Table Of ContentZorn in Partnerschaften
Ein Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens bei zufriedenen und
unzufriedenen Paaren unter Berücksichtigung Subjektiver Theorien
Inauguraldissertation
zur Erlangung des akademischen Grades eines Dr. phil.
an der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften
der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Friedrich Kapp
Ladenburger Str. 25
69120 Heidelberg
Beratende:
Prof. Dr. R. Bastine (Heidelberg)
Profin. Dr. B. Scheele (Köln)
Heidelberg, den 28. November 2001
Persönliche Vorbemerkungen
Eine Arbeit über das Thema „Zorn“ zu beenden, in einer Zeit, in der nach den grausamen Ter-
roranschlägen des 11. Septembers 2001 die Phänomene Wut und Zorn, Rache und Vergeltung
eine dramatisch sichtbare (weltpolitische) Bedeutung bekommen haben, ist mit einem ganzen
Kuddelmuddel an Gefühlen und Überlegungen verbunden. Zu der Zufriedenheit, diese Arbeit
abgeschlossen zu haben, gesellt sich u.a. die skeptische Frage, ob die Auseinandersetzung mit
dem Thema Zorn nicht ganz andere Bereiche umfassen müsste als ausgerechnet „Zorn in
Partnerschaften“. Die jüngsten gesellschaftspolitischen Ereignisse geben den Ausführungen
des Dramatikers Thomas Bernhard in seinem Essay „Über den Zorn“ (1993) erschreckend
recht: „Der Zorn ist gefürchtet, die einzelnen fürchten ihn von der Masse und die Masse
fürchtet ihn von den einzelnen. Er ist eine Finsternis für den Kliniker. Er ist eine Finsternis für
den Wissenschaftler. (...) Eine größere Studie müsste sich mit allen möglichen Formen des
Zorns befassen: mit dem ökonomischen, mit dem philosophischen, mit dem politischen usw.,
die sämtliche (in erster Linie) psychische sowie (in zweiter Linie) physische sind“.
Um in dem gesteckten Rahmen einer Doktorarbeit etwas Licht in die beklagte wissenschaftli-
che wie klinische „Finsternis“ des Zorns zu bringen, befasst sich die vorliegende Arbeit mit
dem Zorn in Partnerschaften. Und wie zu zeigen sein wird, kommt dem Zorn in Partner-
schaften aufgrund der individuellen wie gesellschaftlichen Bedeutung von Paarbeziehungen
nicht nur private Brisanz, sondern auch gesellschaftliche Relevanz zu.
Bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema und der Fertigstellung dieser Arbeit wurde ich
vielfältig unterstützt: Zunächst gilt mein herzlicher Dank den Doktor-„Eltern“ Professorin
Brigitte Scheele und Professor Reiner Bastine, ohne deren konstruktive Beiträge diese Arbeit
nie begonnen (oder gar beendet) worden wäre. Dem von der DFG eingerichteten „Graduier-
tenkolleg Klinische Emotionsforschung“ verdanke ich neben der finanziellen Unterstützung
eine Fülle an inhaltlichen Anregungen durch spannende Vorträge, kontroverse Diskussionen
und weiterführende Rückmeldungen. Bei den Paaren, die mir in den empirischen Untersu-
chungen häufig sehr persönliche Einblicke in ihre Partnerschaft erlaubten, möchte ich mich
nochmals für ihre Teilnahme an den Studien und ihre beeindruckende Offenheit bedanken.
Die methodischen Hinweise meiner Freunde und Kollegen PD Dr. Thomas Fydrich und Dr.
Christoph Mischo sowie Dr. Eckhard Rogge waren eine große Hilfe bei der Auswertung der
Daten. Und ohne die vielfältigen Unterstützungen von Dipl.-Psych. Burkhard Freitag, Dr.
Annette Kämmerer und PD Dr. Margrit Schreier sowie das freundlich-kollegiale Klima in der
Arbeitseinheit „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ des Psychologischen Instituts der
Uni Heidelberg wäre meine Energie sicherlich vor der Fertigstellung dieser Arbeit erlahmt.
Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Chorbrüdern des Heidelberger Hardchors (siehe:
www.hardchor.de), deren humorvoll-stichelnde Bemerkungen über „den Doktoranden“ mich
schlussendlich doch dazu zwangen, diesen Status ablegen zu wollen.
Mein besonders inniger Dank gilt Susanne Hase, deren liebevolle und wohlwollende Beglei-
tung in den letzten Jahren es mir ermöglichte, mich sowohl wissenschaftlich als auch im pri-
vaten Bereich konstruktiv mit dem Thema „Zorn in Partnerschaften“ auseinanderzusetzen. Ihr
ist diese Arbeit gewidmet.
Ärger und Zorn in Partnerschaften:
Ein Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens bei zufriedenen und unzufriedenen
Paaren unter Berücksichtigung Subjektiver Theorien
1 Problemstellung und Ziel der Arbeit 1
2 Konfliktverhalten und partnerschaftliche Zufriedenheit 5
2.1 Konfliktverhalten in der Partnerschaft und seine Konsequenzen: 7
Theoretische Ansätze und empirische Befunde
2.1.1 Theoretische Ansätze zur Relevanz des Konfliktverhaltens für die Partnerschaft 7
2.1.2 Ergebnisse querschnittlicher Beobachtungs- und Fragebogenuntersuchungen 9
2.1.3 Ergebnisse längsschnittlicher Beobachtungs- und Fragebogenuntersuchungen 14
2.2 Kognitiv-emotionale Bedingungen partnerschaftlichen Konfliktverhaltens 20
2.2.1 Situative Wahrnehmungs- und Attributionsprozesse bei Konflikten 21
2.2.2 Überdauernde Persönlichkeitsmerkmale im Umgang mit Konflikten 24
2.3 Konfliktverhalten in der Partnerschaftstheorie von Gottman 28
2.4 Fazit: Konfliktverhalten und Partnerschaftszufriedenheit 35
3 Ärger und Zorn aus emotionspsychologischer Perspektive 38
3.1 Emotionstheoretische Grundlagen und der „Grundriß einer epistemologi- 40
schen Emotionstheorie“
3.2 Psychologische Beschreibungsansätze zu Ärger und Zorn 44
3.2.1 Ärger und Zorn aus sprach-psychologischer Perspektive 44
3.2.2 Empirische Ergebnisse zur Beschreibung von Ärger aus subjektiver Perspektive 47
3.2.3 Komponenten des Ärgers im Kontext syndromatischer Emotionsmodelle 49
3.3 Zorn als Differenzierung des Phänomenbereichs „Ärger“ 53
3.4 Auslöser für Ärger und Zorn (in Partnerschaften) 61
3.5 Fazit: Ärger & Zorn im Kontext einer epistemologischen Emotionstheorie 64
4 Die Bewältigung von Ärger und Zorn in Partnerschaften: 67
Ärgerreaktionen, Intentionen und Konsequenzen des Umgangs mit Ärger
4.1 Ärgerreaktionen: Versuche der Differenzierung und Kategorisierung 71
4.2 Konsequenzen und Effektivität unterschiedlicher Ärgerreaktionen 75
4.3 Ärgerbewältigung als intentionales Handeln: Ziele des Umgangs mit Ärger 81
4.4 Geschlechterspezifische Unterschiede des Umgangs mit Ärger: Ein Mythos?!? 86
4.5 Zusammenfassung und Konsequenzen: Die Bewältigung von Ärger und Zorn 95
in Partnerschaften
5 Empirische Fragestellungen und Zielsetzungen der Arbeit 98
5.1 Fragebogenuntersuchung: Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens bei 98
zufriedenen und unzufriedenen Paaren
5.2 Erhebung Subjektiver Theorien zur Beschreibung und Bewältigung 101
des Zorns in Partnerschaften
6 Fragebogenuntersuchung: Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens 104
bei zufriedenen und unzufriedenen Paaren
6.1 Fragestellungen und Hypothesen zu Ärger- und Konfliktverhalten in 104
Paarbeziehungen
6.2 Untersuchungsmethodik 107
6.2.1 Datenerhebung und Stichprobenbeschreibung 107
6.2.2. Erhebungsverfahren zu Konfliktverhalten und Ärgerausdruck 113
6.2.2.1 Fragebogen zum Umgang mit Konflikten (UMK) 113
6.2.2.2 Fragebogen zum Umgang mit Ärger (STAXI) 117
6.2.2.3 Interkorrelationen der Skalen des UMK- und STAXI-Fragebogens 122
6.3 Ergebnisse der Fragebogenstudie 125
6.3.1 Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens bei zufriedenen und unzu- 126
friedenen Paaren
6.3.1.1 Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung des Konfliktverhaltens 126
bei zufriedenen und unzufriedenen Paaren (UMK-Fragebogen)
6.3.1.2 Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung des Umgangs mit Ärger 128
bei zufriedenen und unzufriedenen Paaren (STAXI-Fragebogen)
6.3.1.3 Zusammenfassung der Ergebnisse zu Unterschieden des Ärger- und Kon- 130
fliktverhaltens bei zufriedenen und unzufriedenen Paaren
6.3.2 Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens bei Frauen und Männern 132
6.3.2.1 Ergebnisse zu Geschlechterunterschieden bei der Selbst- und Fremdwahrne- 132
mung des Konfliktverhaltens (UMK-Fragebogen)
6.3.2.2 Ergebnisse zu Geschlechterunterschieden bei der Selbst- und Fremdwahrne- 134
mung des Umgangs mit Ärger (STAXI-Fragebogen)
6.3.2.3 Zusammenfassung der Befunde zu Geschlechterunterschieden 135
6.3.3 Interaktionseffekte von Geschlechterzugehörigkeit und Paarzufrieden- 137
heit auf das Ärger- und Konfliktverhalten
6.3.4 Zusammenhang der Selbsteinschätzung des Ärger- und Konfliktverhal- 138
tens mit der Fremdwahrnehmung durch die PartnerIn
6.4 Fazit und Diskussion der Ergebnisse 140
7 Subjektive Theorien zur Beschreibung und Bewältigung von Zorn 144
in Paarbeziehungen: Eine explorative Studie
7.1 Fragestellungen zur Beschreibung und Bewältigung von Zorn in 144
Paarbeziehungen
7.2 Methodik 148
7.2.1 Gewinnung der Stichprobe und Stichprobenbeschreibung 148
7.2.2 Vergleich des Ärger- und Konfliktverhaltens zwischen der Stichprobe „Frage- 152
bogenuntersuchung“ und der Stichprobe „Subjektive Theorien“
7.2.3 Erhebung der Subjektiven Theorien über Zorn in Paarbeziehungen: Vorge- 154
hensweise mit Hilfe eines Struktur-Lege-Interviews
7.2.4 Interviewleitfaden zur Erfassung der Beschreibung und Bewältigung von Zorn 159
in Paarbeziehungen
7.2.5 Auswertungsmethodik der Subjektiven Theorien 168
7.3 Ergebnisse der Studie zu Subjektiven Theorien über den Zorn 170
7.3.1 Ergebnisse der subjektiven Beschreibungen des Gefühls Zorn 170
7.3.1.1 Prototypische Beschreibungsmerkmale des Zorns 170
7.3.1.2 Auslöser des Zorns in Partnerschaften 179
7.3.2 Ergebnisse der Subjektiven Theorien zum Umgang mit Zorn 183
7.3.2.1 Modalstruktur der Subjektiven Theorien über das Zeigen des Zorns 184
7.3.2.2 Modalstruktur der Subjektiven Theorien über das Unterdrücken des Zorns 187
7.3.2.3 Unterschiede in den Subjektiven Theorien zwischen partnerschaftszufriedenen 190
und -unzufriedenen Personen
7.3.2.4 Unterschiede in den Subjektiven Theorien zwischen Frauen und Männern 191
7.3.3 Analyse des vorrangigen Umgangs“stils“ mit Zorn in der Partnerschaft 194
7.3.3.1 Beschreibung des eigenen Umgangsstils mit Zorn in der Partnerschaft 194
7.3.3.2 Bewertung des eigenen Umgangsstils mit Zorn in der Partnerschaft 197
7.3.3.3 Vergleich der Subjektiven Teil-Theorien zum eigenen Bewältigungsstil unter 200
Berücksichtigung der antizipierten Konsequenzen für die Partnerschaft
7.4 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Subjektiven Theorien 204
7.5 Ergebnisse einer Nachbefragung zur Untersuchung „Subjektive Theorien“ 209
8 Gesamtfazit, Kritik, Ausblick 214
8.1 Gesamtfazit und Diskussion 214
8.2 Einschränkungen und Kritik 222
8.3 Ausblick 225
9 Literatur 230
10 Anhang
A Anhang zur Fragebogenuntersuchung
A.1 Fragebogen der Fragebogenuntersuchung 1
A.2 Statistische Auswertung der soziodemographischen Variablen der Aus- 10
gangs- sowie der Auswertungsstichprobe
B Anhang zur Studie „Subjektive Theorien“
B.1 Beschreibung des Zorns: Konzept-Kategorien und Gewichtung 12
B.2 Zusammenfassung der Auslöser(kategorien) 18
B.3.1 Umgang mit Zorn: Konzept-Kategorien der Frauen 22
B.3.2 Umgang mit Zorn: Konzept-Kategorien der Männer 33
B.3.3 Umgang mit Zorn: Zusammenfassung und Vergleich der Subjektiven 43
Theorien
B.4 Zusammenfassung der Verhaltenskategorien zum Umgang mit Zorn 51
B.5 Verbalisierte Rückmeldung zur Nachbefragung der Untersuchung Sub- 52
jektive Theorien
1
1. Problemstellung und Ziel der Arbeit
„Manchmal könnte ich ihn an die Wand klatschen!“ Diese Äußerung einer Interviewpartnerin
bezog sich nicht märchenhaft auf einen Frosch, sondern sehr real auf ihren Ehemann, mit dem
die Untersuchungsperson seit über 20 Jahren glücklich verheiratet ist. Und weiter: „Wir füh-
ren wirklich eine gute und zufriedene Ehe; aber wenn wir streiten, packt mich manchmal ein
solcher Zorn über sein Verhalten, dass ich ihn grad´ schütteln könnt´. Und wenn er mir dann
auch noch vorwirft, dass der Streit meine Schuld sei, fahre ich wirklich aus der Haut. (...) An-
dererseits ist für mich der Zorn wie ein Blitz bei einem reinigenden Beziehungsgewitter, das
Türeknallen wie der Donner – und wenn uns dann mal wieder beiden die Tränen kommen, ist
es wie der erlösende und besänftigende Regen“.
Schon in diesen Äußerungen wird die Vielschichtigkeit des Zorns in Partnerschaften deutlich:
Das Erleben des „hitzigen“ Zorns besteht aus einer ganzen Fülle an Erlebnisfacetten und wird
häufig als ein kaum zu kontrollierendes, leidenschaftliches und zumindest kurzfristig leiden-
schaffendes „Widerfahrnis“ beschrieben. Gefühle wie Ärger, Wut und Zorn werden sowohl in
glücklichen wie unglücklichen Beziehungen erlebt. Das mit Ärger und Zorn verbundene Kon-
fliktverhalten wird einerseits als befreiend und im Sinne eines „reinigenden Beziehungsge-
witters“ eingeschätzt, das zur Klärung unterschiedlicher Standpunkte, Erhöhung von Intimität
und Nähe und letztlich der Stabilisierung einer Partnerschaft beitragen kann (Bach & Wyden,
1983; Gottman & Silver, 2000). Andererseits wird Ärger und Zorn im Zusammenhang mit
Partnerschaftskonflikten häufig als destruktiv, feindselig und eine Partnerschaft zerstörend
angesehen (Guerrero & Andersen, 2000; Notarius & Markman, 1996).
Wie kommen diese unterschiedlichen Einschätzungen und Bewertungen des Zorns zustande?
Weshalb kommt es überhaupt zu Zorn in Partnerschaften? Was versteht man unter „Zorn“ -
zum Beispiel in Abgrenzung zu „Ärger“? Wie hängt das Erleben von Zorn mit dem Verhalten
bei Partnerschaftskonflikten zusammen? Unterscheiden sich partnerschaftszufriedene und -
unzufriedene Paare in der Beschreibung ihres eigenen Zorn- und Konfliktverhaltens? Wird in
zufriedenen Partnerschaften das Zorn- und Konfliktverhalten der PartnerIn anders wahrge-
nommen als in unzufriedenen Partnerschaften? Gibt es Unterschiede zwischen Frauen und
Männern in der Einschätzung des Umgangs mit Zorn und Partnerschaftskonflikten? Und wie
lassen sich diese Unterschiede psychologisch erklären?
Gegenstand dieser Arbeit ist der Versuch, theoretisch wie empirisch begründete Antworten
auf diese vielfältigen Fragen zu finden. Den theoretischen Ausgangspunkt stellt dabei zu-
nächst die Partnerschaftsforschung dar, in der das Kommunikations- und Konfliktverhalten
im Zusammenhang mit der Partnerschaftszufriedenheit intensiv untersucht wurde (zsfd.
Gottman & Notarius, 2000). Da Unzufriedenheit in und mit der Partnerschaft per se als Be-
einträchtigung der Lebensqualität angesehen wird und zudem mit einer Fülle klinisch-
psychologischer Störungsbilder zusammenhängt (zum Überblick: Burman & Margolin, 1992;
Schmaling & Sher, 2000; Schütz & Wiesner, 2000), wurde vor allem in der klinisch orien-
tierten Partnerschaftsforschung eine Fülle an Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen
Konfliktverhalten und Partnerschaftszufriedenheit durchgeführt. Interessanterweise wurde da-
2
bei das emotionale Erleben bei Konflikten häufig vernachlässigt. Dies ist vor allem deshalb
verwunderlich, da davon auszugehen ist, dass interaktionsbezogenen Emotionen wie Ärger
und Zorn eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit Partnerschaftskonflikten zukommt.
Als Ergänzung und zur Anreicherung der Partnerschaftskonfliktforschung ist es daher nahe-
liegend, auf emotionspsychologische Ansätze der Ärgerforschung zurückzugreifen. Hier fällt
zunächst auf, dass in der psychologischen Ärgerliteratur nur selten zwischen verschiedenen
„Formen“ des Ärgers (z.B. Empörung/Entrüstung, Groll, Wut, Zorn) unterschieden wird. Der
Blick auf die empirische Forschung zeigt, dass der spezifische Kontext „Partnerschaft“ in der
Ärgerpsychologie nur sehr vereinzelt berücksichtigt wurde. Obgleich Ärger und Zorn vorwie-
gend in familiären Kontexten entsteht (vgl. z.B. Averill, 1982), war Ärger in Paarbeziehungen
nur selten Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen (z.B. Bodenmann, 1995; Laux &
Weber, 1993). Im Gegensatz zu der Fülle an Ergebnissen zu intrapersonellen Konsequenzen
des Ärgers (als Überblick z.B. Hodapp & Schwenkmezger 1993; Kassinove, 1995; Müller,
1993; Weber, 1994) liegen bislang kaum empirische Ergebnisse zu den interpersonellen Kon-
sequenzen des Umgangs mit Ärger und Zorn vor. Und so lässt sich aus den Ergebnissen der
bisherigen Ärgerforschung beispielsweise kaum ableiten, in welchem Zusammenhang der
Umgang mit Ärger und Zorn mit der Partnerschaftszufriedenheit steht.
Im Sinne einer theoretisch fundierten Annäherung an die gestellten Fragen wird es daher ein
erstes Ziel dieser Arbeit sein, die Ansätze und empirischen Befunde aus der Partnerschafts-
konfliktforschung und der Ärgerforschung aufeinander zu beziehen und Möglichkeiten der
Integration und gegenseitigen Anreicherung dieser beiden Forschungsbereiche zu erarbeiten.
Hierzu werden im theoretischen Teil der Arbeit konzeptuelle Ansätze und empirische Befun-
de der Partnerschaftskonfliktforschung dargestellt und aufgezeigt, welche Relevanz dem Kon-
fliktverhalten im Zusammenhang mit der partnerschaftlichen Zufriedenheit zukommt (Kapitel
2). Neben einer querschnittlichen Betrachtung der Unterschiede im Konfliktverhalten zwi-
schen zufriedenen und unzufriedenen Partnerschaften stellt sich insbesondere die Frage, wie
sich unter prozessual-längsschnittlicher Perspektive der Umgang mit Konflikten auf die zu-
künftige Partnerschaftszufriedenheit auswirkt (Kap. 2.1). Um unterschiedliche Konfliktreak-
tionen in Partnerschaften erklären zu können, werden die Ergebnisse zu kognitiv-emotionalen
Bedingungen des Konfliktverhaltens dargestellt (Kap. 2.2). Durch die Beschreibung eines um-
fassenden Partnerschaftsmodells (sensu Gottman) wird anschließend versucht, die Fülle empi-
rischer Einzelbefunde durch ein integratives Modell zusammenzufassen (Kap. 2.3), bevor die
wichtigsten theoretischen Ergebnisse und empirischen Befunde der Partnerschaftskonfliktfor-
schung diskutiert werden (Kap. 2.4).
In Ergänzung zu den primär verhaltensbezogenen Befunden der Partnerschaftskonfliktfor-
schung wird im Anschluss versucht, die emotionale Dimension von Partnerschaftskonflikten
am Beispiel von Ärger und Zorn aufzuzeigen:
Hierzu stellen emotionstheoretische Grundlagen zu Ärger und Zorn den Ausgangspunkt der
weiteren Auseinandersetzung dar (Kapitel 3). Aufbauend auf dem Grundriss einer epistemo-
logischen Emotionstheorie (Kap. 3.1) werden emotionspsychologische Beschreibungsansätze
3
zu Ärger und Zorn dargestellt (Kap. 3.2) und versucht, „Zorn“ als eigenständiges Gefühl zu
explizieren und dadurch zu einer Differenzierung des Phänomenbereichs Ärger beizutragen
(Kap. 3.3). In Verbindung damit werden die Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zu den
Auslösern für Ärger und Zorn (in Partnerschaften) aufgeführt (Kap. 3.4) und zusammenfas-
send dargestellt, welche Konsequenzen sich aus der emotionspsychologischen Beschreibung
von Ärger und Zorn für die weitere (auch empirische) Analyse des Zorns in Partnerschaften
ergeben (Kap. 3.5).
Kapitel 4 bezieht sich auf die Bewältigung von Ärger und Zorn in Partnerschaften. Durch die
Darstellung verschiedener Möglichkeiten des Umgangs mit Ärger/Zorn wird die theoretisch-
konzeptuelle Verbindung zwischen Ärger/Zorn und dem partnerschaftlichen Konfliktverhal-
ten aufgezeigt (Kap. 4.1). Unter Berücksichtigung der (intra- wie interpersonellen) Konse-
quenzen der Ärger-/Zornbewältigung werden Ergebnisse zur Effektivität des Umgangs mit
Zorn dargestellt (Kap. 4.2) und - verbunden damit - unter handlungstheoretischer Perspektive
die möglichen Ziele und Intentionen im Umgang mit Ärger und Konflikten in Partnerschaften
diskutiert (Kap. 4.3). Der Frage nach geschlechtertypischen Unterschiede im Umgang mit Är-
ger und Zorn wird in Kap. 4.4 nachgegangen, bevor in Kapitel 4.5 die Konsequenzen für die
weitere empirische Auseinandersetzung mit Ärger und Zorn in Partnerschaften zusammenge-
fasst werden.
Ziel des empirischen Teils der Arbeit war es, verschiedenen empirischen Fragestellungen
nachzugehen, die sich im Verlauf der theoretischen Auseinandersetzung als besonders rele-
vant und klärungsbedürftig erwiesen haben. In Kapitel 5 werden daher zunächst die aus dem
theoretischen Teil der Arbeit abgeleiteten Fragestellungen zusammengefasst, die sich auf ver-
schiedene Facetten des Konfliktverhaltens, die Beschreibung des Zorns sowie den Umgang
mit Ärger und Zorn in Partnerschaften beziehen. Diese stellen die Grundlage zweier empiri-
scher Studien dar, die aufgrund unterschiedlicher Zielsetzungen unter Nutzung verschiedener
methodischer Zugänge durchgeführt wurden:
In einer Fragebogenstudie zum Ärger- und Konfliktverhalten in Partnerschaften (Kapitel
6) wird untersucht, inwieweit sich die zumeist in angloamerikanischen Untersuchungen fest-
gestellten Befunde zu Unterschieden im Konfliktverhalten bei zufriedenen und unzufriedenen
Paaren auch im deutschsprachigen Kulturraum replizieren lassen und ob die Ergebnisse auf
den Umgang mit Ärger in Partnerschaften ausgeweitet werden können. Zusätzlich zu Grup-
penunterschieden des Ärger- und Konfliktverhaltens bei Paaren unterschiedlicher Partner-
schaftszufriedenheit wird der Frage nachgegangen, ob Frauen und Männer sich in ihrem part-
nerschaftlichen Ärger- und Konfliktverhalten unterscheiden und inwieweit potentielle Unter-
schiede auf Interaktionseffekte mit der Partnerschaftszufriedenheit zurückzuführen sind. Im
Vordergrund dieser Studie steht die Beschreibung des Ärger- und Konfliktverhaltens, wobei
als methodischer Zugang sowohl die Selbstbeschreibung (Selbstwahrnehmung) der befragten
Personen als auch die Fremdbeschreibung durch die/den jeweilige/n Partner/in (Fremdwahr-
nehmung) genutzt wird. Durch Berücksichtigung der beiden Perspektiven war intendiert,
(auch) potentielle Unterschiede in der Selbst- und Fremdwahrnehmung der analysierten
4
Gruppen (Geschlechterzugehörigkeit; Gruppen unterschiedlicher Paarzufriedenheit) aufzu-
decken und die Relevanz von Perspektivenunterschieden aufzeigen zu können.
Ergänzend zur reinen Beschreibung des Ärger- und Konfliktverhaltens wird in einer zweiten
Studie durch die Erfassung Subjektiver Theorien zu Zorn in Partnerschaften versucht,
Hinweise auf mögliche Erklärungen des Ärger- und Konfliktverhaltens zu erarbeiten (Kapitel
7). Da Personen in Paarbeziehungen als „ExpertInnen“ für das Ärger- und Konfliktverhalten
in Partnerschaften angesehen werden können, werden die Untersuchungspersonen in sog.
Struktur-Lege-Interviews zu ihren persönlichen Vorstellungen bzgl. des Zorns sowie zu ihrem
eigenen Umgang mit Zorn in der Partnerschaft befragt. Ziel ist dabei einerseits, die Emotion
des Zorns als subjektiv erlebbares Gefühl zu beschreiben und dadurch unter emotionpsycho-
logischer Perspektive einen Beitrag zur präzisen Explikation dieses „leidenschaftlichen“ Ge-
fühls zu leisten. Durch die Erfassung der Subjektiven Theorien über den Umgang mit Zorn ist
zudem angestrebt, den Bezug zu emotionalem Konfliktverhalten herzustellen und herauszuar-
beiten, welchen Bedingungen von PartnerInnen für den Umgang mit partnerschaftlichem Är-
ger und Zorn angeführt und als potentielle Erklärungen für die Bewältigung von emotionalen
Konflikten angesehen werden können.
Eine zusammenfassende Diskussion der gewonnenen Erkenntnisse sowie des methodischen
Vorgehens ist dann Gegenstand des abschließenden Kapitels 8, in dem zudem weiterführende
Fragestellungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Ergebnisse skizziert werden und
Möglichkeiten des theoretischen, empirischen und praktischen Nutzens der Ergebnisse dieser
Arbeit dargestellt werden.
Description:Tragödie; vgl. Antigone) hin zur Synonymität von „Strafe“. live cycle. Personal Relationships, 1, 83-99. Feeney, J.A., Noller, P. & Roberts, N. (1998).