Table Of ContentSchriften der Arbeitsgemeinschatt
Deutscher Betriebsingenieure· Band V
Schlosserei- und
Montage-Arbeitszeitermittlung
und Zeitbedarf verwandter Handarbeiten
Bearbeitet von
Kalkulator M. Belke, Abteilungsvorsteher P. Bothe, Obering.
O. Flacker, Dr.-Ing. H. Freund, Prof. K. Gottwein, Direktor
K. Hegner, Betriebsdirektor G. Laufs, Ing. Fr. Schleif,
Kalkulator W. Schulz, Kalkulator A. Wartus,
Dr.-Ing.A. Winkel, Dr.-Ing. E. Wiistehub e
Herausgegeben von
K. Gottwein
o. Professor an der Technischen Hochschule
zu Breslau
Mit 139 Textabbildungen
und 106 Zahlentafeln
Berlin
Verlag von J uli us Springer
1928
ISBN 978-3-642-98837-0 ISBN 978-3-642-99652-8 (eBook)
001 10.1007/978-3-642-99652-8
Alle Rechte, insbesondere das der übersetzung
in fremde Splachen, vOlbehalten.
Copyright 1928 by Julius Springer in Berlin.
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1928
Vorwort.
Der ReichsausschuB fiir Arbeitszeitermittlung (Refa) hat in den
kurzen Jahren seines Bestehens eine umfangreiche Gemeinschafts
arbeit geleistet, die bereits weiten Kreisen der metallverarbeitenden
Industrie zugllte kommt. Die Ergebnisse seiner Arbeiten sind in den
bekannten "RefabHittern" niedergelegt lmd umfassen heute schon
den groBten Teil der spanabhebenden Metallbearbeitung. Man findet
hierin sowoh] die Zeiten fiir reine Maschinenarbeit - die "Maschinen
zeiten" - als auch die Zeiten fUr die mit der Maschinenhearbeitung
verbundenen Handgriffe aller Art -- die "Handzeiten". Ferner sind
die Zeituntersuchungen fiir die verschiedenen Arten der spo,nlosen
Formung in lebhafter und z. T. vorgeschrittener Bearbeitung.
Auch die Anregung zu vorliegendem Buche ist durch Gedanken
austausch beim Refa entstanden, da das Bediirfnis vorlag, baldigst
Unterlagen fiir den Zeitbedarf der reinen Handarbeiten in der
Schlosserei und Montage (Zusammenbau) zu schaffen. Auf dem
Wege iiber die Breslauer Ortsgruppe der Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Betriebsingenieure (ADB) fiel dem Unterzeichneten die Aufgahe zu,
das zuflieBende MateIial mit den betreffenden Verfassern zu bearbeiten
und ala einen Band der Schriftenreihe del' ADB herauszugeben. Der
in dem Buche niedergelegte Stoff sollte dann als Unterlage zu weiteren
Untersuchungen des Zeitbedarfs fUr Schlosser- und MontagearbeIten
dienen. Aus diesem Grunde wurde das Hauptgewicht zunachst auf
zahlenmaBige Unterlagen und Beispiele aus diesen Fachrichtungen
gelegt, wahrend dieDarstellung eines breiterenAufbaues der Handarbeits
zeiten fiir das ganze erwahnte Gebiet einem etwas spateren Zeitpnnkt
vorbehalten werden muB. Soweit als moglich wurde aber in den ein
fiihrenden Abschnitten und bei den Beispielen auch auf das Grund
sa tzliche und fiir Handarbeit allgemein Giiltige hingewiesen. Die eng
umschriebene Aufgabe sowie der begrenzte Raum des Buches gestattete
es ferner nicht, auf die Beziehungen zur Arbeitswissenschaft naher ein
zugehen; diese wurde aber in dem Beitrag Freund-Wiistehube
in gewissen Grenzen herangezogen. Am Sch]usse des Buches ist auf
das Schrifttum iiber Zeitermittlung hingewiesen, so daB ein weiterer
Vberblick ermoglicht wird.
Bei del' Gliederung des Stoffes war es nicht iiberall moglich, von den
Elementen der Handarbeit stetig zu immer groBeren Gruppen fort-
IV Vorwort.
zuschreiten. So ·z. B. hat es sich nicht als durchfiihrbar erwiesen, die
Stiickschlosserei liickenlos bis in aIle ihre Verastelungen zu behandeln
und dann erst zum Zusammenbau iiberzugehen. Insofern diirften die
Anforderungen, die an ein Lehrbuch zu stellen waren, clcht durchaus
erfiillt sein. Der Grund fiir diese Unvollkommenheit liegt darin, daB
es vorerst vermieden werden muBte, die Beitrage der einzelnen Ver
fasser nach dem Gesichtspunkt: Stiickschlosserei-Montage auseinander
zutrennen, da sonst der organische Aufbau und die gegenseitige Un
abhangigkeit der einzelnen Abhandlungen beeintrachtigt worden ware.
So sind auch einige Schlosserarbeiten, wie Gewindeschneiden von Hand,
Aufkeilen von Maschinenteilen, Schaben von Lagern und Buchsen von
mehreren Verfassern bearbeitet. Beim Vergleich des Zeitbedarfes fiir
diese Arbeiten zeigen sich gewisse Unterschiede, die auf die verschie
denen Arbeitsbedingungen und darauf zuriickzufiihren sind, daB unter
dem angegebenen Zeitbedarf bald nur die Hauptzeit, bald die Grund
zeit, die auBer der Hauptzeit noch mehr oder weniger Nebenzeiten
enthalt, verstanden ist. Man erhalt dadurch ein Bild dariiber, wie ahn
liche Arbeiten an verschiedenen Stellen mit unterschiedlichen Arbeits
bedingungen in ihrem Zeitbedarf verschieden bewertet w€>rden.
Die Kritik wird feststellBn, daB nur ein karger Ausschnitt aus den
Schlosser- und Montagearbeiten behandelt ist. Dies ist einerseits
durch den beschrankten Umfang deR Buches bedingt, andererseits da
durch, daB bis jetzt nur ein verhaltnismaBig kleiner Kreis von Mit
arbeitern zu gewinnen war. Dennoch darf bemerkt werden, daB dem
Herausgeber eine umfangreiche Aufgabe und Mehrarbeit dadurch zufiel,
daB der recht verschiedenartige Stoff den Grundbegriffen und Richt
linien des Buches einheitlich angepaBt werden muBte. Sehr zu begriiBen
ware ea, wenn die Praxis dem Buche die Anregung entnehmen wiirde,
sich kiinftig in weitergehendem MaBe an dem Erfahrungsaustausch
iiber Handarbeitszeiten zu beteiligen. Dann ware der Zweck des Buches,
in dieser Hinsicht einen Anfang zu bilden, erfiillt. Verbesserungsvor
schlage werden yom Herausgeber stets mit Dank entgegengenommen.
Es ist mir noch ein Bediirfnis, an dieser Stelle denjenigen Firmen,
die unsere Arbeit durch trberlassung von Material in entgegen
kommender Weise unterstiitzt haben, sowie der Verlagsbuchhandlung
fiir die vorziigliche Ausstattung des Buches meinen besten Dank
auszusprechen.
Breslau, im Februar 1928.
K. Gottwein.
Inhaltsverzeichnis.
Se1te
Einleitung. Von K. Gottwein und O. Flacker, Breslau.
I. Wesen und Beispiele reiner Handarbeitszeiten . . . . . . . 1
II. Grundbegriffe fUr Handarbeiten unter besonderer Beachtung von Schlos-
ser- und Montagearbeiten .................... 6
m.
Eigenart der reinen Handarbeiten hinsichtlich der Erfassung ihres Zeit-
bedarfes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
EntwickJungs-und Berechnungsbeispiele fur Teil-undZusammen
bau-Schlosserarbeiten. Von Fr. Schleif, Cannstatt.
I. Teilschlosserarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
A. Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
13. Bildung von Bezugszeiten und Entwicklungsbeispielen fUr Arbeiten
in der Teilschlosserei 27
L AnreiBen . 29
2. Feilen . . 32
:~. Schaben . 47
4. Aufreiben 57
5. Gewindeschneiden. 61
6. Messen .... . 63
7. Lasthebearbeiten . 63
8. Verschiedene Einrichte- und Nebenarbeiten 65
9. Einschrauben von Schrauben und Muttern 66
C. Anwendungsbeispiele. . . 66
1. Beispiel iiber AnreiBen 67
2. Beispiel iiber Ankornen 68
3. Beispiel iiber Feilen. . 70
4. Beispiel fUr Gewindeschneiden 72
5. Beispiel fUr Flachschaben . . 74
II. Kalkulations-, Richt- oder Vergleichswerte zur Berechnung von Teil-
gruppen- und Hauptgruppen-Zusammenbau-Schlosserarbeiten 75
A. Teilgruppen-Zusammenbau-Schlosserarbeiten 75
1. Entwicklungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 75
2. Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . 78
13. Hauptgruppen- und Maschinen-Zusammenbau-Schlosserarbeiten 82
1. Entwicklungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
2. Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Beil"pieJe vers('hiedener Schlosseral'beiten. Von K. Gottwein,
Breslau und A. Wartus, Erfurt.
1. MeiBeln von Hand . . . 94
2. Feilen . . . . . . . . . 96
3. Abrichten und Tuschieren 98
4. Abgraten und Abrunden . 99
5. Einpassen von Keilen und Aufkeilen von -Scheiben . 99
VI Inhaltsverzeichnis.
Selte
6. Spannen im Schraubstock . . • . . . . . WI
7. Schneiden von Whitworthgewinde 101
8. Beispiel fiir obengenannte Schlosserarbeiten 103
9. Schaben und Aufpassen von Lagerbuchsen 104
Berechnungsunterlagen von Montagearbeiten. Von K. Hegner,
Berlin.
1. Beispiele fiIT wiederkehrende Teilschlosserarbeiten bei der Montage . . 106
2. Montage eines Spindelkastens ..... . . . . . . . . . . . . . . 110
fiber Handarbeit;!zeiten im Eisenbahnwagenbau einschlie8Hch
Tischler-, Stellmacher- und Lackiererarbeiten.
K.
I. V'bersicht. Von Gottwein, Breslau 112
A. Wagenzusammenbau . . • . . . 113
B. Tischler- und Stellmacherarbeiten . . 113
C. Lackiererarbeiten . . . . . . . . . . . 114
n.
Organisatorische Ma.LInahmen beim Zusammenbau an Hand
von Beispielen. Von G. Laufs, Breslau . . . . . . 114
A. Beispiele iiber Zusammenbau . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
B. Organisatorische Ma.LInahmen fiir die Zeitermittlung . . . • . . . 119
C. Arbeitszergliederung und Aufbau der Zeiten an Hand eines Beispieles 129
m. Beispiele aus der Tischlerei, Stellmacherei, Lackiererei,
Rohrleitungsschlosserei. Von P. Bothe, Breslau 132
A. Tischlerei-Bankarbeit ........... . 132
1. Putzen von Leisten aus Kiefernholz . . . . . . 132
2. Anfertigung einer Sitzbank mit Lattenbelag •. 133
3. Fertigen einer Tiir mit abgeplatteten Fiillungen und Rahmen-.
stucken ..•............... 134
B. Tischlerei-Montagearbeiten. . . . . . . . . . . 134
1. Leistenwerk einschneiden, anpassen, befestigen 134
2. Einbau einer Tiir . . . . . . . . 135
3. Einbau der Bekleidung um die Tiir . . . . . 136
C. Stellmacherarbeiten ....••........ 136
1. Fertigung und Zllsammenbau des Gerippes einer Eisenbahnwagen-
Seitenwand im Gruppenakkord 136
2. ~I\nfertigung des Wagenbodens ............... 137
D. Lackiererarbeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
1. Stiickzeiten fiir Lackieren von Flachen mit Deckenleisten oder
verschiedener Nietenzahl 138
2. Beschriftungen . 139
E. Rohrschlosser~i . 140
1. Bankarbeit . . 141
2. Montagearbeit . 141
Schlosserarbeiten aus der Lokomotivmontage. Von H. Freund,
Gummersbach, Rhld. und E. Wiistehube, Breslau.
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
I. Einfiihrung in das Untersuchungsgebiet . . . . . . . . . . . . . • 143
II. Das Zeitstudium der Elementarzeiten . . . . . . . . . . . . . . . 162
m.
Die psycho-physiologischen Bedingungen der Schlosserarbeiten und die
Feststellung des Durchschnittarbeiters auf Grund psychotechnischer
Eignungsprufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184
Inhalt8verzeiohnis. VII
Se1te
1. Grundsatzliohes ...................... 184
2. Die Physiologie der berufliohen Arbeit . . . . . . . . . . . . . 186
3. Die Eignungspriifung zur Feststellung des Durohsohnittarbeiters. • 193
IV. Teohnologisohe Ermittlungen bei spanabhebenden Sohlosserarbeiten zur
Ermittlung des Arbeitsbetrages und der saohliohen Einfliisse auf die
Arbeitszeit • • . . . . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . • . 203
1. Analogie zwisohen meohanisoher Spanabnahme und Spanabnahme
von Hand • . . . . . • • . . . . . . . . . . . . . . . . • . 203
2. Feststellung der abgespanten Materialmenge an den Bearbeitungs-
stellen der Aohsgabeln von Lokomotiv-Barrenrahmen ....... 207
3. Feilversuoh zur Feststellung des Einflusses von Materialfestigkeit
und Feilenabnutzlmg auf die Arbeitszeit und zur Ermittlung der zur
Zerspanung der Volumeneinheit benotigten meohanisohen Arbeit . 222
V. Der Aufbau einer Zeitermittlungsformel fUr das Abriohten von Flaohen
unter Beriioksiohtigung der teohnologisohen und psyoho-physiologisohen
Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
1. Die Grundlagen fiir den Aufbau der Zeitermittlungsformel . . . . 236
2. Ableitung 'und Anwendung der Zeitermittlungsformel. . . . . . . 241
Arbeitszeitermittlung in Handwerksbetrieben. Von A. Winkel,
Niirnberg.
I. Besonderheiten der handwerkliohen Fertigung. . . . . . . . 247
II. Die Anwendlmg der Refa-Kalkulation im Handwerk 252
Zusammenbau einer Dniversal-Rundschleifmaschine. Von
M. Belke, Obertiirkheim.
A. Einteilung der Hauptgruppen I-X 264
B. Arbeitsauftrag I, Stander-Montage . 266
C. Arbeitsauftrag n, Getriebeplatte-Montage 268
D. Arbeitsauftrag Ill, Verbindungswelle-Montage 274
E. Arbeitsauftrag IV, Tisohantrieb.Montage . . 275
F. Arbeitsauftrag V, Werkstiiokantrieb-Montage 277
G. Arbeitsauftrag VI-X. . . • . . . . . . . 280
H. Zahlentafel iiber Gewindesohneiden, Einpassen von Zylinderstiften und
Pal3federn . . . . . . . . . . • . . . . • . . . . . . . • . 281
Einige Schlosserarbeiten aus dem Gro8maschinenbau. Von
K. Gottwein, Breslau und W. Schulz, Hamburg.
]. Einsohaben eines Druoklagers . . . . . . . . . . . . . . . . 286
2. Diohtsohaben der Teilflaohen eines Kiihlwasser.Pumpengehiiuses 287
3. Aufkeilen eines Kreiselrades fiir Haupt-Kiihlwasserpumpe. . . . 288
4. Ausreiben der Bolzenlooher des Kupplungsflansohes einer Druok- und einer
Tunnelwelle .......................... 289
5. Nabe einer Sohraubenwelle aufkeilen . . . . . . . . . . . . . .. 291
6. Befeilen und Entgraten einer Sohuhstange (einsohl. Gewindesohneiden) 292
Dmschau uod Schl'ifttum. Von K. Gottwein, Breslau.
1. iTtersioht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
II. Ersoheinungsformen der Handarbeit im allgemeinen 296
III. Normzeiten und Riohtzeiten bei reiner Handarbeit . 300
IV. Benennungen bei Montage-(Zusammenbau-)Arbeiten . 301
V. Allgemeines zum Zeitbedarf hiiufig vorkommender Teilsohlosserarbeiten 302
VI. Sohrifttum iiber Zeitaufnahmen und Zeitermittlung . 306
Sachverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
Einleitnng.
Von K. Gottwein und O. Flacker.
I. WeSen und Beispiele reiner Handarbeitszeiten.
Bei der schweren Aufgabe des deutschen Volkes, seine Wirtschaft
wieder empor zu bringen, muB jeder, der im Wirtschaftsleben tatig
ist, an seinem Teile mitwirken. Da aber der einzelne immer nur einen
kleinen Ausschnitt der weit verzweigten Wirtschaft genauer beurteilen
kann, so bedarf es der Zusammenarbeit oder Gemeinschaftsarbeit auf
moglichst breiter Grundlage, um unnotige Doppelarbeit zu vermeiden.
Gleichviel, um welchen Teil der Wirtschaft es sich nun handelt, sei es
Landwirtschaft, Industrie oder Handel, aIle sehen sich durch die Zeit
verhiiltnisse dazu gezwungen, durch verniinftige Einschrankungen, durch
Ve:r:einfachungen und Verbesserungen jeder Art oder durch bessere
Organisation die Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit zu steigern.
Auf dem Gebiete der industriellen Fertigung sind z. B. in den
letzten Jahren beachtenswerte Erfolge durch die planmaBige Unter
suchung von Arbeitsvorgangen und ihres Zeitbedarfs erzielt worden.
Ausffihrliche und umfangreiche Ergebnisse fiber Arbeitszeitermittlung
bei spanabhebender Formung liegen bereits vor und sind in den be
kannten "Refablattern", die vom ReichsausschuB ffir Arbeits
zeitermittlung (Refa) herausgegeben werden, niedergelegt. Diese
umfassen bis heute die Zeitbestimmung fiir die verschiedenen Arten
der Maschinenbearbeitung und u. a. ffir diejenigen Handarbeiten, die
in Verbindung mit der Maschinenarbeit im Fertigungsplan auftreten.
Die die Handarbeit betreffenden Zeiten werden in diesem Zusammen
hang "Nebenzeiten" oder "Handzeiten" genannt; s. z. B. die Refa
blatter I-I und IV- 4; die Maschinenzeiten bilden die "Hauptzeit".
Obwohl nun die Verwendung der Maschine in der industriellen Fertigung
immer mehr an Raum gewinnt, und obwohl die korperliche Arbeits
leistung des Menschen, also die Handarbeit, immer mehr durch die der
Maschine ersetzt wird, so gibt es doch in den meisten industrielIen
Betrieben noch zahlreiche Arbeiten, die vorwiegend von Hand aus
geffihrt werden miissen und bei denen dann die Handarbeit sowohl
die Hauptzeit als auch die Nebenzeit bildet. Diese reinen
Handarbeiten erscheinen in einer reichen Fiille von Formen und groBe
Anteile an der Fertigung sind ihnen heute noch vorbehalten.
Gottwein, Arbeitszeitermittlung. 1
2 K. Gottwein und O. Flacker:
Die Handarbeit weist bekanntlich die Eigenart auf, daB bei ihr die
Arbeitsleistung oder die Fertigungszeit nicht mehr in gleicher Weise
der zahlenmiWigen Berechnung zuganglich ist, wie bei einer Werkzeug
oder bei einer Arbeitsmaschine, sondern daB hierbei die Leistung in
erheblichem MaBe an die Persolllichkeit der Arbeiter gebunden ist,
also auch an deren in weiten Grenzen schwankenden korperlichen,
geistigen und seelischen Veranlagungen. Nun muB aber auch bei
Fertigungsgebieten, in denen die Han d ar b e i t vorherrscht, ein Optimum
der Arbeitsleistung und damit der Erzeugung angestrebt werden,
was einerseits durch systematische Untersuchung der Arbeitsverfahren
und der Arbeitsbedingungen und anschlieBende Verbesserung (Rationali
sierung) der Fertigung zu geschehen hat; andererseits aber auch da
durch, daB man fiir den Arbeiter einen Anreiz in Form einer angemesse
nen, seine Leistung beriicksichtigenden Entlohnung schafft. Durch
die Erforschung der fUr Handarbeiten erreichbaren optimalen Arbeits
zeiten in Verbindlmg mit einer Hand in Hand gehenden Rationalisierung
der Fertigung fOrdern wir sowohl die richtige Selbstkostenermittlung
und Preisbildung unserer Erzeugnisse, als auch den fiir das Gedeihen
unserer Industrie so notwendigen Wirtschaftsfrieden.
Die Schwierigkeiten, die sich der Erfassung der Handzeiten ent
gegenstellen, besonders dort, wo diese auch als Hauptzeiten auf
treten, sind nicht gering; gleichwohl ist ihre planmaBige Untersuchung
ein Erfordernis der Zeit. Die hier noch bestehende Liicke auszufiillen
und die erforderlichen Unterlagen zu schaffen, ist eine umfangreiche
Aufgabe der Gemeinschaftsarbeit. Die Ausfiihrungen dieses Buches
sollen lediglich einen Anfang in dieser Richtung darstellen.
Die Forderung von Leistung und Gegenleistung, die durch das
Wirtschaftsleben hindurchgeht, tritt in gleicher Weise bei der Er
zeugung von Werten in Handwerk, Industrie und Landwirtschaft,
wie auch beim Austausch und Absetzen von Erzeugnissen, im Handel
auf. In manchen Fallen, besonders im Handel, laBt sich der Gegenwert
fiir ein Erzeugnis oder der Verkaufspreis verhaltnismaBig leicht fest
stellen, wenn zur Festsetzung des Preises die Selbstkosten als Grund
lage dienen, wie dies in normalen Zeiten stets der Fall sein sollte. Beim
Handelsunternehmen miissen auBer den Einkaufskosten noch die
Unkosten, die durch den Verkauf entstehen, die Handlungsunkosten,
gedeckt und womoglich ein angemessener Verdienst oder Gewinn er
zielt werden. In einem Fa brikunternehmen dagegen, wo die Erzeug
nisse nicht nur vertrieben, sondern auch hergestellt werden, ist die Er
mittlung der Selbstkosten oft schwieriger, da unmittelbar nur die
Kosten der von auswarts bezogenen Materialien und Gegenstande be
kannt sind. Die Herstellungskosten setzen sich aus drei Posten zu
sammen: dem Materialwert, den zur Herstellung der Waren auf-
Einleitung. 3
gewendeten Lohnen und den Unkosten. Da die Betriebsunkosten in
der Maschinenindustrie gewohnlich in Prozenren der Lohne ausgedriickt
werden, sind es also die Lohne, auf die es im wesentlichen ankommt,
und auf denen sich die Kalkulation aufbaut. Hieraus geht hervor,
wie wichtig es ist, fiir die Ermittlung der Lohne eine sichere Grundlage
zu haben, die gleichzeitig eine Gewahr fiir die gerechte Entschadigung
der Arbeitsleistung bietet.
Nun konnen manche schwierigen Arbeiten im Handwerk und in
der Industrie oft nur von besten Sonderfachleuten eingeschatzt werden;
so z. B. die Herstellung von Flachen oder Passungen von hochster Ge
nauigkeit, wie bei Prazisionsgeraten, Parallel-EndmaBen u. dgl. Be
trachten wir aber die normale Neuanfertigung von Maschinen und Ge
raten oder auch von Gegenstanden des taglichen Bedarfs aus der Maschi
nen- und metallverarbeitenden Industrie, so ist die Beurteilung einer
Arbeitsleistung und ihrer angemessenen Entschadigung einem gr 0 B er en
Kreise von Fachleuten moglich. So werden auch die beruflichen Fahig
keiten eines Arbeiters, ferner seine korpetliche und geistige Regsamkeit
oder Riihrigkeit vor allem von seinen engeren Arbeitskollegen scharf und
sicher eingeschatzt; weiterhin auch vom Vorarbeiter, Meister und
Fachkalkulator. Bei verwickelteren Arbeiten, die auBerdem groBe Hand
oder Kunstfertigkeit bedingen, wird der betreffende Facharbeiter nur
das vorgenannte Forum zur Beurteilung seiner Leistungen als zustandig
anerkennen. Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, die Arbeiter
innerhalb ein und derselben Kategorie, wie Schlosser, Tischler, Kessel
schmiede, je nach ihrer Geschicklichkeit und fachlichen Tiichtigkeit
fiir den gleichen Zeitaufwand oder fiir die Zeiteinheit, die Stunde, ver
schieden zu entlohnen; die Moglichkeit hierzu ist bei den bestehenden
Lohntarifen meist bis zu gewissem Grade gegeben (Lohnstaffel).
Um die gerechte Entschadigung fiir eine normale Arbeitsleistung
in der Industrie oder im Handwerk im voraus festzusetzen, ist es
also notwendig, den Zeitbedarf im voraus zu ermitteln. Man ist dann
in der Lage, die Arbeiten im Stiicklohn oder Akkord zu vergeben,
auf dessen Vorteile gegeniiber dem Zeitlohn hier nicht eingegangen zu
werden braucht. Auch die Angebotsvorkalkulation, die die Preise im
voraus abgeben muB, verlangt eine Vorausermittlung der Lohnkosten.
Nun setzt die Vorherbestimmung der Arbeitszeiten oft bedeutende
Fachkenntnisse und Erfahrungen voraus, haufig auch Spezialkennt
nisse, die sich nicht vollstandig schulmaBig erlernen lassen, sondern die
in der Praxis vervollkommnet werden miissen. Gilt dies schon fiir
Maschinenarbeiten, so ist es bei der Vielseitigkeit der Handarbeiten
fiir den einzelnen geradezu unmoglich, in allen, oder auch nur in mehreren
Zweigen - z. B. der Maschinenfertigung - die notigen eingehenden
Kenntnisse und Erfahrungen in sich zu vereinigen. Entdeckt doch selbst
1*