Table Of ContentRed Geller
Schlosstrio Band 15
Alarm in den
Alpen
scanned by Ginevra
corrected by AnyBody
Urlaub in Zell am See - in der Europa-Region! Herrlich, denn Dr. Ritter
hatte seine Familie, und Randy zuliebe auch Ela Schröder, dazu eingeladen.
Für ‡das Schloß-Trio" war die Welt total in Ordnung. Das änderte sich
wenig später, als die Freunde den Mann mit dem Gewehr aus der Gondel
steigen sahen. Kurz danach bei einer Bergwanderung - fanden sie den
verletzten Drachenflieger mit einer Kugel in der Schulter. Die herrliche,
unbeschwerte Zeit war dahin. Und für das Schloß-Trio begannen die Tage
der Furcht....
ISBN 3-8144-1715-1
© 1990 by Pelikan AG • D 3000 Hannover l
Umschlaggestaltung: strat + kon, Hamburg
Innen-Illustrationen: Solveig Ullrich
Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!!
Inhalt
1. Der Anschlag.................................................................... 3
2. Noch einmal davongekommen ....................................... 26
3. Das Versteck im Wald.................................................... 36
4. Gefährliche Liftfahrt.......................................................50
5. Ein heißes Foto............................................................... 70
6. Gefährliche Entdeckung................................................. 80
7. Die Lage spitzt sich zu................................................... 98
8. Ein Mörder will es wissen............................................ 112
9. Warten auf den Mörder ................................................ 118
10. In letzter Sekunde....................................................... 132
1. Der Anschlag
Ela Schröder, von den Freunden oft Möpschen genannt, was
sie haßte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, während
ihre Blicke die Metalltreppe hochglitten, auf der eine lange
Schlange von Ausflüglern anstand. Sie alle wollten noch in die
Seilbahn, denn an diesem herrlich klaren Herbsttag hatte der
liebe Gott es besonders gut gemeint und nicht nur den blauen,
wolkenlosen Himmel geschickt, sondern auch einen leichten
Wind, der für Drachen- und Segelflieger ideale Bedingungen
schuf.
‡Was ist los?" fragte Turbo, der japanische Junge. ‡Mußt du
zur Toilette? Dann aber schnell. Hier unten gibt es noch Klos,
oder du mußt warten, bis wir oben sind."
‡Quatsch, Mensch."
‡Sieht aber so aus, wie du dich bewegst."
Randy Ritter, der dritte im Bunde, grinste noch schiefer als
gewöhnlich. Sein rechter Mundwinkel war nämlich leicht
verzogen. Das hatte schon manchen Pauker irritiert; die fühlten
sich dadurch gleich auf den Arm genommen.
‡Willst du auch etwas sagen?" fragte Ela.
‡Eigentlich wollte ich es nicht. Aber wenn ich dich so
anschaue, habe ich das Gefühl, du hast Angst."
‡Ha?" Ela trat einen winzigen Schritt zurück. Weiter konnte
sie nicht gehen, ohne jemand auf die Zehen zu treten. ‡Angst!
Bist du irre? Wovor denn?"
‡Vor der Kabine."
Ela pustete die Wangen auf. ‡Ich bin schon geflogen."
‡Von der Schule?" fragte Turbo.
Sie schob sich zwei Gummibärchen zwischen die Zähne.
‡Nein, von einem Baum zum anderen."
-3-
Randy schlug gegen seine Stirn. ‡Klar, ich erinnere mich. Da
haben die Leute gedacht, es wäre ein Affe im Lodenmantel."
‡Witzig, toll, total super. Macht es das Wetter?"
‡Nein, der Rucksack."
‡Den wirst du auch weiterhin tragen, Randy. So war es
schließlich abgemacht."
‡Bis Turbo ihn nimmt."
‡Aber erst später."
Während des Gesprächs war die Warteschlange
weitergerückt, und auch die drei Freunde - sie nannten sich das
Schloß-Trio und hatten schon viele aufregende Abenteuer
bestanden -, waren bereits an der Metalltreppe angelangt.
Im Winter, so hatten sie gehört, reichte die Schlange der
Wartenden oft bis fast zur Haltestelle der Busse. Jetzt war nicht
so viel Betrieb, aber es war ja noch früh am Morgen und es
würden sicher noch viele Busse ankommen.
Das Ziel der Ausflügler war die Schmittenhöhe, dieses
gewaltige Bergwander- und Skigebiet oberhalb des Zeller Sees,
einem der klarsten Alpenseen der Region.
Unter den Gästen befanden sich auch zahlreiche Kinder und
Jugendliche. Das hatte einen Grund: Die Herbstferien brachten
noch einmal eine große Reisewelle, und wenn das Wetter so toll
war wie in diesem Fall, da packten viele Leute einfach ihre
Sachen und fuhren los. In den Bergen war es um diese Zeit am
schönsten.
So hatte es auch die Familie Ritter gehalten. Dr. Peter Ritter
und seine Frau Marion waren Randys Eltern. Ihr Zuhause, das
alte Schloß in der Nähe von Düsseldorf hatten sie für eine
Woche mit einem Hotel in Zell am See vertauscht, um dort
Ferien zumachen.
Ela Schröder hatte mitfahren dürfen, was sie natürlich mehr
als super fand; überhaupt waren sie, Randy und Turbo so
-4-
ziemlich unzertrennlich. Im Laufe der Zeit hatten sie sich zu
einer verschworenen Gemeinschaft entwickelt, kein Wunder bei
den aufregenden Erlebnissen und Abenteuern, die hinter ihnen
lagen.
Aber in den nächsten Tagen wollten sie nur wandern, auf dem
See Boot fahren, surfen oder schwimmen. Das hatten sie sich
fest vorgenommen. Ob sie sich daran halten konnten, war
fraglich. Irgendwie kam ihnen immer etwas dazwischen.
Die Ritters hatten sich entschlossen, im Hotel zu bleiben oder
später nachzukommen, denn Dr. Ritter erwartete noch einen
dringenden Anruf. So richtig ausspannen konnte er nie. Dr.
Ritter war selbständiger Ingenieur und Wissenschaftler von
Beruf. In einem Anbau des Schlosses hatte er sich ein Labor
eingerichtet, in dem er ungestört arbeiten konnte. Hin und
-5-
wieder stand er außerdem dem Geheimdienst zur Verfügung,
wenn es darum ging, verzwickte Aufgaben zu lösen.
Randy sah den Beruf seines Vaters oft als etwas zwielichtig
an. Er sprach auch nicht gern darüber.
‡Wir fahren ja nicht nur heute den Berg hoch", sagte Ela
plötzlich und schnickte mit den Fingern.
‡Kommt darauf an, wie du dich benimmst", meinte Turbo.
‡Du bist blöd. Du wirst sogar immer blöder und bist bald so
wie der." Sie spreizte den rechten Daumen ab und deutete auf
Randy, der noch immer grinste, oder schon wieder.
‡Was willst du dann machen?"
‡Meine Staffelei mitnehmen. Ich werde malen jawohl."
‡Pinseln?" fragte Randy.
Sie trat dicht an ihn heran und starrte ihm scharf in die Augen.
‡Malen, habe ich gesagt, nicht pinseln. Das machst du vielleicht,
aber nicht ich. Kapiert?"
‡Schon gut."
Energisch schob Ela die beiden Jungen weiter. Sie hatten
bereits den Unterstand erreicht, wo vor ihnen das metallene
Drehkreuz schimmerte, durch das jeder Fahrgast schreiten
mußte. Sobald er seine Eintrittskarte in einen Schlitz gesteckt
hatte, löste sich die Sperre des Kreuzes.
Man hatte hier alles im Griff. Rund um die Station waren
große Parkplätze angelegt, standen schmucke Häuser, Hotels
und Pensionen. Nur von der eigentlichen Natur war nicht mehr
viel übriggeblieben. Die sogenannten Zivilisation fraß sich
immer tiefer in die Bergwelt hinein.
Randy und Turbo überwanden die Sperre als erste. Ela folgte
ihnen und schaute zurück auf einen Zähler an der Wand, wo
jeder, der die Sperre überwunden hatte, registriert wurde. Die
große Gondel faßte genau 53 Personen.
Plötzlich erhielt Ela einen Stoß in den Rücken. Unwillig
-6-
drehte sie sich um.
Ein etwa dreißigjähriger Mann starrte sie an. Er hatte dunkle
Augen und ein scharfes, kantiges Gesicht. Er trug einen
grüngelben Parka und hielt sein Haar unter einer Schirmmütze
verborgen. Aus einer Tasche schaute das dunkle Glas einer
Sonnenbrille hervor.
‡Ist was, Kleine?"
‡Nein. Sie haben mich angestoßen."
‡Geh schon weiter."
Ela konterte: ‡Manche Leute sind so geizig, als hätten sie
Angst, für Freundlichkeit was zahlen zu müssen. Dazu scheinen
Sie zu gehören."
‡Verschwinde." Der Mann drängte sich an Ela vorbei. Erst
jetzt konnte sie erkennen, daß er einen Geigenkasten mit sich
schleppte, zumindest sah der Kasten so aus.
‡Was wollte der denn?" fragte Randy.
‡Keine Ahnung. Jedenfalls scheinen seine Eltern Bulldoggen
gewesen zu sein. Das ist ein richtiger Widerling."
‡Scheint mir auch so."
‡Dabei ist er doch Musiker", meinte Turbo. ‡Der steigt sogar
mit einem Geigenkasten in die Berge."
Randy strich über sein Kinn und sah auf die Spitzen seiner
Bergschuhe. Sie waren aus weichem Leder gefertigt, besaßen
aber eine sehr dicke, griffige Sohle. Auch Ela und Turbo waren
mit ähnlichem Schuhwerk ausgerüstet; feste Schuhe, in denen
man sicher stand und nicht so leicht ausrutschte.
‡Ein Geiger, der auf dem Gipfel sitzt und fidelt." Turbo
schüttelte den Kopf. ‡Das kann ich nicht glauben."
‡Was glaubst du denn?" Ela schaute ihn neugierig an.
‡Ich hab mal einen Film gesehen, da hat jemand ein Gewehr
in so einer Hülle versteckt."
-7-
‡Fang nicht schon wieder an!" zischte Ela. ‡Du glaubst doch
nicht, daß der Zeitgenosse da mit einem Gewehr hoch zum
Gipfel fährt?"
‡Warum nicht? Möglich ist alles."
Ihre Unterhaltung fand am Trenngitter statt, neben dem schon
die Gondel wartete. Noch war die Tür geschlossen. Ein Mann
im blauen Kittel kam und öffnete die Tür mit einem
Spezialschlüssel. Er trug einen Vollbart, so daß von seinem
Gesicht nur die Hälfte zu sehen war. ‡Nicht drängeln,
Herrschaften, immer der Reihe nach." Er sprach den Satz ohne
jede Betonung, und es war ihm anzumerken, daß er ihn zigmal
am Tag runterleierte.
Unter den ersten Fahrgästen, die die Gondel betraten, befand
sich auch das Schloß-Trio. Weit über die Hälfte der Kabine
bestand aus Glas, so daß man eine gute Sicht hatte. Die Sonne
fiel durch das durchsichtige Dach und hatte den Innenraum
schon recht aufgeheizt.
Von der Decke hingen die Halteschlaufen wie
Henkerschlingen herab. Sitzplätze gab es nur an der Vorder- und
Hinterseite, die aber überließen die Freunde den älteren
Fahrgästen.
Eine buntgemischte Gesellschaft betrat die Kabine. Jeder war
für die Berge gut gerüstet mit dicken Wanderschuhen,
Kniebundhosen, bunten Hemden, Windjacken, Sonnenbrillen,
Rucksäcken und Wanderstöcken. Alt und jung waren
gleichermaßen vertreten, und zahlreiche Sprachen schwirrten
durcheinander. Die meisten sprachen deutsch, aber auch
englisch und niederländisch war zu hören.
Ela verdrehte die Augen. ‡Allmählich wird es eng", flüsterte
sie und machte sich so schmal wie möglich, denn ein
glatzköpfiger, dicker, schwitzender Mann stellte sich neben sie.
Er rammte seinen Wanderstock gegen den Boden und hätte
dabei fast Elas linken Fuß getroffen.
-8-
‡Endlich!" keuchte er und wischte mit einem großen Tuch
über die Stirn. ‡Das wäre geschafft." Er nickte den Freunden zu,
grinste mit drei Goldzähnen gleichzeitig und fragte: ‡Wollt ihr
auch nach oben?"
‡Nein, nach unten."
Der Dicke überlegte verdutzt und bekam Froschaugen. Als
Ela noch laut lachte, drehte er sich wütend um und zeigte den
Freunden seinen Rücken, der auch nicht ohne war.
‡Der wird später nach unten gerollt", flüsterte Randy.
‡Ja, als Lawine", meinte Ela.
‡Und dann?"
‡Wie?"
‡Gibt es dann eine Überschwemmung?"
Ela nickte. ‡Klar doch, der rollt bis zum See durch - und
platsch."
Der Vollbärtige schob die Tür zu und schloß von außen ab.
Sein Kopf hinter der Scheibe glich dem eines Bären.
‡Auf zum Gipfel, wo die Stürmer warten", murmelte Randy.
‡Wer wartet da?" fragte Turbo.
‡Kennst du die Gipfelstürmer nicht?"
‡Nein."
‡Dann schau mal in den Spiegel. Aber du bist ja faul und läßt
dich fahren."
‡Wie du."
Sie schwebten bereits aus der Station. Schnell und ziemlich
steil ging es in die Höhe. Zell, der Ort am See, blieb zurück. Die
Häuser waren bald klein wie Spielzeug.
Hinter dem Ort lag der See: breit, blaugrün, mit bunten
Booten darauf, den Ausflugschiffen, die den See überquerten
und am anderen Ufer anlegten. Auf einer Landzunge stand ihr
Hotel. Ein hoher, weißer Kasten, der in der Sonne leuchtete.
-9-
Die bunten Segel der Surfer stachen deutlich von der
Wasserfläche ab. Hoch über ihnen dehnte sich der Himmel blau
wie aus dem Bilderbuch, überflutet vom goldenen Licht der
Sonne.
Während Randy den Blick durch die Kabine gleiten ließ,
bewunderten Ela und Turbo noch immer die schöne Aussicht.
Der Mann mit dem harten Gesicht fiel Randy gleich auf. Er
stand nicht weit entfernt von ihm. Mit der Linken hielt sich der
Mann an der Schlinge fest, unter dem anderen Arm hatte er den
Geigenkasten geklemmt. Er hatte Randy das Profil zugedreht.
Es sah tatsächlich aus, als wäre es aus Stein gehauen worden. Da
rührte sich kein Muskel, nicht einmal eine Wimper zuckte. Bei
diesem Kerl war alles starr. Das wirkte auf Randy verkrampft.
Dieser Typ kam ihm vor, als hätte der etwas zu verbergen.
-10-