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Afrika und Europa.
Woran denken Sie, wenn Sie sich Afrika vorstellen? Tauchen vielleicht ste- Koloniale und Postkoloniale Begegnungen
reotype Bilder vor Ihrem inneren Auge auf: Afrika, der Kontinent der Krisen, S 43
K
H
Krankheiten und Katastrophen; der Fernwehfantasien, wilden Tiere und weiten
Africa and Europe.
Landschaften? Dieser Sammelband geht AfrikaBildern auf die Spur, fragt nach
ihren Quellen und Wirkungen, sucht ihre Kontinuitäten und Brüche, entlarvt sie 8 Colonial and Postcolonial Encounters
als gedankliche und soziale Konstrukte, die diskursiv Machtwirkungen ausüben.
Die Beiträge beschäftigen sich multi- und interdisziplinär mit Kolonialismus und
Antikolonialismus sowie AfrikaBildern in Medien, Tourismus, Kunst, Literatur, ?
Bildung, Pädagogik, Ökonomie und Politik. Ziel ist die Dekonstruktion einsei- el
d
tiger AfrikaBilder und damit Wandel realer Herrschaftsverhältnisse, Denk- und n
a
Redeweisen. W Manuel Aßner / Jessica Breidbach /
m
r i Abdel Amine Mohammed /
e
d
Bil David Schommer / Katja Voss
a
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ri (Hrsg.)
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Hr AfrikaBilder im Wandel?
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r / Quellen, Kontinuitäten, Wirkungen und Brüche
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Manuel Aßner (Hamburg); Arbeitsschwerpunkte: Postkoloniale Entwicklungs- M
ökonomie sowie irreguläre, transnationale und lokale Migration. h /
Jessica Breidbach (Essen); Arbeitsschwerpunkte: Kommunikationswissen- c
a
schaft, Germanistik, Marketing sowie Social Media. b
d
Abdel Amine Mohammed (Berlin); Arbeitsschwerpunkte: Politik, Französische ei
Philologie, Entwicklungszusammenarbeit sowie Migration. r
B
David Schommer (Frankfurt am Main); Arbeitsschwerpunkte: Fotografie, Sozio- r /
logie, Postkoloniale Theorie sowie Visual Culture. e
n
Katja Voss (Mainz); Arbeitsschwerpunkte: Ethnologie, Soziologie, Pädagogik ß
A
sowie Globales Lernen.
G PETER LANG
www.peterlang.de ISBN 978-3-631-61568-3 N
A
Internationaler Verlag der Wissenschaften
L
261568_Aßner_AUE 08_A5HC_TP.indd 1 06.10.11 13:45:04 Uhr
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Afrika und Europa.
Woran denken Sie, wenn Sie sich Afrika vorstellen? Tauchen vielleicht ste- Koloniale und Postkoloniale Begegnungen
reotype Bilder vor Ihrem inneren Auge auf: Afrika, der Kontinent der Krisen, S 43
K
H
Krankheiten und Katastrophen; der Fernwehfantasien, wilden Tiere und weiten
Africa and Europe.
Landschaften? Dieser Sammelband geht AfrikaBildern auf die Spur, fragt nach
ihren Quellen und Wirkungen, sucht ihre Kontinuitäten und Brüche, entlarvt sie 8 Colonial and Postcolonial Encounters
als gedankliche und soziale Konstrukte, die diskursiv Machtwirkungen ausüben.
Die Beiträge beschäftigen sich multi- und interdisziplinär mit Kolonialismus und
Antikolonialismus sowie AfrikaBildern in Medien, Tourismus, Kunst, Literatur, ?
Bildung, Pädagogik, Ökonomie und Politik. Ziel ist die Dekonstruktion einsei- el
d
tiger AfrikaBilder und damit Wandel realer Herrschaftsverhältnisse, Denk- und n
a
Redeweisen. W Manuel Aßner / Jessica Breidbach /
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r / Quellen, Kontinuitäten, Wirkungen und Brüche
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Manuel Aßner (Hamburg); Arbeitsschwerpunkte: Postkoloniale Entwicklungs- M
ökonomie sowie irreguläre, transnationale und lokale Migration. h /
Jessica Breidbach (Essen); Arbeitsschwerpunkte: Kommunikationswissen- c
a
schaft, Germanistik, Marketing sowie Social Media. b
d
Abdel Amine Mohammed (Berlin); Arbeitsschwerpunkte: Politik, Französische ei
Philologie, Entwicklungszusammenarbeit sowie Migration. r
B
David Schommer (Frankfurt am Main); Arbeitsschwerpunkte: Fotografie, Sozio- r /
logie, Postkoloniale Theorie sowie Visual Culture. e
n
Katja Voss (Mainz); Arbeitsschwerpunkte: Ethnologie, Soziologie, Pädagogik ß
A
sowie Globales Lernen.
G PETER LANG
www.peterlang.de N
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Internationaler Verlag der Wissenschaften
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261568_Aßner_AUE 08_A5HC_TP.indd 1 06.10.11 13:45:04 Uhr
AfrikaBilder im Wandel?
Afrika und Europa.
Koloniale und Postkoloniale Begegnungen
Africa and Europe.
Colonial and Postcolonial Encounters
Herausgegeben von/Edited by Marianne Bechhaus-Gerst
Band/Vol. 8
PETER LANG
Frankfurt am Main · Berlin · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Wien
Manuel Aßner / Jessica Breidbach /
Abdel Amine Mohammed /
David Schommer / Katja Voss
(Hrsg.)
AfrikaBilder im Wandel?
Quellen, Kontinuitäten, Wirkungen und Brüche
PETER LANG
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Dieser Sammelband wurde im Rahmen
des stipendiatischen Projektes „AfrikaBilder“
von der Hans-Böckler-Stiftung gefördert.
Gedruckt auf alterungsbeständigem,
säurefreiem Papier.
ISSN 1614-9904
ISBN 978-3-631-61568-3
© Peter Lang GmbH
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Frankfurt am Main 2012
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich
geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des
Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die
Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
www.peterlang.de
Geleitwort
„König von Namibia in der Wilhelma“, hieß es am 22.6.2011 in der Stuttgarter
Zeitung. Verwundert rieb man sich die Augen. Was war mit dem demokra-
tischen Namibia passiert? Kaum eine Zeitung verzichtete auf einen Beitrag zum
hoheitlichen Besuch. Genüsslich wurde die vermeintliche ‚Exotik‘ des Königs-
paares zelebriert. Unterhaltungswert schien für die meisten Printmedien schon
der lange Name des Monarchen zu haben („König Omukwaluudhi Tatekulu
Josia ya Shikongo tsha Taapopi“). In einer Zeitung wusste man, dass die „nami-
bische Sprache“ zu den schwersten der Welt zu zählen sei. Die Leser_innen
erfuhren, dass der Besuch auf der Zugspitze zum ersten Mal einen Schneeball
werfen durfte und auf der Reise zum ersten Mal Zug gefahren war. Vor allem
war der König stets lustig und gut gelaunt. Und die Wilhelma ist natürlich ein
Zoo; da konnte seine Majestät sich offenbar gleich wie zu Hause fühlen. Und
wie amüsant war es, dass der Mann eine Lärmschutzwand mit der doch längst
gefallenen Mauer verwechselte. Kaum ein Beitrag zum Besuch zeichnete sich
nicht durch eine herablassende Sprache aus. Wirklich nur mit Humor zu ertragen
war dementsprechend die Aussage im Boulevard Baden vom 17. Juni: „Dem
Königspaar wolle man nun zeigen, dass das heutige Deutschland mit der
früheren Kolonialmacht nichts mehr gemein hat.“ Ob das wohl gelungen ist?
Nahezu alle Beiträge zum Königsbesuch haben vielmehr gezeigt, dass der
koloniale Diskurs in Deutschland sehr lebendig ist. Immer noch wird gerade in
alltäglichen Kontexten kein Kontinent so stereotyp und klischeehaft charak-
terisiert wie der afrikanische. Legt Europa bei seiner Selbstdarstellung stets
höchsten Wert auf die Betonung der jeweiligen kulturellen Eigenständigkeit
seiner Mitgliedsstaaten, wird Afrika meist als Einheit betrachtet: Afrika ist in
der Vorstellung vieler das dunkle, geheimnisvolle Land, in dem man ‚afrika-
nisch‘ spricht oder sich per Trommeln verständigt. Hitze, Dürre, Hunger und
Krankheiten, nicht enden wollende Bürgerkriege, das sind Einzelteile eines
Puzzles, aus dem sich das populäre Bild Afrikas seit vielen Jahren zusammen-
setzt. Afrika, ein einziger kranker Krisenkontinent.
Was die Bevölkerung des Kontinents anbelangt, so gibt es Vorstellungen,
die in unserem Alltag immer wieder bestärkt bzw. weitergetragen werden, sei es
von der Werbung, von der Musik, von der Filmindustrie und nicht zuletzt von
populären Zeitschriften. Afrikaner_innen erscheinen hier mal als superpotente
Sexprotze, mal als ungebildet, dümmlich-naiv oder gar als menschenfressend-
unzivilisiert. Rassismus, Kolonialismus und Konstruktionen von Afrika sind eng
miteinander verbunden und müssen vor dem Hintergrund eines rassistischen und
kolonialen Diskurses verstanden werden.
Dieser Diskurs entstand lange vor der eigentlichen kolonialen Aneignung
des 19. Jahrhunderts, in einer Zeit, in der Europa mit der Aufklärung den „Aus-
gang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ ausrief. Im
Zuge der Verwissenschaftlichung des Weltbildes wurden die ‚Rassen‘ erfunden
und die ‚Afrikaner_innen‘ boten sich schnell als missing link in der Seinskette
an, als Übergangsform zwischen den Affen und den Menschen. Dabei war schon
die gerade erst entstandene Wissenschaft keineswegs unpolitisch. Der atlan-
tische Sklavenhandel hatte enorme Ausmaße angenommen und der Wissen-
schaft der Aufklärung kam die wichtige Funktion zu, eine Legitimation für die
hunderttausendfache Versklavung von Afrikaner_innen zu liefern.
Nicht zuletzt Immanuel Kant etablierte die Einteilung der Menschheit in
‚Rassen‘. Nur weiße Menschen waren für ihn zur kulturellen Entwicklung fähig.
Sein Zeitgenosse und Professor der Weltweisheit Christoph Meiners sprach sich
für die Sklaverei aus und wandte sich gegen die „Neger Freunde“ in England
und Frankreich, die die Sklaven befreien wollten. Mit Friedrich Hegel fand der
Afrika-Diskurs seine entscheidende Ausprägung im 19. Jahrhundert. In seinen
Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte erklärte der Philosoph Afrika
zum geschichtslosen Kontinent, der zu keiner Bewegung und Entwicklung fähig
sei. ‚Entwicklung‘ hatte also von außen zu kommen, womit Hegel schon den
Rechtfertigungsdiskurs der kolonialen Aneignung des afrikanischen Kontinents
vorwegnahm. Nahezu zweihundert Jahre nach Hegels Vorlesungen und fast
hundert Jahre nach dem Ende des deutschen Kolonialengagements gibt es mit
Bezug auf Afrika nach wie vor einen Diskurs über ‚Entwicklung‘ - oder besser
‚Unterentwicklung‘. Auch heute noch zeugt dieser Diskurs von asymmetrischen
Machtverhältnissen und man muss danach fragen, wer in diesem Diskurs
sprechen darf.
Der koloniale Diskurs wird fortgeschrieben und noch verstärkt durch die
Sprache. In Büchern und Zeitschriften, in Film und Fernsehen, in Sprichwörtern,
Redewendungen und Liedern, in Bezeichnungen von Produkten und nicht
zuletzt in privaten Gesprächen hört man tagtäglich Wörter wie „Neger“,
„Mohr“, „Stämme“, „Eingeborene“, „Mischlinge“, „Hottentotten“ und viele
mehr. Es ist ein rassistischer Diskurs, der afrikanische und afrodeutsche Men-
schen vor allem aufgrund eines Merkmals – der Hautfarbe – abwertet. Dagegen
machen sich weiße Menschen selten Gedanken über ihre Hautfarbe, über ihr
‚Weiß-sein‘, weil sie glauben, dass ‚Weiß-sein‘ das Normale ist. Das Anders-
farbige ist für die meisten Weißen Menschen die Abweichung, das Fremde.
Wird von Afrika gesprochen oder geschrieben, finden sich immer noch die
Bezeichnungen „Eingeborene“ und „Stämme“ anstelle von Begriffen wie „ein-
heimische Bevölkerung“ und „Völker“, die in anderen Zusammenhängen
verwendet werden. Manche behaupten, sie hätten nicht gewusst, dass diese Be-
griffe abwertend seien oder würden sie nicht rassistisch meinen. Diese Wörter
haben aber alle eine Geschichte, in der ‚Stämme‘ und ‚Eingeborene‘ ganz
bewusst auf die angebliche ‚Primitivität‘ und ‚Unzivilisiertheit‘ der afrikani-
schen Menschen verweisen sollten. Spricht man von „Stammeskonflikten“ statt
von Bürgerkrieg, so will man auch heute noch deutlich machen, dass hier
Menschen mehr oder weniger unbegründet aufeinander losgehen, dies alles
nichts mit politischen oder wirtschaftlichen, auf jeden Fall nicht mit ernst zu
nehmenden Konflikten zu tun hat.
Unsere Sprache ist untrennbar verknüpft mit unserem Denken und Handeln.
Diese Verknüpfung macht es erforderlich, dass wir uns Gedanken machen über
Bedeutung und Inhalt unserer Begriffe. Die populäre Kultur ist das, womit wir
jeden Tag durchs Fernsehen, durch die Werbung, durch Zeitschriften u.v.m.
konfrontiert werden. Solange sich hier hartnäckig koloniale AfrikaBilder halten,
solange ändert sich in den Köpfen der Menschen kaum etwas.
Der vorliegende Sammelband beschäftigt sich mit Kontinuitäten und
Wandel in den Konstruktionen von ‚Afrika’ und bezieht dabei eine Vielzahl von
Themenfeldern mit ein. Er ist im Rahmen des durch die Hans-Böckler-Stiftung
geförderten stipendiatischen Projekts „AfrikaBilder. Vorstellungen von Afrika
im europäischen (insbesondere deutschen) Kontext. Begriffe, Stereotypisierun-
gen und Akteure“ entstanden. Aus mindestens zwei Gründen habe ich ihn gerne
in meine Reihe „Afrika und Europa. Koloniale und Postkoloniale Begegnungen“
aufgenommen. Zum einen widmet sich die Reihe der komplexen Begeg-
nungsgeschichte zwischen Afrika und Europa. Kontinuitäten, Brüche und
Prozesse des Wandels werden in allen Beiträgen unter verschiedenen Aspekten
untersucht. Thematisch schließt der Sammelband hervorragend an die erste
Publikation der Reihe „Koloniale und postkoloniale Konstruktionen von Afrika
und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur“ an. Zum
anderen ist es unterstützungs- und förderungswert, wenn sich vorwiegend Nach-
wuchswissenschaftler_innen aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten so inten-
siv mit den historischen und gegenwärtigen Afrika-Konstruktionen beschäftigen,
dabei die disziplinären Grenzen vielfach überschreiten und neuen Input in ‚alte‘
Themen bringen. Ich wünsche dem lesenswerten Band eine breite Leser_innen-
schaft unter Studierenden wie etablierten Wissenschaftler_innen. Es lohnt sich!
Marianne Bechhaus-Gerst Köln, im Juli 2011