Table Of ContentLEHRBVCHER UND MONOGRAPHIEN
AUS DEM GEBIETE DER
EXAKTEN WISSENSCHAFTEN
MATHEMATISCHE REIHE
BAND 18
ÜBUNGEN ZUR
PROJEKTIVEN GEOMETRIE
Mit 90 Bildern im Text und 4 Raumbildern
von
DR. HORST HERRMANN
Techn. Hochschule Braunscbweig
Springer Basel AG
1952
Nachdruck verboten. Alle Rechte, insbesondere das
der Übersetzung in fremde Sprachen und der Reproduktion
auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm, vorbehalten
ISBN 978-3-0348-6955-3 ISBN 978-3-0348-6954-6 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6954-6
Copyright 1952 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag AG., Basell952.
Softcoverreprint ofthe bardeover Istedition 1952
Inhaltsverzeichnis
Projektive Ebene
I. Additiver Bereich 'Obg. Sei~
l. Projektive Zeiger und vereinigte Lalle . . . . . 1 8
2. Vorkenntnisse über Matrizen ........ . 13 lö
3. Der Einserbereich (Zeigerdreieck und -dreiseit) . 18 17
4. Allgemeiner Punkt und allgemeine GeradP. 29 22
5. Schnittpunkte und Verbindunll"~P"eraden .. 3D 25
6. Die Matrix als Figur . . . . . . . . . . . . 44 30
7. Die Figur als Matrix. Desargues-Figuren . . . . . 51 3:3
8. :Beigeordnete Kurven zweiter Ordnung und zweiter Klasse 62 42
II. Multiplikativer Bereich
9. Matrizen und Determinanten 76 50
10. Matrizen als Dreiecke ...... . 82 52
11. Die Kollineation ~ . . . . . . . 85 53
12. Die Korrelation ~ . . . . . . . . . . 99 58
13. Kurven zweiter Ordnung und zweiter Kla!-lse 102 60
14. Polarität und Beiordnung . . . . . . 114 64
15. Polarität, Korrelation, Inversion . . . . . . 122 68
Projektiver Raum
111. Vereinigte Lage
16. Rückblick und Vorschau ........ . 129 7ö
17. Vierreihige Matrizen und Determinanten .. 136 79
18. Punkt, Gerade, Ebene und vereinigte Lage 140 SI
19. Beziehungen zwischen Geraden . . . . . . . . . . . . . . . 153 85
20. Perspektive Dreiecke und Vierflache. Beispiele für Desargues-Kon
figurationen . . . . . . . . . . 157 89
21. Spiegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . 162 92
22. Figuren im Einserbereich . . . . . . . . . . 168 96
IV. Kollineationen und Korrelationen
23. Kollineationen . . . . . . . . . . . . . . . . 175 103
2~. Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 108
25. Schiefe Korrelationen, Nullsysteme ~'l' = -~ .. 196 111
26. Symmetrische Korrelationen, Quadriken ~'l' = ~ . 206 Il3
V. Beispiele zur Beiordnung
27. Polarität und Beiordnung . . . . . . . . . . . . 222 126
28. Die Kurve dritter Ordnung im Raum . . . . . . . 233 129
29. Die Fläche dritter Ordnung mit vier Doppelpunkten 242 133
VI. Konfigurationen
30. Dualität und Dualistik. Desargues-Konfigurationen . . 255 142
31. 'R~>umbilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 164
Literaturverzeichnis · · · · · · · · · · · · · · · · · 168
Vorwort
Diese Übungen ergänzen insbesondere die in der gleichen Sammlung
erschienene "Projektive Geometrie" von W. Blaschke und sind darüber
hinaus zum Gebrauch neben Vorlesungen sowie zur selbständigen Arbeit
im Zusammenhang mit anderen Lehrbüchern abgefaßt. Bei der Auswahl
wurde bewußt auf die Behandlung etlicher sehr wichtiger Fragenkreise
verzichtet, die in den Vorlesungen ausführlich und in allen einschlägigen
Lehrbüchern gründlich erörtert werden. Es schien mir wichtiger, eine
Fülle von anschaulichen Figuren und Zusammenhängen zwischen diesen
- vorwiegend analytisch - darzustellen und, wie ich hoffe, zu weiter
gehender Beschäftigung mit den berührten Gegenständen anzuregen. In
den Fragestellungen und Lösungen wird auch der Kenner einige neue
Gesichtspunkte finden, wie z. B. in der Art der Verwendung der Matrizen,
die nicht nur zur Abkürzung der ~chreibweise dienen, sondern selbst
geometrisch gedeutet werden.
Für die Anregung, dieses Buch zu schreiben, habe ich ganz besonders
Herrn W. Blaschke zu danken, auch für wertvolle Ratschläge während
der Abfassung. Weiter danke ich Herrn W. Haack für einige gern be
achtete Hinweise und dem Verlag für die große Sorgfalt bei der Her
stellung der Bilder und für Erfüllung vieler Wünsche beim Druck.
Braunschweig, 15. 2. 1951
Horst Herrmann
4
Einleitung
Gründliche Vertrautheit mit den Begriffsbildungen und Fragestellungen
der projektiven Geometrie ist eine unerläßliche Voraussetzung für die
Beschäftigung mit jeglichem Zweig der Geometrie überhaupt. Dabei kann
wirklich inhaltserfüllte Vertrautheit nicht allein durch bloßes Kennenlernen
der großen Zusammenhänge erworben werden, sondern erfordert eingehende
Beschäftigung mit den einzelnen Figuren, die Beispiele für diese Zusammen
hänge und Bindeglieder zwischen ihnen sind. Wegweiser mit trefflichen
Beispielen hierzu, in denen zugleich die historische Entwicklung aufgezeigt
ist, bilden die "Projektive Geometrie" und die "Analytische Geometrie"
von W. Blaschke in dieser Sammlung. Im Interesse eines möglichst um
fassenden Einblicks in die wesentlichen Zusammenhänge wurde hier auf alles
entbehrliche Beiwerk und aufanregenden Übungsstoff weitgehend verzichtet.
Eine große, für den Anfänger fast zu große Fülle von Beispielen enthalten die
das
Gesamtgebiet der "Höheren Geometrie" mit umspannenden 6Bände der
"Principles of Geometry" von H . .F . Baker, auf die auch W. Blaschke
an vielen Stellen seiner Bücher verwiesen hat.
Die vorliegende Sammlung von Übungen ist zugleich eine Ergänzung
zur "Projektiven Geometrie" von W. Blaschke, wie auch zu den ein
schlägigen Abschnitten des Werkes von H. F. Baker. Dabei wurden Aus
drucksweisen und Bezeichnungen möglichst weitgehend in Anlehnung an
W. Blaschke gewählt.
Die Lösungen sind vorwiegend analytisch dargestellt. Dabei ist die
inhaltlich-anschauliche Bedeutung der Matrizen weit stärker in den Vorder
grund gestellt, als dies bisher in diesen Zweigen der Geometrie üblich war.
Die gleiche Matrix stellt in der projektiven Ebene ein Dreieck, ein Dreiseit,
eine Kurve zweiter Ordnung oder zweiter Klasse, weitere noch zu de
finierende Gebilde, eine Kollineation, eine Korrelation und weitere noch
zu definierende geometrische Operationen dar. Die Geometrie dieser (ein
zelnen!) Matrix besteht in der Gesamtheit der Aussagen über die gleiche
Matrix in ihren verschiedenen (als zugleich vorliegend gedachten) Deutungs
möglichkeiten. Diese Geometrie kann in sehr verschiedener Weise aufgebaut
werden. Man kann formale Matrizeneigenschaften als Richtschnur nehmen
und erhält eine "Matrizengeometrie", in der die Matrix nicht nur Schreib
aufwand verminderndes Ausdrucksmittel, sondern echte Arbeitshilfe und
darüber hinaus sogar selbst das Objekt der Geometrie wird. Ist die Einzel
matrix behandelt, so gibt es dann eine Geometrie des Matrizenpaares (der
schon durch Kollineation usw. vorgegriffen ist), und man erkennt sogleich,
daß eine Einteilung "Additiver Bereich", "Multiplikativer Bereich" (mit
Einschluß der Gruppen) sinnvoll ist. Im additiven Bereich hat man es
Einleitung
vorwiegend mit einfachen Figuren zu tun, der multiplikative Bereich er
schließt die Zusammenhänge und liefert Einblicke in den Geltungsbereich
von Beziehungen. Für die projektive Ebene; wird im wesentlichen dieses
Einteilungsprinzip vorgesehen, allerdings gelegentlich durchbrachen, um
der Geometrie keinen Zwang anzutun. Für den projektiven J,laum wird
dann eine solche Vertrautheit mit der Denkweise, Symbolik und geometri
scher wie matrizenalgebraischer Einsicht erwartet, daß dann immer frei
zügiger von allen Mitteln Gebrauch gemacht wird, wie dies einer organischen
Verflechtung von Geometrie und analytischer Methode zu ihrer Betrachtung
entspricht.
In den ersten Abschnitten sind die Fragestellungen der Übungen im
wesentlichen inhaltlich sehr genau festgelegt und sollen eine Anleitung für
den Anfänger geben, besonders auch zum Erwerb der für die analytische
Geometrie nützlichen Rechentechnik. Die Rechnungen müssen, auch wenn
sie gelegentlich langwierig werden, notwendiges Übel bleiben und dürfen
keinesfalls den Blick auf die geometrischen Zusammenhänge trüben. Daher
ist die Rechnung als Handwerkzeug anzusehen, das nur dient. Der wird
nicht Geometrie erlernen können, dem das Rechnen als die Hauptarbeit
erscheint. Man muß sich stets darum bemühen, einfache Ergebnisse auf
möglichst einfachen Wegen zu erzielen. Ein guter Rechengang muß in
jedem seiner einzelnen Schritte anschaulich inhaltserfüllt sein. Das gelingt
nicht immer beim ersten Versuch, der zu einer Lösung führt. Welche Be
deutung der "richtige" Ansatz für ein Ergebnis hat, wird in der Sammlung
auf verschiedene Weise gezeigt. Einmal wird die gleiche Aufgabe an gleicher
Stelle auf verschiedene Weise oder an verschiedenen Stellen behandelt, zum
anderen werden bei schwierigeren Lösungsgängen auch Ungeschicklichkeiten
mitgeteilt, die dem ·Verfasser bei seiner erstmaligen Lösung unterlaufen
sind und daher wohl auch auf Anfängerschwierigkeiten hinweisen. Die ge
samte Folge von Übungen soll den Leser, der sie aufmerksam durcharbeitet,
Schritt für Schritt immer freier und selbständiger machen. Deshalb sind
auch Übungen eingestreut, in denen Ziel und Weg, gelegentlich sogar ein
vorkommender Begriff noch nicht scharf vorgeschrieben sind. So sollen
diese Aufgaben vom Üben zum freien geometrischen Schaffen hinlei.ten,
dessen wesentlichstes Merkmal die schöpferische Phantasie ist. Den meisten
Abschnitten sind kurze Übersichten vorangestellt, für deren Bearbeitung
die dann folgenden Übungen als Wegweiser dienen. Der Leser kann das
Maß seiner Selbständigkeit daran beurteilen, in welchem Umfange er auf
Grund dieser Vorbemerkungen selbst Fragestellungen und Lösungen der
folgenden Übungen findet, ohne vorher von deren Wortlaut Kenntnis zu
nehmen. Zu den meisten Übungen sind mehr oder weniger vollständige
Lösungen angegeben. Hierbei ist zu beachten, daß es keine Aufgabe gibt,
die nur auf eine einzige Weise gelöst werden könnte. Auch wenn für die
gleiche Aufgabe auf mehrere Lösungen hingewiesen ist, kann hier keine
Vollständigkeit in einem irgendwie definierbaren Sinne angestrebt werden.
In der Regel sind die Lösungswege bevorzugt, die den Fortgang der geome-
6
Einleitung
trisehen Entwicklung fördern. Daher ist mitunter nicht die einfachste,
sondern die am besten zur Verallgemeinerung hinleitende Lösungsweise
bevorzugt. Etliche Lösungen schon erledigter Aufgaben ergeben sich im
Laufe der späteren Entwicklung nochmals und zeigen, wie die Lösung
durch tieferen mathematischen Einblick oft ganz erheblich vereinfacht
werden kann.
Die Betrachtungsweise der im ganzen recht einfachen und anschaulichen
Übungen soll zugleich ein Abbild des Entstehens geometrischer oder
überhaupt mathematischer Erkenntnisse sein. Hierbei ist es immer wieder
notwendig (sofern nicht eine nachträgliche axiometrisehe Gestaltung eines
inhaltlich schon vorhandenen Gebietes beabsichtigt ist), neue Begriffe,
neue Worte, neue mathematische Zeichen und Symbole zu prägen. Die
Kunst des Mathematisierens zeigt sich in der Zweckmäßigkeit dieser Er
gänzungen im· Laufe der Entwicklung der Theorie. Bezeichnungsweise und
Symbolik sind mitunter für den Erfolg ausschlaggebend und haben starken
Einfluß auf den Erkenntnisweg. Schon zweckmäßiges Bezeichnen ist eine
schöpferische Tätigkeit, gelegentlich sogar eine mathematische Leistung.
Mitunter wird es notwendig, die Bezeichnungsweisen mit fortschreitendem
Einblick in den Sachverhalt zu ändern. Auch hierfür bringen die Lösungen
dieser Sammlung einige Beispiele.
Tritt eine Verknüpfung verschiedener Teilgebiete der Mathematik ein,
in unserem Falle sind dies Geometrie und Matrizenalgebra, so werden durch
den Fortgang der Entwicklung alle diese Teilgebiete gefördert, d. h. zwangs
läufig stellen sich für die verknüpften Teilgebiete Fragestellungen ein, die
ohne diese Verknüpfung als inhaltsleere Spielerei erscheinen müßten und
daher ohne diese Verknüpfung nur durch erkenntnismäßig nicht durch
sehaubare Spekulation zum Problem werden könnten. So wird hier die
Geometrie durch die Matrizenrechnung, diese durch die Geometrie zu neu
artigen Denkweisen angeregt. Dabei wird auch an Aufgaben herangeführt,
die noch zum Feld geometrischer schöpferischer Tätigkeit werden können.
Es ist reizvoll, d~n in dieser Sammlung bevorzugten Behandlungs
weisen Darstellungen mit den Mitteln der GraBmannsehen Ausdehnungs
lehre gegenüberzustellen und so Einblicke in die Vorzüge und Nachteile
verschiedenartiger Methoden zu gewinnen. Einige Hinweise hierfür finden
sich in den Büchern von W. Blaschke. Die wohl übersichtlichste, leicht
verständlichste und zugleich umfassendste Darstellung der Ausdehnungs
lehre und ihrer Anwendungsmöglichkeiten ist das Buch von H. G. Forder,
"The Calculus of Extension" (1941). Es enthält über die allgemeinen
Grundlagen hinaus Anwendungen auf die verschiedensten Gebiete der
Geometrie mit Punkten, Geraden, Ebenen, Kreisen, Kugeln usw. als
Raumelemente sowie eine Fülle von Einzelbeispielen hierzu. Gewiß wird
es den GraBmannsehen Methoden mehr Freunde zuführen als GraB
manns eigene Darstellung und die in Anlehnung an ihn früher ent
standene deutsche Literatur.
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Projektive Ebene
I. Additiver Bereich
1. Projektive Zeiger und vereinigte Lage
Die analytische Geometrie beruht darauf, daß man die geometrischen
Gebilde durch Zahlwerte oder Symbole kennzeichnet und mit diesen
rechnen kann. Für die analytische Geometrie in der projektiven Ebene
und im projektiven Raum kann man die projektiven Zeiger (Koordinaten)
von metrischen Vorstellungen ausgehend einführen (P. G. 5), [7, 24],
[8, 299)1), es ist jedoch auch möglich, die projektive Geometrie hiervon
unabhängig ganz selbständig aufzubauen. Dies ist formal und anschaulich
möglich. Die Voraussetzungen hierfür schuf v. Staudt (P. G. 2), [4, 153],
[5, 159]. Die folgenden Übungen zeigen einen Weg, bei dem die Anschauung
und die analytische Intuition den Vorrang vor dem Formalismus haben.
1. Die projektive Skala auf der Geraden ist durch drei Grundpunkte ein
deutig bestimmt.
a) Zur KOn8truktion einer projektiven Skala auf einer Geraden u, zu welcher
in deren Punkten e0, e01, e1 die Parameterwerte 0, 1, oo gehören sollen, legen wir
nach Bild 1 durch den Punkt e1 ( oo) eine Hilfegerade g und wählen auf ihr zwei
Punkte, a und b, etwa b zwischen a und e1. Es ist bequem, e0 als Anfangspunkt,
-1
Bild 1. Projektive Skala. auf der Gera.den.
e a.ls Einheitspunkt und e als Fernpunkt der Teilung zu bezeichnen. Die Geraden
01 1
durch a und e01, b und e0 schneiden sich in V1• Durch V1 und e1 wird die Gerade ~
gelegt. Die Gerade durch den Einheitspunkt I und b schneidet ~ in V , und aV ergibt
auf u den Teilpunkt 2. Entsprechend weitergehend kann die Skala der ganzen posi
tiven Zahlen erzeugt werden. Für negative Werte ist sinngemäß zu verfahren, fJ1:r
1) HlUweise auf die Literatur: P. G. 5 bedeutet .,Projektive Geometrie" von
W. Blaschke, Abschnitt Nr. 5; eckige Klammern verweisen auf die Nummer im
Literaturverzeichnis S. 168 und Seitenzahl. ·
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