Table Of ContentMENSCH UND NAHRUNGSPFLANZE
MENSCH UND NAHRUNGSPFLANZE
Der Biologische Wert der N ahrungspflanze
in Abhangigkeit
von Pestizideinsatz, Bodenqualitat und Diingung
von
Prof. Dr. habil. Werner Schuphan
Geisenheim/Rhg.
DR. W. JUNK B.V. - VERLAG - DEN HAAG 1976
Meiner lie ben Frau Elga gewidmet
April 1976
Es ist mir ein Bediirfnis, Herrn Kurt GroBmann und Herrn Dr. Holler,
Eden-Stiftung, Bad Soden, herzlich, auch fUr die groBe Miihewaltung bei
Drucklegung und Ausstattung des Buches zu danken.
ISBN-13: 978-90-6193-557-5 e-ISBN-13: 978-94-010-1583-7
DOl: 10.1007/978-94-010-1583-7
© Dr. W. Junk b.v. - Verlag - Den Haag 1976
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1976
Entwurf Umschlag: Max Velthuijs
INHALT
Curriculum vitae VII
Vorwort. IX
I. 1. Nahrungspftanzen und ihr Biologischer Wert
a. Pflanz1iche Kost und Zivi1isationskrankheiten. 5
b. Ernahrungsphysio1ogische Aspekte 11
c. Qua1itatsbewertungen. 24
d. Kritik an Hande1sk1assen 33
2. Genetik und Umwelt . 40
a. Fami1ien und Arten. 49
b. Sorten 51
c. Morphologie/ Anatomie 53
d. Umwelt. 56
3. Chemisch-Okonomische KulturmaBnahmen. 58
a. Allgemeines . 58
b. Minera1diingung . 60
c. Pflanzenschutz und Pflanzenschutzmitte1- Toxiko1ogische
Prob1eme . 84
d. U mweltprobleme. 98
4. 'Biologische' Anbaumethoden . 101
5. Standortgerechter Q.ualitatsanbau - Integrierter
PfIanzenschutz . 106
II. 12 Jihriger experimenteller Vergleich auf Moor- und
Sandboden: Organisch/Mineralische Diiagung . 110
a. Allgemeines . 110
b. Versuchsplan und Versuchsdurchftihrung 111
c. Ergebnisse der Bodenuntersuchungen 111
pH-Werte. 111
Humus. 113
Magnesium . . 115
Phosphorsaure . 116
Kalium. . . . 118
Ka1k (CaCOs) . 120
cl. Ergebnisse cler Untersuchungen an Nahrungspflanzen.
Ertrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120
e. Witterung wahrencl cler 12 jahrigen Vegetationszeit.. 125
f. Ergebnisse cler Untersuchungen an Nahrungspflanzen.
Wertgebenclt'Inhaltsstoffe. . . 127
III. Garmachen und Konservieren . 137
a. Garmachen . . . . . . . . . 139
b. Konservieren . . . . . . . . 140
Mikrobio1ogische F ermentierung 140
Tiefgefrieren. . . 140
Dost'nkonservieren 142
Ausblick 150
Schrifttum 151
Sachregister 160
CURRICULUM VITAE
Prof. Dr. habil. Werner Schuphan, am 18.l1.1908 in Berlin geboren,
Y2
5 Jahre gartenbauliche Praxis in Deutschland, Mittel- und Sud
frankreich, Holland und England, dortselbst naturwissenschaftliches
Studium, Fortsetzung und Beendigung des Studiums in Berlin. Dort
Diplom- und Doktorexamen (Agrikulturchemie), 1939 Habilitation und
1940 'venia legendi' an der Friedrich-Wilhelms-U niversitat Berlin.
1937-1945 Leiter des Instituts fur Gemusebau. 1m gleichen Jahr (1945)
Diatendozent (Angewandte Botanik) an der UniversitiH Hamburg, dort
1947 apl. Professor fur Angewandte Botanik bis 1951.
1951 Grunder und bis 1973 Leitender Direktor der Bundesanstalt fur
Qualitatsforschung pftanzlicher Erzeugnisse, Geisenheim im Rheingau
sowie seit 1952 bis heute Professor fur Angewandte Botanik an der
UniversiUit Mainz.
Prasident der Internationalen (CIQ) und der Deutschen Gesellschaft
fur Qualitatsforschung (Pftanzliche Nahrungsmittel) (DGQ); 'Editor in
Chief' der internationalen wissenschaftlichen Zeitschrift 'QUALITAS
PLANTARUM - Plant Foods for Human Nutrition'. Dr. W. Junk,
Publishers, Den Haag, Niederlande.
Arbeitsgebiet: Biochemische Qualitatsforschung an Nahrungspftanzen
(z.T. in Gemeinschaftsarbeit mit Padiatern und Internisten) in Abhangig
keit von genetischen, okologischen und anthropogenen Faktoren.
VORWORT
1m Fernsehen, im Rundfunk und in der Presse wird die Qualitat unserer
N ahrungspflanzen immer ofter zur Diskussion gestellt. Das U nbehagen
uber die wachsende 'Chemisierung' unseres Lebens und unserer pflanz
lichen Nahrungsmittel wachst standig. Die Zunahme der Zivilisations
krankheiten, insbesondere auch vieler unerklarlicher Allergien, beun
ruhigen A.rzte und Patienten. Das Interesse der Verbraucher an der
Erzeugung einwandfreier Nahrungsmittel ist geweckt. Die Bedenken
gegenuber ihren Produktionsmethoden sind unuberhorbar.
Die Kritik richtet sich in erster Linie gegcn intensive chemische
Dungungs- und PflanzenschutzmaBnahmen. 1m Hinblick auf die Sum
mation chemise her Mittel, die allein schon bei den Pestiziden zu einer
Potenzierung ihrer Toxizitat fiihren kann und die beunruhigende
Tatsache einer Interaktion zwischen einigen Pestiziden der chlorierten
Kohlenwasserstoffgruppe mit viel angewandten Pharmaka, z.B. Amino
pyrin, Tolbutamid, Heptabarbital und Phenylbutazon, macht auf dem
landwirtschaftlichen Sektor eine drastische Losung des Problems durch
Einfiihrung anderer, weniger bedenklicher Anbaumethoden erforderlich.
Das Bagatellisieren der Gefahren, die durch Anwendung moderner
chemise her Anbaumethoden entstehen konnen, ntitzt dem Verbraucher
ebensowenig wie ein vorsehnelles, absehatziges Urteil tiber einen 'bio
logischen', 'organisehen' oder tiber einen Anbau mit 'integriertem'
Pflanzenschutz.
Was ihm ntitzen kann, ist ein kritisch-objektiver experimenteller
Vergleich der verschiedenen Anbaumethoden im Hinblick auf Er
nahrungsphysiologie und Ernahrungshygiene.
Ein weiterer Aspekt verdient hier Beachtung:
Der hohe Entwicklungsstand der pharmazeutischen Industrie mit
ihren wirksamen Praparaten ist bekannt, ebenso Mangel und Lucken
der Mittel im Anwendungsbereich. Uber mogliche biochemische Inter
aktionen bei gleichzeitiger Verabfolgung mehrerer Praparate herrscht
ebenso groBe Unkenntnis wie tiber etwaige Interaktionen mit Inhalts
stoffen unserer Nahrungsmittel. Die Folgen dieser Reaktionen in physio
logischer und toxikologischer Hinsicht sowie besonders auch im Allergie
bereich sind - abwahl existent - zur Zeit weitgehend unerforscht. Dieses
Problem trifft nattirlich in erstcr Linie kranke Menschen.
Anders dagegen verha.lt es sich im landwirtschaftlichen Bereich mit
bestimmten Dtingungs- und PflanzenschutzmaBnahmen, denn sie
betreffen jeden Verbraucher von Nahrungsmitteln, Erwachsene und
Kinder aller Altersgruppen, gleich ob gesund oder krank. Hier kennt
man zwar eine Reihe konkreter Falle tiber Toxizitatssteigerungen bei
gleichzeitiger Anwendung zweier verschiedener Pestizidwirkstoffe und
bei Bildung von Metaboliten, doeh ist noeh viel Forsehungsarbeit
vonnaten, bis man hiertiber eine nur einigermaBen ersehopfende Kennt
nis besitzen kann.
Die gesehilderte unerfreulichc Gesamtlage laBt es verstandlich er
seheinen, wenn gesundheitsbewuBt lebende Mensehen in zunehmendem
MaBe bereit sind, ihre Lebensweisc naeh den Grundsatzen einer Vor
sorge-Medizin auszuriehten. Ihnen kann - neben ausreiehender korper
lie her Betatigung - cine Ernahrung, die vorztiglieh auf einwandfrei
erzeugter pflanzlicher Kost beruht, helfen, Gesundheit und Leistungskraft
zu erhalten.
Prof. Dr. habil. Werner Sehuphan
Geisenheim/Rhg.
1. NAHRUNGSPFLANZEN UND IHR
BIOLOGISCHER WERT
Urn die Jahrhundertwendc 'erahnte' man nur - teils auf Grund empi
rischer Feststellungen - den groBen Wert pflanzlicher Nahrungsmittel
fur eine gesunderhaltende Ernahrung.
Konkrete Kenntnisse uber die Chemie von Inhaltsstoffen der Nahrungs
pflanzen waren damals noch recht luckenhaft. Uber den ernahrungs
physiologischen Wert ihrer Wirkstoffe - selb~t solcher, die der Pflanzen
kost Monopolcharakter verleihen, z.B. der Ascorbinsaure und des
Carotins - wuBte man noch nichts.
So wurde die chemische Konstitution der pflanzenburtigen Ascorbin
saure und die Methode zu ihrer Bestimmung erst Anfang der dreiBiger
Jahre dieses Jahrhunderts cntdeckt (1), obwohl die skorbutverhutende
Wirkung von Frischgcmuse und Obst schon im Mittelalter, die des
Sauerkrauts, nach ciner Meldung des Militararztes Johann Heinrich
Kramer im Lager des Prinzen Eugen, bereits 1739 bekannt war. Den
stichhaltigen Beweis fur seinen absoluten Skorbutschutz lieferte dann
spater der britische Kapitan und ForschungsreisendeJames Cook (1728-
1779) durch seine langjahrigen Scefahrten (2).
Ahnliche Verhaltnisse lagen vor bei dem Hauptwertstoff der Mahre,
dem 1831 von Wackenroder entdeckten farbgebenden Carotin. Will
statter & Mieg gaben dem Carotin 1907, die auch heute noch anerkannte
Bruttoformel C H56' Erst Steenbook & Boutwell gelang 1920 der Nach
40
weis, daB das Carotin ein Provitamin A sci, das erst im Organismus zum
Vitamin A umgewandelt werden muB (zit. bei (3)).
Nach W. Kubler (4, 5) spielt die Mohre bei der Vitamin A - Ver
sorgung des Sauglings die bedeutendste Rolle. Mit Milch verabfolgt
wird bei verftitterten M6hren die Ausnutzungsfahigkeit des Carotins als
Vitamin A betrachtlich erhaht. Dabei dient das Milchfett als Lasungs
mittel. Eine Vitamin A-Substitution in Form der Mahrenmilch
erscheint daher nach W. Kubler (4, 5) besonders einfach und kann in
keinem Fall zu einer A-Hypervitaminose fuhren, wie es zuweilen - fruher
haufiger - bei Applikation von Vitamin A-Praparaten kam (4, 5).
Schuld an der Unterbewertung der pflanzlichen und Uberbewertung der
tierischen Nahrungsmittel war die teils heute noch ubliche, einseitige
Ausrichtullg auf Kaloriell * als MaB des Niihrwcrts, ausgcdruckt in
*
NeuerdingsJoule (J): Eine Kg-Kalorie (Kcal) = 4,184 KJ.
Umrechnungsfaktor: aufKJ = 4,184;
von KJ auf Kcal = 0,239 (vgl. (59), S. 25).
1
Gehalten an EiweiB und Kohlenhydraten, beide mit 4,1, sowie an Fett
mit 9,3 Kalorien/l00 g. Dadurch wurden z. T. lebensnotwendige Wirksto.fJe,
beispielsweise gesunderhaltende Vitamine, einschliefllich der nur pflanzenbiirtigen,
anticarcinogenen Flavonoide (6), nicht miterfaflt (Tabelle 1). Das gleiehe gilt
fiir unentbehrliehe therapeutisehe Eigensehaften der Pflanzenkost, z.B.
fiir die von Nahrungspflanze zu Nahrungspflanze untersehiedlieh starke
antiphlogistisehe Aktivitat -- bei der die Mohre weit an der Spitze steht
(7) - sowie die von uns experimentell bestatigte positive Rolle der
Pflanzennahrung bei Verhinderung der sog. Ernahrungsleukozytose.
Hier wurden von uns zudem neue, bisher nieht bekannte Erkenntnisse
gewonnen (8).
Die obige Feststellung trifft auch zu, auf geschmackgebende stoff
wechselregelnde und zugleich antimikrobiell wirkende, schwefelhaltige
atherische Ole der Zwiebel-, Kohl- und Retticharten sowie auf nieht
schwefelhaltigc Terpenabkommlinge der Umbelliferen, z.B. Mohren,
Pastinaken, Selleric, Petersilie und vieler Kiiehenkrauter (9-15, 184).
Weiterhin sind die Mineralstoffe und Spurenelemente als anorganische
Wertstoffe generell von Bedeutung. Von ihnen haben die in pflanzlichen
Nahrungsmitteln meist sehr hohen Gehalte an Kalium und sehr niedrigen
an Natrium ernahrungsphysiologischen und klinischen Wert.
Die amerikanischen Internisten, G. R. Meneely und Mitarbeiter
(16-20) befaBten sich experimentell mit dem Problem einer ausreichen
den Bereitstellung von Kalium in unserer Ernahrung zur Kompensierung
meist iiberhohter Zufuhr an Natrium mit dem Speisesalz in der iiblichen
Kost. Einc ganz cntscheidend positive Rolle spielt nach ihren Befunden
das Kalium, cine negative das Natrium, bei dcr Bekampfung des Blut
hochdrueks beim Menschen. Meneely und Mitarbeiter fanden aber aueh
bei 9 Versuchen an insgesamt fast 1000 Ratten zur Ermittlung ihrer
Lebensdauer, daB durch steigende Na CI - Gaben per os der systolisehe
Blutdruek, das Serum-Cholesterin, das gesamte austausehbare Korper
Natrium und abnorme Elektrokardiogramme zunahmen. Wenn dureh
Zufuhr von KCl das Verhaltnis KINa = 1 erreieht wurde, war damit
eine iiberrasc hende Verlangerung des mittleren Lebensalters verbunden.
Bei hoheren N aCI--Gaben vermochte zugefiihrtes KCI den hohen
Blutdruck wieder zu normalisieren. (zit. bei (21)).
Das von Meneely und Mitarbeitern herausgestellte klinische Problem
hat bei unserer kochsalzbetonten Zivilisationskost auch praktisehe
Aspekte.
Wie spater noch niiher dargelegt werden soil, miissen als Konsequenz gezielte
Maflnahmen bei Diingung unserer Nahrungspflanzen, bei ihrer Zubereitung in
Kiiche und Groflkiiche sowie bei der industriellen Konservierung erfolgen, um
gesunderhaltende Eigenschoften, vor allem in Gemiise und Kartoffeln, moglichst
zufordern, bzw. sie vor techr.ologischen Einbuflen zu bewahren ((21), S.142-145;
22-26).
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