Table Of ContentJuli 2015
Diskurs
Expertisen und Dokumentationen 
zur Wirtschafts- und Sozialpolitik
 
Befähigen statt aktivieren
Aktueller Reformbedarf 
bei Zielsetzung und 
Aufgabenstellung im SGB II
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I
II
Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und 
Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung
Befähigen statt aktivieren
Aktueller Reformbedarf 
bei Zielsetzung und 
Aufgabenstellung im SGB II
Claus Reis
Benedikt Siebenhaar
WISO
Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung
Inhaltsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis  4
Vorbemerkung  5
1.  Einleitung   6
2.  Aktivierungsparadigma oder Befähigungsansatz – konzeptionelle Grundlagen 
  der Erbringung von Dienstleistungen im SGB II  8
  2.1  Das SGB II – ein hybrides Gesetz  8
  2.2  „Aktivierung“ – und ihre Grenzen  11
  2.3  Der Befähigungsansatz – eine erweiterte Perspektive  15
  2.4  Zwischenergebnis  18
3  Rechtliche Rahmenbedingungen für erweiterte Perspektiven in der 
  Grundsicherung für Arbeitsuchende  20
  3.1  Menschenwürde und Autonomie als Aufgabe und Ziel der Grundsicherung 
    für Arbeitsuchende  20
  3.2  Der Grundsatz des Forderns und Förderns  26
  3.3  Leistungsgrundsätze  27
  3.4  Leistungsformen  29
  3.5  Zwischenergebnis  30
4  Arbeitsmarktdienstleistungen heute – Anspruch und Wirklichkeit  32
  4.1  Das Konzept „Dienstleistungsproduktion“  32
  4.2  Fallmanagement – die „moderne Dienstleistung“  35
  4.3  Gesetzliche Vorgaben zur Umsetzung der Eingliederungsleistungen  38
    4.3.1 Der Grundsatz des Förderns  38
    4.3.2 Fallmanagement, persönliche Ansprechpersonen und 
      Eingliederungsvereinbarung  39
    4.3.3 Rechtliche Rahmenbedingungen von Kooperationsstrukturen  43
    4.3.4 „Schnittstellenproblematik“ und Zielsetzung des SGB II  46
Diese Expertise wird von der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedr ich-Ebert-Stiftung 
veröffentlicht. Die Ausführungen und Schlussfolgerungen sind von den Autoren in eigener 
Verantwortung vorgenommen worden.
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durch die FES nicht gestattet.
WISO
Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs
  4.4  Die Realität des Fallmanagements  50
    4.4.1 Die Handlungsebene 
      Interaktion zwischen Fachkräften und Leistungsberechtigten  50
    4.4.2 Institutionelle Zwänge managerialer Steuerung im Bereich der 
      Beschäftigungsförderung  58
    4.4.3 Kooperation – notwendig, aber auch realistisch?  62
  4.5  Zwischenergebnis  63
5.  Fallmanagement und ausgebaute Kooperationsstrukturen
  Neuorientierungen und Bedingungen für eine Politik der Befähigung  67
  5.1  Professionelle Anforderungen an Fallmanagement  68
    5.1.1 Einstiegsberatung  69
    5.1.2 Assessment/Profiling  69
    5.1.3 Zielvereinbarung und Hilfeplanung  70
    5.1.4 Leistungssteuerung  71
  5.2  Anforderungen an die Ausgestaltung von Organisationsstrukturen und 
    Kooperationsbeziehungen  71
    5.2.1 Die Neugestaltung des Steuerungssystems  72
    5.2.2 Gestaltung von neuen Kooperationsstrukturen  75
      5.2.2.1 Kooperation unter Professionellen  75
      5.2.2.2 Die Definition organisationsübergreifender Leistungsprozesse  76
  5.3  Zwischenergebnis  77
6.  Ergebnisse und Empfehlungen zur Weiterentwicklung des SGB II  80
  6.1  Handlungsbedarf  81
  6.2  Weiterentwicklungsbedarf im SGB II  83
7.  Literatur- und Quellenverzeichnis  86
Die Autoren    99
3
WISO
Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildung 1:  Übergangswahrscheinlichkeit aus Arbeitslosigkeit in Arbeit  15
Tabelle 1:  Erfolgsdimensionen des Fallmanagements und erste Operationalisierungen – 
  Zugänge zu Ressourcen  73
Tabelle 2:  Erfolgsdimensionen und erste Operationalisierungen des Fallmanagements – 
  Teilnahmeergebnisse  74
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WISO
Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs
Vorbemerkung
Zehn  Jahre  nach  den  weitreichenden  Arbeits- tigung fördern und gesellschaftliche Teilhabechan-
marktreformen hält die Debatte über ihre Ziele  cen verbessern. Zwar werden die Leistungsempfän-
und  Wirkungen  an.  Die  Einschätzungen  sind  ger_innen  heute  als  „Kund_innen“  bezeichnet, 
nach wie vor kontrovers. Unstrittig ist, dass die  entsprechend weitgehende Rechte und Mitspra-
Arbeitslosigkeit seit 2005 deutlich zurückgegan- chemöglichkeiten z. B. beim Abschluss von Einglie-
gen ist – strittig bleibt, welcher Anteil dabei den  derungsvereinbarungen lassen sich daraus jedoch 
Reformen zugeschrieben werden kann. Gleich- nicht ableiten. Auch beim Fallmanagement, das 
wohl steht die Arbeitsmarktpolitik weiterhin vor  die Einzelnen in den Mittelpunkt rücken muss und 
vielen Herausforderungen. Allen voran: die Be- sich an deren individueller Lebenssituation und den 
kämpfung  der  Langzeitarbeitslosigkeit,  die  auf  jeweiligen Bedarfen auszurichten hat, bleibt die 
hohem Niveau verharrt, und die Marginalisie- Praxis hinter den formulierten Ansprüchen zurück. 
rungs- und Spaltungstendenzen am Arbeitsmarkt. Wir danken den Autoren für die Erstellung 
Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat die Entwick- der Studie. Sie zeigt nicht nur Widersprüche und 
lungen und die bisherigen Reformen in Veran- Beschränkungen auf, sondern weist mit dem Be-
staltungen und mit Expertisen kritisch begleitet  fähigungsansatz den Weg für eine Neuorientie-
und versucht, im Dialog mit Expert_innen eine  rung in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die 
konstruktive und zukunftsweisende Diskussion  Vorschläge  verbleiben  nicht  auf  der  Ebene  der  
anzustoßen. Dabei geht es nicht allein um inno- Optimierung von Instrumenten und Prozessen, 
vative arbeitsmarktpolitische Instrumente, son- sondern zielen auf eine grundlegende Neuausrich-
dern auch um weitreichende Reformkonzepte –  tung. Handlungsbedarf sehen die Autoren sowohl 
wie z. B. die Arbeitsversicherung. auf der gesetzlichen, vor allem aber auf der institu-
Die vorliegende Expertise greift diesen Faden  tionellen Ebene und im Bereich der Zielsteuerung. 
auf: Professor Claus Reis, Professor für Sozialar- Zehn Jahre nach der Arbeitsmarktreform ist 
beit am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesund- aus unserer Sicht eine grundlegende Debatte über 
heit der Frankfurt University of Applied Sciences,  die zukünftige Gestaltung der Sozial- und Arbeits-
und Benedikt Siebenhaar, ehemaliger Gruppen- marktpolitik geboten. Im Fokus sollte dabei ste-
leiter im Ministerium für Arbeit, Integration und  hen, hilfebedürftige Menschen im Umgang mit 
Soziales (MAIS) des Landes Nordrhein-Westfalen,  persönlichen Problemlagen und sozialen Heraus-
legen  eine  umfassende  sozialwissenschaftliche  forderungen zu fördern und sie beim Zugang zu 
und rechtliche Analyse des SGB II vor und be- einer guten Arbeit zu unterstützen. Dass Arbeit/
nennen  Reformbedarf  sowie  Handlungsoptio- Erwerbsarbeit für gesellschaftliche Teilhabe eine 
nen. Im Zentrum der Studie steht die kritische  wichtige Rolle spielt, ist für uns evident. Dass  
Auseinandersetzung mit dem Aktivierungspara- dies nicht immer der erste Schritt sein kann und 
digma, dem Leitbild der Arbeitsmarktpolitik des  allein nicht ausreicht, ist unabweisbar.
letzten Jahrzehnts. Die damit verbundenen An- Wir würden uns freuen, wenn die Expertise 
nahmen und Praktiken prägen nicht allein das  für die Weiterentwicklung der Sozial- und Arbeits-
institutionelle Setting, die Ausgestaltung der ma- marktpolitik neue Impulse und Anregungen bietet 
teriellen Leistungen und den Einsatz der Instru- und wünschen eine anregende und interessante 
mente, sondern auch die „Haltung“ gegenüber  Lektüre.
Leistungsempfänger_innen und die Erbringung 
der Arbeitsmarktdienstleistungen. „Moderne Ar- Ruth Brandherm
beitsmarktdienstleistungen“  –  Kernbereich  der  Leiterin des Gesprächskreises  
Ref ormen, sollten die Eingliederung in Beschäf- Arbeit und Qualifizierung
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WISO
Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung
1. Einleitung
Das SGB II, das Vierte Gesetz für moderne Dienst- seiner Grundkonstruktion „hybrid“ und es ist 
leistungen am Arbeitsmarkt, geht wesentlich auf  notwendig,  politisch  und  gesellschaftlich  eine 
die  Empfehlungen  der  Kommission  „Moderne  Klärung  der  Zielorientierung  herbeizuführen. 
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ und der Kom- Dies bedeutet, dass die Perspektive des gesetzli-
mission zur Reform der Gemeindefinanzen im  chen  Auftrags,  Menschenwürde  und  Teilhabe 
Rahmen des Zukunftsprogramms „Agenda 2010“   sicherzustellen, in doppelter Hinsicht präzisiert 
zurück. Bereits der Auftrag der Bundesregierung  wird: Zum einen werden die rechtlichen Voraus-
vom  22.2.2002  an  die  Kommission  „Moderne  setzungen hierfür aufgezeigt, zum anderen auf 
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ enthielt u. a.  der  Handlungsebene  die  Bedingungen  für  die 
folgende Festlegungen: Umsetzung des Auftrags benannt.
„Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung  Der  vorliegende  Text  versucht,  ausgehend 
orientiert sich am Grundsatz Fordern und För- von den Widersprüchlichkeiten des „Aktivierungs-
dern. Dies erfordert ein intensives Eingehen auf die  paradigmas“ (vgl. 2.2), über den Befähigungsan-
individuellen Potenziale und Probleme der Arbeit- satz eine neue konzeptionelle Basis für „moderne 
suchenden und die konkreten Bedürfnisse der Un- Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ zu formulie-
ternehmen“  (Kommission  „Moderne  Dienstleis- ren  (vgl.  2.3).  Diese  müssten  weniger  auf  die 
tungen am Arbeitsmarkt“ 2002: 12).  „Aktivierung“ von Langzeitarbeitslosen als viel-
Zur Zusammenlegung von Arbeitslosen- und  mehr auf deren Befähigung zur Wahrnehmung 
Sozialhilfe sollte die Kommission Organisations- von gesellschaftlichen Teilhabechancen zielen.
modelle  vorlegen,  „die  eine  wirksame  Zusam- Das dritte Kapitel beschäftigt sich ausführ-
menführung  in  den  Strukturen  moderner  Ar- lich mit der rechtlichen Grundkonstruktion des 
beitsmarktdienstleister  ermöglichen.  Dabei  ist  SGB II und insbesondere den Auswirkungen des  
anzustreben, dass für den arbeitsuchenden Men- § 1 SGB II auf die Eingliederungsleistungen.
schen  die  erforderlichen  Beratungs-,  Vermitt- Vor diesem Hintergrund werden Erbringungs-
lungs- und Arbeitsförderungsleistungen sowie die  verhältnis und Erbringungskontext bei der „Pro-
Leistungen zur Sicherstellung des Lebensunter- duktion  von  Dienstleistungen“  daraufhin  über-
haltes im Rahmen eines ‚one-stop-center‘ gebün- prüft, ob und wo „Stellschrauben“ für die Erfül-
delt  erbracht  werden“  (Kommission  „Moderne  lung  des  gesetzlichen  Auftrags  zu  finden  sein 
Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ 2002: 16). könnten (vgl. 4.1).
Die Kommission und auch das in der Folge  Die Überprüfung bezieht sich dann auf das 
verabschiedete Gesetz verfolgte eine strategische  Kernstück der „modernen Dienstleistungen“, das 
Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik – in den  „Fallmanagement“. Der Gesetzgeber hat es be-
Vordergrund rückten Dienstleistungen, die Eigen- wusst unterlassen, diesen Begriff in den Gesetzes-
aktivität fördern, aber auch Unterstützung in kom- text aufzunehmen, er findet sich nur in der Re-
plexen  Lebenssituationen  bieten  sollten.  Das   gierungsbegründung (vgl. BT-Drs. 15/1516: 64). 
SGB II steht in einer fürsorgerechtlichen Tradi- Dennoch wird das Fallmanagement als Konzep-
tion und zielt gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt  tion  und  Praxis  immer  wieder  angesprochen, 
als eine zentrale Instanz gesellschaftlicher Inte- wenn es um die Bearbeitung von Problemlagen 
gration, aber auch sozialen Ausschlusses. Wie in  geht, die nicht unmittelbar auf den Arbeitsmarkt 
Abschnitt 2.1 gezeigt wird, ist das Gesetz somit in  bezogen  sind  (Schulden,  Suchterkrankungen, 
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WISO
Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs
psychische Erkrankungen, Kinderbetreuung etc.).  ner Organisation geändert werden müsste, um 
Und es steht als Instrument auch im Zentrum der  den Vorgaben des § 1 SGB II besser gerecht wer-
Realisierung des „Aktivierungsparadigmas“, das  den zu können, als dies nach vorliegenden empi-
auf „individuell zugeschnittene“ Angebote setzt.  rischen Erkenntnissen aktuell der Fall ist.
Deshalb lohnt es sich, die „innere Logik“ seiner  Im Gesamtfazit (vgl. Kapitel 6) werden die 
zentralen Bestandteile, „Beratung“ und „Manage- Ergebnisse verdichtet und Änderungsbedarfe for-
ment“ zu rekonstruieren und auf die Eignung zur  muliert.
praktischen Umsetzung des Befähigungsansatzes  Natürlich zwingt die Konzentration auf das 
hin zu überprüfen (vgl. 4.2). Thema „Moderne Dienstleistungen“ zu Ausblen-
Um  nicht  einem  „Konzeptidealismus“  zu  dungen relevanter Aspekte der komplexen Ge-
verfallen,  wird  die  Handlungsrealität  des  Fall- samtthematik. So wurden wichtige Fragen der 
managements in die Prüfung einbezogen – an- Organisation (z. B. die der Leistungsträgerschaft) 
hand vorliegender deutschsprachiger wie auch  ebenso ausgeblendet wie rechtliche Fragestellun-
internationaler Studien. Die hieraus gewonnenen  gen, die nicht unmittelbar für unsere Ausarbei-
Erkenntnisse werden in Kapitel 5 auf die Frage  tung relevant erschienen.
hin verdichtet, was am Fallmanagement bzw. sei-
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WISO
Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung
2.  Aktivierungsparadigma oder Befähigungsansatz – konzeptionelle  
  Grundlagen der Erbringung von Dienstleistungen im SGB II
einer neuen strategischen Ausrichtung der Ar-
2.1 Das SGB II – ein hybrides Gesetz
beitsmarktpolitik. So stellte die Kommission u. a. 
Das „Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) –  fest:
Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ist Artikel 1  –  „Die neue Leitidee lautet: ‚Eigenaktivität auslö-
des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistun- sen – Sicherheit einlösen!‘ Die Arbeitsförde-
gen am Arbeitsmarkt und trägt seit seiner Ver- rungspolitik wird im Sinne einer aktivierenden 
abschiedung alltagssprachlich die Bezeichnung  Arbeitsmarktpolitik  umgebaut.  Im  Zentrum 
„Hartz IV“, was in mehrerer Hinsicht eine Verkür- steht die eigene Integrationsleistung der Ar-
zung darstellt. beitslosen, die durch das Dienstleistungs- und 
In  dieser  Bezeichnung  kommt  die  Entste- Förderangebot gestützt und abgesichert wird. 
hungsgeschichte des Gesetzes zum Ausdruck. Die  Die angebotenen Dienstleistungen – von der 
internationalen Impulse zu einer grundlegenden  Übernahme einer Zeitarbeit und der Teilnah-
Reform  der  materiellen  Sicherungssysteme  bei  me an einer Weiterqualifizierung bis hin zur 
Arbeitslosigkeit wurden in Deutschland relativ  Annahme einer Beschäftigung – versetzen Ar-
spät, dafür dann aber sehr zügig aufgegriffen. Das  beitslose in die Lage, selbst im Sinne des Inte-
Jahr 2002 markiert dabei einen drastischen Wan- grationszieles tätig zu werden. Im Gegenzug 
del der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Die dama- hilft das integrierte System der Beratung, Be-
lige rot-grüne Bundesregierung setzte eine Exper- treuung und materiellen Absicherung, diese 
tenkommission „Moderne Dienstleistungen am  Handlungsoption zielgerichtet zu nutzen“ (Be-
Arbeitsmarkt“  (nach  ihrem  Vorsitzenden  Peter  richt Kommission „Moderne Dienstleistungen 
Hartz „Hartz-Kommission“ genannt) ein, deren  am Arbeitsmarkt“ 2002: 19).
Aufgabe ursprünglich darin bestand, Vorschläge  –  Wegweisend für die Kommission ist „der Leit-
für eine Binnenreform der Bundesanstalt für Ar- bildwechsel von der aktiven zur aktivierenden 
beit zu unterbreiten. In ihrem Bericht schlug sie  Arbeitsmarktpolitik, der im Einklang mit den 
dann aber eine weitaus breitere Agenda vor, die  beschäftigungspolitischen  Leitlinien  der  EU 
von einer Umbenennung der Bundesanstalt in  steht“ (Bericht Kommission „Moderne Dienst-
„Bundesagentur“ und einer Reform grundlegen- leistungen am Arbeitsmarkt“ 2002: 20).
der Organisationsstrukturen dieser Agentur (Ein- Aus diesen Passagen ergibt sich der Vorschlag oder 
führung von „Jobcentern“) über die Einführung  „Auftrag“ für den Gesetzgeber, die gesetzlichen 
neuer Arbeitsmarktinstrumente (z. B. die „Perso- Rahmenbedingungen zur Entwicklung einer neu-
nalserviceagenturen“) bis hin zur Verschmelzung  en Qualität integrierter und umfassender Dienst-
von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe reichte. Vie- leistungen  für  eine  passgenaue  Unterstützung 
le dieser Vorschläge waren zwar längst in der  und  qualifizierte  Betreuung  im  Einzelfall  zur 
fachöffentlichen  Diskussion,  ihre  Verdichtung  Überwindung von Arbeitslosigkeit unter der Leit-
im Kommissionsbericht und die Ankündigung  idee des aktivierenden Sozialstaates zu schaffen.
der Regierung Schröder, sie eins zu eins umzuset- Diese Vorschläge der Kommission griffen be-
zen, verliehen ihnen aber ein besonders hohes  reits vorhandene Impulse auf und stellten sie in 
politisches Gewicht. den Rahmen einer breiten gesellschaftspolitischen 
Wichtiger als einzelne Vorschläge zu Maß- Diskussion. So hatte bereits im Januar 2002 das 
nahmen oder Instrumenten war die Zuspitzung  „Job-AQTIV-Gesetz“ mit einer Reihe von Neure-
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Description:Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und. Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung. Befähigen statt aktivieren. Aktueller Reformbedarf.