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Susan Andersen
Alarm a
uf Wolke sieben
Roman
Aus dem Amerikanischen von
Ina Friedrich
MIRA® TASCHENBUCH
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MIRA® TASCHENBÜCHER
erscheinen in der Cora Verlag GmbH & Co. KG,
Valentinskamp 24, 20354 Hamburg
Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:
Hot & Bothered
Copyright © 2004 by Susan Andersen
erschienen bei: Mira Books, Toronto
Published by arrangement with
HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.ár.l.
Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln
Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln
Redaktion: Stefanie Kruschandl
Titelabbildung: Getty Images, München; pecher und soiron, Köln
Autorenfoto: © by Harlequin Enterprise SA., Schweiz
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN (eBook, PDF) 978-3-86278-267-3
ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-266-6
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
www.mira-taschenbuch.de
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PROLOG
F
ord Evans Hamilton öffnete die Augen und blinzelte. Al-
les war verschwommen. Schmerz hämmerte in seinem Schä-
del. Vorsichtig betastete er seinen Hinterkopf. Er fühlte sich
an wie eine überreife Melone.
Was zum Teufel war eigentlich passiert? Er hörte gedämpfte
Stimmen und das Klirren von Kristall. War er auf einer Party?
Aus den Augenwinkeln nahm er Bewegungen wahr. Er ent-
spannte sich. Ach ja! Er war tatsächlich auf einer Party der
Party, die er selbst geschmissen hatte, um bei McMurphy
noch einmal richtig schön Salz in die Wunden zu streuen. Nun
ja, bei McMurphy und ein oder zwei anderen. Dann war er in
die Bibliothek gegangen, um eine Kiste Zigarren für seine
Gäste zu holen. Und dann …
Jared war da gewesen, nicht wahr? Ford runzelte die Stirn, als
er sich an Bruchstücke des Streits erinnerte. Plötzlich fiel ihm
wieder ein, wie sein Sohn ihm einen Stoß verpasst hatte, als er
zur Tür gestürmt war. Jared war eine Schande für den guten
Familiennamen. Beide Kinder waren herbe Enttäuschungen.
Er hörte das leise Rascheln von Stoff auf dem Aubusson-
Läufer. Ford drehte langsam den Kopf und fuhr zusammen,
als der Schmerz ihn vom Scheitel bis zur Sohle durchzuckte.
Jared würde den Tag, an dem er geboren wurde, noch verflu-
chen.
Böse starrte Ford die Person an, die sich vor ihm hingekniet
hatte. Noch sah er alles doppelt, aber langsam wurde das Bild
klarer. „Was zur Hölle willst du denn hier?“ Er wischte die
Frage mit einer ungeduldigen Geste beiseite. „Egal.“ Wutent-
brannt streckte er den Arm aus. „Hilf mir!“
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„Genau das habe ich vor“, murmelte die Person. „Ich werde
dir auf direktem Weg in die Hölle helfen.“
Schneller, als es der noch völlig verwirrte Ford nachvollzie-
hen konnte, blitzte plötzlich der silberne Brieföffner auf, der
normalerweise auf seinem Mahagonischreibtisch lag. Und
dann explodierte sein Herz.
1. KAPITEL
K
omm schon, Süße“, murmelte John Miglionni der kurvi-
gen Rothaarigen zu. „Lass dich einfach gehen. Du willst es
doch auch! Glaub mir, Baby, es wird sich unglaublich gut
anfühlen …“
Er holte tief Luft, als sie genau das tat, was er von ihr verlang-
te. „Jawohl!“, flüsterte er und zoomte die Frau näher heran,
die sich gerade auf den Rücken ihres Quarterhorses schwang.
Colorado Insurance würde begeistert sein. Das Filmchen wür-
de der Millionenklage der Frau gegen die Versicherung einen
ernsthaften Dämpfer verpassen. Angeblich verhinderte ihre
Verletzung ja, dass sie jemals wieder auf ihr geliebtes Pferd
steigen konnte. Und das war ganz offensichtlich gelogen.
Er hielt mit der Kamera drauf, während sie mit dem Pferd
über den Zaun der Koppel sprang und über die Hochebene
galoppierte, die sich östlich von Denver ausbreitete. Als er sie
durch das Objektiv nicht mehr erkennen konnte, packte er
seine Ausrüstung zusammen und machte sich auf den Weg
zurück zu seinem Wagen.
Fünfundvierzig Minuten später stürmte er durch die Eingangs-
tür von Semper Fi Investigations. John hatte das Motto des
United States Marine Corps als Firmennamen gewählt: Sem-
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per Fi, vom Lateinischen semperfidelis. Auf ewig treu. Das
passte. Grinsend sah er zu, wie seine Sekretärin Gert Mac
Dellar vor Schreck aufsprang und sich ans Herz fasste.
„Du meine Güte“, fuhr sie ihn an, während sie böse über den
Rand ihrer ovalen strassbesetzten Brille starrte. „Du hast mich
um mindestens zehn Jahre meines Lebens gebracht! Und in
meinem Alter kann man es sich nicht leisten, auch nur eine
Minute zu verlieren, Freundchen.“
„Du wirst uns doch sowieso alle überleben, Gert.“ John setzte
sich auf den Rand des massiven Schreibtischs und reichte ihr
den Camcorder. „Kümmerst du dich bitte um die Bilder? Ach,
und mach bitte die Rechnung fertig, inklusive der dreieinhalb
Stunden heute.“
Ihre hellblauen Augen, die einige Schattierungen heller waren
als ihr hochtoupiertes Haar, leuchteten auf. „Hast du sie er-
wischt?“
„Das kann man so sagen.“
Gert jubelte und schloss die Kamera an den Computer an.
Während sie mit einer Hand die Daten herunterlud, zog sie
mit der anderen einen Stapel grellrosafarbener Notizzettel
heran. „Hier. Da waren ein paar Anrufe für dich.“
John las den ersten Zettel und legte ihn dann zu den anderen
zurück. Den zweiten Zettel drückte er Gert in die Hand. „Den
hier kannst du Les geben.“ Les war der Ingenieur, den er
kürzlich erst angestellt hatte, um die Produkthaftungsfälle in
den Griff zu bekommen. Er las die nächste Nachricht und
kniff die Augen zusammen. Ärgerlich sah er Gert an.
„Du weißt doch, dass ich keine Scheidungsfälle mehr über-
nehme.“
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„Solltest du aber“, antwortete sie, „die werden nämlich ver-
dammt gut bezahlt.“
„Stimmt, aber sie sind auch ziemlich unschön. Ich habe wirk-
lich keine Lust mehr, irgendwelche Leute bei ihren Quickies
zu fotografieren. Wenn es um Geldangelegenheiten geht, dann
bin ich dabei. Aber wenn ein Mann und eine Frau nur scharf
drauf sind, schmutzige Wäsche zu waschen, dann schick sie
zu jemand anderem.“ Er ließ die Nachricht auf den Schreib-
tisch fallen.
Gert zuckte beleidigt mit den Schultern.
John sah sich den letzten Zettel an. Er lächelte. „Okay, das ist
schon eher was. Einen Ausreißer aufzuspüren, damit kriegst
du mich.“ Er machte es sich bequem. „Erzähl mir mehr darü-
ber.“
Sie setzte sich auf, die momentane Verärgerung war verges-
sen. „Hast du das von dem Industriellen in Colorado Springs
gehört, der mit einem Brieföffner erstochen wurde?“
„Klar. Irgendwas mit Hamilton, richtig?“
„Ford Evans Hamilton. Seine Tochter Victoria hat uns ange-
rufen, also eigentlich ihr Anwalt. Miss Hamiltons siebzehn-
jähriger Bruder Jared ist genau an dem Tag verschwunden, als
ihr Vater starb.“
„Hat der Bengel ihn umgebracht?“
„Laut Anwalt schwört Miss Hamilton, dass der Kleine zu so
etwas nicht fähig wäre. Aber er ist schon früher mit dem Ge-
setz in Konflikt geraten. Die Polizei will in jedem Fall mit
ihm reden. Also wäre es Victoria lieb, wenn wir ihn vorher
finden würden. Anscheinend hat er ein kleines Autoritätsprob-
lem, und es wäre seiner Situation nicht gerade zuträglich, die
Cops blöd anzumachen, wenn sie ihn aufgreifen.“
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John, der als Jugendlicher ähnliche Probleme gehabt hatte,
konnte sich gut in den Teenager hineinversetzen. Er grinste
seine Sekretärin breit an. „Na, dann hat sie doch Glück ge-
habt, dass ihr Anwalt sich für echte Profis entschieden hat.“
„Schön, dass du gar nicht eingebildet bist“, strahlte Gert. „Das
hat mir an dir immer am besten gefallen.“
Er lachte. „Gib’s doch zu, Gert, du liebst mich so, wie ich bin.
Wir passen so gut zusammen. Es ist eigentlich erstaunlich,
dass wir noch nicht durchgebrannt sind und geheiratet haben.“
Sie verzog das Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen,
aber das sanfte Rot ihrer Wangen verriet sie. Sie liebte es, von
ihm geneckt zu werden. Das würde sie natürlich niemals frei-
willig zugeben.
Über den Rand ihrer Brille musterte sie ihn streng. „Mit dei-
nem Charme könntest du Tote aufwecken.“
Er fasste sich ans Herz. „Gert MacDellar, das würde ich
höchstens tun, wenn die Leiche weiblich wäre!“
Ihre Lippen zuckten leicht. Sie machte eine unwirsche Hand-
bewegung. „Hau ab, du Verrückter. Setz dich mit diesem
Anwalt in Verbindung, damit wir alle ein bisschen Geld ver-
dienen.“
„Jawohl, Ma’am.“ Er salutierte zackig. Dann stand er auf und
ging in sein Büro, um den Mann anzurufen.
Victoria wusste, sie musste sich zusammenreißen. Manchmal
war das jedoch leichter gesagt als getan. Besonders hier, im
Haus ihres Vaters.
Während sie unruhig in dem riesigen Salon hin und her tiger-
te, musste sie sich eingestehen, dass ihre Gefühlswelt ein ein-
ziges Chaos war. Ganz tief im Inneren war sie einfach froh,
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wieder zurück zu sein. Sosehr sie das bunte Treiben in Lon-
don auch liebte – es war nicht ihr Zuhause. Nach all der Zeit
fühlte sie sich dort noch immer wie eine Fremde. Im Grunde
war sie nur hingezogen, weil ihre Tante Fiona dort lebte – und
weil sie ihre Tochter in Sicherheit bringen musste. Wäre
Esme hier aufgewachsen, im Machtkreis von Ford Evans Ha-
milton, hätte er sie bestimmt genauso verkorkst wie seine ei-
genen Kinder.
Aber so froh Victoria auch war, endlich wieder zu Hause zu
sein, die Umstände waren alles andere als schön. Ihr Vater
war tot. Einfach weg – von einer Sekunde auf die nächste.
Jetzt würde sie nie mehr die Chance bekommen, all jene Din-
ge zu klären, die ihr schon so lange auf der Seele lagen. Und
als wäre das nicht traumatisch genug, war er auch noch er-
mordet worden.
Der Teufel sollte ihn holen. Die Hälfte der Zeit war er ein
echter Mistkerl gewesen. Eigentlich war er die meiste Zeit ein
Mistkerl gewesen, aber er war trotzdem ihr Vater. Niemand
hatte es verdient, so zu sterben.
Andererseits – war es nicht geradezu typisch für ihn, auf so
spektakuläre Art aus dem Leben zu scheiden? Er selbst hatte
sich nie um den Wirbel geschert, den er mit seinen immer
jünger werdenden Ehefrauen und seinen halsabschneideri-
schen Geschäftspraktiken verursacht hatte. Aber wehe, Jared
oder sie selbst gerieten auch nur einmal in die Nähe des Ram-
penlichts! Ihr Vater verzieh es ihnen nie. Man erwartete von
ihnen, stets brave kleine Hamiltons zu sein. Ein Teil von ihr
war fuchsteufelswild, dass sie nun nie mehr die Chance be-
kommen würde, Ford Evans Hamilton zu sagen, was für ein
lausiger Vater er gewesen war.
Das führte wiederum zu Schuldgefühlen, die sie nicht stillsit-
zen ließen. Und so wartete sie darauf, dass der Anwalt mit
dem Privatdetektiv im Schlepptau hier auftauchte. Wer hätte
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gedacht, dass ihr Leben einmal einem dieser alten Krimis
gleichen würde? In Gedanken sah sie elegant gekleidete Män-
ner mit Filzhüten vor sich, die Frauen noch als „Damen“ be-
zeichneten.
Ihr Lachen klang hysterisch, und sie schlug die Hand vor den
Mund, um es zu unterdrücken. Sie atmete tief durch, um sich
wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Immer schön ruhig bleiben. Sie versuchte, sich auf eines der
unbezahlbaren Kunstwerke zu konzentrieren, die an den mit
hellgelber Seide verkleideten Wänden des Salons hingen.
Denk nicht zu genau darüber nach. Lass es einfach auf dich
zukommen. Falls sich das wie eine Verdrängungstaktik anhör-
te, so war es ihr egal. Die einzige Möglichkeit, mit dieser Ka-
tastrophe umzugehen, war, die Probleme eines nach dem an-
deren anzugehen. Alles andere wäre zu überwältigend.
Sie zuckte zusammen, als das Telefon klingelte. So langsam
hatte sie die Nase voll von dieser Nervosität, deshalb ging sie
mit zügigen Schritten zum Telefon und hob den Hörer ab.
„Hamilton?“
„Victoria, meine Liebe, bist du das?“
Die Stimme klang abgehackt, als steckte ein Handy im Funk-
loch. Trotzdem war sie ziemlich sicher, dass es sich um den
Anwalt ihres Vaters handelte. „Robert? Ich kann dich kaum
verstehen!“
„Oh, einen Moment.“ Es rauschte vernehmlich. Plötzlich hör-
te sie seine Stimme laut und deutlich. „So, ist das besser?“
„Viel besser.“
„Hör zu, ich rufe an, um unser Treffen mit Semper Fi abzusa-
gen. Ich muss bei Gericht erscheinen. Tut mir leid, Victoria.
Ich habe aber ausführlich mit Mr. Miglionni gesprochen und
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