Table Of ContentNordrhein-WestfälischeAkademie der Wissenschaften
Geisteswissenschaften Vorträge · G 346
Herausgegeben von der
Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften
GUSTAV ADOLF LEBMANN
Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen
Zu den Krisen und Katastrophen der attischen Demokratie
im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr.
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
348. Sitzung am 19. Juni 1991 in Düsseldorf
Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme
Lehmann, Gustav Adolf:
Oligarchische Herrschaft im klassischen Athen: zu den Krisen und
Katastrophen der attischen Demokratie im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. I
Gustav Adolf Lehmann. -Opladen: Westdt. Ver!., 1997
(Vorträge I Nordrhein-Wesdälische Akademie der Wissenschaften:
Geisteswissenschaften; G 346)
ISBN 978-3-663-01787-5 ISBN 978-3-663-01786-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-01786-8
NE: Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften <Düsseldorf>:
Vorträge I Geisteswissenschaften
© 1997 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH Opladen 1997
ISSN 0944-8810
Inhalt
Vorwort 8
1. Einleitung 9
2. pna.ßoA.al-.:fj_c; rroA.m:iac; im klassischen Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
3. Die "verbesserte" Demokratie des Demetrios von Phaleron . . . . . . . 62
4. Die attische Demokratie des 4.Jahrhunderts-Krisen, Dekadenz oder
Vollendung des politischen Systems? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5. Ausblick 122
6. Allgemeine Datenübersicht 129
7. Personen- und Sachregister 134
8. Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Rudolf Kassel
septuagenario
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung stellt die ausgearbeitete Fassung eines
Vortrages dar, den ich am 19. Juni 1991 vor der Klasse für Geistes
wissenschaften der N ordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in
Düsseldorf gehalten habe. An der auf den Vortrag folgenden Diskussion, an
der sich die Herren Kassel, Chr. Lehmann, M erkelbach und Pöggeler be
teiligten, habe ich wichtige Anregungen erhalten, die hier mit berücksichtigt
worden sind und für die ich herzlich zu danken habe. Des weiteren habe ich
für Hilfen und wertvolle sachliche Hinweise bei der Ausgestaltung der
Anmerkungen vor allem meinen Göttinger Mitarbeitern Herrn Dr. Bruno
Bleckmann, Frau Dr. des. Susanne Funke und Herrn Boris Dreyer sehr herz
lich zu danken, sowie Herrn Kai Oltshausen für die sorgfältige Erstellung der
Register. Es versteht sich dabei von selbst, daß verbliebene Irrtümer und
Fehler allein ich zu verantworten habe.
Die Widmung dieser Arbeit für Rudolf Kassel zum 11. Mai 1996 soll ein
Zeichen aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit für langjährige freundschaft
liche Verbundenheit sein.
Gustav Adolf Lehmann
1. Einleitung
Aus der historischen Fernsicht gliedert sich die Geschichte der klassischen
Demokratie Athens in zwei große Perioden, die jeweils durch katastrophale
Niederlagen der Polis zur See und einen totalen militärischen Zusammenbruch
beendet worden sind, während an ihrem Anfang die großen Abwehrsiege der
Athener und ihrer Verbündeten gegen das persische Weltreich, insbesondere
gegen die Xerxes-Invasion 480/79 v. Chr., standen. Die vorliegende Ab
handlung kann und soll jedoch weder eine systematisch angelegte Darstellung
der nachperikleischen attischen Demokratie - in ihrer inneren, mit der allge
meinen Ereignisgeschichte jedoch eng verbundenen Entwicklung- noch gar
eine Serie detaillierter "Fallstudien" zu den prominenten Krisensituationen
und Verfassungsumstürzen im klassischen Athen umfassen. Der zeitliche
Rahmen des Untersuchungsfeldes müßte sich dann kontinuierlich von den
20er Jahren des 5. Jahrhunderts v. Chr. und dem Höhepunkt des Peloponne
sischen Krieges noch über den Ausgang des griechischen Freiheitskampfes im
"Hellenischen" bzw. Lamischen Krieg (Herbst 322 v. Chr., s. u.) erstrecken.
Eine so weit ausgreifende Themenstellung würde jedoch den eigentlichen
Hauptaspekt unserer Überlegungen allzusehr in den Hintergrund drängen -
ganz abgesehen von der Notwendigkeit, an eine wirklich umfassende
Darstellung auch noch orientierende Forschungsberichte über eine sehr zen
trale, "große" Epoche in der Geschichte des Altertums oder wenigstens eine
bibliographie raisonnee zum jeweiligen "Stand" der weitverzweigten, inter
nationalen Forschungsdiskussion anzuschließenl. Primär intendiert ist hier
vielmehr nur ein vergleichender Überblick über jene beiden Oligarchie
Phasen, die die Epoche der vollendeten attischen Demokratie des 5. und 4.
1 Vgl. hierzu u. a. den aktuellen, vorzüglich orientierenden Überblick von W.' Schuller,
Griechische Geschichte (Oldenbourg-Grundriß Bd. 1; München 19913), bes. S. 132 ff. u. 208 f.
sowie die grundlegenden Darstellungen von M. H. Hansen, The Athenian Democracy in the
Age of Demosthenes, Oxford 1991 (The Ancient World), bes. S. 326 ff. (auf der Basis zahl
reicher eigenständiger Forschungsarbeiten), von ]. Bleicken, Die athenische Demokratie,
Paderborn 1994 (2., völlig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage) u. zur Geschichte
des nachklassischen Athens von Chr. Habicht, Athen. Die Geschichte der Stadt in hellenisti
scher Zeit, München 1995. - Die im Folgenden verwendeten Abkürzungen orientieren sich
weitgehend am System der L'Annee Philologique (Marouzeau/Ernst).
10 Gustav Adolf Lehmann
Jahrhundert v. Chr. so markant in eine hochklassische Zeitstufe (bis zum poli
tisch-militärischen Zusammenbruch im Peloponnesischen Krieg) und eine
spätklassische Periode (von der sog. Restauration im Herbst 403 v. Chr. bis
zum makedonischen Sieg und Diktatfrieden von 322 v. Chr.) unterteilen. An
diese Untersuchung schließen sich noch einige allgemeine Überlegungen zur
Gesamtentwicklung der attischen Demokratie im 4. Jahrhundert v. Chr. an
(Kap. 4)2.
Die erste Oligarchie-Phase läßt sich historisch-chronologisch mit folgenden
Grenzdaten und Vorgängen deutlich umreißen: von der Machtergreifung des
neu konstituierten, oligarchischen Rats der "Vierhundert" im Sommer 411
v. Chr. über die verfassungspolitisch sorgfältig ausgestaltete (für uns jedoch
weithin schattenhaft bleibende) Theramenes-Verfassung bzw. Hopliten
Politeia der "Fünftausend" 411/10 v. Chr., sodann über die demokratische
Restauration von 410 und die Ära des Demagogen Kleophon (ab 407 v. Chr.)
hinweg bis zur Radikalenherrschaft des oligarchischen Regierungskomitees
der "Dreißig" nach der Kapitulation Athens am Ende des Peloponnesischen
Krieges (vgl. die Datenübersicht u. S. 129). Allerdings muß hier auch der er
bitterte Bürgerkrieg zwischen den herrschenden Oligarchen und der erstar
kenden Widerstandsbewegung der Demokraten noch einbezogen werden, der
sein Ende bekanntlich erst im Herbst 403 mit der feierlichen Wieder
herstellung der Demokratie in Stadt-Athen und der vertraglichen Einigung auf
eine allgemeine Amnestie fand - freilich um den Preis einer von der inter
venierenden Hegemoniemacht Sparta zunächst strikt garantierten staatlichen
Teilung Attikas durch die Etablierung eines radikal-oligarchischen Regimes in
2 Ich freue mich, mit dieser Thematik an zwei Düsseldorfer Akademie-Schriften meines Lehrers
H. E. Stier (1902-1979) partiell anknüpfen zu können: "Die klassische Demokratie"
(Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen-18. 6. 1952; G 3, Köln
u. Opladen 1954) sowie "Der Untergang der klassischen Demokratie" (G 175, Köln u. Opladen
1971 ). In welchem Maße gerade die ältere "Demokratie" -Studie mit ihrem eindrucksvollen
Plädoyer für eine unbefangen-positive Würdigung der klassischen Demokratie Athens als einer
vollendeten politischen Schöpfung des Griechentums (im Anschluß namentlich an die wich
tigen Studien von A. H. M. ]ones, zusammengefaßt in: "Athenian Democracy", Oxford 1957
repr. Baltimore 1986; vgl. aber bereits das Demokratie-Bild in Stiers opus magnum
"Grundlagen und Sinn der griechischen Geschichte", Stuttgart 1945, bes. 261 ff.) wissen
schaftsgeschichtlich ganz am Anfang einer Neuorientierung in der deutschen Althistorie steht,
wird besonders deutlich angesichts der anachronistischen Vorstellungen und Wertungen in dem
gleichwohl durchaus zeittypischen Zerrbild bei H. U. Kahrstedt ("Geschichte des griechisch
römischen Altertums", München 1948, bes. 31 f. u. 68 f.), sowie auch in der schroffen
Zurückweisung der Positionen Stiers durch]. Vogt (HZ 182, 1956, 252).-Von seinem (metho
disch tatsächlich unhaltbaren) Ansatz, die perikleische Demokratie des 5. Jh. möglichst scharf
von einer angeblich "zur Ochlokratie entarteten" Demokratie des 4. Jh. abzutrennen, hat sich
Stier in der späteren Studie ausdrücklich distanziert ("Der Untergang der klassischen
Demokratie", S. 36 Anm. 61 u. S. 68 f.).
Description:Die vorliegende Untersuchung stellt die ausgearbeitete Fassung eines Vortrages dar, den ich am 19. Juni 1991 vor der Klasse für Geistes wissenschaften der N ordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften in Düsseldorf gehalten habe. An der auf den Vortrag folgenden Diskussion, an der sich d