Table Of ContentLehr- und Forschungstexte
Psychologie 12
Herausgegeben von
D.Albert, K.Pawlik, K.-H.Stapf und W.Stroebe
Gert Haubensak
Absolutes und
vergleichendes Urteil
Eine Einfuhrung in die Theorie psychischer
Bezugssysteme
Spri nger-Verlag
Berlin Heidelberg New York Tokyo
Autor
Gert Haubensak
Justus-liebig-Universitat, Fachbereich 06 Psychologie
Otto-Behaghel-Str. 10, D-6300 GieBen
ISBN·]): 978·3·540·15266-8 c·ISBN·]3: 978·3-642·70319·5
DOl: 10.10071978·3·642·70319·5
CIP·Kurztilelaufnahme der Deutschen Bibliothek. Haubensak, Gert Absolules und vergleiehen·
des Urteil: e. Einf. in d. Theorie psych. Bezugssysleme I Gert Haubensak. - Benin; Heidelberg;
New York; Tokyo: Springer. 1965.
(lehr· und Forsehungslexte Psyehologie; 12)
NE: GT
Das We.k ist urheberreehllieh gesehOlzi. Die dadurch begrundelen Reehle, insbesondere die
der Obersetzung, des Naehdrucks, der Enlnahme von Abbildungen, de. Funi<sendung, der
Wiedergabe auf pholomeehanischem ode. annlichem Wege und de. Speicherung in Dalen'
verarbeilungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweise. Yerwertung, vorbehallen.
Die YergOlungsansp.t1ehe des § 54, Abs. 2 UrhG werden du.eh die .Yerwertungsgesellschafl
Wort', MOnchen, wahrgenommen.
C by Springer'Yeriag Berlin Heidelberg 1985
Die Wiedergabe von Gebrauehsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Wert. berechligl auch onne besondere Kenn1:eiehnung niehl zu der Annahme, daB solehe
Namen im Sinne der Warenzeiehen· und Markensehutz·~setzgebung als Irei zu belraehlen
wltren und daher von jedermann benulzl werden dOrflen.
KURZE INHALTSUBERSICHT
Das Buch befaBt sich mit psychischen Bezugssystemen - Syste
men, die uns unter anderem befahigen, ein Gewicht als "schwer",
einen Ton als "laut" oder eine Strecke als "lang", aber auch die
Beliebthei t eines Poli tikers als "groB", die Wahlbeteiligung als
"gering" oder den Preis einer bestimmten Ware als "hoch" zu
bezeichnen. Trotz ihrer groBen theoretischen und praktischen
Bedeutung haben diese Systeme in der Psychologie bislang er
staunlich wenig Aufmerksamkeit gefunden. Dies hangt wohl mit
ihrem besonderen anschaulichen Status zusammen. Von ihnen hangen
zwar die soeben genannten absoluten Urteile ab, sie selbst blei
ben aber unscheinbar im Hintergrund; nur an ihren Auswirkungen
sind sie zu erkennen.
Ohne die Absoluturteile gabe es keine rasche sprachliche
Verstandigung Uber den Auspragungsgrad relational-stetiger Gege
benheiten. Wir gehen deshalb ausfUhrlich auf sie ein. 1m ersten
Kapitel lernen wir ihre verschiedenen Arten und Formen kennen.
Auch die Psychologie macht sie sich zunutze. Obwohl Uber ihre
Entstehungsbedingungen und Abhangigkeitsbeziehungen noch wenig
bekannt ist, werden sie seit langem zur Messung der Unterschieds
empfindlichkeit und sogar zur Skalierung von Reizen benutzt.
Trotz ihrer anschaulichen Absolutheit sind sie funktional in
hochstem MaBe kontextabhangig. Ihre Kontextabhangigkeit fUhrt uns
im zweiten Kapitel auf den Begriff des psychischen Bezugssystems.
Wir verstehen darunter die Gesamtheit der im Urteil funktional
wirksamen Reize. Die Bedingungen, unter den en sich Reize zu einem
Bezugssystem zusammenschlieBen, konnen allerdings nur grob an
gedeutet werden, da noch zu wenig darUber bekannt ist. GewiB ist
die Ahnlichkeit der Reize und der Reaktionen maBgeblich daran
beteiligt, doch gehort der ~hnlichkeitsbegriff zum Schwierigsten
in der Psychologie. In einem Exkurs wird der besondere Status
"intraphanomenaler" Koexistenzfeststellungen, zu denen auch ~hn
lichkeitsaussagen gehoren, genauer erlautert.
IV
Da mnemische Bezugssysteme auf frtiheren Erfahrungen beruhen,
weisen sie enge Beziehungen zum Lernen auf. Auf diesen merkwtirdi
gerweise lange Zeit vernachlassigten Aspekt gehen wir im dritten
Kapitel ein. Viele der aus dem Lernen bekannten Erscheinungen
lassen sich in den abseluten Urteilen wiederfinden, darunter auch
der Pesitienseffekt.
1m vierten Kapitel wird zu zeigen versucht, daS nicht nur
die Abselut-, sendern auch die Vergleichsurteile ven tibergreifen
den Bezugssystemen abhangen: entgegen landlaufiger Meinung sind
sie keineswegs "elementarer" eder "wahrnehmungsnaher" als die Ab
seluturteile. 1m Gegenteil, sie scheinen aus jenen abgeleitet.
1m zweiten Teil wenden wir uns den verschiedenen Bezugssy
stemtheerien und -medellen zu. Wir beginnen mi t dem Range-Fre
quency-Medell PARDUCCI und PERRETTs. Ihm felgt im zweiten Kapitel
WITTEs Aquisektiensmedell und im dritten Kapitel PETZOLDs Kensi
stenztheerie.
In PARDUCCIs Range-Frequency-Medell spielt neben der Hau
figkeitsverteilung ("Frequency") der Reize ihr Variatiensbereich
("Range") eine entscheidende Relle. Ven diesen beiden Variablen
und der GrHSe des dargebetenen Rei~es sell das abselute Urteil
abhangen. PARDUCCIs Aufmerksamkeit gilt aber weit mehr dem Fre
quency- als dem Range-Prinzip. Bei WITTE verhalt es sich umge
kehrt. Die im zweiten Kapitel berichteten empirischen Befunde
schlagen eine Brticke zwischen den verschiedenen Medellen.
Das Range-Prinzip PARDUCCIs nimmt bei WITTE die Ferm des
Aquisektiensprinzips an. Bei PETZOLD wird es zum Kensistenzprin
zip. Den Vpn geht es verrangig urn grHStmHgliche Kensistenz ihrer
Urteile. GrHStmHgliche Kensistenz ist nach PETZOLD aber nur durch
lekale ~nderungen der Unterschiedsempfindlichkeit zu erreichen.
Die Reize sellen an den besenders kritischen Stellen de:::: psycho
legischen Skala wie unter einer Lupe auseinandertreten. PETZOLD
glaubt, damit Rand-, Anker- und Sequenzeffekte erklaren zu
kHnnen. Die Methede, mit der er und viele andere Auteren die
v
sequentielle Abhangigkeit der Urteile nachzuweisen suchen, ist
jedoch auBerst problematisch. Es erscheint zweifelhaft, ob es die
oft behaupteten Sequenzeffekte in psychophysischen Urteilen liber
haupt gibt.
Keines der drei genannten Modelle vermag jedoch das uner
wartet frlihzeitige Auftreten des Haufigkeitseffektes befriedigend
zu erklaren. Der Effekt zeigt sich zu einem Zeitpunkt, zu dem
die Vp noch nicht einmal die Variationsbreite, geschweige denn
die Haufigkeitsverteilung der Reize kennt. Im vierten Kapitel
wird dieser SCHUSSLER zu verdankende Befund auf den primacy
Effekt zurlickgeflihrt. Offenbar hangt es von den Anfangsreizen ab,
wie die nachfolgenden Reize beurteilt werden. Bei ungleichmaBiger
Haufigkeitsverteilung der Reize wird durch sie das Urteil syste
matisch verzerrt.
Die langdauernden Nachwirkungen des Primacy-E£fekts deuten
auf ein rasche mnestischen Stabilisierung der einmal gewonnenen
Bezugssysteme hin. Hat sich die Vp erst einmal auf einen bestimm
tes Urteil festgelegt, scheint sie nicht mehr davon abgehen zu
wollen oder zu konnen (Kapitel 4). Die Befunde unterstreichen die
Bedeutung des ersten Eindrucks.
Im flinften Kapitel wird als weitere Ursache des Haufigkeits
effekts die ~ontrastwirkung des vorausgegangenen Reizes disku
tiert. Als Alternative zu dem "Range-Frequency"- Modell PARDUCCI
und PERRETTs wird das "Kontrastmodell" vorgestellt. Aus ihm lieBe
sich das frlihzeitige Auftreten des Haufigkeitseffekts und seine
Abhangigkeit von der Unterscheidbarkeit der Reize erklaren. Die
zu erwartenden Sequenzeffekte lassen sich jedoch trotz viel
faltiger Bemlihungen in den Urteilen nicht zweifelsfrei nachwei
sen. Die weiter oben geauBerten Zweifel an ihrer Existenz er
halten dadurch neue Nahrung.
VI
Die Experimente I-IV sind im Rahmen eines von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft geforderten Projektes durchgefUhrt worden.
Wir mochten ihr an dieser Stelle fUr die UnterstUtzung danken.
Unser Dank gilt weiterhin Dietrich ALBERT fUr die zahlreichen
Hinweise und Anregungen zur besseren Gestaltung des Manuskriptes.
INHALTSVERZEICHNIS
I. TElL
1. KAPITEL
Der Begriff des absoluten Urteils
Arten und Formen des absoluten Urteils 1
Die Methode des absoluten Urteils 4
Die Methode des Stufenurteils 8
2. KAPITEL
Psychische Bezugssysteme
Die Kontextabhangigkeit absoluter Urteile 15
Ankerreize und ihre Wirkung 16
Grenzen der Kontextabhangigkeit 23
Der Begriff des Bezugssystems 24
Der Gestaltcharakter der Bezugssysteme 27
Die bereichsbildende Kraft der Ahnlichkeit
a) Reizahnlichkeit 29
b) Reaktionsahnlichkeit 30
c) Instruktion 31
Exkurs: Zum Aussagewert intraphanomenaler Koexistenz
feststellungen 32
3. KAPITEL
Kategorisieren, Identifizieren und Lernen
Gemeinsamkeiten 35
Die Anderungsresistenz von Bezugssystemen 39
Kanalkapazitat und Gedachtnisspanne 41
Assoziationswert und Bedeutungshaltigkeit 45
Positionseffekte 46
Die McCRARY-HUNTERsche Regel 50
Kategorisierungseffekte 52
Kritik an der Homologiethese 55
4. KAPITEL
Das Vergleichsurteil
Die Vorstellungsbildtheorie des Vergleichens 58
Der primare Distanzeffekt 60
Der sekundare Distanzeffekt 61
Semantische Kongruenz 64
Ein Modell des semantischen Kodierung 66
KOSSLYNs Wettlaufmodell 70
MARTIN und MtiLLERs Analysen der Unterschiedsempfindlichkeit 71
Reanalyse der Ergebnisse MARTIN und MtiLLERs 77
Das Schwellenmodell 82
Die Methode des Scheinvergleichs 84
ZUSAMMENFASSUNG DES ERSTEN TElLS 86
VIII
II. TElL
1. KAPITEL
PARDUCCIS Range-Frequency-Theorie
Das vereinfachte Range-Frequency-Modell 90
Der F-Wert 92
Range-Wert und Range-Koeffizient 96
Die empirischen Untersuchungen PARDUCCI und PERRETTs 98
Das Schwellenmodell 101
Vergleichende Betrachtung der beiden Modelle 103
Anmerkungen zur Methodik 106
2. KAPITEL
WITTEs Aquisektionstheorie
Der Status der Range-Werte in der Theorie PARDUCCIs 108
Das Aquisektionsprinzip 109
a) Die "intraphanomenale" Range-Gleichung 111
b) Die "psychophysische" Range-Gleichung 114
Die Aquivalenz von Quadraten und Strecken (Exp. I) 119
3. KAPITEL
PETZOLDs Konsistenztheorie
Das Kriterium maximaler Urteilskonsistenz 125
Ankereffekte 130
PETZOLDs Schwellenmodell 132
Sequenzeffekte 134
Methodenkritik 135
4. KAPITEL
Der Primacy-Effekt
Die Merklichkeit von Haufigkeitsunterschieden 142
Das Zeitverhalten des Haufigkeitseffekts (Exp. II) 144
Die Anfangsreize als Ursache des Haufigkeitseffekts 148
Die Persistenz des Primacy-Effekts 153
5. KAPITEL
Das Kontrastmodell
Nebenvergleiche 156
Lokales und globales Bezugssystem 157
Simulationsstudien 158
Abgrenzung gegen PETZOLDs Modell 161
Der empirische Nachweis von Kontrasteffekten 165
Variation der tibergangswahrscheinlichkeiten (Exp. III) 170
Der zeitliche Darbietungsabstand der Reize (Exp. IV) 172
Diskussion der Ergebnisse 172
ZUSAMMENFASSUNG DES ZWEITEN TElLS UND SCHLUSS 174
IX
ANHANG I: Programm "Kontrastmodell" 179
ANHANG II: Programm "Pseudo-Sequenzeffekte" 181
LITERATURVERZEICHNIS 183
AUTORENVERZEICHNIS 192
SACHREGISTER 195
I. TElL