Ha.
(cid:26) (cid:26)
ii) klar
iii) Kern’isteineUntergruppevonG.Nachi)genu¤gtes,fu¤rallea Gzuzeigen:
2
a(Kern’)a(cid:0)1 Kern’.
(cid:26)
Seialsox Kern’.Dannist
2
’(axa(cid:0)1) 1=:5 ’(a)’(x)’(a(cid:0)1)
1=:6 ’(a)’(x)’(a)(cid:0)1
=1
= 1;
|{z}
alsoaxa(cid:0)1 Kern’.
2
(cid:3)
Nunwollenwirzeigen,dassesumgekehrtzujedemNormalteilerN GeinenGrup-
(cid:26)
penhomomorphismus’:G G0 mitKern’=N gibt.
!
Dazude(cid:2)nierenwireineGruppenstrukturaufderMengeG=N derLinksnebenklas-
sen.
Lemma1.14 De(cid:2)niertmandieMultiplikationvonTeilmengenXundY vonGdurch
XY = xy : x X;y Y G, so ist das Produkt der Linksnebenklassen aN
f 2 2 g (cid:26)
undbN dieLinksnebenklasseabN.MitdieserMultiplikationwirdG=N eineGruppe
mit neutralemElement1N undinversemElementa(cid:0)1N zuaN.Wirnennen siedie
Faktor-oderRestklassengruppevonGmoduloN.
DieAbbildung
(cid:25) : G G=N;
!
a aN
7!
isteinGruppenhomomorphismusmitKern(cid:25) =N.
Ass. NNormalteiler Ass. NUntergr.
Beweis:(aN)(bN) = a(Nb)N = a(bN)N = (ab)(NN) = (ab)N.
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