Table Of ContentNico Lüdtke · Hironori Matsuzaki (Hrsg.)
Akteur – Individuum – Subjekt
Nico Lüdtke · Hironori Matsuzaki (Hrsg.)
Akteur –
Individuum –
Subjekt
Fragen zu ‚Personalität‘ und ‚Sozialität‘
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
1. Auflage 2011
Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Lektorat: Katrin Emmerich
VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien.
Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.vs-verlag.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson dere für
Ver vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk
berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im
Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher
von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-17854-7
Inhalt
Vorwort ................................................................................................................................ 9
NicoLüdtke
Einleitung .......................................................................................................................... 11
I Sozialtheoretische Positionen in der Diskussion
Uwe Schimank
So viel zu Akteuren! Ein Minimalkonzept zur Beantwortung
einer Vorfrage soziologischer Erklärungen .................................................................. 23
Andrea Maurer
"Akteure" in soziologischen Erklärungen ................................................................... 45
Martin Endreß
Individualität und Sozialität im Kontext verstehender Soziologie:
Max Weber und Alfred Schütz ...................................................................................... 67
Rainer GreshojJ
Was sind die aktiv-dynamischen Kräfte der Produktion des Sozialen? ................. 83
Wolfgang Ludwig Schneider
Akteure oder Personen/psychische Systeme? .......................................................... 107
Niklas Woermann
"The phenomenon exhibits its staff as a population" -
Die reflexive Akteurskonzeption der Ethnomethodologie ...................................... 117
6 Inhalt
Gregar Bongaerts
Vom Sichtbaren und Unsichtbaren sozialer Akteure -
Überlegungen zum Akteursbegriff im Ralunen
von Bourdieus Theorie der Praxis ............................................................................... 149
WilMartens
Der Akteur: Habitus, Intention und Reflexion .......................................................... 171
Frank Meier
Die Akteure des soziologischen Neo-Institutionalismus ........................................ 199
II Die aktuelle Kontroverse zum Verhältnis von Anthropologie
und Sozialtheorie
Jens Greve
Menschliche Aktorenschaft .......................................................................................... 221
NicoLüdtke
Die konstitutiven Bedingungen von Personalität
und Sozialität - Konzeptuelle Antworten
von George Herbert Mead und Helmuth Plessner ................................................... 239
Henning Laux
Latours Akteure. Ein Beitrag zur Neuvermessung
der Handlungstheorie ................................................................................................... 275
Hironari Matsuzaki
Die Frage nach der "Agency" von Technik
und die Normenvergessenheit der Techniksoziologie ............................................. 301
III Sozialtheoretisch rellektierte Gesellschaftsanalyse -
historische und normative Perspektiven
Gesa Lindemann
Die Akteure der funktional differenzierten Gesellschaft ........................................ 329
Inhalt 7
Gregar Fitzi
Der gesellschaftliche Aufbau der Person
Simmels Beitrag zu einer soziologischen Anthropologie ........................................ 351
Anna He:nkel
Freigestellte Person. Soziologische Reflektion
einer marginalisierten Zurechnungsadresse ............................................................. 369
Sigrid Graumann
Anerkennung und Sorgebeziehungen ........................................................................ 385
Personenregister.. ........................................................................................................... 401
Autorinnen und Autoren .............................................................................................. 409
Vorwort
Im Januar 2010 fand an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg eine Arbeits
tagung mit dem Titel "Akteur - Individuum - Subjekt: Fragen zu ,Personalität' und
,Sozialität'" statt, organisiert von Nico Lüdtke, Hironori Matsuzaki, Rainer Greshoff
und Gesa Lindemann. Die Resonanz war überaus positiv. Die Veranstaltung zeigte,
dass die Initiierung einer allgemeinen Diskussion um Akteur, Individuum, Subjekt
und der damit zusammenhängenden Probleme von Personalität und Sozialität nicht
nur von etablierten FachvertreterInnen begrüßt wird, sondern gerade auch unter
jüngeren SozialwissenschaftierInnen auf ein breites Interesse stößt. Die Beiträge
stellten aktuelle Entwicklungen der sozialtheoretischen Diskussion dar und mach
ten insgesamt deutlich, dass das Themenfeld derzeit besondere Aufmerksamkeit
genießt. Im Vergleich zur Tagung weist die Konzeption des Tagungsbandes eine
Reihe von Erweiterungen auf. Um dem gegenwärtigen Forschungsspektrum mög
lichst Rechnung zu tragen, wurden neben den ausgearbeiteten Vorträgen auch Texte
thematisch einschlägiger AutorInnen zu wichtigen Theoriepositionen aufgenommen,
die auf der Tagung zunächst nicht vertreten waren. In diesem Sinne ist das anvisier
te Ziel des Bandes nicht nur eine systematische Selbstvergewisserung der sozialtheo
retischen Grundlagen einzelner Konzepte, sondern darüber hinaus ein Überblick
über den Stand der Diskussion innerhalb der Disziplin. Außerdem soll der Dialog
zwischen den Generationen weiter befördert werden. Bei der Auswahl der Beiträge
stand deswegen das Bemühen im Vordergrund, ein ausgewogenes Verhältnis zwi
schen renommierten FachvertreterInnen und jüngeren WissenschaftlerInnen zu fin
den. Die Herausgeber hoffen, diesen Ansprüchen mit der vorliegenden Publikation
gerecht geworden zu sein.
In erster Linie möchten wir den AutorInnen für die Zusammenarbeit und ihre
guten Beiträge danken, die diesen Band möglich gemacht haben. Darüber hinaus sei
Gesa Lindemann und Rainer Greshoff herzlich gedankt, die die Arbeit der Heraus
geber stets unterstützt haben. Die reibungslose Fertigstellung des Bandes schließlich
verdankt sich der entgegenkommenden Bereitschaft des VS Verlages und der freund
lichen Betreuung Frank Engelhardts sowie Katrin Emmerichs.
Mai 2011
OldenburgfTokyo
Nico Lüdtke, Hironori Matsuzaki
Einleitung
Nico Lüdtke
Der Soziologie geht es seit jeher um die Eigenart des Sozialen. Bereits die frühen
Vertreter der Disziplin akzentuierten deren wissenschaftliche Eigenständigkeit auf
grund der spezifischen Perspektive soziologischen Forschens, die sich von den Ge
genständen und Methoden anderer Wissenschaften unterscheide. Seit Beginn ihrer
Institutionalisierung waren deshalb Auseinandersetzungen über die angemesse
ne sozialtheoretische Grundlage, die die Basis jeder methodisch geleiteten Unter
suchung sozialer Zusammenhänge darstellt, ein zentrales Thema der Soziologie.
Diese Bemühungen haben im 20. Jahrhundert zur Entwicklung einer Anzahl ausge
arbeiteter sozialtheoretischer Ansätze geführt. Obwohl viele dieser Konzeptionen
auch als konträr diskutiert werden, gibt es seit den 1970er Jahren in Deutschland
Versuche, mittels Vergleich, Weiterentwicklung oder Inkorporierung verschiedene
Ansätze zusammenzuführen, um die allgemeinen Grundlagen der Erforschung des
Sozialen zu klären, die innerhalb des Faches weithin geteilt werden.' Diese Versuche
dürfen bis dato mit einiger Berechtigung vermutlich weder als folgenlos noch als
uneingeschränkt geglückt bezeichnet werden.2 Wie es scheint, kann davon ausgegan
gen werden, dass sich die Geschichte solcher sozialtheoretischen Auseinanderset
zungen, so die Einschätzung von Schülein (2008: 8), "als eine Einheit von Fortschritt
und Reproduktion der strukturellen Probleme auf höherem Niveau" darstellt.
Bezeichnend für die gegenwärtige Situation ist, dass das Interesse an Grund
lagenfragen der Soziologie in den letzten Jahren auffällig zugenommen hat. Seit
einiger Zeit ist nicht nur wieder das Problem des Vergleichs bzw. der Verhältnisbe
stimmung theoretischer Auffassungen in den Vordergrund der Diskussion gerückt,
bemerkenswert ist außerdem eine Konzentration auf den Bereich ,Sozialtheorie' und
die Frage nach dem Wesen des Sozialen.3 Dies zeigen zahlreiche jüngere Publikatio
nen und Tagungen: Bei diesen Unternehmungen geht es in erster Linie um die ver
gleichende Analyse der sozialtheoretischen Kemelemente, also um die Frage, was als
1 Die Initiierung dieses Selbstverständigungsprozesses der deutschen Nachkriegssoziologie verdankt
sich maßgeblich zwei Soziologentagen in den Jahren 1974 und 1976, organisiert von der Deutschen
Gesellschaft für Soziologie (vgJ. HondrichlMatthes 1978). Als Uberblick vgl. die Darstellung von
Greshoff (2010).
2 Vgl. etwa die Rekonstruktion der Theorievergleichsdebatte der '9700r Jahre durch Sclunid (ZOOi).
3 Der Begriff ,Sozialtheorie' hat sich durchgesetzt, um den Komplex grundlagentheoretischer Fra
gen zu kennzeichnen, die jeder empirischen Forschung und soziologischen Theorie, gleich welcher
Reichweite, zugrunde liegen. Zur Spezifizierung des Terminus vgl. Lindemann (2009: 19ff.). Anders
dagegen etwa die weniger differenzierte Verwendung des Begriffs bei Joas/I<nöbl (ZO"4).
N. Lüdtke, H. Matsuzaki (Hrsg.), Akteur – Individuum – Subjekt,
DOI 10.1007/978-3-531-93463-1_1,
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
12 NicoLüdtke
Soziales den Gegenstand der Soziologie bildet und wie soziologische Ansätze dies
konzeptualisieren.' In diesem Rahmen werden auch die Möglichkeiten einer meta
theoretischen Analyse und die Frage der Konvergenz soziologischer Forschungsper
spektiven abgewogen.5
Ein Kennzeichen dieser gegenwärtig intensiv geführten Auseinandersetzungen
ist die systematische Bearbeitung von Fragen um ,Personalität' und ,Sozialität'. All
gemein formuliert stellen Personalität und Sozialität sozialtheoretische Grundkon
zepte dar, mittels derer beschrieben wird. was als konstitutiv für Soziales angesehen
wird. Der wesentliche Grund für die anhaltende Diskussion - in der Vergangenheit
wie in der Gegenwart - ist nun, dass die mit den beiden Begriffen bezeichneten
Sachverhalte in den verschiedenen soziologischen Ansätzen durchaus unterschied
lich konzeptualisiert werden, sowohl was deren inhaltliche Bestimmung angeht als
auch wie das Verhältnis beider Sachverhalte jeweils gedacht wird. Diese Diskussion
soll hier kurz skizziert werden:
Konzeptionen von ,Personalität' richten sich darauf, wer als eine soziale Person
anzusehen ist und durch welche Fähigkeiten bzw. Eigenschaften sich diese Personen
auszeichnen. Solche Otarakteristika werden üblicherweise in Begriffen, wie Akteur,
soziale Person, Subjekt, Individuum, sozialer Organismus usw., erörtert. So verschie
den die Personalitätskonzepte im Detail auch sein mögen, bemerkenswert ist, dass
sie charakteristischerweise eine wesentliche Gemeinsamkeit aufweisen, nämlich
dass anthropologische Annahmen hierbei mit eingehen. Denn gewöhnlich wird
davon ausgegangen, dass ausschließlich Menschen als die zentralen Kleinsteinhei
ten des Sozialen anzusehen sind. Vor diesem Hintergrund fließen des Weiteren, je
nach theoretischer Konzeption, Annahmen bzw. Wissen z. B. in biologischer, kogni
tionstheoretischer, psychologischer, kybernetischer oder auch transzendentaltheore
tischer Hinsicht mit ein. Soziologische Ansätze, die die Bedeutung von Personalität
betonen, werden so in ihrem weiteren theoretischen und methodologischen Aufbau
geprägt. Auf der Grundlage der jeweiligen Personalitätsannahmen leiten sich sozial
theoretische Konzepte in spezifischer Weise ab.
Als allgemeine Grundformel trifft diese Darstellung für eine Vielzahl unter
schiedlicher Konzeptionen zu. Diese Beschreibung werden aber sicherlich nicht alle
Soziologieansätze für sich akzeptieren können, denn die Bedeutung personaler
Eigenschaften wird durchaus unterschiedlich beurteilt, wie mit Blick darauf deutlich
wird, in welcher Weise Sozialität jeweils konzeptualisiert wird.
Während sich ,Personalität' auf die Beschaffenheit der Elemente des Sozialen
richtet, werden mit ,Sozialität' üblicherweise zwei Sachverhalte bezeichnet: 1. die
Bedingungen und Formen prozesshafter Wechselbeziehungen. Diese Beziehun
gen werden entweder a) als Verhältnisse zwischen den personalen Elementen oder
4 Als exemplarische Auswahl der letzten Jahre vgl. Albert et al. (2010), Greshoff et al. (2003), Schneider
(2005), Haller (2003).
5 Vgl. etwa die dokumentierte Diskussion bei SchimanklGreshoff (2005), BaloglSchülein (2008), Gabriel
(2004) sowie Bolog (2004).