Table Of ContentHartmut Bossel
Umweltwissen
Daten, Fakten, Zusammenhange
Zweite unveranderte Auflage mit 310 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo
Hong Kong Barcelona Budapest
Univ.-Prof. Dr. Dipl.-Ing. Hartmut Bossel
Forschungsgruppe Umweltsystemanalyse
Wissenschaftl. Zentrum ill »Umweltsystemforschung«
Fachbereich Mathematik
GesamthochschulelUniversitat Kassel
Monchebergstra8e 11
34125 Kassel
ISBN-13: 978-3-540-57225-1 e-ISBN-13: 978-3-642-95714-7
DOl: 10.1007/978-3-642-95714-7
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994
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Vorwort zur zweiten Auflage
Der Erfolg von Umweltwissen macht eine Neuauflage friiher als vorgesehen notwendig.
Die zweite Auflage ist gegentiber der ersten nicht verandert worden: an den relevanten Zu
sammenhangen und Umweltentwicklungen, die in Umweltwissen dargestellt werden, hat sich
zwischenzeitlich nichts geandert.
An den wenigen Stellen, wo sich Aussagen auf die "alte" Bundesrepublik Deutschland von
vor 1990 beziehen, hatte ich gem Korrekturen angebracht, die der Situation im vereinigten
Land Rechnung tragen. Wegen der bis heute sehr unterschiedlichen Entwicklung in den Ge
bieten der ehemaligen BRD und der DDR ist unter Umweltaspekten eine getrennte Betrach
tung vorlaufig aber weiterhin noch sinnvoll. Entsprechende Verbesserungen mtissen daher
einer spateren Auflage vorbehalten bleiben.
Januar 1994 Hartmut Bossel
Vorwort
In nur wenigen J ahren haben wir einsehen und begreifen mtissen, daB sich Entwicklungen in
unserer Umwelt sehr oft nicht durch einfache Ursache-Wirkungszusammenhange verstehen
oder gar beeinflussen lassen. Immer noch fallt es vie1en schwer, eine Verbindung zwischen
ihrem Auto und dem Waldsterben, zwischen ihrem Ktihlschrank und dem Verschwinden der
Ozonschicht, zwischen ihrer G1tihlampe und der Klimaveranderung, zwischen ihrem Schnit
ze' dem Futtermittelanbau in Tropenlandem, hungrigen Slumbewohnem und dem Verschwin
den tropischer Regenwalder zu sehen. Und doch gibt es diese Verbindungen im komplexen
System der Interaktionen zwischen der mensch lichen Gesellschaft und der nattirlichen Um
welt. Es sind jeweils Reaktionen eines komplexen Wirkungsgefiiges, das sich vor allem da
durch auszeichnet, daB Veranderungen tiber Rtickkopplungen (mit Zeitverziigerungen) auf
sich selbst verstiirkend oder abschwachend zuriickwirken kiinnen. Ohne fundierte System
kenntnisse kiinnen wir mit Vorgangen dieser Art nicht angemessen umgehen.
Systemverstandnis erfordert zweierlei: Kenntnis der einzelnen Systemelemente und ihrer cha
rakteristischen Prozesse, und Kenntnis der Wirkungsverkntipfungen zwischen Systemele
menten. Das System ist daher mehr als die Summe seiner Teile; das Systemverhalten wird
durch Systemelemente und Systemstruktur bestimmt.
In Umweltwissen ist Wissen sowohl tiber die Einzelprozesse des Systems »Umwelt und
menschliche Gesellschaft« wie auch tiber die systemaren Verkntipfungen zwischen Einzel
prozessen systematisch zusammengetragen und in Text und Bild dargestellt worden. Hierbei
wurde eher auf weitgehende systemare Vollstiindigkeit der Infonnation, als auf Feinheit im
Detail Wert gelegt. Es ist eine grundlegende Erkenntnis der Systemtheorie, daB das Verhal
ten von Systemen weitgehend von der Systemstruktur, und nur selten yom genauen Zahlen
wert eines Parameters bestimrnt wird.
Umweltwissen ist durch drei Einfliisse wesentlich gepriigt. Zum ersten: durch das didakti
sche Experiment einer entsprechenden Vorlesung (mit individuellen und schriftlichen Haus
aufgaben und der entsprechenden Riickkopplung) an der GesamthochschulelUniversitiit Kassel
an einigen tausend Studenten (vorwiegend der Ingenieur-und Planungswissenschaften) in
elf Jahren. Zum zweiten: durch die realen Entwicklungen und raschen Veriinderungen in
einer zunehmend mehr gefiihrdeten Umwelt; sie zwangen zur Konzentration aufWesentli
ches, das auch in der weiteren kaum vorhersehbaren Entwicklung Bestand haben wird. Zum
dritten: durch meine Forschungsausrichtung auf Systemforschung im Umweltbereich, die
mich die Bedeutung struktureller Zusarnmenhange fiir die Dynamik und Entwicklung von
Systemen gelehrt hat.
Die Textgestaltung verdanke ich (wieder einmal) Ursula Marquardt; Kendrik Bossel zeich
nete den groBten Teil der Graphiken per Hand und Computer. Beiden danke ich fiir mehrere
Monate intensiver Mitarbeit.
Juli 1990 Hartmut Bossel
Inhaltsverzeichnis
Umweltwissen -Einfiihrung ............................................................................. 3
Ubersicht... ......................................................................................................................................... 3
11. Tendenzen und Entwicklungen ....................................................................................................... 4
12. Zusammenhange, Systemkomponenten, Systementwicklung ...................................................... 6
13. Altemativen und langfristige Orientierung .................................................................................... 9
Bevolkerungsentwicklung und Populationsdynamik .................................. 12
Ubersicht .......................................................................................................................................... 12
Pl. Entwicklung der Weltbevolkerung ................................................................................................ 12
P2. Exponentielles Wachstum .............................................................................................................. 13
P3. Wachstum bei begrenzter Tragfiihigkeit; demographischer Ubergang ................................... 15
P4. Bevolkerungspyramide .................................................................................................................... 17
P5. Bevolkerungsmodelle ...................................................................................................................... 19
P6. Zukiinftige Weltbevolkerung und ihre Versorgung .................................................................... 20
Klimasphlire: Energiequelle Sonne, Atmosphare, Hydrosphlire ................ 24
Ubersicht .......................................................................................................................................... 24
Kl. Energiedurchsatz zur Systemerhaltung und Systementwicklung .............................................. 25
K2. Energiequelle Sonne ...................................................................................................................... 26
K3. Aufbau und Funktion der Atmosphiire ........................................................................................ 29
K4. Globale atmosphiirische Zirkulation ............................................................................................ 31
KS. Lokalklima ........................................................................................................................................ 33
K6. Globaler Wasserkreislauf ............................................................................................................... 34
K7. Wasserspeicher und regionaler W asserhaushalt ......................................................................... 36
KS. Schichtun~ und Zirkulation in Gewiissem und Meer ................................................................. 38
K9. Klimastabilitiit .................................................................................................................................. 40
Energiehaushalt und Produktivitat von Okosystemen ................................ 42
Ubersicht .......................................................................................................................................... 42
El. Struktur und Funktion von Okosystemen ................................................................................... .42
E2. EnergiefluB im W aldokosystem ..................................................................................................... 44
E3. Nahrungsketten ................................................................................................................................ 46
E4.
~:;d~=~~o:06~~~~~c:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::~~
E5.
E6. Faktoren der Pflanzenproduktivitiit .............................................................................................. 52
Nahrstoffbedarf, Nahrstoffkreislaufe, Boden ............................................... 55
Ubersicht .......................................................................................................................................... 55
Nl. Niihrstoftbedarf. ............................................................................................................................... 55
N2. Kreislauf der Niihrstoffe ................................................................................................................. 57
N3. Kohlenstoffkreislauf ........................................................................................................................ 59
N4. Stickstoffkreislauf.. .......................................................................................................................... 61
N5. Phosphorkreislauf ............................................................................................................................ 63
N6. Schwefelkreislauf ............................................................................................................................. 64
N7. Boden ................................................................................................................................................ 65
Okosysteme und ihre Entwicklung ............................................................... 69
Ubersicht .......................................................................................................................................... 69
S1. Systeme in der Umwelt ................ ;. ................................................................................................. 69
S2. Systeme: Grundbegriffe, Verhaltensweisen.: ................................................................................ 71
S3. Dyn~ von Pop:wationen; Stabilitiit v~n Okosystemen ........................................................... 74
S4. Entwicklung von Okosystemen: SukzesslOn ................................................................................. 77
S5. Selektion und Evolution .................................................................................................................. 80
Nutzung erneuerbarer Ressourcen ............................................................... 81
Ubersicht .......................................................................................................................................... 81
R1. Verfiigbare erneuerbare Ressourcen ............................................................................................ 82
R2. Landnutzung ..................................................................................................................................... 84
R3. Moderne Landwirtschaft ................................................................................................................ 87
R4. Nachhaltige Landwirtschaft ........................................................................................................... 91
RS. Nahrung aus Gewiissern ................................................................................................................. 94
R6. Wassernutzung ................................................................................................................................. 95
R7. Aussterben von Arten ..................................................................................................................... 98
R8. Wichtige Gesetze und Verordnungen im Umweltbereich ....................................................... 100
Verbrauch nicht-erneuerbarer Ressourcen ................................................ 101
Ubersicht ........................................................................................................................................ 101
M1. Verbrauch von Material· und Energieressourcen .................................................................... 102
M2. Energie· und Rohstoffvorriite ...................................................................................................... 104
M3. Energieversorgungssystem: BR Deutschland ............................................................................ 107
M4. Material· und Energiedienstleistung ........................................................................................... 109
MS. Materia1riickfiihrung, bessere Nutzung, Substitution ............................................................... 113
M6. Alternativen der Energieversorgung ........................................................................................... 116
Umweltbelastung durch Schadstoffe .......................................................... 119
Ubersicht ........................................................................................................................................ 119
C1. Pfade der Umweltschadstoffe ...................................................................................................... 120
C2. Schadwirkungen (aUgemein) ....................................................................................................... 122
C3. Luftbelastungen ............................................................................................................................. 125
C4. Gewiisserbelastungen .................................................................................................................... 131
G. Bodenbelastungen ......................................................................................................................... 136
C6. Belastungen der Lebens· und Arbeitsumwelt und der Nahrung ............................................ 138
C7. Radioaktivitiit ................................................................................................................................. 140
Orientierung: Kriterien, Alternativen, Zukunftspfade ................................. 145
Ubersicht.. ...................................................................................................................................... 145
01. Verantwortungshorizont ............................................................................................................... 146
02. Entfaltungsfiihigkeit und ihre Leitwerte ..................................................................................... 146
03. Bedingungen fiir nachhaltige Entfaltungsfiihigkeit ................................................................... 148
04. Zielauswahl und Zeithorizont ...................................................................................................... 149
05. Okologische Problematik des Weltmarkts ................................................................................. 151
06. Handlungsbedarf und Forschungsaufgaben .............................................................................. 152
07. Zusammenfassung ......................................................................................................................... 155
Literaturhinweise und QueUen ..................................................................... 156
Index .............................................................................................................. 162
UMWEL TWISSEN -EINFUHRUNG auf Fortschritte in der Umwelt-und der Systemwissenschaft
angewiesen.
Obersicht Das bessere Verstiindnis unserer Umwelt und der Wirkun
gen und Riickwirkungen unserer Eingriffe ist eine der not
Und sie sligten an den Men, wendigen Voraussetzungen filr die Sicherung unserer Le
auf denen sie sajjen und sehrien sieh zu We Eifahrungen, bensbasis. Eine zwelte notwendige Voraussetzung ist das
wie man besse sagen k01I1III Erkennen oder Auffinden von AItemativen filr bisherige
und fuhren mit Krachen in die Tiefe Vorgehensweisen und Eingriffe, die wir als langfristig Dicht
und die ihnen zusahen beim Sagen durchhaltbar erkennen miissen. Und die drItte notwendige
sehattelten die KOpfe Voraussetzung, die uns erst ein sinnvolles Handeln ermiig
und sligten kritftig weiler. licht, ist das Vorhandensein von BewertungsmaBstiiben
(Bert Brecht) (Kriterien), um AIternativen und we Folgewirkungen ver
gleichend abzuwiigen und uns filr die 'bessere' Uisung zu
Die Umwelt spielte im DeDken der meisten Menschen noch entscheiden. Es diirfte kIar sein, daB diese Bewertung auch
vor wenigen Jahren kaum eine Rolle. Von lokalen Umwelt auf die 'Interessen' der Umwelt Riicksicht nelJmen muB,
belastungen abgesehen, die auf zu Diedrige Schornsteine ge wenn wir uns Dicht selbst ilefiihrden wollen. Hier zeigt sich
schoben wurden, war die Natur 'ewig' und schon und der in aIIer Schiirfe, daB die bisher immer noch in Hochschule,
Mensch dam bestimmt, sie sich 'untertan' zu machen. Diese Betrieb und Politik vermittelte Orientierung allein an gesell
Grundeinstellung findet sich noch heute in den Ausbil schaftspolitischen, 'wissenschaftlichen', technischen undl
dungsgingen der Berufe, die den groSten EinfluB auf un oder betriebswirtschaftlichen MaBstiiben schlicht unverant
s~re natiirljche Umwelt haben: etwa der lngeDieure, Land wortlich ist.
WIlte und Okonomen. In dieser ZusanJmenstellung von Umweltwissen wird ver
Inzwischen wird uns stiindig und mit wachsender Intensitiit sucht, (1) grundlegende Zusammenhinge, Fakten und W'1r
vor Augen gef\lhrt, daB (1) sich der Zustand der natiirlichen kungsbeziehungen aus dem Umweltbereich darzulegen, (2)
Umwelt verschlechtert, daB (2) wir aber direkt oder indirekt A1ternatlven anzudeuten und (3) Bewertungsma8stibe zu
von ihr als Lebensbasis abhiingig sind, und daB (3) es miihe begriinden und zu vermitteIn. Die Darstellung wendet sich
voller! kostspieliger und langwieriger Anstrengungen bedarf, hesonders an diejenigen, die gewohnt sind, ihre Entschei
um diesen Verfall aufzuhalten und unsere zukiinftige Exi dungen auf Fakten zu griinden und rational abzuwiigen:
stenz zu sichern. UmweItwissen geht heute jeden an, und es etwa Ingenieure, Planer, Betriebswirte.
g~h~rt zwingend ~ die Ausbildungsginge aller, die spiiter In diesem einfiihrenden Kapitel werden Aussagen der spii
nnt ihren Entscheldungen oder Unterlassungen EinfluB auf teren Kapitel beispielbaft vorweggenommen, um einen Ge
Umweltentwicklungen haben konnen. samtiiberblick zu vermitteln. Die Darstellun$ in den ande
Der Mensch ist als Organismus und darnit als offenes Sy ren Kapiteln folgt etwa der folgenden Logik (5. bierzu 12):
stem auf seine Ver-und Entsorgung durch die Umwelt an Die Belastungen der Umwelt und der Ressourcen sind im
gewiesen. 1st diese Nutzung extensiv, wie etwa beim Jager wesentlichen mit Produktion und Konsumption verbunden.
und Sanmler, so bedeutet sic keine irreversible Belastung Deren AusmaB wird vor allem durch zwei Faktoren be
filr die Umwelt. W'lrd sie intensiv, etwa durch hohe Beviil stimmt: (1) der Bevolkerungszabl (der betrachteten Re
kerungskonzentrationen oder durch die EinschaItung der gion), und (2) dem spezifischen Pro-Kopf-Verbrauch, der
Technik als 'Potenzverstiirker' des Menschen, so kann es zu durch das jeweilige technisch-okonomische System be
irreversiblen Schiiden kommen. Damit reduziert sich die stimmt ist. Produktion und Konsum belasten die UmweIt
'okologische Tragfahigkeit' weiter, die Intensitiit der Bela auf verschiedene Weise: (1) durch die Nutzungsrate der
stung steig! an, und der Verfall beschleunigt sich. (regenerierbaren) Umweltressourcen etwa filr Versorgung
Die Einsicht in die Verkopplung des Menschen, seiner Ge und 'Entsorgong', (2) durch die Rate der Belastung mit
sellschaft und Technik mit seiner natiirlichen Umwelt und Schadstoffen, (3) durch die Nutzungsrate der (Dicht-regene
ihren vielfiiltigen Komponenten fiihrt zwangsliiufig dazu, rierbaren) Ressourcen. ('Rate' bedeutet bier: 'Durchsatz
daB das Systemdenken in der Umweltkunde einen breiten pro Zeiteinheit'). Riickwirkungen auf Bevolk~ und
Raum einnehmen muB. 'Lineares' Denken nach dem einfa technisch-olmnomisches System ergeben sich bei Obemut
chen Schema, jeder Wirkung eine eindeutige Ursache zuzu zung der Okosysteme und Erschopfung der Ressourcen.
ordnen, ist bier - von Einzelbetrachtungen abgesehen - Hierbei kann es sich sowohl um rechtzeitige freiwillige
meist fehI am Platze. Vielfiiltige Vemetzungen und Riick Kurskorrekturen wie auch um katastrophaIe Zusammenbrii
kopplungen der Systemkomponenten untereinander sind ge che handeln.
radezu charakteristische Merkmale sowohl filr Okosysteme Diesem Bild des Gesamtsystems entsprechend, wird
wie auch filr deren Verkniipfungen mit dem Menschen und zuniichst in Kap. P die Beviiikerunpentwicklung als we
seinen Systemen. sentlicher Bes~ungsfaktor der weiteren Umweltbela
Diese Systemeigenschaften des Gesamtkomplexes erschwe stung betrachtet. Okosysteme und die menschliche Gesell
ren Dicht nur das Erkennen der ZusanJmenhiinge und das schaft und ihre Technik sind eingebettet in we K11ma
Abschiitzen der dynamischen Entwicklung, sie entsprechen spbllre (Boden, Wasser, Luft: Atmosphiire, Hydrosphiire,
auch iiberhaupt Dicht dem linearen ErfaIrrungswissen der Pedospbiire) mit denen sie im Stoffwechsel stehen; Grund
Entscheider oder dem Forschungsansatz der traditionellen wissen bierzu findet sich im Kap. K. Es folgen die Grund
Wissenschaft (Laboransatz mit ceteris paribus Bedingun prinzipien der Funktion von Okosystemen: w Energie
gen). Zur Sicherung unserer Lebensgrundlage sind wir aber bausbalt und we Produktivitiit in Kap. E, ihre Niihrstotf
auf ein besseres Verstiindnis des Gesamtsystems und darnit kreisliiufe in Kap. N, we systemare Entwicklung in Kap. S.
4 Umweltwissen -Einfilhrnng
Die weiter!<n Kapitel befassen sich zuniichst mit der Nut 11. Tendenzen und Entwlcklungen
zung von Okosystemen und Ressourcen durch den Men
schen und den Wirkungen dieser Nutzungsbelastungen. In An vielen Einzelentwicklungen der letzten Jahre und Jahr
Kap. R wird die Nutzung e!Deuerbarer Ressourcen: Gewiis zehnte in den Industrieltindem wie in Entwicklungsltindem
sem, Land, Boden und Okosystemen (vor aIlem fur die lliJ3t sich dUTChgtingig eine sttindige Verschlechterung der Um
Land-und Forstwirtschaft) behandelt. In Kap. M wird die weltbedingungen teststellen. In vielen Flillen beschleunigt sich
Nutzung der (nicht-erneuerbaren) Energie- und Material die Problematik exponentiell (mit konstanten Zuwachsraten;
Rohstoffe besprochen. Der Entstehung, Verteilun~ und An z.B. Kohlendioxidpegel der Atmosphlire) oder aberexponentiell
reicherung von Umweltschadstoffen (einschlie6lich radio (mit wachsenden Zuwachsraten; z.B. Aussterben der Men).
aktiver Stoffe) ist Kap. C gewidmet. Vieltach wird die Grenze der okologischen Tragftihigkeit er
reicht und beschleunigter Veifall oder Zusammenbrnch ist die
Das letzte Kap. 0 entwickelt fur die langfristige Orientie
Folge (z.B. Waldsterben).
rung einen Bewertungsrahmen und ein Kriteriensystem fur
die (vergIeichende) Beurteilung von umweltrelevanten Die meisten dieser Entwicklungen sind nicht isoliert zu sehen;
MaBnahmen aus der Forderung nach Nachhaltigkeit der oft beschleunigt sich der Veifall durch Rilckkopplung oder
Nutzung und Entfaltungsfahigkeit der betroffenen Systeme Verkopplung mit anderen Veifallsprozessen im System. Die
(Umwelt und Gesellschaft). Damit konnen die Folgen und strnkturelle Einbindung dieser Prozesse im Gesamtsystem muJ3
Wirkungen von A1ternativen auf rationale Weise verglichen daher beachtet und berucksichtigt werden. Die gegenwlJrtige
werden. globale Entwicklungsdynamik hat historische Parallelen nur in
frilheren regional begrenzten Episoden; sie lliJ3t sich nicht
Wie generell bei Systemzusammenhiingen, so kommt es
auch im Umweltbereich weit mehr darauf an, den systema· dUTCh das A/gument vom TISch wischen, daJ3 es derlei
ren Zusammenhang zu erkennen und zu verstehen, aIs sich Prozesse schon immer gegeben habe.
in Feinheiten auszukennen. Die einzelnen, oft nur knapp
und stichwortartig skizzierten Wissensbrocken wurden so
ausgewiihlt, daB sich (hoffentlich) aus diesen Mosaiksteinen
ein zusammenhiingendes Gesamtbild der verschiedenen be
handelten Bereiche ergibt, und daB der Zusammenhang mit (11.1) Die Weltbeviilkerung verdoppelt slch in weniger
anderen Bereichen deutIich wird. Literaturhinweise verwei aIs 40 Jahren; pro Jahr wachst sie zur Zeit um
sen auf Quellen und sollen bei weitergehendem Interesse rund 90 M1U1onen. In manchen LIIndern verdop
weiterhelfen. pelt slch die Beviilkerung in rund 17 Jabren (z.B.
Kenla).
Das Bevolkerungswachstum stellt enonne und heute weit
Inhalt dieses ElnfOhrungskapltels gehend unerfiillbare Forderungen an den Ausbau der Ver
sorgung und der Infrastruktur. Das Problem wird noch da
11. Tendenzen und Entwicklungen: Bevolkerungsentwick durch verschiirft, daB der hohe Kinderanteil an der Ge
lung, CO2-Anstieg, AbhoIzung, Waldsterben, Wiistenbil samtbevolkerung eine zukiinftig weit hOhere Elternzahl aIs
dung, RoliStofferschopfung, Schadstoffbelastung. heute garantiert, und damit spiitere MaBnahmen zur Bevol
kerungskontrolle sehr drastisch ausfaIlen miissen. Wach
12. Zusammenhllnge, Systemkomponenten, Systement
sende Bevolkerungszahl bedeutet iiberproportionalen An
'!icklung: Bevolkerung, technisch-okonomisches System, stieg der Umweltbelastungen und beschleunigte Zerstorung
Okosysteme, Ressourcen, Nutzungen und Belastungen. der Versorgungs-und Entsorgungsbasis.
Riickkopplungen, Verstiirkungen, Dynamik, EinfluB der
Struktur.
13. A1ternativen und langfristige Orientierung: bessere
WELTBEVOLKERUNG
Rohstoff- und Energienutzung, geringere Umweltbelastun
gen, Stoffriickfiihrung, Lebensdauer. Orientierung an Nach Entwicldung und Prognosen
haltigkeit und Entfaltungsfiihigkeit. Kriterien. VergIei
12
chende Bewertung von A1ternativen. St06richtungen gIo
balen Handelns. 10
2
1970 1980 19'JO 2000 '2010 2020 2030
Jahr
I1. Tendenzen und Entwicklungen 5
(11.2) Der Kohlendioxldpegel der Atmosphiire ist in (11.4) In IndnstrieUlndem mhrt ein 'Waldsterben' zu er
hundert Jahren nm 2S Prozent gestiegen; Kli heblichen Zuwaehsverlusten und zum vorzeltigen
maiinderungen erscheinen unvermeidbar. Absterben bei fast aUen Waldbaumarten.
Der Kohlendioxidpegel in der Atmosphare steigt seit der Seit etwa 1985 ist mehr als die Hiilfte des Waldes in der
IndustriaIisierung stiindig an. Hauptursache des Anstiegs ist BRD geschadigt; die Absterbeverluste iibersteigen teilweise
der Verbrauch fossiler Brennstoffe; die entstehende Koh den normalen Holzeinschlag. In abgestorbenen Baumen
lendioxidmenge iibersteigt die Aufnahmefahigkeit der Bio wird Zuwachsriickgang iiber die letzten zwei J a1trzehnte
sphare und der Ozeane. Mehr CO2 in der Atmosphiire be festgestellt (Jahresringe). Als Schadursache kommen nur
deutet mehr 'Wiirmediinunung' una hOhere mittlere Ja hres Luftschadstoffe in Frage, die fast ausschlieBlich aus Ver
temperaturen sowie besonders starke Tempe~.aturerhOhun brennungsprozessen stammen (Kraftwerke, Verkehr). Die
gen an den Polen, Klimaveriinderungen und Anderung der Erhebungen (Bild) enthalten nieht die bereits entnomme
Wachstumsbedingungen. nen toten Baume.
KOHLENDIOXID-PEGEL WA LDSTERBEN
C02-Anslieg in der Atmosphlire Die HAlfle der B8um .. ist Icrank
.00
700 90
600 110
SIlO 70
400 60
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Jabr Jabr
(11.3) In Entwicklungsliindem findet gegenwiirtig eine (11.5) Dureh Ausbreitung der Wiisten geht weltweit
Waldvemichtung groRen Ausma8es statt: die jiihrlich mr die landwirtschaftliehe Nutzung eine
Waldlliiche dort halbiert sich etwa aUe 20 Jahre. Flache verloren, die der gesamten landwirtschaft
Jahrlich wird weltweit elne Flache von etwa der lichen Nutzflache der BRD entspricht.
GroRe des Bundesgebiets entwaldet.
Hauptsachliche Ursachen rur die Ausbreitung der Wiisten:
Die Abho1zung zur Holz- und Landgewinnung .fiihrt meist Waldrodung (Niihrstoffverluste, Humusverlust, Erosion),
zu weitgehender Zerstorung funktionierender Okosysteme Ubemutzung durch Landwirtschaft (HangIagen, Grenzer
(Erosion, Niih!stoffverluste, Verlust der Wasserspeicherfa t.~agsbOden, Erosion), Brennbolznutzung (Zerstorung des
higkeit mit UberschwemmungenITrockenheit als Folge, Okosystems, Erosion, Niihrst9ff-und Humusverlust, Verlust
Artenverlust). Diese Veriinderungen sind z.T. grundsatzlich der Wasserhaltefiihigkeit), Uberweidung (Zerstorung der
nicht mehr umkehrbar. Hieraus folgen einsc,hneidende Kon Vegetation, Erosion usw.), Bewiisserung (Zerstorung der
sequenzen fiir Versorgung, Stabilitat der Okosysteme, ge Fruchtbarkeit durch Sa1ze und Alkalien).
sellschaftliche Entwicklung und Klima.
WALDFLACHE WOSTENFLACHE
Wald:r.erstOrung in der Drillen Welt Die Wilsten breilen sicb aus
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