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Matthes Buhbe · Gabriele Gorzka (Hrsg.)
Russland heute
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Gewidmet
der russischen Journalistin
Anna Politkovskaja
ermordet am 7.Oktober 2006
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Matthes Buhbe
Gabriele Gorzka (Hrsg.)
Russland heute
Rezentralisierung
des Staates unter Putin
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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
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1.Auflage Januar 2007
Alle Rechte vorbehalten
©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2007
Lektorat:Monika Mülhausen / Tanja Köhler
Redaktion:Dr.Gabriele Gorzka
Übersetzungen:Dr.Elke Fein (Beiträge von Petrow,Tschirikowa,Dynkin,Deljagin,Gorschkow,
Rjabow),Maria-Luise Lehmann (Beitrag von Trenin)
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jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-531-15269-1
Inhalt
Matthes Buhbe, Gabriele Gorzka
Vorwort ............................................................................................................................7
Dmitrji W. Trenin
Russland richtig verstehen ..............................................................................................11
Hans-Henning Schröder
Personenvertrauen und Stabilität: die russische Gesellschaft und
das System Putin .............................................................................................................27
I. Russlands Regionen und die Zentralisierung politischer Macht
Jakob Fruchtmann
Die Entwicklung des russischen Föderalismus – eine Zwischenbilanz .........................51
Nikolaj W. Petrow
Handlungsfähiges Zentrum und dezentralisierte Verantwortung:
eine für Russland akzeptable Formel? ...........................................................................75
Alla E. Tschirikowa
Die Putinschen Reformen und die Positionierung der regionalen Eliten ......................97
Petra Stykow
Unternehmerverbände in der Politik: ein Testfall für die Beziehungen
zwischen Staat und Zivilgesellschaft ............................................................................113
Klaus-Helge Donath
Das Verhältnis der regionalen Eliten im Kaukasus zu Moskau ...................................131
II. Rechtliche und wirtschaftliche Modernisierung im Bündnis
mit der Bürokratie?
Alexander A. Dynkin
Wirtschaftswachstum: Erfolge und Probleme in der Putin-Zeit...................................141
Wolfram Schrettl
Einige Thesen zu „Wirtschaftswachstum unter Putin“ ................................................155
Michail G. Deljagin
Die Makroökonomie in der zweiten Amtszeit Putins: Abgleiten in die
Systemkrise…………………………………………………………………….........161
Axel Lebahn
Wirtschaftspolitische Entwicklungen Russlands in der zweiten Amtszeit
Putins und ihre Konsequenzen für westliche Kooperationen .....................................183
Michail K. Gorschkow
Eigentum und Macht in Russland nach den Reformen:
Erfahrungen und soziologische Analyse .....................................................................197
Angelika Nußberger
Das Russische Verfassungsgericht zwischen Recht und Politik .................................215
Margareta Mommsen
Putins „gelenkte Demokratie“: „Vertikale der Macht“
statt Gewaltenteilung ..................................................................................................235
III. Gelenkte Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2007 und 2008?
Andrej W. Rjabow
Gelenkte Wahlen 2007 and 2008: Gesetzgebungsreform
und Veränderungen innerhalb der Regierung ............................................................255
Matthes Buhbe, Boris I. Makarenko
Das Mehrparteiensystem im neuen Russland .............................................................273
Peter W. Schulze
Souveräne Demokratie: Kampfbegriff oder Hilfskonstruktion
für einen eigenständigen Entwicklungsweg? – die ideologische
Offensive des Vladislav Surkov ……………………………………………………...293
Autorinnen und Autoren .............................................................................................313
Vorwort
Matthes Buhbe, Gabriele Gorzka
Seit 2000 und auf jeden Fall bis Anfang 2008 dominiert Präsident Vladimir Putin Russ-
lands Kurs. Die herausragende Machtstellung des russischen Präsidenten bewirkt, dass die
Präsidentenwahlen 2008 bereits heute das politische und wirtschaftliche Geschehen in
Russland beeinflussen. Wie regelt Putin sein Erbe? Welche politischen Linien hat er unum-
stößlich festgezurrt und welche stehen zur Disposition? Welche präsidentennahen Macht-
gruppen ringen untereinander und welche miteinander gegen andere Interessenkonstellatio-
nen außerhalb der Kremlmauern? Wo wird Russland stehen, wenn die Ära nach Putin be-
gonnen hat?
Solche Fragen bilden die Perspektive der hier vorgelegten Artikel namhafter russischer
und deutscher Fachwissenschaftlerinnen und Fachwissenschaftler. Es handelt sich in der
Mehrzahl um erweiterte Beiträge zum achten Treffen des „Schönfelder Kreises“, der sich
auf Einladung der Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung in der Russischen Föderation
und des Ost-West-Wissenschaftszentrums der Universität Kassel jedes Jahr im November
in Kassel zusammenfindet. Die Debatte des Kreises zielt auf die genannten Fragen, dies
jedoch auf dem Boden detaillierter Analysen der aktuellen Entwicklungen in Russland
selbst. Wenn auch Putins Politik nur in Reflexion zu den Entwicklungen und Positionen in
Deutschland, Europa und der übrigen Welt umfassend analysierbar ist, geht es im Hauptteil
des hier vorgelegten Bandes vor allem um die innenpolitischen Dimensionen Putins zweiter
Amtszeit 2004-2008.
Die in diesem Band publizierten Analysen sind nach drei Themenschwerpunkten ge-
ordnet. Ein erster Themenkreis befasst sich mit der Rezentralisierung der politischen
Macht. Ein zweiter inhaltlicher Schwerpunkt betrifft den Zusammenhang von wirtschaftli-
chem Wachstum und Machtzuwachs der Bürokratie, ergänzt durch Fragen hinsichtlich
Rechtsstaatlichkeit und russischer Zivilgesellschaft. Der dritte Themenkreis beschäftigt sich
mit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2007 und 2008.
Diesem Hauptteil des Bandes sind zwei Beiträge vorangestellt. Hans-Henning Schrö-
der zeichnet ein Gesamtbild des politischen Systems im heutigen Russland. Putins Re-
zentralisierung geschehe durchaus nicht gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung
und sei auf die negativen Erfahrungen der Russen während der Ära Jelzin gestützt. Dmitrij
Trenin wirbt zudem für weniger Aufgeregtheit im Westen, weil sich Russland langfristig
kaum von seinen westlichen Partnern entkoppeln werde. Es wäre aus seiner Sicht nur kon-
traproduktiv, Russlands Führung mit Drohgebärden auf einen schnelleren und klareren
Westkurs bringen zu wollen. Versucht man die aktuelle Situation und die Entwicklungsli-
nien der russischen Politik zu skizzieren, so ergibt sich folgendes Bild:
Das sich nähernde Ende der zweiten Amtszeit Präsidents Putins ist von verstärkten
Bemühungen der Kreml-Bürokratie geprägt, die wirtschaftliche und technische Modernisie-
rung des Landes nach westlichen Standards voranzutreiben und gleichzeitig eine autoritäre,
zentralistische Machtstruktur aufzubauen. Die so genannte Vertikale der Macht ist auf die
zentrale Entscheidungsgewalt des Präsidenten zugeschnitten und hat den Abbau von Partei-
8 Matthes Buhbe, Gabriele Gorzka
enpluralismus, die Rezentralisierung regionaler Verwaltung und die Monopolisierung der
öffentlichen Meinung zur Folge.
Putins Politik ist nüchtern, pragmatisch und nicht an großen ideologischen Zielen ori-
entiert. Im Fokus seiner Regierungserklärungen stehen die Stabilisierung der Wirtschaft
und sozialen Lage und die Verstetigung eines hohen Wirtschaftswachstums, wozu innova-
tive Impulse für Technologieentwicklung und Forschung durch verstärkte Kooperation mit
der Europäischen Kommission bzw. führenden kapitalistischen Ländern beisteuern können.
Putin sucht den Rückhalt in der breiten Bevölkerung. Die Sicherung bzw. stetige Anhebung
des Lebensstandards für alle Bevölkerungsschichten gilt als Garantie für die Stabilität der
Kreml-Herrschaft.
Die breite russische Öffentlichkeit ist reformmüde. Nach der chaotischen Phase der
Jelzin-Zeit ist sie Präsident Putin persönlich dankbar für die aktuelle Phase des wirtschaftli-
chen Aufschwungs, für die Ruhe und Ordnung in ihrem Alltag. Trotz eines weiterhin star-
ken Misstrauens in der Bevölkerung gegenüber den staatlichen und öffentlichen Entschei-
dungsträgern – seien es Gerichte, Verwaltung, politische Parteien – genießt der Präsident
nahezu uneingeschränkte Zustimmung. Er wird getragen von der Welle der Konjunktur,
einem auf hohen Energiepreisen basierenden Wirtschaftswachstum, das der gesamten Be-
völkerung seit 1999 einen steten Anstieg ihres Lebensstandards beschert.
Zwar besteht eine Unzufriedenheit mit der politischen Führung bei benachteiligten
Gruppen – beispielsweise den Rentnern, den in Niedriglohnbereichen Beschäftigten sowie
dem dynamischen Teil der jungen Generation und neuen Geschäftswelt, deren moderne
Lebensentwürfe von einer alle Machtpositionen einnehmenden verfilzten Politik- und Ver-
waltungs-„Elite“ abgeblockt werden. Aber es lässt sich daraus zur Zeit keine politisch bri-
sante Entwicklung oder keine Gefährdung der Kreml-Herrschaft ableiten. Durch geschick-
tes Ausmanövern aller Oppositionsmöglichkeiten(cid:237) Parteien und Verbände, Medien, Nicht-
regierungsorganisationen usw. (cid:237) verhindert der Kreml die Entwicklung von Plattformen,
auf denen alternative politische Ziele oder Gesellschaftsmodelle öffentlich diskutiert sowie
zu Aktionen gegen die Regierung werden können. Die derzeitige Stabilität basiert von da-
her auf einer scheinbaren Ruhe in der Bevölkerung. Ihre Zufriedenheit mit der politischen
Richtung des Landes ist absolut fixiert auf die „starke Führer-Persönlichkeit“, die in Putin
gesehen wird. Katastrophal schlecht ist dagegen die Bewertung von und gewaltig das Miss-
trauen gegenüber allen politischen und verwaltungsmäßigen Instanzen und Akteuren im
heutigen Russland.
Mit Blick auf die anstehende Dumawahl Ende 2007 und die Neuwahl eines Präsiden-
ten Anfang 2008 lassen sich entsprechend verschiedene Szenarien denken. Die Autoren des
vorliegenden Bandes gehen den Fragen nach, welche Stabilität die momentane Wirtschafts-
konjunktur besitzt, wie stark damit auch die Akzeptanz der Wähler gegenüber ihrem Präsi-
denten ist und welche Krisensymptome vorhanden, aber noch nicht in der öffentlichen
Wahrnehmung präsent sind. Offenbar liegt ein Dilemma der Putinschen Machtkonstruktion
darin: Je stärker und schneller der Prozess der „Modernisierung“ von Wirtschaft und Ver-
waltung voranschreitet und je höher die Erwartungen und Ambitionen der Bildungselite
und wirtschaftlich erfolgreichen Mittelschicht werden, umso schwieriger wird es für die
allein durch politische Protektionen, Korruption oder Interessenskoalitionen zusammenge-
haltene Machtelite, die zur Zeit an den Schalthebeln der politischen „Partei der Macht“, der
staatsnahen Industrieunternehmen, der Verwaltungsspitzen oder Medien sitzen, ihre Positi-
onen zu verteidigen. Das Postulat einer modernen, offenen, auf Leistung aufbauenden Ge-
Vorwort 9
sellschaftsstruktur kollidiert dann zunehmend mit deren Besitzstands-Denkweise. Dieser
Widerspruch wächst und kann solche Dimensionen annehmen, dass er öffentlich sichtbar
und irgendwann zu einer Belastungsprobe für das System wird.
* * *
Unser besonderer Dank gilt allen, die zum Gelingen dieses Bandes beigetragen haben. Zu
nennen sind hier insbesondere Elke Fein für die sensible Übertragung der russischen Bei-
träge ins Deutsche, Isabella Raszczyk für ihre Mitwirkung bei der redaktionellen Gestal-
tung des Bandes, Maria-Luise Lehmann für Übersetzungen aus dem Englischen und nicht
zuletzt Ruslan Kokarew und Jörn Grünewald für die organisatorische Kommunikation
zwischen Verlag, Autoren und Herausgebern.
Die Herausgeber