Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
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N r. 2578 achgruppe Mas chine nbau erf ahr enst echnik
Herausgegeben im Auftrage des Ministerpdisidenten Heinz Kuhn
vom Minister fur Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
o. Prof. Dr. -Ing. Dr. -Ing. E. h. Wolfgang Zerna
Dr. -Ing. Ihsan Mungan
Dr. -Ing. Hermann Schmidt-Schleicher
Institut fUr Konstruktiven Ingenieurbau
der Ruhr-Universitat Bochum
Lehrstuhl I
Traglastuntersuchungen
an Zylinderschalen aus Stahlbeton
Westdeutscher Verlag 1976
© 1976 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
ISBN-13: 978-3-531-02578-0 e-ISBN-13: 978-3-322-88311-7
DOl: 10.1007/978-3-322-88311-7
Inhalt
1. Aufgabenstellung
2. Derzeitiger Stand der Erkenntnisse
2.1 Grenztragfahigkeitstheorie fUr Platten 2
2.2 Bruchlinien- oder FlieBgelenklinientheorie 3
2.3 Die BerUcksichtigung der Membrantragwirkung 4
2.4 Kreisplatten unter Einzellast 6
2.5 Raumliche FUichentrag,,'erke 7
2.6 Die Verformungseigenschaften des Baustahls
bei dynamischer Beanspruchung 8
2.7 Das Verhalten des Betons unter dynamischer
Lasteinwirkung 8
2.8 Verbundwerkstoff Stahl-Beton unter
dynamischer Last 13
3. Eigene Untersuchungen
3.1 Untersuchungsnrogramm 13
3.2 Die Schalenmodelle 16
4. Versuche mit statischer Beanspruchung
4.1 Belastungseinrichtung 18
4.2 DurchfUhrung der Versuche 19
4.3 Versuchsergebnisse 21
5. Versuche mit dynamischer Beanspruchung 27
5.1 Ergebnisse der Voruntersuchungen an
Stahl und Beton 28
5.2 PrUf- und MeBeinrichtung 31
5.3 VersuchsdurchfUhrung 32
5.4 Versuchsergebnisse 35
6. Zusammenfassung 36
7. Literaturverzeichnis 40
8. Bildanhang 44
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1. Aufgabenstellung
Beim Druckaufbausystem eines Siedewasserreaktors ist als ein
m6glicher St6rfall der Bruch einer Rohrleitung des Prim~rkreis
laufes zu betrachten. Bei einem solchen Unfall tritt aus der
Rohrleitung ein heiBes Wasserdampfgemisch aus, das einen Druck
anstieg im Sicherheitsbeh~lter verursacht. DarUberhinaus wirkt
der Wasserdampfstrahl nahezu als konzentrierte Einzellast auf
die Wandungen des Sicherheitsbeh~lters. Es muB sichergestellt
werden, daB diese stoBartig wirkende Einzellast aufgenommen wird
und daB vor allem die gasdicht ausgebildete SicherheitshUlle
nicht in Mitleidenschaft gezogen wird, urn ein Entweichen radio
aktiver Medien in die Atmosph~re zu verhindern. Dazu sind be
sondere Schutzwandungen auszufUhren. In der Baupraxis hat sich
Stahlbeton als Baustoff fUr diese konstruktive Aufgabe als
zweckm~Big erwiesen. Aus herstellungstechnischen GrUnden wird
dieser Stahlbetonschutz aus einer Kreiszylinderschale, die durch
Kreisringscheiben ausgesteift und durch Kugelkalotten abqe
schlossen wird, hergestellt. Bei einem Siedewasserreaktor
fUhren die Rohrleitungen des Prim~rkreislaufs qespannten Dampf
von ungefahr 3500 C unter einem Druck von etwa 150 atU, so daB
bei Eintritt eines Rohrbruches ein Wasser-Dampfgemisch mit
hoher Lastkonzentration auf die Stahlbetonschale treffen kann.
Die Einwirkungsdauer dieser Last betraqt etwa 20 bis 25 Se
kunden. Da es sich bei dieser Beanspruchung urn einen Katas
tronhenlastfall mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit (GAU)
und nicht urn eine Gebrauchslast im herk6mmlichen Sinne handelt,
wird die Bemessung der Schale nach einer Grenztragfahigkeits
theorie durchgefUhrt. Dadurch ist es m6qlich, zu einer der
Sicherheit und Wirtschaftlichkeit gerechtwerdenden L6sung zu
gelangen.
In der Baunraxis stellt man die derartig hoch beansoruchte
Schutzschale aus Stahlbeton her, der mit hochfestem Soannstahl
schlaff bewehrt wird. Es wird zugelassen, daB die hochfeste Be
wehrung beim Rohrleitungsbruch his nahe an die Bruchgrenze be
ansprucht wird. Die Bildung von Rissen im Beton ist in diesern
Zusammenhang ohne Bedeutung, da der Betonschutz nur die Aufqabe
hat, den gasdichten Sicherheitsbehalter qegen den konzentrierten
Lastanqriff abzuschirmen.
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Das Ziel der durchgefUhrten und nachstehend erlauterten Unter
suchungen ist die KIMrung des Tragverhaltens der Zylinderschale
aus Stahlbeton unter konzentriert wirkenden Lasten bis zur voll
kommenen Zerst8rung des Bereiches in der NKhe der Lasteinlei
tungszone. Zu diesem Zweck wurden an ~odellschalen aus Stahl
beton Versuche durchgefuhrt, wobe~ die Last statisch, impuls
artig und bei einigen Modellen auch mit vorgegebener Ver
formungsgeschwindigkeiten aufgebracht wurde.
2. Derzeitiger Stand der Erkenntnisse
2.1 GrenztragfMhigkeitstheorie fur Platten
Die Traglast oder der Grenzzustand einer Stahlbetonplatte ist
erreicht, wenn die plastifizierten Gebiete dieser Platte solche
Ausdehnung und Anordnung zueinander annehmen, daB sich ein
kinematisch zulXssiges Durchhiegungsgeschwindigkeitsfeld reali
sieren kann. Dadurch wird die Platte in ein geometrisch ver
Mnderliches Syste~ UberfUhrt.
Zur Ermittlung des Grenzzustandes bzw. zur L8sung des Grenz
tragfMhigkeits~roblems einer Platte ist es erforderlich, ein
geko~peltes S~annungs-Geschwindigkeitsrandwertoroblem zu IBsen.
FUr isotrope Platten aus homogenem Werkstoff ist eine L8sung in
geschlossener Form erst dann m8glich, wenn die FlieBbedingung
einen abschnittsweise linearen Charakter hat und wenn die
mechanischen von den geometrischen Beziehungen getrennt werden
k8nnen. In den ubrigen F~llen ist ein numerisches Verfahren
anwendbar. Zur Ermittlung einer oberen Eingrenzung der Grenz
last ist es erforderlich, die Energiedissioationsfunktion, die
als Skalarorodukt des spannungsvektors und des Verformungsge
schwindigkeitsvektors definiert ist, zu verwenden. Die Dissi
pationsleistung wird durch svmmetrische Tensoren des Moments
Ma 13 und der Kri.irnJnungsgeschwindigkeit Ka 13 vollstMndig be
schrieben und durch das Integral uber den verformten Anteil S
der Plattenmittelflache wiedergegeben.
J
o = JMal<a~dS = d (W) ds
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Der Verformungszustand und das Durchbiegungsgeschwindiqkeits
feld der Platte sind durch die Durchbiegungsfunktion (W) der
Mittelflache beschrieben. Man nimmt fur eine geqebene Platte,
.
die vorgeschriebenen kinematischen Randbedingungen unterworfen
ist, eine beliebige Durchbiegungsgeschwindigkeitsfunktion Wan,
welche die kinematischen Randbedingungen des Problems erfullt
und stetig ist. Dann wird die Leistung der auBeren .K rafte auf
das angenommene Durchbiegungsgeschwindigkeitsfeld W bezogen.
Durch das Gleichsetzen dieser Leistung und der Energiedissi
pationsfunktion ermittelt man die obere Einqrenzung fur die
Grenzlastintensitat.
Zur Ermittlung der unteren EinqrenzungslBsung wird zunachst ein
Spannungsfeld M~~ angenommen, das lediglich die Gleichge
wichtsbedingungen und die vorgeschriebenen spannungsrandbe
dingungen erfullen muB, ansonsten aber beliebig ist. Aus der
FlieBbedingung ermittelt man dann die Ubrigen ~arameter des
Snannungsfeldes ~~~ • Die statische LBsung oder die untere
Eingrenzung fallt mit der kinematischen LBsung oder oberen Ein
grenzung zusammen, wenn das angenommene Durchbiegungsgeschwindig
keitsfeld und das Spannunqsfeld der exakten L8sung entsprechen.
Als FlieBbedingung gilt die Formulierung der Beziehunq zwischen
den Festigkeitseiqenschaften des Materials und den kritischen
Kombinationen der S~annungen.
2.2 Bruchlinien- oder FlieBgelenklinientheorie fUr Platten
In der technischen Bruchlinientheorie, die zuerst von Suenson
(33), 1916 und spater von Ingerslev (15), 1921 entwickelt wurde,
werden die Konzentrationen der Formanderungen als Bruchlinien
oder richtiger als FlieBgelenklinien idealisiert. Das Ver
formungsfeld der Platte wird dahingehend idealisiert, daB der
Berechnung ein FlieBgelenklinienbild zugrundegelegt wird, das
sich mit den Rissen der Platte, die am starksten klaffen, deckt.
Die Bruchlinientheorie stellt damit ein kinematisches Verfahren
zur Ermittlung der oberen Einqrenzung fUr die Grenztragfahig
keit dar. Die in dieser vereinfachten Theorie enthaltene grund
legende Annahme ist, daB senkrecht zu den FlieBgelenklinien ein
konstantes Moment ~o Ubertragen wird. Das FlieBgelenksystem
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wird in erster Linie durch die Randbedingungen bestimmt, da die
einzelnen Plattenteile sich im Grenzzustand urn Achsen drehen,
deren Lage von den Auflagern abhangt. Diese Theorie wurde
spater von Johansen (18), 1932 und Gwosdew (9), 1934 be
richtigt und erweitert.
Zahlreiche Versuche, die z.B. von Sawczuk (30) und Jaeger (16)
zur UberprUfung der FlieBgelenklinientheorie durchgefUhrt
wurden, zeigen, daB die Platte fiber eine bedeutende Tragfahig
keitsreserve jenseits des durch die elementare FlieBgelenk
linientheorie bestimmten FlieBbeginns verfUgt. Die L6sungen
der elementaren FlieBgelenklinientheorie der Platten befinden
sich in guter Ubereinstimmung mit dem aus Versuchen gewonnenen
Belastungs- und Formanderungszustand (Bruchbild) der Stahlbe
tonplatten. Obgleich die elementare FlieBgelenklinientheorie
obere Eingrenzungen fUr den plastischen Grenzzustand bei un
endlich kleinen Formanderungen liefert, 1st urngekehrt bei nahe
zu allen Versuchen eine zusatzliche Tragfahigkeitsreserve ober
halb dieser Grenze zu verzeichnen. Diese zusatzliche Tragfahig
keit entsteht in erster Linie durch die Umlagerung der inneren
Krafte in einem stabilen Membranspannungszustand und hangt des
halb von den Randbedingungen abo Wenn die ~lattenrandbereiche
einen geschlossenen unter Druckspannungen stehenden Rahmen
bilden, dann wird diese Membrantragwirkung gr6Ber. Wie aus den
Versuchen festgestellt werden kann, verfUgen Platten mit freien
Randern meist Uber nur qeringfUgige oder gar keine ~lastischen
Membranzustands-Tragfahigkeitsreserven. Weiterhin zeigen die
Versuche, daB die Starke und die Anordnunq der Bewehrung in
der Platte einen erheblichen EinfluB auf die Membranzug
wirkunq hat; diese wird umso qraBer, je schwacher die Bewehrung
ist.
Bei den unten aufgefUhrten, soateren theoretischen Untersuch
ungen wird diese Membranwirkung berUcksichtigt.
2.3 Die BerUcksichtigung der Membrantragwirkung
Kemp (19) ermittelt die Laqe der Nullinie entlang der FlieB
gelenklinie unter gleichzeitiger BerUcksichtigung der Geometrie
und des Gleichqewichts in der Ebene. Nach der Bestimmung der
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Nullinie wird die FlieBbedingung verwendet, urn die Momente
und die MembrankrMfte entlang der FlieBgelenklinie zu ermitteln.
Sawczuk (31) berUcksichtigt auch die Biegung innerhalb der
Plattenebene wegen der Knderung der Membrankr~fte entlang der
FlieBgelenklinie. Dadurch ergibt sich eine hohere Traglast,
wobei die Erhohunq der Traglast im unmittelbaren Verh~ltnis
zur Durchbiegung der Platte steht. Die Theorie von Sawczuk er
fordert das Vorhandensein von RandkrMften, die in Platten mit
frei aufgelagerten R~ndern nicht auftreten konnen. Die Erhohung
der Traglast nimmt mit zunehmender Abweichunq der Platte von
der quadratischen Form und mit zunehmender Orthotropie der Be
wehrung abo Die durchgefUhrten Versuche zeigten eine gute Uber
einstimmung mit den Ergebnissen der Theorie. Wood (38) berichtet
Uber Versuche, die an einseitig gesnannten Platten durchge
fUhrt wurden. Die isotrope Bewehrung wurde in verschiedenen
Neigungen zu den R~ndern der rechtwinkliqen Platte verlegt und
die Traglast ermittelt. In den Versuchen wurde fUr eine unter
450 zu den R~ndern geneigte Bewehrungsflihrung eine Erhohung der
Traglast bis 16% im Vergleich zu den Platten mit zu den R~ndern
parallelen BewehrungsfUhrung ermittelt. Janas (17) untersucht
in seiner Arbeit das Verhalten der Stahlbetonnlatte nach dem
Erreichen der FlieBgrenze. Die Verformungen der Platte bis zurn
Bruch konnen so groBe Nerte annehmen, daR dadurch die Traglast
erheblich beeinfluBt wird.
In der Arbeit von Janas wird ein idealisiertes starrolastisches
Schema der Verformungen fUr Stahl und Beton zuqrundegelegt. Es
wird ferner vorausgesetzt, daB sich die RiBhilder mit der zu
nehmenden Verformung nicht ~ndern. Die anf~nglichen RiBbilder
¥!erden aus den moglichen ZerstorungRmechanismen qe¥T~hlt. Durch
die Annahme von starrrylastischen Baustoffen konnen iedoch die
Verformungen, die bis zurn Beginn des FlieBens auftreten, nicht
berUcksichtigt werden. Andererseits konnen geringe Unterschiede
in der Geometrie bedeutende EinflUsse auf das Tragverhalten der
Stahlbetonnlatten ausliben. Das ist zum groBten Teil durch die Ge
wolbewirkung bedingt, die in den elastischen und plastischen
Theorien der Flachentragwerke unberUcksichtiqt bleibt. Zuerst fest
gestellt von Gwosdew (10) und sn~ter diskutiert von Drucker (6)
und durch die Versuche von Sawczuk (32) und Park (23) bestatigt,
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kann dieses Ph~nomen das Tragverm6gen der Stahlbetontragwerke
erheblich erh6hen. Die Gew6lbewirkung ist ;edoch unstabil und
kann mit den zunehmenden Verformungen des Tragwerkes verloren
gshen. Danach f~llt die Lastverformungskurve erheblich abo Aus
Sicherheitsgrunden sollten die Formanderungen der Platten vor
und nach dem plastischen FlieBen berucksichtigt werden. Fur den
Fall, da8 auf die Berucksichtigung dieser Formanderungen ver
zichtet wird, kann die klassische Bruchlinientheorie von Johansen
verwendet werden. Fur eingesnannte oder seitlich festgehaltene
Stahlbetonplatten wird jedoch diese Theorie kinematisch unanwend
bar. Sie kann nur einen sicheren N~herungswert fur die Bruchlast
liefern. Andererseits ist die Theorie fur das ideal plastische
Material kinematisch richtig, jedoch beruht sie auf der anfang
lichen Geometrie der Platte und kann deshalb zu einer erheb
lichen Uberschatzung des tats~chlichen Tragverm6gens fuhren.
2.4 Kreisplatten unter Einzellast
Die Traglast von Kreisplatten unter einer Einzellast in der
Plattenmitte wurde bereits von verschiedenen Verfassernunter
sucht. Die Theorie von Hopkins und Prager (13) unter Anwendung
der Coulomb-Tresca Flie8bedinqung liefert fur die Kreisplatte
aus homogenem Stoff und mit freidrehbaren Randern die Trag
last zu P = 2 TI MO' wobei MO das FlieBmoment des Plattenquer
schnittes ist. Die Theorie liefert auch fUr eine Kreisplatte
mit eingespannten R~ndern die gleiche Traglast, d.h. die Trag
last nicht vom Grad der Einspannung abo Fur eine einge
h~ngt
spannte Platte von beliebiger Form liefert die Arbeit von
Haythornthwaite und Shield (12) den fur Kreisplatten gultigen
Wert fur die Traglast, wobei als Radius der Abstand der Einzel
last zum n~chsten Auflagerpunkt eingesetzt wird.
Die Anwendung der Huber-von Mises-FlieBbedingung liefert fur
die Kreisplatte mit freidrehbaren R~ndern die qleiche Traglast
=
P 2 TI MO' fur die Kreisnlatte mit eingespannten R~ndern, je
doch di~ Traglast: