Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHT DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 271 D/Fachgruppe Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Herausgegeben im Atiftrage des Ministerprasidenten Heinz Kuhn
vom Minister fUr Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
Dr. Gunther Esters
F orschungsinstitut der F riedrich-Ebert-Stiftung
Bonn-Bad Godesberg
Regionale Wachstumstheorie
und selektive Industrieansiedlungspolitik
Westdeutscher Verlag 1978
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Esters, GUnther
Regionale Wachstumstheorie und selektive In
dustrieansiedlungspolitik. - 1. Aufl. -
Opladen: Westdeutscher Verlag, 1978.
(Forschungsberichte des Landes Nordrhein
Westfalen; Nr. 2710 : Fachgruppe Wirt
schafts- und Sozialwissenschaften)
ISBN 978-3-531-027'0-4 ISBN 978-3-322-88597-5 (eBook)
DOl 10.1007/978-3-322-88597-5
© 1978 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
Inhalt
Einleitung
1. Themenstellung 7
2. Ablauf der Untersuchung 8
Teil I: Die Problematik selektiver Ansiedlungs-
kriterien 10
1. Notwendigkeit und ZweckmaBigkeit selektiver
Ansiedlungskriterien 10
2. Arten des Dilemmas 10
2.1 Der Theoriemangel der "Zielkriterien" 11
2.2 Die Problematik der "Entwicklungskri-
terien" 12
2.2.1 Interregionale Kriterien 13
2.2.2 Regionale Kriterien 15
2.3 Die Problematik selektiver Kriterien 22
Teil II: Regionale Wachstumskonzepte und ihre
selektiven Implikationen 25
1. Die Dominanz gesamtraumlicher Wachstumsten-
denzen: Das Konzept der Wachstumsindustrien 25
1.1 Das Konzept 25
1.2 Der Aufbau des Konzeptes 26
1.2.1 Modellarten 26
1.2.2 Der Strukturfaktor 28
1.2.3 Der Standortfaktor 31
1.2.4 Die Beziehungen zwischen Struk-
tur- und Standortfaktor 32
1.3 Der Erklarungsgehalt des Konzeptes 33
1.3.1 Der tautologische Charakter der
Shift-Analyse 33
1.3.2 Die Suche nach einem befriedi-
genden Konzept 33
1.4 Uberlegungen zur regionalpolitischen
Verwendbarkeit
2
2. Die Economic-Base-Theorie: das Konzept
regionaler Exportindustrien 40
2.1 Die Erorterung der Economic-Base-Theo-
rie auf dem Hintergrund des Theorie-
konzeptes der Wissenschaftstheorie 40
2.2 Die Umrisse der Economic-Base-Theorie 41
2.2.1 Die Skizzierung der Economic
Base-Theorie bei Andrews und
North 41
2.2.2 Die eingeengte Modellbildung
der Economic-Base-Theorie 42
2.3 Die Typen der Economic-Base-Theorie 44
2.3.1 Der Exportpotentialtyp 44
2.3.2 Der Zahlungsbilanztyp 46
2.3.3 Die Exporttypen 46
2.3.3.1 Die "klassische" Econo
mic-Base-Theorie: das
Multiplikator-Akzelera-
tor-Modell 47
2.3.3.2 Das langfristige Modell
von North 50
2.4 Die Probleme im Definitionsbereich 52
2.4.1 Der nominale Definitionsbereich 53
2.4.2 Der operationale Definitionsbe-
reich 55
2.5 Die regionalpolitische Bedeutung der
Anfangs- und Randbedingungen 57
2.5.1 Anfangsbedingungen 58
2.5.2 Randbedingungen 59
2.6 Exkurs: Die mogliche Bedeutung des Ent-
stehungszusammenhangs 60
2.7 Umrisse einer economic-base-orientier-
ten Regionalpolitik 62
2.7.1 Die Schaffung der Anfangsbedin-
gungen 62
2.7.2 Die Gewahrleistung der Randbedin-
gungen 63
2.7.3 Die Forderung des Exportsektors 64
3
3. Die Theorie regional polarisierter Entwick-
lung: das Konzept der "firrne motrice" 66
3.1 Die Interpretationsnotwendigkeit des
Konzeptes 66
3.1.1 Die Unbestimmtheit des Konzep-
tes 67
3.1.2 Interpretationsorientierungen 68
3.1.3 Die regionale Wachstumspoltheo-
rie als Set von Einzeltheoremen 69
3.2 Der Aufbau des Erklarungskonzeptes 70
3.2.1 Die statischen Effekte 70
3.2.1.1 Der Interindustry-
Effekt 71
3.2.1.2 Der Polarisierungs-
effekt 74
3.2.1.3 Der Einkommensmulti-
plikatoreffekt 79
3.2.1.4 Kreislaufgeschlossen-
he it und Strukturdiver-
sifizierung 80
3.2.2 Die dynamischen Effekte 81
3.2.2.1 Die externen Effekte 81
3.2.2.2 Der Akzeleratoreffekt 82
3.2.2.3 Der Infrastrukturinve
stitionseffekt 84
3.2.2.4 Der Effekt wachstumsbe
eintrachtigender Polari-
sierung 86
3.2.3 Zusammenfassung: Uberlegungen
zur regionaltheoretischen Rele-
vanz 86
3.3 Exkurs: Die m6gliche Bedeutung des Ent-
stehungszusammenhangs 87
3.4 Firme motrice, Hinterland-Effekte und
Wachstumspolpolitik 88
3.4.1 Die firrne motrice 88
3.4.2 Hinterland-Effekte 89
3.4.3 Wachstumspolpolitik 91
4
Teil III: Erklarungskraft und Verwendbarkei t
der Wachstumskonzepte: Uberlegungen
zu einem Korridor regionalpolitischer
Wachstumsstrategie 94
1. Die Erklarungskraft der Wachstumskonzepte 95
1.1 Konkurrenz- und Sequenzcharakter der
Theorien 95
1.2 Die Bedeutung der Bedingungskonstella-
tionen 96
1.3 Modell und Wachstumsansatze 96
2. Die Probleme der Verwendbarkeit 97
2.1 Technologische Umformung und Bedin
gungskonstellation 97
2.2 Der selektive Kern und die Bedeutung
des Konzeptcharakters 97
2.3 Selektivitat und Zeitperspektive 98
2.4 Symptomansatz und regionale Inzidenz 98
2.5 Kausalansatz und "Theorie" 99
3. Umrisse eines Korridors regionalpolitischer
Wachstumsstrategie 100
3.1 Interregionalitat versus partielle
Immobilitaten 101
3.2 Implementation versus "Regionalfor
derung" 102
3.3 Atomisierte versus polarisierte Diffu
sion 103
3.4 Zusammenfassung 103
4. Die Strategie interregionaler Kapitalmobi
lisierung 104
4.1 Das Mobilitatspotential 104
4.2 Der Realisieru~gsgrad 105
4.3 Erhohung des Mobilitatspotentials 105
4.3.1 Die langfristige Stabilisierung
des Beschaftigungsniveaus 106
4.3.2 Die Verstarkung von "push"-Fak-
toren 107
4.3.3 Die Verminderung infrastruktu-
reller "Ubersteuerung" 108
5
4.4 Die Erhohung des Realisierungsgrades 109
4.4.1 Die Bedeutung unternehmeri
schen Verhaltens 109
4.4.2 Die Bedeutung der Infrastruk
tur und der finanziellen Hil-
fen bei der Standortwahl 110
4.4.3 Zusamrnenfassung 111
4.5 Der Moglichkeitsbereich interregiona-
ler Kapitalmobilisierung 112
5. Die Starkung der innovativen Effizienz 112
6. Die Starkung der agglomerativen Effizienz 114
7. Selektive Industrieansiedlungspolitik inner
halb des regionalpolitischen Wachstumskorri
dors 115
7.1 Der Forderregionsansatz 115
7.2 Der Forderobjektansatz 116
7.3 Der Strategieansatz 117
Teil IV: ResUmee der Ergebnisse und Diskussion
eines moglichen Losungsbereichs fUr
eine Strategie selektiver Industrie
ansiedlung 118
1. Regionale Wachstumstheorie und die Strate-
gie der selektiven Industrieansiedlung 118
2. Selektive Regionalpolitik: marktliche und
politische Allokation 125
Anmerkungen 135
Verzeichnis der Schaubilder 190
Literaturverzeichnis 191
7
Einleitung
1. Themenstellung
Die Diskussion wachstumsrelevanter selektiver Industrie
ansiedlungsstrategien hat erst in den letzten Jahren in
der Bundesrepublik starker begonnen, nachdem empirische
Untersuchungen zurn Standortverhalten industrieller Unter
nehmen gezeigt haben, daB aile angewandten Ansiedlungs
instrurnente, darunter auch diejenigen, die scheinbar am
undifferenziertesten wirken, eine selektive Wirkung auf
weisen.(1)
Wenn sich schon eine instrumentell bedingte selektive
Wirkung nicht vermeiden laBt, dann liegt es fur eine ra
tional angelegte Regionalpolitik nahe, zu fragen, inwie
weit die instrurnentell bedingte "Auswahl" mit einer re
gionalpolitisch "richtigen" ubereinstimmt. Die Bedeutung
selektiver Elemente fur den regionalpolitischen Aktor
wird urn so groBer werden, je hoher die Bedeutung der Er
folgskontrolle in der Regionalpolitik ist, je groBer die
Gefahr einer allgemeinen Ausuferung der Forderung veran
schlagt wird und je starker daraufhin die Versuche wer
den, die Effizienz regionalpolitischer MaBnahmen zu
steigern.
An die Stelle einer ausschlieBlich pragmatischen Orien
tierung in der regionalpolitischen Forderzielsetzung
(etwa: Arbeitsplatzziele) traten plausibel erscheinende
selektive Orientierungen: Strukturziele von Arbeitsplat
zen(Wirtschaftsstrukturdiversifizierung), Qualifikations
struktur der Arbeitsplatze usw. Damit wurden jedoch die
Fragen regionaltheoretischer Begrundbarkeit einer selek
tiven Orientierung eine sehr viel groBere Bedeutung ge
winnen, als sie es im Augenblick haben. Bereits bei den
verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzungen zwischen der
Karstadt AG und dem Bundesministerium fur Wirtschaft wurde
die Bedeutung einer selektiven Forderorientierung und der
Zusammenhang mit einem regionaltheoretischen Wachsturns
konzept deutlich. Dabei ging es urn die Frage, ob bei der
Einrichtung von Warenhausern in den Fordergebieten regio
nalpolitische Investitionszuschusse eben so geltend ge
macht werden konnen wie bei industriellen Ansiedlungen.(2)
Die zustandigen Verwaltungsgerichte entschieden, daB die
vom Bundesministeriurn fur Wirtschaft gel tend gemachte
These vom "Primareffekt" dafur ausschlaggebend ist, ob
eine Investition als "volkswirtschaftlich besonders for
derungswtirdig" im Sinne des Investitionszulagengesetzes
anzusehen ist oder nicht.(3)
Regionalwissenschaftliche Uberlegungen, in diesem Fall
unter dem eingangigen Ausdruck "Primareffekt" zusammen
gefaBt, werden also nicht nur in allgemeiner Weise zur
Begrundung regionalpolitischer MaBnahmen herangezogen,
sondern sie werden explizit auch von den Gerichten als
Interpretationsrichtlinie der gesetzlichen Forderungs
bestimmungen angesehen.(4)
8
Dieses Beispiel zeigt, in welch weitreichender Weise re
gionaltheoretische Uberlegungen bereits jetzt zur Grund
lage der F6rderungspolitik geworden sind und wie eng die
Verbindung zwischen selektiver Ansiedlungspolitik und re
gionalen Wachstumshypothesen in regionalpolitischer Hin
sicht ist.
Soll eine "Inflation von selektiven Kriterien" ,die sich
nur auf eine prima-facie-Plausibilitat sttitzen k6nnen,
vermieden werden, muB davon ausgegangen werden, daB der
"Theoriebedarf" bei der Verwendung selektiver Kriterien
steigt. Wahrend es ftir eine regionalpolitische Zielset
zung geringen Selektivitatsgrades ausreichen konnte, im
plizit von einem Wachstumskonzept auszugehen, dtirfte es
in dieser Situation notwendig sein, die Reichweite und
die selektiven Tendenzen regiona16konomischer Wachstums
konzepte differenziert zu analysieren, um eine theore
tische Beurteilungsgrundlage zunachst nur pragmatisch
gewonnener Kriterien zu erlangen.
Daftir spree hen folgende Uberlegungen:
- Von den regional en Wachstumshypothesen, die bei Ver
wendung durch regionalpolitische Instanzen aueh einen
"Argumentationscharakter" gegentiber diskriminierten
Gruppen haben, werden lediglich diejenigen Teile wahr
genommen oder verwendet, die seheinbar den Kern der
Hypothese bilden (etwa: regionale Exportindustrien).
Dagegen wird die Bedeutung anderer Teile des Konzeptes
relativ gering eingeschatzt. Daraus ergibt sieh eine
Tendenz zur Simplifizierung.(S)
- Die regionalen Wachstumshypothesen sind in besonderem
MaBe interpretationsbedtirftig, aber auch interpreta
tionsfahig.
Interpretationsbedtirftig sind die Wachstumshypothesen
insofern, als in ihnen implizit Sachverhalte enthalten
sind, die aber zunachst noch herausgearbeitet werden
mUssen. Daher wird die Darlegung der Hypothesen zu
einer Rekonstruktuion der Konzepte. Erst ein solcher
maBen "aufgeftilltes" Konzept kann dann zur Grundlage
regionalpolitischer Uberlegungen verwendet werden.
Die Interpretationsfahigkeit der Konzepte bedeutet, daB
regionalwissenschaftliche Uberlegungen, die auBerhalb
der Hypothesen entwiekelt wurden, integriert werden
k6nnen. Dadurch wird eine vorschnelle Verwerfung der
Konzepte vermieden.
2. Ablauf der Untersuchung
Im ersten Teil der Untersuehung wird eine Ubersicht tiber
einige selektive Kriterien gegeben, die in der regional
wissenschaftlichen Literatur als auch in der regional
politischen Praxis entwickelt worden sind. Entsprechend
der Themenstellung werden jedoch nur solche Kriterien
berUeksichtigt, die in enger Beziehung zum regionalen
Wachstum stehen.
9
Dabei laBt sich erkennen, daB die selektiven Kriterien
nur dann eine Plausibilitat fur sich in Anspruch nehmen
konnen, wenn man den jeweiligen Hintergrund, auf dem sie
"richtig" sind, als gegeben unterstellt. Das fuhrt zu
dem Ergebnis, daB gerade bei den selektiven Empfehlungen
eine enge Bindung zu implizit vorhandenen regional en
Wachstumsuberlegungen besteht.
lm zweiten Teil werden deshalb drei regionale Wachstums
konzepte erortert, ihre regionalpolitischen lmplikatio
nen herausgearbeitet und die selektive Ansiedlungskompo
nente im Konzeptzusammenhang dargestellt. Alle drei Kon
zepte sind bereits "klassische" Versuche, Ursachen und
Verlauf des regionalen Wachstums zu beschreiben, una alle
drei wurden schon als ungeeignet, logisch inkonsistent
im wesentlichen nicht zutreffend, tautologisch usw. be
zeichnet. DaB diese geltend gemachten Einwendungen be
grundet sind, kann kaum bezweifelt werden.
Der dritte Teil der Untersuchung zeigt jedoch, daB die
ausdifferenzierten Wachstumskonzepte den Blick fur die
Determinantenkomplexe regionalen Wachs turns in hoch inte
grierten Wirtschaftsraumen scharfen.
Die wesentlich auf interregionalem Niveau liegenden De
terminantenkomplexe werden urn agglomerative und unter
nehmensbezogene innovative Aspekte erweitert und ergeben
dann die Elemente, die den strategischen Korridor einer
regional en Wachstumspolitik charakterisieren.
Damit laBt sich die Selektivitatsfrage generell als
strategiebedingt interpretieren. Ohne eine Veranderung
der regionalen Wachstumsstrategie werden die Bemuhungen
zur Erhohung regionalpolitischer Effizienz durch selek
tive Orientierungen relativ erfolglos bleiben.
lm vierten Teil der Untersuchung werden daher auf der
im Untersuchungsablauf gewonnenen theoretischen Basis
und erganzt urn die Ergebnisse empirischer Untersuchungen
zum Standortverhalten die lnstrumentenfelder einer regio
nalpolitischen Wachstumsstrategie erortert, die durch
eine Strategieveranderung das Selektivitatsproblem los
bar macht.
Eine Strategieveranderung bedeutet jedoch eine Verande
rung des staatlichen Allokationsverhaltens.
Daher gilt es, Uberlegungen anzustellen, wie eine den re
gionalpolitischen Zielen entsprechende, selektiv wirkende
Regionalpolitik durch eine Veranderung marktlicher und
politischer Allokation durchfuhrbar gemacht werden kann.