Table Of ContentPeter Bickel . Rainer Friedrich
Was kostet uns
die Mobilitat ?
Exteme Kosten des Verkehrs
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
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Hong Kong Barcelona Budapest
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Peter Bickel
Dr.-Ing. habil. Rainer Friedrich
Universitat Stuttgart
Institut fUr Energiewirtschaft
und Rationelle Energieanwendung; IER
HeBbriihlstraBe 49a
70565 Stuttgart
Titelfoto: Bavaria Bildagentur
ISBN-13: 978-3-540-58035-5 e-ISBN-13: 978-3-642-93560-2
DOl: 10.1007/978-3-642-93560-2
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1995
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SPIN: 10468501 62/3020 -5 4 3 2 I 0 - Gedruckt aufsaurefreiem Papier
Vorwort
Die Ausgestaltung der Verkehrspolitik wird sehr kontrovers diskutiert. Einerseits
gehen vor allem yom standig wachsenden StraBenverkehr immer groBere Bela
stungen auf Mensch und Umwelt aus. Aus Sicht des Umweltschutzes sind unver
ztiglich MaBnahmen gegen die verkehrsbedingte Umweltzerstorung zu ergreifen.
Andererseits ist der Verkehrssektor ein bestimmender Faktor des Wirtschafts
geschehens -der aktuelle Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland beruht in
erheblichem MaBe auf dem Wirtschaftsfaktor Verkehr. Entscheidungen in diesem
Spannungsfeld sind deshalb sorgfaltig abzuwagen und zu begriinden.
Die vorliegende Untersuchung hat das Ziel, rationale Grundiagen fUr Entschei
dungen im Verkehrssektor zu liefern. Dazu werden die Schiiden, die yom StraBen
und Schienenverkehr in den alten Bundeslandern der Bundesrepublik Deutschland
verursacht werden, soweit moglich systematisch erfaBt und quantifiziert. Um
Vergleichbarkeit herzustellen, werden diese Schaden in Geldwerte umgerechnet.
Die so ermittelten monetiir bewerteten Schaden bzw. externen Kosten des Ver
kehrs sollten den Verursachern angelastet werden, darnit diese die von ihnen
verursachten Schaden bei ihren Entscheidungen tiber Verkehrsmittelwahl, Fahrt
haufigkeit und Fahrtziel angemessen beriicksichtigen.
Bei der Bearbeitung dieser Studie wurden die Autoren durch Kritik und Anre
gungen von einer Reihe von Mitarbeitern des Institutes fUr Energiewirtschaft und
Rationelle Energieanwendung der Universitat Stuttgart untersttitzt. Unser Dank
hierftir gilt insbesondere Alexander GreBmann, Hildegard Hoecker, Wolfram
Krewitt, Peter Liebscher, Petra Mayerhofer und Thomas Schuppe.
Stuttgart, im August 1994 Peter Bickel und Rainer Friedrich
Inhaltsverzeichnis
1 ProblemsteUung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 1
2 Monetiire Bewertung extemer Efrekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7
2.1 Grundbegriffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7
2.1.1 Exteme Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7
2.1.2 Schadenskosten und Vermeidungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
2.1.3 Aspekte der Schadensbewertung ......................... 13
2.2 Das Vorgehen zur monetliren Bewertung von Schaden . . . . . . . . .. 14
2.2.1 Bewertung mit Marktpreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15
2.2.2 Marktdatendivergenzanalyse ............................ 16
2.2.3 Zahlungsbereitschaftsbefragung.......................... 17
2.2.4 Zurechnung der Schaden .............................. 19
2.2.5 Bewertung von Gesundheitsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22
2.3 Die Bewertung zukunftig eintretender Schiiden ............... 24
2.4 Ein MaS fur die Gute von Abschiitzungen .................. 25
2.5 Bisher vorliegende Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
3 Exteme Kosten des Stra8en- und Schienenverkehrs ......... 31
3.1 UnfaIle ........................................... 32
3.1.1 Bisherige Studien .................................. . 33
3.1.2 Exteme Kosten durch VerkehrsunfaIle .................... . 37
3.2 Luftschadstoffemissionen ............................. . 46
3.2.1 Bisherige Studien .................................. . 48
3.2.2 Exteme Kosten durch Luftschadstoffemissionen ............. . 51
3.3 Treibhauseffekt durch CO -Emissionen .................... . 62
2
3.3.1 Der Treibhauseffekt ................................. . 63
3.3.2 Schadensabschiitzungen .............................. . 66
3.3.3 Schaden durch straBen- und schienenverkehrsbedingte
CO -Emissionen .................................... 69
2
3.4 Liirm. . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71
3.4.1 Bisherige Studien ................................... 72
3.4.2 Exteme Kosten durch Liirm ............................ 76
VIII Inhaltsverzeichnis
3.5 Wasserbelastung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 81
3.6 Fliichenbeanspruchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 83
3.6.1 Bisherige Studien ................................... 84
3.6.2 Externe Kosten durch Fliichenbeanspruchung ................ 86
3.7 Ressourcenverzehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 88
3.8 Trennwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 92
3.8.1 Bisherige Studien ................................... 92
3.8.2 Externe Kosten durch Trennwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93
3.9 Weitere Schiiden .................................... 94
3.9.1 Herstellung und Entsorgung von Fahrzeugen und Infrastruktur .... 94
3.9.2 Oberlastung der Verkehrsinfrastruktur ..................... 95
3.9.3 Sonstige Kosten .................................... 96
4 OtTentliche Ausgaben und Einnahmen im Verkehrsbereich .... 99
4.1 Ausgaben und Subventionen fUr den StraBen- und den
Schienenverkehr ................................... 100
4.1.1 Wegekosten des StraBenverkehrs .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100
4.1.2 Schienenverkehrssubventionen.......................... 102
4.1.3 Verzerrungen im Rahmen des Steuersystems . . . . . . . . . . . . . . .. 107
4.2 Einnahmen aus verkehrsbezogenen Steuern und Abgaben . . . . . .. 108
4.3 Saldo aus verkehrsbezogenen offentlichen Einnahmen und Kosten. 109
5 Bilanz der externen Kosten und der otTentlichen Kosten und
Einnahmen ....................................... 111
5.1 Gegeniiberstellung von externen und offentlichen Kosten sowie
offentlichen Einnahmen ............................... 111
5.2 Internalisierung der extern en Kosten ...................... 119
5.3 Technische Weiterentwicklung von Verkehrssystemen ......... 121
5.4 Gesamtkosten von Verkehrssystemen .... . . . . . . . . . . . . . . . .. 123
6 Zusammenfassung und Schlu8folgerungen ............... 127
literatur .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 133
1 Problemstellung
Nur wenige Themen werden in den Medien und der Offentlichkeit so intensiv
diskutiert wie die Probleme, die mit dem Verkehr zusammenhangen. In der Tat
sind die Auswirkungen auf menschliche Gesundheit und Umwelt, die insbesondere
der StraBenverkehr mit sich bringt, bedeutend.
So wurden in der Bundesrepublik (alte Bundeslander) 1990 ca. 38% aller
tOdlichen UnfaJ.le durch den StraBenverkehr verursacht; im StraBenverkehr starben
7.900 Menschen. Erwlihnt seien auch die 103.000 Schwerverletzten und 345.000
Leichtverletzten, die 1990 Opfer von StraBenverkehrsunfallen wurden.
Nach Aussage des Umweltbundesamtes fiihlen sich 20% der BevOlkerung der
alten Bundeslander, das sind knapp 13 Mio. Menschen, durch StraBenverkehrsliirm
stark belastigt. Etwa 12,5% der BevOlkerung (ca. 8 Mio. Menschen) sind tagsiiber
einem Gerauschpegel von mehr als 65 dB(A), der Gesundheitsschiiden hervorrufen
kann, ausgesetzt. Nachts miissen etwa 28% der Bevolkerung (knapp 18 Mio.)
Gerauschpegel von 50 dB (A) und mehr, die unter anderem zu SchlafstOrungen
fiihren konnen, erdulden.
Auch der Flachenverbrauch fiir den Verkehr - derzeit werden 5% der Gesamt
flache als Verkehrsflache genutzt - ist beachtlich. Zusammen mit den Gebaude
und Freiflachen machen die versiegelten Flachen bereits 12% der GesamtfHiche
der alten Bundeslander aus. Die Lange der offentlichen StraBen betrug Anfang
1991 in den alten Bundeslandem 501.000 km; pro km2 Flache des alten Bundes
gebietes sind somit durchschnittlich 2 km StraBe vorhanden.
Ein wei teres wesentliches Problem des Verkehrs sind - last but not least - die
Luftschadstoffemissionen. Bei der Luftreinhaltung wird als eines der gravierend
sten regionalen Probleme der Photosmog, also hohe Konzentrationen an troposha
rischem Ozon und anderen Photooxidantien, angesehen. Photosmog entsteht durch
chemische Umwandlung von NO und bestimmten VOC-Stoffklassen (VOC =
x
volatile organic compounds = gasfOrrnige organische Verbindungen) unter Ein
wirkung von Sonnenstrahlung. Auch CO spielt bei der chemischen Umwandlung
eine Rolle. Ais groBtes globales Umweltproblem gilt derzeit die anthropogen
verursachte Klimaiinderung durch Emissionen von Treibhausgasen, insbesondere
von CO und bestimmten VOC (z.B. Methan). Lokale Probleme entstehen durch
2
die Emission karzinogener Stoffe, darunter einzelne VOC wie etwa Benzol.
2 1 Problemstellung
Der saure Regen, der vor aHem durch die Emission von S02 und NOx ver
ursacht wird, ist zwar auf Grund der erreichten Emissionsreduzierungen dieser
Stoffe bei den industriellen Feuerungen als Problembereich in den Hintergrund
getreten, dennoch entstehen nach wie vor saure Depositionen, die filr bestimmte
empfindliche Okosysteme zu hoch sind. Schiiden an Pflanzen entstehen auch
durch hohen Stickstoffeintrag, daran sind neben den NOx-Emissionen auch Am
moniak-Emissionen aus der Landwirtschaft entscheidend beteiligt.
Angesichts dieser Probleme werden in der Offentlichkeit und in Fachkreisen
eine Fiille von MaBnahmen im Verkehrsbereich diskutiert. Diese lassen sich im
allgemeinen in eine der Kategorien
- Verminderung der Nachfrage nach Verkehrsleistung,
- Verlagerung der Verkehrsleistung auf weniger umweltschadigende Verkehrs-
mittel,
- Verbesserung bzw. Optimierung von Verkehrssystemen und
- technische Weiterentwicklung von Verkehrsmitteln
einteilen. Es ist allerdings meist umstritten, ob und inwieweit diese MaBnahmen
durchgefuhrt werden sollen, weil sie neben den Vorteilen oft auch eine Reihe von
Nachteilen mit sich bringen, z.B. Mehrkosten, Zeitverluste, Einschriinkungen der
Bequemliehkeit oder gar Verzicht auf einen Nutzen, der nur durch Ortsverande
rung zu erzielen ist.
Vor- und Nachteile von MaBnahmen mussen also bei Entscheidungen gegenein
ander abgewogen werden. Dies kann qualitativ erfolgen, bei vielen Dimensionen
des Entscheidungsproblems ist dies aber ein sehr komplexer und vor allem filr
AuBenstehende nicht mehr uberschaubarer ProzeS. Besser ware es, wenn die
Moglichkeit geschaffen wurde, die verschiedenen Vor- und Nachteile unter
Beriicksichtigung der Praferenzen der Bevolkerung in einen gemeinsamen MaB
stab umzurechnen. Abwagungen wurden dadurch konsistenter, transparenter und
besser diskutierbar. 1m folgenden wird daher der Versuch unternommen, die
Schaden, welche Menschen, Pflanzen und Materialien durch den Verkehr er
wachsen, zu quantifizieren und monetar zu bewerten, also in Geldwerte umzurech
nen. Diese Geldwerte ermoglichen den Vergleich und die Abwagung verschiede
ner Vor- und Nachteile und tragen daher zu einer transparenten und konsistenten
Entscheidungsfindung bei. DaB Umweltschaden in Geld umgerechnet werden, ist
filr manchen vielleieht gewohnungsbedurftig -Geld hat aber keine andere Bedeu
tung als etwa Oko- oder Nutzwertpunkte, es ist einfach ein relativer MaBstab filr
den Vergleich verschiedener Nutzen und Schaden aus Sieht der Individuen, die
zusammen die Gesellschaft bilden.
Nun bietet eine solche Umrechnung in Geldwerte aber noch eine zusatzliche
Chance. Es stellt sich namIich die Frage, ob immer der Staat filr die Burger
entscheiden muS, was fur sie das beste ist. Zunachst erscheint dies erforderlieh,
weil davon auszugehen ist, daB der Verkehrsteilnebmer selbst die Umweltschaden,
die er verursacht, nur unzureiehend bei seinen Entscheidungen beriicksiehtigt.
Die Emission von Luftschadstoffen und Larm ist fur den Autofahrer kostenlos,
er wird daher diese Emissionen nur dann einschriinken, wenn der Staat ibm etwa
durch Gesetze und Verordnungen Beschriinkungen auferlegt. Dies gilt auch dann,
wenn er selbst von Autoabgasen und Larm gestort wird; denn er allein kann durch
1 Problemstellung 3
Verzicht auf Autofahrten seine Belastung nicht oder nur unwesentlich senken.
Umgekebrt hatte er Vorteile, wenn seine Nachbarn das Auto stehen lassen, er
selbst aber trotzdem fahrt - denn dann hatte er reine Luft und konnte dennoch die
Vorteile des Autos genie6en.
Da der einzelne somit nicht von selbst motiviert ist, die Schadigung anderer zu
verringem, muB der Staat eingreifen. Dieser kann durch den Einsatz geeigneter
Instrumente beispielsweise Emissionen und Ui.rm begrenzen oder durch Sub
ventionen das Umsteigen auf andere Verkehrsmittel fOrdem. Dabei treten jedoch
Probleme auf. Urn solche MaBnahmen efftzient einsetzen zu konnen, muB der
Staat genaue Kenntnisse tiber Praferenzen und Bedtirfnisse der Verkehrsteilnehmer
sowie technische Moglichkeiten der Verkehrsmittel verfiigen. Zudem sind die
Instrumente, die der Staat hat, urn das gewunschte Verhalten der Verkehrsteil
nehmer zu erreichen, also z.B. Verordnungen oder Subventionen, oft Dicht effi
zient und zielgenau. Es stellt sich somit die Frage, ob es nicht eine Moglichkeit
gibt, den Verkehrsteilnehmer seIber dahin zu bringen, bei seinen Entscheidungen
die von ihm verursachten Schaden zu berucksichtigen. Denn der Verkehrsteil
nehmer weiB seIber am besten, welchen Nutzen ibm eine Fahrt oder welchen
Bequemlichkeitsvorteil und Zeitgewinn ihm ein bestimmtes Verkehrsmittel bringt,
bzw. welche Moglichkeiten ihm zur Verminderung von Verkehrsleistung und
Belastungen zur Verfugung stehen.
Der Verkehrsteilnehmer wird die von ihm verursachten Schaden dann bei
seinen Entscheidungen berucksichtigen, wenn er fOr diese Schaden geradestehen
muB. Offenbar bietet die bereits angesprochene monetiire Bewertung der Schaden
die Moglichkeit, dies zu erreichen. In diesem Fall kann beim Verkehrsteilnehmer
eine Steuer oder Abgabe erhoben werden, die moglichst genau den von ihm
verursachten Schaden entspricht - man spricht von der Intemalisierung der ver
ursachten Schaden. Sind die negativen Auswirkungen somit intemalisiert, wird der
Verkehrsteilnehmer sie bei allen seinen Entscheidungen tiber Fahrten sowie Wahl
und Technik von Verkehrsmitteln in gesellschaftlich optimaler Weise berucksichti
gen.
Ziel der in dieser Arbeit beschriebenen Untersuchungen ist es deshalb, die
durch den Verkehr entstehenden Schaden soweit wie moglich zu quantifizieren
und monetar zu bewerten. Die Ergebnisse sollen Hinweise darauf gehen, wie hoch
staatliche Abgaben oder Steuem gesetzt werden mussen, darnit die Kosten von
Verkehrsmitteln - allgemeiner: die Kosten der Mobilitat - die Gesamtkosten
(einschlieBlich der Schaden) enthalten. Denn nur wenn die Kosten fur den Einzel
nen die extemen Effekte - also die Schaden, die anderen aufgeburdet werden -
enthalten, wird ein potentieller Verkehrsteilnehmer Fragen wie
- Wird eine Fahrt untemommen oder auf eine Fahrt verzichtet?
- Welches Ziel wird gewiihlt (bei Zielen mit unterschiedlicher Entfemung)?
- Welche Verkehrsmittelkombination wird gewiihlt?
im Sinne einer Maximierung des gesellschaftlichen Nutzens optimal beantworten.
Wahl und Haufigkeit der Nutzung der Verkehrsmittel bestimmen dann die Not
wendigkeit der Ausweitung der Verkehrsinfrastruktur.
Auf die Berechnung des Nutzens des Verkehrs kann verzichtet werden, weil der
einzelne Verkehrsteilnehmer diesen selbst kennt und angemessen berucksichtigt.
4 1 Problemstellung
Allerdings gilt dies nur, solange der Verkehrsteilnebrner die Wahl des Verkehrs
mittels selbst bestimmen kann. Die Frage, ob man etwa den Autoverkehr generell
abschaffen solI, kann dagegen ohne Berucksichtigung des Nutzens des Autosy
stems nicht beantwortet werden. Urn diese Frage geht es jedoch im folgenden
nieht, sondem urn fiberschaubare, auf jetzt zu treffenden Entscheidungen beruhen
de Anderungen der bestehenden Verkehrsstruktur.
Urn die vorgenannten Fragen nach Zahl und Liinge der Fahrt und Verkehrs
mittelwahl korrekt beantworten zu konnen, sind 'marginale' exteme Kosten zu
berechnen, also die Schaden zu berucksichtigen, die durch die geplante Fahrt
zusatzlich entstehen. Dabei werden auch die extemen Kosten der benotigten
Infrastruktur bzw. Verkehrsmittel anteilig berucksichtigt. Dies solI an einem
Beispiel verdeutlicht werden: Wer etwa mit einem Bus fahrt, der sowieso fahr
planmaBig verkehrt, verursacht fast keine zusatzlichen Emissionen. Erst wenn
immer mehr Fahrgiiste die Busverbindung nutzen, wird irgendwann ein zusatzli
cher Bus eingesetzt werden. Es erscheint nun sinnvoll, die extemen Effekte und
auch die Betriebs-und Investitionskosten des zusatzlichen Busses nicht dem einen
Fahrgast anzulasten, der gewissermaJ3en ffir den Kapazitatsausbau ausschlagge
bend war, sondem die Kosten gleiebrnaBig auf die Fahrgiiste zu verteilen.
Einige weitere Einschriinkungen bezfiglich des Inhalts dieser Arbeit sind zu
machen. Es wird hier nur der StraBen- und der Scbienenverkehr - die beiden
bedeutendsten Verkehrstrager im Binnenverkehr Deutschlands - betrachtet.
Umweltauswirkungen entstehen nicht nur wiihrend des Betriebs von Kraftfahr
zeugen und Bahnen, sondem z.B. auch beim Bau der Fahrzeuge und der Ver
kehrswege, also bei vor- und nachgelagerten Prozessen. Zur Bestimmung der
Schaden durch die vor- und nachgelagerten Prozesse kann man sich den Metho
den der ganzheitlichen Bilanzierung, insbesondere der ProzeBkettenanalyse bedie
nen. Eine solche Analyse wird bier jedoch nur eingeschriinkt durchgefiihrt, weil
die bedeutendsten Umweltauswirkungen im Verkehr durch den Fahrzeugbetrieb,
bei der Bahn erganzt durch die Stromerzeugung, erfolgen.
Als Untersuchungsgebiet wird das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
Anfang 1990, also das Gebiet der alten Bundeslander, gewiihlt. Bezugsjahr der
Untersuchung ist 1990 - d.h. es werden Schaden anhand der Verhiiltnisse im Jahr
1990 abgeschatzt. Dies ist wiehtig, weil sich spezifische Emissionen -etwa durch
die Einffihrung des Drei-Wege-Katalysators und des kleinen Kohlefilters - oder
Unfallfolgen - z.B. durch Einftihrung des Airbags und der Nutzung von Kinder
sitzen - Jahr ffir Jahr andem und damit auch die durch den Verkehr verursachten
Schaden.
AuBerdem sei bereits jetzt angekfindigt, daB das Ziel, die extemen Kosten des
Verkehrs umfassend und zweifelsfrei zu ermitteln, nieht erffillbar ist. Die nachfol
genden Ausfiihrungen zeigen, daB die Quantifizierung und monetiire Bewertung
von Schaden mit hohen Unsicherheiten verbunden ist, die bedingt sind durch
- fehlendes oder lfickenhaftes Wissen fiber Dosis-Wirkungs-Beziehungen,
- fehlende oder nur schlecht fibertragbare empirisch ermittelte Daten fiber den
monetiiren Wert von Schaden,
- unterschiedliche methodische Ansatze.