Table Of ContentBildung und Gesellschaft
Serhat Karhan
Türkische Lehrkräfte
der ersten Stunde
Erfahrungen pädagogischer
Professionalität in Nordrhein-Westfalen
Bildung und Gesellschaft
Herausgegeben von
U. Bauer, Bielefeld, Deutschland
U. H. Bittlingmayer, Freiburg, Deutschland
A. Scherr, Freiburg, Deutschland
Die Reihe Bildung und Gesellschaft bietet einen Publikationsort für Veröffentli
chungen, die zur Weiterentwicklung sozialwissenschaftlicher Bildungsforschung
beitragen. Im Zentrum steht die Untersuchung der gesellschaftlichen Voraus
setzungen, Bedingungen, Formen und Folgen von Bildungsprozessen sowie der
gesellschaftlichen Hintergründe und Rahmenbedingungen institutioneller und
außerinstitutioneller Bildung. Dabei wird von einem Bildungsverständnis aus
gegangen, das Bildung nicht mit den Organisationen und Effekten des sog.
„Bildungssystems“ gleichsetzt. Vielmehr verstehen wir Bildung als Oberbegriff für
Lern und Entwicklungsprozesse, in denen Individuen ihre Fähigkeiten und ihre
Autonomiepotenziale entfalten. Die Reihe ist sowohl für empirisch a usgerichtete
Arbeiten als auch für theoretische Studien offen. Überschneidungen mit dem
Gegenstandsbereich der Sozialisations, Kindheits, Jugend, Erziehungs und
Familienforschung sind damit im Sinne einer produktiven Überschreitung gän
giger Grenzziehungen durchaus beabsichtigt. Die Reihe will damit nicht zuletzt
zur interdisziplinären Kommunikation zwischen der sozial und erziehungswis
senschaftlichen Bildungsforschung beitragen.
Herausgegeben von
Prof. Dr. Ullrich Bauer Prof. Dr. Albert Scherr
Universität Bielefeld Pädagogische Hochschule Freiburg
Prof. Dr. Uwe H. Bittlingmayer
Pädagogische Hochschule Freiburg
Serhat Karhan
Türkische Lehrkräfte
der ersten Stunde
Erfahrungen pädagogischer
Professionalität in Nordrhein-Westfalen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan
Serhat Karhan
Bad Oeynhausen, Deutschland
Dissertation Universität DuisburgEssen, 2014
Bildung und Gesellschaft
ISBN 9783658144364 ISBN 9783658144371 (eBook)
DOI 10.1007/9783658144371
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National
bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Springer VS
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die
nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung
des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen und MarkenschutzGesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa
tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind.
Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder
implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Springer VS ist Teil von Springer Nature
Die eingetragene Gesellschaft ist Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Annem Lütfiye ve babam Sabahattin için!
Geleitwort
Die vorliegende Studie von Herrn Serhat Karhan greift eine äußerst relevante De-
batte der historischen Bildungswissenschaften auf, die zugleich für die Integrati-
onsforschung und die Lehrerbildung fruchtbare Einsichten birgt.
Der Autor schafft es vorzüglich, zunächst unaufgeregt und sachlich den Dis-
kurs um die Rolle der Muttersprache sowie der Mehrsprachigkeit nachzuzeichnen,
um dann im zweiten Schritt die Lehrerausbildung in der Türkei und die Grundzüge
des türkischen Bildungssystems freizulegen. So wird die Klammer für das Ver-
ständnis der Bildungssozialisationsgeschichte der späteren türkischen Lehrkräfte in
Nordrhein-Westfalen geschaffen.
Konkret hat der Autor 82 türkische Lehrkräfte, die in den 1970er und 1980er
Jahren in Nordrhein-Westfalen den muttersprachlichen Ergänzungsunterricht gege-
ben haben, angefragt. Mit rund 63 Prozent hat er eine beachtliche Rücklaufquote
erzielt, was ein guter Indikator eines engagierten Arbeitens darstellt.
Diese empirisch fundierte Arbeit ist weit mehr als nur eine historische Ein-
ordnung des muttersprachlichen Unterrichts in die deutsche Bildungslandschaft:
Sie rekonstruiert zugleich die Integrationsdebatten der 1970er und 1980er Jahre
und macht verständlich, warum aus einer rückkehrorientierten politischen Pro-
grammatik die Integration türkeistämmiger Schüler in das deutsche Bildungssystem
nicht nur wenig gelungen ist, sondern sogar nolens volens eine stärkere Separation
gefördert wurde. Denn die Förderung des muttersprachlichen Unterrichts hatte bis
in die 1980er Jahre weitestgehend zuwanderungspolitische bzw. Rückwanderung
verstärkende Motive (Erhalt der Reintegrationsfähigkeit in die Bildungssysteme der
Herkunftsländer).
Gegenwärtig, nachdem nunmehr die Einsicht gewachsen ist, dass aus den
einstigen Zuwanderern und ihren Kindern nunmehr neue Bürger dieses Landes ge-
worden sind, erfolgt die Forderung und Förderung der Muttersprache weitestge-
hend aus einer Identitätspolitik, die vor allem mit dem Erhalt der Muttersprache
und der Mehrsprachigkeit auf die Stärkung der psychischen Ressourcen von Zu-
wanderern abzielt.
Diese Studie, die thematisch Neuland betritt, schafft es, zentrale Einsichten
der Erziehungswissenschaften, der Didaktik, der Psychologie, der Forschung zur
Mehrsprachigkeit sinnvoll mit Blick auf die kommende empirische Analyse zu-
sammenzufügen, ohne dabei die theoretische Reflexionshöhe des jeweiligen Faches
zu unterbieten. Deutlich wird das bspw. an den sehr differenzierten Ausführungen
zu Folgen und Voraussetzungen gelungener Bilingualität. Aber auch die durchgän-
gige Interdisziplinarität des theoretischen Zugriffs ist als eine ausdrückliche Stärke
dieser Monographie hervorzuheben.
VIII Geleitwort
Eine gute sozialwissenschaftliche Studie sollte nicht nur beschreiben, was ist,
sondern auch ein Entwurf einer (anderen) Zukunft liefern. Getreu dieser Maxime
gibt der Autor am Ende eine Vielzahl von Hinweisen, die die künftige Forschung
aufgreifen sollte, so etwa, wie Diskriminierung aufgrund ethnisch-religiöser Unter-
schiede der Lehrkräfte, die leider immer noch ein Thema in der gegenwärtigen Bil-
dungspraxis sind und von der es denkbar ist, dass sie angesichts der neuen Mi-
schung der Zusammensetzung der Schulklassen durch die gegenwärtige Flücht-
lingssituation steigen könnte, begegnet werden kann. Gerade dieser praxisnahe
Anteil ist sehr stark und verdient eine besondere Hervorhebung.
Festzuhalten ist: Diese Studie von Serhat Karhan leistet einen eminent wichti-
gen Beitrag zur Professionalisierung des Lehrerhandelns. Vorbildlich und exempla-
risch wird hier die zentrale Bedeutung der türkischen Lehrkräfte als Scharnier, als
Vermittlungsinstanz zwischen den Erziehungsvorstellungen der türkischen Fami-
lien und den Ansprüchen der deutschen Schule kenntlich gemacht. Historische Bil-
dungswissenschaft und Integrationsforschung erfahren hier eine sehr gelungene
Synthese. Jetzt bleibt dem Werk nur noch die gebührliche Rezeption, die es unein-
geschränkt verdient, zu wünschen übrig.
Essen, den 13.04.2016 Prof. Dr. Haci Halil Uslucan
Universität Duisburg Essen/ FB Geisteswissenschaften
Professor für Moderne Türkeistudien
Wissenschaftlicher Leiter des
Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung
Danksagung
Ein großer Traum von mir war es, zu promovieren. Aufgrund dessen möchte ich
mich an dieser Stelle als allererstes bei Prof. Dr. Ullrich Bauer dafür bedanken,
dass er an mich geglaubt, mir geduldig zugehört und geholfen hat und mir die Mög-
lichkeit sowie die Unterstützung gab, meinen Traum zu erfüllen.
Selbstverständlich gilt mein Dank auch Herrn Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan,
der sich bereit erklärt hat, mich im Rahmen meines Promotionsvorhabens zu be-
gleiten.
Ebenfalls möchte ich mich bei allen türkischen Lehrkräften „der ersten Stun-
de“ bedanken, die für diese Studie an den Befragungen teilgenommen und mir so-
mit überhaupt erst meine Untersuchungen ermöglicht haben – hepinize çok teşek-
kür ederim!
Ein sehr großes Dankeschön gilt auch Herrn Kenan Kurt, der mir bei meinen
statistisch-analytischen Arbeiten geduldig und kompetent viele hilfreiche Ratschlä-
ge, Tipps und Unterstützung gegeben hat.
Vielen Dank auch an meinen Bruder Altay, ohne dessen Hilfe, speziell hin-
sichtlich der Ausleihe von Fachliteratur sowie den zahlreichen für mich gemachten
Kopien, ich bei der Anfertigung dieser Arbeit vor großen logistischen Schwierig-
keiten gestanden hätte.
Mein letzter und größter Dank gilt meiner Hauptstütze Annika: Ohne Deine
menschliche Unterstützung und ohne Deine Verbesserungsvorschläge beim Kor-
rekturlesen wäre diese Arbeit nicht ohne weiteres zustande gekommen. Du warst
stets für mich geduldig und unermüdlich da – ich danke Dir!
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort ................................................................................................................. VII
Danksagung ............................................................................................................... IX
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................... XV
Tabellenverzeichnis ............................................................................................. XVII
1 Einleitung .............................................................................................................. 1
2 Zur Bedeutung erstsprachlicher Förderung .................................................... 7
2.1 Theoretische Annahmen zum Zweitspracherwerb............................................ 7
2.2 Die Interdependenz- und Schwellenniveauhypothese .................................... 10
2.3 Für und gegen die Mehrsprachigkeit .............................................................. 16
2.4 Affektive Bedeutung der erstsprachlichen Förderung .................................... 19
2.5 Umgang mit Mehrsprachigkeit aus professionstheoretischer Sicht ................ 23
2.6 Pädagogische Konsequenzen .......................................................................... 26
3 Zur Lehrerausbildung in der Türkei .............................................................. 31
3.1 Grundzüge des türkischen Bildungssystems .................................................. 31
3.2 Allgemeine Ziele der türkischen nationalen Bildung ..................................... 38
3.3 Historische Entwicklung der türkischen Lehrerausbildung ............................ 41
3.3.1 Ursprünge im Osmanischen Reich........................................................... 42
3.3.2 In der Anfangsphase der türkischen Republik ......................................... 42
3.3.3 Dorfinstitute ............................................................................................. 46
3.3.4 Reformbemühungen der Jahre 1973 und 1982 ........................................ 48
3.3.5 Exkurs: Neustrukturierung der Lehrerausbildung 1997 ........................... 51
3.3.6 Resumee zur historischen Lehrerbildung in der Türkei ........................... 55
4 Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht .................................................... 59
4.1 Historischer Kontext....................................................................................... 59
4.2 Historische Einordnung des Muttersprachlichen Unterrichts ......................... 64