Table Of ContentShoah-Träume
Christiane Solte-Gresser - 978-3-8467-6650-7
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Traum – Wissen – Erzählen
Herausgegeben von
Stefanie Kreuzer, Christiane Solte-Gresser
Wissenschaftlicher Beirat
Andrea Allerkamp
Susanne Goumegou
Markus Kuhn
Hans-Walter Schmidt-Hannisa
Roland Spiller
Kerstin Thomas
Band 10
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Christiane Solte-Gresser
Shoah-Träume
Vergleichende Studien zum Traum
als Erzählverfahren
BRILL | Wilhelm Fink
Christiane Solte-Gresser - 978-3-8467-6650-7
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Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München
Herstellung: Brill Deutschland GmbH, Paderborn
ISSN: 2567-7993
ISBN 978-3-7705-6650-1 (hardback)
ISBN 978-3-8467-6650-7 (e-book)
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Inhalt
Vorbemerkung:
Traumerfahrungen der Shoah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
I. Traumwissen und Traumliteratur:
Erzählte Shoah-Träume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
II. Traumdiskurse des beschädigten Selbst:
Jean Cayrol und Vercors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
III. Traumnotate zwischen Politik und Poetik:
Rudolf Leonhard, Charlotte Beradt und Emil Szittya . . . . . . . . . . . . 51
IV. Träumen im Lager:
Robert Antelme, Primo Levi, Charlotte Delbo,
Jorge Semprún und Anna Langfus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
V. Traumsprachen des ‚Muselmanns‘:
Charlotte Delbo, Vercors und Elie Wiesel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
VI. Alpträume der Nachkriegswirklichkeit:
Günter Eich, Primo Levi und Anna Langfus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
VII. Traumzeit und Geschichtserfahrung:
Anna Seghers und Lenka Reinerová . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
VIII. Vorausgeträumte Erinnerung:
André Schwarz-Bart, D. M. Thomas und Jonathan Safran Foer . . . 195
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6 Inhalt
IX. Unheimliche Traumschriften:
Paula Ludwig und Philip Larkin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
X. Der Traum von der Lagerrückkehr:
Primo Levi, Charlotte Delbo, Werner Fritsch, Jean Cayrol,
Georges Perec und Jorge Semprún . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
XI. Alptraum und Wunschtraum unmöglicher Erzähler:
Romain Gary und Radu Mihăileanu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
XII. Traumwissen als Traumnotat:
Charlotte Beradt, Paula Ludwig, Ingeborg Bachmann
und Hélène Cixous . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
XIII. Täterträume zwischen Verblendung,
Verdrängung und Heimsuchung:
Romain Gary,Edgar Hilsenrath, Marcel Beyer,
Jonathan Littell, Martin Amis, Olivier Guez und Daša Drndić . . . . . 333
XIV. Rückblicke und Ausblicke:
Traumwissen der Shoah-Literatur und ‚Traumarbeit‘
der Nachgeborenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405
Nachweis der Erstpublikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483
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Vorbemerkung:
Traumerfahrungen der Shoah
„In Auschwitz träumten wir nicht, wir delirierten“, sagt Charlotte Delbo im zwei-
ten Teil ihrer Roman-Trilogie über ihre traumatischen Erfahrungen. „Von Ausch-
witz lässt sich nicht erzählen, allenfalls in Form eines Traums“, so müsste man
demgegenüber Vercors resümieren, der als einer der ersten Nicht-Deportierten
versucht, das Grauen der Vernichtungslager aus dem Untergrund heraus litera-
risch in Worte zu fassen. Überlebende wie Primo Levi, Anna Langfus oder Jorge
Semprún schreiben von wiederkehrenden Alpträumen, in denen sich das Leben
nach dem Konzentrationslager als erschütternde Täuschung entpuppt. Robert
Antelme oder Charlotte Delbo hingegen erzählen aus dem Inneren einer Lager-
realität, wo der schmale Grat zwischen Leben und Tod derart brüchig wird, dass
Halluzination, Delirium und Agonie auch die Grenzen zwischen Traum- und
Wacherleben auflösen. Während für Jean Cayrol der Traum im Lager einen zeit-
weiligen Fluchtraum bildet, sind für andere Überlebende – allen voran für Elie
Wiesel – Träume oft der Ort, an dem sie den Toten begegnen oder ihnen eine
Stimme verleihen können. Mitunter allerdings verlagern die Traumatisierten
gar die gesamte eigene Existenz in die Träume der Toten hinein. Damit stellen
sie die Wirklichkeit eines Lebens nach der Shoah grundsätzlich infrage. Ro-
mane, die nationalsozialistische Täterstimmen zu Wort kommen lassen, erzäh-
len wiederum auf provozierende Weise von Träumen, in denen die Grenze zwi-
schen Tätern und Opfern ins Wanken gerät. Auch ihre Leserinnen und Leser
werden damit an eine Grenze geführt: Die Traumtexte konfrontieren uns mit
der unausweichlichen Frage, ob die Täter wirklich so anders sind als wir selbst.
Ob Traumprotokolle, Träume in Autobiographien oder literarische Traumfik-
tionen; ob Roman, Gedicht, Drama oder Film; ob in unmittelbarer Nähe zu den
Konzentrationslagern oder aus der Distanz heraus entstanden; ob von Überle-
benden selbst oder von den Nachgeborenen verfasst: Jeder einzelne der hier ver-
sammelten Traumtexte spricht zunächst einmal in vielsagender Weise für sich
selbst. Der systematische Vergleich zwischen bekannten und bislang kaum zur
Kenntnis genommenen Schriften aus unterschiedlichen Sprach- und Kulturräu-
men führt aber auch bedeutsame Überschneidungen vor Augen und eröffnet
neue Denkräume. So werden etwa bestimmte Typen von Shoah-Träumen er-
kennbar, die in verschiedenen Variationen immer wieder erzählt werden. Hierzu
gehören u. a. der Traum von der verhinderten Heimkehr aus dem Lager, der
Traum vom unwillkürlichen Zurückversetztwerden in die Lagerwirklichkeit,
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8 Vorbemerkung
Träume, in denen ermordete Familienmitglieder erscheinen und versuchen, mit
den Überlebenden in Kontakt zu treten, solche, in denen die Erfahrungen der
Shoah im Bild der Hölle ihren Ausdruck finden oder in denen die Shoah regel-
recht ‚vorausgeträumt‘ wird.
Insgesamt wird damit ein eindrückliches Spektrum an Motiven und Erzähl-
weisen des Träumens sichtbar, die eingesetzt werden, um sich schreibend der
Shoah anzunähern. Die Vieldeutigkeit und Widersprüchlichkeit des Traums,
sein unsicherer Wirklichkeitsstatus, die übermächtigen sinnlichen und leibli-
chen Wahrnehmungen im Traumerleben und der ästhetische Eigensinn, der des
Nachts Erfahrungen und Reflexionen in beunruhigende Bilder verdichtet, ma-
chen den Traum zu einem äußerst produktiven Erzählverfahren, mit dem die
Grenzen des Darstellbaren ausgelotet werden.
So begegnen die Traumerzählungen dieses Buches auf je eigene Weise der
Aporie der Shoah, die, wie Giorgio Agamben sagt, „in doppeltem Sinne ein Er-
eignis ohne Zeugen“ ist. Über Träume setzen sich die Schreibenden damit ausei-
nander, dass es „ebenso unmöglich ist, aus dem Inneren des Todes Zeugnis ab-
zulegen – es gibt keine Stimme für das Verschwinden der Stimme –, wie von
außen her – denn der outsider ist per definitionem vom Ereignis ausgeschlos-
sen“. Vor diesem Hintergrund lassen sich die erzählten Shoah-Träume auch als
eine kritische Reflexion über das vieldiskutierte Problem der ‚Unsagbarkeit‘
lesen. In ihnen scheint jedenfalls ein Wissen aufgehoben, das geborgen und wei-
tergegeben werden will – und das auf anderem Wege kaum zugänglich oder ver-
mittelbar ist.
Die hier versammelten Studien sind Ergebnisse meiner langjährigen For-
schungsarbeit zu Shoah-Träumen im Rahmen des von der Deutschen For-
schungsgemeinschaft geförderten Graduiertenkollegs „Europäische Traumkul-
turen“. Einige Beiträge gehen auf Artikel zurück, die bereits in anderen
wissenschaftlichen Kontexten erschienen sind und für den vorliegenden Band
überarbeitet wurden. Die Kapitel lassen sich damit als Einzelstudien zu ver-
schiedenen thematischen Aspekten des Traums bei bestimmten Autorinnen
und Autoren der Shoah-Literatur lesen. Weil manche Texte für ganz unter-
schiedliche Facetten der Shoah und die damit verbundene Traumthematik
wichtig sind, tauchen sie in mehreren Kapiteln auf. Geringfügige Dopplungen,
etwa was Überblicke und Kontextualisierungen angeht, wurden in Kauf genom-
men, um eine Lektüre einzelner Kapitel als in sich abgeschlossene Studien zu
ermöglichen. Verweise auf weiterführende Argumentationen, Vertiefungen be-
stimmter Aspekte an anderer Stelle und Ergänzungen durch zusätzliche Bei-
spiele laden dazu ein, zwischen den einzelnen Buchkapiteln zu springen. Das
Buch ist zugleich aber auch ausdrücklich als ein Gesamtes angelegt: Es folgt
einer zeitlichen Struktur, die – wo immer es möglich war – die Entstehungschro-
nologie der untersuchten Texte berücksichtigt. Es spannt dabei einen Bogen von
Träumen vor der Shoah bzw. solchen, die während der Shoah außerhalb der
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Vorbemerkung 9
Lager geträumt wurden, über Träume im Konzentrationslager und Traumerzäh-
lungen von Überlebenden bis hin zu Traumtexten der nachfolgenden Generati-
onen, die sich literarisch mit der historischen Vergangenheit auseinanderset-
zen.
Ich danke meinen geschätzten Kolleginnen und Kollegen sehr herzlich für
die eröffneten Möglichkeiten zur Präsentation, Diskussion und Reflexion dieser
Studien. Genannt seien hier, stellvertretend für viele andere, Manfred Engel
vom Research Committee The Cultural and Literary History of the Dream der In-
ternational Comparative Literature Association, Markus Messling mit seinem
European Research Council Projekt Minor Universality. Narrative World Produc-
tions After Western Universalism sowie Marie Guthmüller für das Network of Cul-
tural Dream Studies und das DFG-Netzwerk Das nächtliche Selbst. Traumwissen
und Traumkunst im Jahrhundert der Psychologie. Den ehemaligen und derzeiti-
gen Mitgliedern des Graduiertenkollegs „Europäische Traumkulturen“ (GRK
2021) bin ich dankbar für die anregenden Debatten und ihr anhaltendes Inter-
esse an der Thematik. Leah Kinberg und Alexander Friedman danke ich für ihre
fachliche Expertise und ihre wohlwollende Aufmerksamkeit. Mein besonderer
Dank geht an Lucia Hubig und Kristina Höfer für ihre sorgfältigen, kritischen
Lektüren sowie an Angelika Selle, Jasna Pape und Norah El Gammal für die en-
gagierte und verlässliche Unterstützung bei der Recherche und der Fertigstel-
lung des Manuskripts.
Saarbrücken, im März 2021
Christiane Solte-Gresser
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