Table Of ContentZuschriften und Kritik an:
Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag, Lektorat Komplementäre und Integrative Medizin, Karlstraße 45,
80333 München
Titel der Originalausgabe:
Pediatric Acupuncture
ISBN: 0-433-07032-6
Erschienen bei Churchill Livingstone
An Imprint of Elsevier Science Limited
© 2002, Elsevier Science Limited. All rights reserved.
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Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen.
Herausgeber und Autoren dieses Werkes haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass die in diesem Werk
gemachten therapeutischen Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Das entbindet den Nutzer
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Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2007
© Elsevier GmbH, München
Der Urban & Fischer Verlag ist ein Imprint der Elsevier GmbH.
07 08 09 10 11 5 4 3 2 1
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der
engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das
gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und
Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Planung und Lektorat: Christl Kiener, München
Projektmanagement: Petra Münzel-Kaiser, München
Redaktion: Dr. med. Carola Geuzel, München
Übersetzung: Sigrid Kuntz, München
Herstellung: Antje Arnold, München
Register: Dr. Ursula Osterkamp-Baust
Satz: Kösel, Krugzell
Druck und Bindung: Legoprint, Lavis, Italien
Fotos/Zeichnungen: s. Originalausgabe
Umschlaggestaltung: SpieszDesign, Büro für Gestaltung, Neu-Ulm
Titelfotografie: Harcourt
Gedruckt auf 100 g Nopacoat Edition, 1,1-faches Volumen
ISBN-13: 978-3-437-57360-6
ISBN-10: 3-437-57360-8
Aktuelle Informationen finden Sie im Internet unter www.elsevier.de und www.elsevier.com
With love for my daughters
Alyssa and Alexandra
and my aging Mother
Geleitwort
Der Beginn des 21. Jahrhunderts bringt auch für die Schulmedizin eine Reihe von Verän-
derungen mit sich, welche die Gesundheitsfürsorge verbessern und auf ein neues Quali-
tätsniveau heben werden. Es gibt ausgefeilte Technologien, mit denen man durch gezielte
Verhaltenstests überprüfen kann, wie gut das Gehirn arbeitet. Für die unterschiedlichsten
Anwendungsgebiete wurden synthetische Medikamente entwickelt: das Spektrum reicht
vom Offenhalten arterieller Shunts bis zur Optimierung neuronaler Synapsen und der
möglichen Umkehr einer Demenz. Zu diesen Neuerungen gesellt sich allerdings noch eine
Vielzahl medizinischer Ansätze hinzu, deren Ursprünge Jahrtausende zurückliegen und
die als „ganzheitliche, alternative oder komplementäre Medizin, Natur- oder Pflanzenheil-
kunde“ wieder an Bedeutung gewinnen. Viele derartige Therapien werden a) von Pati-
enten in den USA und anderen Ländern zunehmend genutzt, b) von den Versicherungs-
gesellschaften anerkannt und erstattet, und c) weltweit viel von Politikern erörtert, die sich
um eine optimale Gesundheitsfürsorge für ihre Wähler bemühen. Der Gegenstand dieses
Buches, die medizinische Akupunktur, ist ein solches Therapieverfahren. Die Patienten,
um die es in diesem Buch geht, sind die Kinder. Dieser pädiatrische Ansatz bietet eine ein-
zigartige Gelegenheit, medizinische Methoden, die eine ausgewogenere, gründlichere und
potenziell wirksamere Behandlung ermöglichen, auf klinischer und – was noch wichtiger
ist – integrativer Ebene besser kennen zu lernen.
Im Laufe ihrer Geschichte wurde die Akupunktur bereits bei zahlreichen Erkranku ngen
angewandt. Bis vor kurzem ging es nicht primär darum, zu verstehen, wie oder warum sie
wirkt; entscheidend war vielmehr, dass sie dem Patienten half. Mit dem Aufkommen der
modernen Medizin und ihrer Forderung nach wissenschaftlich fundierten Aussagen muss
man nun für alle Therapien, ob konventionelle oder nicht konventionelle, genau beweisen,
dass sie auch das leisten, was sie versprechen, und darf gleichzeitig die Frage nach den Kos-
ten und der Sicherheit nicht aus den Augen verlieren. Obwohl kaum vorstellbar war, wie es
mit dem westlichen medizinischen Denken in Einklang zu bringen sein könnte, dass man
eine Nadel in die Haut einsticht und dabei eine energetische Kraft, das so genannte „Qi“,
aktiviert und reguliert, um Funktionsstörungen im Körper zu beseitigen, hat sich in der
neueren vorklinischen Forschung gezeigt, dass diese Stimulation tatsächlich bestimmte
Signalwege und Hirnzentren aktiviert, die wiederum mit dem autonomen und dem peri-
pheren Nervensystem verbunden sind – Bereiche, die mit vielen Körperfunktionen eng
verknüpft sind und unmittelbaren Einfluss auf sie ausüben. Daher ist Akupunktur mehr
als nur eine Volksmedizin oder ein Plazebo. Ihre Wirksamkeit, insbesondere zur Behand-
lung bestimmter krankhafter Störungen wie Übelkeit und Schmerzen, wurde auf etlichen
Konferenzen der NIH (National Institutes of Health) von hochangesehenen Wissenschaft-
lern bestätigt. Dennoch wird ein Punkt stets strittig bleiben: während die westlichen Wis-
senschaftlern für jedes Verfahren klinische Versuche mit einer großen Anzahl an Patienten
fordern, legen die Ärzte im Osten vor allem Wert darauf, die Behandlung auf den Einzel-
nen zuzuschneiden. Beide Gruppen müssen einander zuhören und voneinander lernen.
Geleitwort
Medizinische Lehrpläne wie die an der University of Arizona vermitteln inzwischen viele
Integrationsprinzipien, die in diesem Buch besprochen werden. Die konventionelle Me-
dizin hat erkannt, dass eine Angleichung nicht ausreicht. Da sich die w issenschaftlichen
Anhaltspunkte dafür mehren, dass sich Akupunktur wie andere „alternative oder kom-
plementäre“ Techniken als medizinisch sinnvoll und sicher erweist, fordert man nun
von allopathischen Ärzten und Medizinern, dass sie deren grundlegende Prinzipien ver-
stehen – und sei es nur aus dem einen Grund, ihre Patienten vernünftig beraten und über-
weisen zu können. Heutzutage achten die Menschen sehr viel mehr auf ihre Gesundheit
und h aben so hohe Erwartungen an ihre Ärzte und Behandler, dass man alle verfügbaren
Möglichkeiten nutzen sollte, um ihnen eine gute und umfassende Gesundheitsfürsorge
an gedeihen zu lassen. Neben der fachlichen Kompetenz besteht ein weiteres wichtiges Ziel
darin, mithilfe einer ethnisch orientierten Medizin den Patienten eine mehr an ihren
F orderungen und Bedürfnissen ausgerichtete Medizin zu bieten.
Vor diesem Hintergrund hält das Buch „Akupunktur bei Kindern“ von May Loo, MD,
genau die richtige Balance in der Darstellung der konventionellen und der chinesischen
Medizin. Alle Kapitel sind gut ge gliedert und leicht verständlich. Besonders wichtig ist
Kapitel 7 über „Methoden und Vorgehen bei der Akupunkturbehandlung von Kindern,“
das detaillierte Informationen über Akupunkturnadeln und verwandte Techniken wie die
Anwendung elektrischer Stimulatoren, Magnete und Laser sowie die aktuelle Stellung-
nahme der Food and Drug Administration hierzu enthält. Der Abschnitt über diätetische
Maßnahmen beschreibt ebenfalls aus der Sicht zweier verschiedener Kulturen prägnant
die Rolle der Ernährung als entscheidendes Bindeglied zwischen Gesundheit und Präven-
tion. Dem aufmerksamen Leser wird bald klar sein, dass er viel von dem hier vorgestellten
Material zur Integration beider medizinischer Ansätze in der eigenen Praxis benutzen
kann. Im gesamten Buch werden die entscheidenden Unterschiede zwischen der westli-
chen und chinesischen Medizin herausgearbeitet und deutlich gemacht, wie man damit im
Gesamtzusammenhang von Untersuchung – Diagnostik – Behandlung umgehen sollte. In
den gut ge gliederten Tabellen und Abbildungen werden Informationen verdeutlicht und
Zielorgane und Akupunkturpunkte so verbunden, dass der Leser auch komplizierte Zu-
sammenhänge einprägsam vor Augen hat.
Wer ist – mit Rudyard Kipling – der Ansicht: „Osten ist Osten und Westen ist Westen – und
niemals werden beide zusammenkommen?“ Das vorliegende Buch vertritt in dieser Frage
eindeutig eine andere Position. Schulmedizin und chinesische Medizin können und sollten,
wenn es klinisch notwendig ist, die jeweiligen Stärken des anderen nutzen. Die Akupunktur
ließe sich beispielsweise in die allopathische Medizin integrieren. Auf diese Weise könnte
man die Einnahme von Medikamenten verringern (um bei bestimmten Patienten uner-
wünschte Nebenwirkungen zu vermeiden oder zu reduzieren) oder sie allmählich auslaufen
lassen und die Behandlung stattdessen durch eine Akupunktur ersetzen, die genauso wirk-
sam, preiswert und sicher ist. Bei manchen Patienten könnte man die Akupunktur auch
gleich einfach zur angemessenen Standardbehandlung machen. Das Ziel bleibt auch in der
Zukunft, mit der Behandlung einen größtmöglichen Nutzen zu erzielen.
Geleitwort
Jeder engagierte Arzt oder im Gesundheitswesen Tätige, der an einer möglichst guten und
umfassenden Behandlung für seine Patienten interessiert ist, sollte in seiner Bibliothek das
Buch „Akupunktur bei Kindern“ stehen haben und nutzen. Es ist für die medizinische
Praxis eine ebenso wichtige Ergänzung wie für Studenten, um ein gleichzeitig neues und
altes, aber in jedem Fall wichtiges Element der Gesundheitsf ürsorge kennen zu lernen: die
integrative Medizin. Ich kann das Buch nicht nur für diesen Zweck sehr empfehlen.
John Spencer
Danksagungen
Mein Dank gilt meinen zahlreichen Lehrern in Ost und West, die mir ihr Wissen und ihre
Weisheit vermittelt haben, ferner Gail Wright und Inta Ozols für ihre Geduld und ihre
Unterstützung, meiner Schwester Margaret für ihre Hilfe bei den unzähligen Literaturhin-
weisen. Ich danke meiner Familie für ihre Liebe, die mich beim Schreiben des Manuskripts
unterstützt hat.
Geleitwort
Jeder engagierte Arzt oder im Gesundheitswesen Tätige, der an einer möglichst guten und
umfassenden Behandlung für seine Patienten interessiert ist, sollte in seiner Bibliothek das
Buch „Akupunktur bei Kindern“ stehen haben und nutzen. Es ist für die medizinische
Praxis eine ebenso wichtige Ergänzung wie für Studenten, um ein gleichzeitig neues und
altes, aber in jedem Fall wichtiges Element der Gesundheitsf ürsorge kennen zu lernen: die
integrative Medizin. Ich kann das Buch nicht nur für diesen Zweck sehr empfehlen.
John Spencer
Danksagungen
Mein Dank gilt meinen zahlreichen Lehrern in Ost und West, die mir ihr Wissen und ihre
Weisheit vermittelt haben, ferner Gail Wright und Inta Ozols für ihre Geduld und ihre
Unterstützung, meiner Schwester Margaret für ihre Hilfe bei den unzähligen Literaturhin-
weisen. Ich danke meiner Familie für ihre Liebe, die mich beim Schreiben des Manuskripts
unterstützt hat.
1
Einführung
Schau – und es ist nicht zu sehen.
Horch – und es ist nicht zu hören.
Greif – und es ist nicht zu fassen.
Oben – ist es nicht hell.
Unten – ist es nicht dunkel.
Saum- und nahtlos, unnennbar,
Kehrt es ins Reich des Nichts zurück.
Form, die alle Formen in sich schließt,
Bild ohne Bilder,
Subtil, jenseits aller Begriffe.
Nähere dich ihm – und da ist kein Anfang;
Folge ihm – und da ist kein Ende.
Du kannst es nicht kennen, aber es ist sein.
Lebe gelassen dein Leben,
erkenne nur klar, wo du herkommst:
das ist die Essenz der Weisheit.
(zitiert nach Laotse, Tao Te King.
Eine zeitgemäße Version für westliche Leser.
Wilhelm Goldmann Verlag, 2003)
Die chinesische Kinderheilkunde ist eine alte Heilkunst, die bereits im ersten Jahrhundert
vor Christus im „Inneren Klassiker des Gelben Kaisers“ (Huang Di Nei Jing) erwähnt
wurde. Die Wurzeln der westlichen Kinderheilkunde liegen zwar in den Schriften von Pla-
ton und Aristoteles, doch erst im 20. Jahrhundert wurde die Pädiatrie ein bedeutendes
medizinisches Fachgebiet. In China folgt man bei der Behandlung von Kindern immer
noch den Lehren der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), die auf dem daoisti-
schen Bild vom Menschen beruht; demnach ist der Mensch ein Geschöpf der Natur, das
den Naturgesetzen unterliegt. Das Kind ist wie der Erwachsene eine individuelle Gesamt-
persönlichkeit, die aus energetischen, physikalischen, emotionalen und spirituellen Enti-
täten besteht. Viele dieser Entitäten haben keine feste Form und man kann sie selbst mit
den besten technischen Mitteln weder sichtbar noch hörbar machen. Die westliche Kin-
derheilkunde hat zusammen mit der westlichen Medizin phänomenale wissenschaftliche
Fortschritte gemacht und es hat viele wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Anatomie und
Biochemie von Kindern gegeben. Dadurch ist der Blick auf das Kind immer mehr einge-
engt worden und es sind über ein Dutzend Spezialgebiete der Pädiatrie entstanden, die
sich jeweils einem Aspekt des kindlichen Körpers widmen.
1
1 Einführung
Das vorliegende Buch basiert auf meiner über 25-jährigen Erfahrung im Umgang mit
Kindern. Aufgrund meiner Ausbildung als westliche Kinderärztin und chinesische Ärztin
konnte ich die immensen Vorteile erkennen, die beide medizinischen Schulen jeweils zu
bieten haben. Zwar besitzt keine der beiden Schulen ein vollständiges Bild vom Kind, doch
ihre Ansätze ergänzen sich. Das Buch soll das Wissen und die moderne Technologie des
Westens mit der Weisheit des alten China vereinen und damit ein umfassenderes Verständ-
nis der Krankheiten von Kindern ermöglichen. Aktuelle wissenschaftlich fundierte
Befunde werden vor dem Hintergrund alter Denkansätze interpretiert. Da ich mich als
Post-Doc vor allem mit Entwicklungsfragen in der Kinderheilkunde beschäftigt habe, habe
ich außerdem noch eine eigene Theorie der kindlichen Entwicklung aufgestellt, in der die
Lehren von Freud und Piaget mit der Lehre von den Fünf Elementen verschmolzen wer-
den.
Dieses Buch ist für den praktizierenden Kinderarzt geschrieben, der entweder in TCM
oder in westlicher Kinderheilkunde oder in beidem ausgebildet ist. Der chinesische Aku-
punkteur kann von den westlichen Fachkenntnissen profitieren, die ihm das Buch vermit-
telt. Der westliche Pädiater hat die Möglichkeit, das Kind einmal aus einer anderen Per-
spektive zu betrachten, vor allem im Hinblick auf Krankheitszustände, die der westlichen
Wissenschaft noch ein Rätsel sind. Dem medizinischen Akupunkteur wird erstmals die
Integration zweier bedeutender Schulen der Kinderheilkunde vor Augen geführt. Um den
verschiedenen Ausgangspositionen der Leser gerecht zu werden, gibt es einen Überblick
über die Grundlagen der Physiologie und Pathophysiologie sowohl der westlichen als auch
der chinesischen Kinderheilkunde. Da ich außerdem in meinen Unterrichtsstunden für
Ärzte und Therapeuten aus allen Teilen des Landes gelernt habe, dass viele grundlegende
Theorien der chinesischen Medizin für den westlichen, an der Wissenschaft orientierten
Verstand schwierig zu begreifen sind, sind einige Kapitel möglichst einfach, leicht
v erständlich und anschaulich geschrieben; gelegentlich werden auch einfache Metaphern
verwendet, um wichtige Begriffe zu veranschaulichen. Da in West und Ost die gleichen
Begriffe für verschiedene Organe benutzt werden, werden die chinesischen Organe in
Großbuchstaben geschrieben, um den Leser nicht zu verwirren. Im Anhang findet man
Abbildungen der Meridianverläufe. Ich möchte dem Leser die Lektüre weiterer grund-
legender Lehrbücher empfehlen, damit er mehr Hintergrundinformationen erhält und
mehr darüber erfährt, wie und wo Akupunkturpunkte zu finden sind.
Indem wir gemäß dem Tao Te King „dem alten Dao folgen, uns weiterbewegen mit dem
Gegenwärtigen“, erweitern wir unser pädiatrisches Wissen und ermöglichen es, gesündere
und glücklichere Kinder aufzuziehen.
Die Hintergrundinformationen aus diesem Buch zur chinesischen Medizin bestehen zum
einen aus Material aus der Zeit, in der die Autorin ausgebildet wurde, sowie aus Material,
das sie ihren eigenen Erfahrungen zu verdanken hat, und zum anderen aus Texten und
Literaturhinweisen zur allgemeinen und chinesischen Medizin, die in der Bibliographie im
Anschluss an Kapitel 10 aufgeführt sind.
2
2
Die Geschichte der Kinderheilkunde
in Ost und West
Die Behandlung von Kindern hat sich sowohl in der chinesischen als auch in der west-
lichen Medizin immer wieder verändert. Die Ursprünge der chinesischen Kinderheilkunde
liegen zwar etliche Jahrtausende zurück, doch haben sich in all diesen Jahren viele der
grundlegenden Prinzipien erhalten. Im Gegensatz dazu ist die westliche Pädiatrie ein rela-
tiv neuer Fachbereich, der aber rasch sehr komplex wurde und sich in zahlreiche Spezialge-
biete aufgegliedert hat.
Im „Inneren Klassiker des Gelben Kaisers“ (Huang Di Nei Jing)1, dem klassischen Aku-
punkturlehrbuch aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., wurde Tui Na, eine Massage für Kinder,
erwähnt. Bis zur Han-Dynastie gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr., als medizinische
Lehrbücher erstmals eigene Kapitel zur Behandlung von Kindern enthielten, wurden
K inder jedoch allgemein als Erwachsene betrachtet. Im 12. Jahrhundert zur Zeit der Song-
Dynastie (1031 – 1113 n. Chr.) schrieb der berühmte Kinderspezialist Qian Yi das erste
Lehrbuch der Kinderheilkunde, das Kinder als eigene Wesen mit charakteristischer Phy-
siologie, Pathophysiologie und Erkrankungen beschrieb, die eine andere Diagnostik und
Behandlung als Erwachsene erfordern.
In der Ming-Dynastie vom 14. bis zum 17. Jahrhundert erlebte die Kinderheilkunde eine
Blütezeit, in der spezielle Rezepturen mit pflanzlichen Arzneien und Akupunkturbehand-
lungsprotokolle für Kinder aufgestellt und Präventivmaßnahmen eingeführt wurden. 1534
beschrieb Wang Luan in seinem umfassenden Werk You Ke Lei Cui (Eine Sammlung kin-
derheilkundlicher Fälle) das Verhalten des Pulses, die Behandlungsprinzipien, Akupunk-
turprotokolle und Rezepturen für ausgewählte Erkrankungen im Kindesalter. Der hoch-
angesehene kaiserliche Arzt Xue Liang-Wu verfasste 1556 das Buch Bao Ying Cuo Yao (Die
wichtigsten Punkte, die bei der Pflege und dem Schutz von Kleinkindern zu beachten
sind), in dem er besonders hervorhob, wie wichtig es ist, die Dosierung der Arzneirezep-
turen auf das Alter und die Größe des Kindes abzustimmen. Wan Mi-zhai, einer der
berühmtesten Kinderärzte der Ming-Dynastie, führte präventive Maßnahmen in die
K inderheilkunde ein. So sollte man das Kind beispielsweise in die Sonne und an die frische
Luft bringen, es vor Angst und Schrecken schützen und eine Überfütterung ebenso
v ermeiden wie eine zu stark dosierte Medikation.
Während der letzten Dynastie, der Qing-Dynastie 1644 – 1911, wurden viele berühmte
Lehrbücher der Kinderheilkunde geschrieben. Einige von ihnen werden auch heute noch
als Nachschlagewerke verwendet: You Ke Liang Fang (Die besten Rezepturen für die Kin-
derheilkunde) sowie Dou Zhen Liang Fang (Die besten Rezepturen gegen Pocken und
Hautausschläge).
3
2 Die Geschichte der Kinderheilkunde in Ost und West
Im 20. Jahrhundert entstanden Hunderte von Lehrbüchern zur Kinderheilkunde; außer-
dem wurden in den TCM-Krankenhäusern pädiatrische Abteilungen eingerichtet. 1999
und 2000 wurde ich eingeladen, am Xinhua-Hospital in Shanghai und der Universitäts-
klinik in Peking Vorlesungen zu geben. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, weitere TCM-
Kinderkliniken und Krankenhausstationen zu besuchen. Ich war beeindruckt, wie sehr
sich die alten diagnostischen Prinzipien zur Untersuchung von Kindern erhalten hatten.
So untersuchte man beispielsweise die Vene auf dem Zeigefinger, um Rückschlüsse auf die
Schwere der Erkrankung zu ziehen. Ich hörte jedoch auch von neueren Behandlungs-
methoden für Kinder und war besonders erfreut darüber, dass man sich bemühte, westli-
che Kinderheilkunde mit chinesischer zu verbinden. Einige Kinder im Krankenhaus beka-
men neben Akupunktur und chinesischen Arzneien auch eine westliche Behandlung; sie
erhielten beispielsweise intravenös Antibiotika. Bei der präventiven Kinderheilkunde folgt
man der altbewährten Regel „Winter Krankheit, Sommer Heilung“, der zufolge saisonbe-
dingte Erkrankungen wie etwa Asthma im Sommer behandelt werden sollten, bevor die
Jahreszeiten beginnen, in der normalerweise die Symptome auftreten. In China und vielen
asiatischen Ländern wird die Akupunktur gegen ein breites Spektrum an Kinderkrank-
heiten eingesetzt, das von leichten Atembeschwerden bis zu neurologischen Störungen wie
einer zerebraler Kinderlähmung und Autismus reicht. Die pädiatrische Akupunktur setzt
sich allerdings erst allmählich in Europa und den USA durch.
Die westliche Kinderheilkunde dominiert dagegen überall auf der Welt, auch wenn sie im
Vergleich zur chinesischen Pädiatrie nur eine sehr kurze Geschichte aufzuweisen hat. Wäh-
rend man in der chinesischen Medizin schon 200 v. Chr. damit begonnen hat, Kinder als
eigenständige Geschöpfe zu betrachten, die sich von Erwachsenen unterscheiden, hielt die
westliche Medizin das Kind noch bis in die 1920er Jahre hinein für einen Homunkulus,
einen kleinen Erwachsenen. 1934 wurde die Pädiatrie ein eigenes Fachgebiet, das sich
seitdem in rasantem Tempo entwickelt hat. In den letzten drei Jahrzehnten sind über ein
Dutzend Spezialgebiete wie die pädiatrische Nephrologie (1974), die Neonatologie und
Perinatalmedizin (1975), die pädiatrische Hämatologie und Onkologie (1974) sowie die
pädiatrische Gastroenterologie (1990) hinzugekommen.2 Die Präventivmedizin bleibt die
tragende Säule der allgemeinen Kinderheilkunde: das gesunde Kind wird vor allem in den
ersten beiden Lebensjahren regelmäßig zu festen Terminen dem Arzt vorgestellt. Bei diesen
Vorsorgeuntersuchungen und körperlichen Untersuchungen überprüft der Kinderarzt vor
allem die Ernährung, das Wachstum und die Entwicklungsschritte, führt Routine- und
Laboruntersuchungen durch und impft. Aufgrund des technischen und medizinischen
Fortschritts können angeborene und ererbte Erkrankungen wie das Down-Syndrom oder
eine Hypothyreose bereits vor oder kurz nach der Geburt diagnostiziert werden, können
winzige Frühchen von nur einigen hundert Gramm überleben und die Patienten bei
E rkrankungen, die von zystischer Fibrose bis zu Krebs im Kindesalter reichen, länger
leben. In der alltäglichen Praxis hat es der Kinderarzt vor allem mit der Behandlung viraler
Erkrankungen, bakterieller Infektionen und verschiedener Hautausschläge zu tun. Ob-
wohl es spezielle Medikationen für Kinder gibt, bei denen die Dosis entsprechend dem
Alter und Körpergewicht zunimmt, bietet das Gros der Medikamente nur sehr wenig
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