Table Of ContentAbsolutheit
des
Christentums
Hans Urs von Balthasar
Wilhelm Breuning
Horst Bürkle
Karl Lehmann
Gerhard Lohfink
Erich Zenger
Herausgegeben von
Walter Kasper
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ABSOLUTHEIT DES CHRISTENTUMS
QUAESTIONES DISPUTATAE
Herausgegeben von
KARL RAHNER UND HEINRICH SCHLIER
Theologische Redaktion
HERBERT VORGRIMLER
Internationale Verlagsschriftleitung
ROBERT SCHERER
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ABSOLUTHEIT DES CHRISTENTUMS
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Internationaler Marken- und Titelschutz:
Editiones Herder, Basel
ABSOLUTHEIT
DES CHRISTENTUMS
Hans Urs von Balthasar
Wilhelm Breuning
Horst Bürkle
Karl Lehmann
Gerhard Lohfink
Erich Zenger
Herausgegeben von Walter Kasper
HERDER
FREIBURG • BASEL • WIEN
Alle Rechte vorbehalten — Printed in Germany
© Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1977
Imprimatur. — Freiburg im Breisgau, den 31. Oktober 1977
Dr. Schlund, Domdekan
Herstellung: Freiburger Graphische Betriebe 1977
ISBN 3-451-02079-3
Inhalt
Walter Kasper
Einführung 7
Karl Lehmann
Absolutheit des Christentums als philosophisches und theo-
logisches Problem
13
II
Erich Zenger
Jahwe, Abraham und das Heil aller Völker — Ein Paradigma zum
Thema Exklusivität und Universalismus des Heils 39
III
Gerhard Lohfink
Universalismus und Exklusivität des Heils im Neuen Testament 6 3
IV
Horst Bürkle
Der christliche Anspruch angesichts der Weltreligionen heute 8 3
V
Wilhelm Breuning
Jesus Christus als universales Sakrament des Heils t o s
VI
Hans Urs von Balthasar
Die Absolutheit des Christentums und die Katholizität der
Kirche 1 3 1
5
Einführung
Walter Kasper, Tübingen
Mit dem Thema „Absolutheit des Christentums" ist die Frage nach
dem heilsgeschichtlichen und weltgeschichtlichen Ort des Christen-
tums gestellt. In diesem Thema geht es um die Frage, wie sich Chri-
stentum und die Religionen, Christentum und die weltlichen Sachbe-
reiche (Wissenschaft, Kultur, Politik u. a.), Christentum und die
modernen Ideologien und Utopien zueinander verhalten. Es geht um
das rechte Verständnis des unbedingten und universalen, bleibenden
Wahrheitsanspruchs des Christentums.
Dieses Thema ist alt und neu zugleich. Schon im Apostolischen
Glaubensbekenntnis bekennt sich die Kirche als die eine katholische,
d. h. allumfassende Kirche. Sie beansprucht als die konkrete eine Kir-
che für das Ganze der Menschheit von unbedingter Bedeutung zu sein.
Dieser im dritten Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses er-
hobene Anspruch ist in den Aussagen des ersten und zweiten Artikels
begründet: im Bekenntnis zu Gott, dem Schöpfer des Himmels und
der Erde, d. h. des Ganzen der Wirklichkeit, und im Bekenntnis zu
Jesus Christus, in dem dieser alles umfassende Gott in die Geschichte
eingetreten, Mensch geworden ist und so die Fülle der Zeit heraufge-
führt hat. Man hat das Bekenntnis zur allumfassenden Kirche später
in den höchst mißverständlichen Satz „extra ecclesiam nulla salus"
(außerhalb der Kirche kein Heil) gefaßt. Wird dieser Satz im Sinne
eines engstirnigen Heilspartikularismus mißverstanden, dann hebt er
den Anspruch auf Katholizität, den er an sich zum Ausdruck bringen
will, auf. Um solche Mißverständnisse zu beseitigen, griff das letzte
Konzil wieder auf ältere Tradition zurück und sprach von der Kirche
als dem Sakrament, d. h. Zeichen und Werkzeug des Heils der Welt.
Danach ist die Kirche nicht das Heil selbst, sondern nur dessen Sakra-
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ment; sie soll das universale eschatologische Heil Gottes in Jesus Chri-
stus geschichtlich bezeugen und vermitteln.
Die geschichtliche Situation, in der dies zu geschehen hat, hat sich
im Laufe der Neuzeit dramatisch verändert. Durch das Zerbrechen der
kirchlichen Einheit im i 6. Jahrhundert wurde der Begriff „katholisch"
gegen seinen ursprünglichen Sinn zu einer partikulären Konfessions-
bezeichnung. Die Entdeckung der neuen Welt Amerikas, Asiens, Afri-
kas und Australiens und ihrer vorn Christentum völlig unberührten
Religion und Kultur wie die fortschreitende Säkularisierung der alten,
bislang christlich geprägten Welt Europas und die damit verbundene
Emanzipation der weltlichen Sachbereiche aus der christlichen und
kirchlichen Normierung spielten außerdem eine wichtige Rolle bei
dem Prozeß, der zur Infragestellung der universalen und unbedingten
Bedeutung des Christentums führte. Der universale und unbedingte
Anspruch des Christentums mußte nun fast notwendig ideologisch er-
scheinen. In dieser Situation bot sich der Humanismus als dritte Kraft
an. Das Menschliche galt nun als das alle Verbindende und insofern
als das allgemein Verbindliche, jede konkrete Religion dagegen als ge-
schichtlich variable Ausprägung der allgemeinmenschlichen Religiosi-
tät und als Privatsache. Die Relativierung und Privatisierung des Chri-
stentums waren die Folge. Die dadurch entstandene Leerstelle nahmen
seit dem Zusammenbruch des idealistischen Humanismus im 9. Jahr-
hundert immer mehr die verschiedenen modernen Ideologien und
Utopien ein. Schließlich kam es in unserem Jahrhundert zu einer radi-
kalen Vergeschichtlichung des Wirklichkeitsverständnisses, wo jeder
Absolutheitsanspruch von vornherein als ideologisch abgetan wird. Das
Christentum wird nicht selten nur noch als ein unverbindliches Angebot
verstanden.
Unter dem Stichwort „Absolutheit des Christentums" suchte vor
allem die protestantische Theologie die Herausforderung der Neuzeit
anzunehmen und das alte Thema in neuer Weise aufzugreifen. Neu
war dabei sowohl der Begriff „Absolutheit" wie der Begriff „Chri-
stentum". „Absolutheit" konnte im Gefolge der antiken Metaphysik
und des neuzeitlichen Idealismus leicht als Bezeichnung für eine
„übergeschichtliche", in sich stehende und in sich vollendete autarke
Größe ohne Bezug und Austausch mit anderen Wirklichkeiten ver-
standen werden. Gerade so wäre aber der geschichtliche, inkarnatori-
sche Charakter des Christlichen zutiefst mißverstanden. „Christen-
8
tum" dagegen erweist sich bei genauerer Betrachtung als ein recht
blasser und inhaltsleerer Begriff, der von den konkreten Christen-
tümern, der Wirklichkeit der getrennten Kirchen, abstrahiert und das
Problem von der Absolutheit des Christentums auf die Absolutheit
des Christusgeschehens, seiner Unverwechselbarkeit und Unüberbiet-
barkeit verlagerte. Richtig daran war, daß die Ekklesiologie nur von
der Christologie her begründet werden kann. Umgekehrt gilt freilich
auch, daß uns aber der Anspruch Jesu Christi konkret nicht anders
als im Zeugnis der Kirche begegnet. Die Behauptung der Absolutheit
des Christentums unter Ausblendung der Kirche mußte sich deshalb
am Ende als abstrakt und leer erweisen. So endete die gesamte Diskus-
sion um die Absolutheit des Christentums zunächst in einer Aporie.
Das Verhältnis von Wahrheit und Geschichte gehört bis heute zu den
ungelösten Grundlagenproblemen der Theologie.
In der katholischen Theologie nach dem II. Vatikanischen Konzil
wurde die gesamte Problematik unter anderen Voraussetzungen und
meist auch unter anderen Begrifflichkeiten aufgegriffen. Die Fragen
um Religionsfreiheit und Toleranz, um eine erneuerte Theologie der
Mission und eine Theologie der nichtchristlichen Religionen, um die
Autonomie der einzelnen Kultursachbereiche, um das Verhältnis von
Juden und Christen, Christen und Marxisten, Kirche und moderner
Gesellschaft, Christentum und gegenwärtigen Ideologien und Utopien
sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die Lösungsansätze sind
vielfältig; sie überschneiden und überlagern sich in vielfältiger Weise.
Sie gehen aus von der Christologie (Jesus Christus als concretum uni-
versale und als Fülle der Zeit), Eschatologie (Ein-für-allemal, Endgül-
tigkeit und Unüberbietbarkeit des Christusgeschehens), Pneumatolo-
gie und Gnadenlehre (Gottes universaler Heilswille, übernatürliches
Existenzial, „anonyme Christen"), von der Ekklesiologie und Sakra-
mentenlehre (Kirche als universales Sakrament des Heils). Hinter allen
diesen vielfältigen Ansätzen steht die Betroffenheit durch die gegen-
wärtige Situation, in der der Atheismus der Massen zu den ernstesten
Gegebenheiten gehört und das Wort vom Tod Gottes zur kulturdia-
gnostischen Chiffre geworden ist. In dieser Situation wird das Thema
„Absolutheit des Christentums" zur Problemanzeige für das Verhält-
nis des Christentums zur Moderne und damit für das Thema, das in
der katholischen Kirche und Theologie seit dem II. Vatikanischen
Konzil wie kein anderes diskutiert und umstritten ist.
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Die Konferenz der deutschsprachigen katholischen Dogmatiker und
Fundamentaltheologen versuchte auf ihrer Arbeitstagung in Salzburg
vom 2. bis 6. Januar 1977 das so dringlich gewordene Problem anzu-
packen. Die Konferenz wollte damit zugleich die christologische The-
matik, die sie in den vergangenen Jahren besonders beschäftigt hat,
weiterführen. Denn das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem endgül-
tigen Heil der Welt bleibt so lange leer und abstrakt, als es nicht in
Beziehung gesetzt wird zur konkreten geschichtlichen Wirklichkeit
der Welt und der Kirche. Nicht trotz, sondern gerade wegen des univer-
salen und unbedingten Charakters des Christusbekenntnisses können
der einzelne Christ und das Christentum insgesamt nur existieren im
geschichtlichen Austausch mit allen anderen; die Nachfolge Jesu Chri-
sti ist nicht möglich ohne den stellvertretenden Dienst „für die vielen".
Die intensive christologische Diskussion der letzten Jahre bedarf
darum dringend der Erweiterung und der Konkretisierung. Es gilt, die
bleibende Spannung zwischen der Konkretheit des christlichen
Bekenntnisses und der universalen christlichen Verantwortung durch-
zuhalten.
Der Aufbau der einzelnen Referate der Salzburger Tagung ergab sich
aus der Sachproblematik selbst. Zunächst galt es, die geistes-, philoso-
phie- und theologiegeschichtlichen Voraussetzungen zu klären, die in
der Neuzeit zur Frage nach der Absolutheit des Christentums geführt
haben. Erst auf dem Hintergrund eines angeschärften problemge-
schichtlichen Bewußtseins konnte die Rückfrage nach dem maßgebli-
chen Zeugnis des Alten und Neuen Testaments sinnvoll und fruchtbar
sein. Die aktuelle Problematik, in die hinein das Ursprungszeugnis der
Schrift zu übersetzen ist, hätte an sich anhand verschiedener Problem-
felder studiert werden können. Da das Thema „Absolutheit des Chri-
stentums" von seinem Ursprung her im Bereich der Konfrontation mit
den Religionen zu Hause ist, wurde der Einstieg über die gegenwärtige
religionsgeschichtliche Situation gewählt. Nachdem so das bleibend
maßgebliche Ursprungszeugnis der Schrift wie die gegenwärtige Si-
tuation abgeklärt waren, vollzog sich die systematisch-theologische
Reflexion im engeren Sinn in zwei Schritten: unter dem zentralen und
fundamentalen christologischen Aspekt und unter dem in diesem
Zusammenhang meist vernachlässigten ekklesiologischen Gesichts-
punkt. Als Grundproblem der Diskussion erwies sich dabei immer
wieder die Schwierigkeit einer präziseren und unmißverständlicheren
IC