Table Of ContentStefan Krätke
Medienstadt
Stefan Krätke
Medienstadt
Urbane Cluster
und globale Zentren
der Kulturproduktion
Leske + Budrich, Opladen 2002
Gedruckt auf säurefreiem und alters beständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ein Tite\datensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich.
ISBN 978-3-8100-3404-5 ISBN 978-3-663-01270-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-01270-2
© 2002 Leske + Budrich, Opladen
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Inhalt
Einleitung: ............................................................................................ 7
Kapitell:
Raumbindungen im Kontext der Globalisierung: Die
Geographie der wissensbasierten und kreativen Produktion .... ........... 17
1.1 Neue Herausforderungen: Die Geographie der
Globalisierung und der "Wissens gesellschaft" ................................... 18
1.2 Institutionentheoretische Ansätze der Regionalwissenschaft .............. 21
1.3 Das "soziale Kapital" von Wirtschaftsregionen .................................. 37
Kapitel 2:
Globalisierung, Weltstädte und Globalizing Cities
als Bezugsrahmen der Medienstadt .. ...... ............................ .................. 44
2.1 Ansätze zur Analyse der Global City
im internationalen Städtesystern .... .......... .................... ........ .............. 45
2.2 Global Cities in ökonomisch-funktionalen
Rangordnungen des Städte systems .................................................... 52
2.3 Global Cities als Standortzentren der Anbieter
von globalen Dienstleistungen.... ...... ................................................. 59
Kapitel 3:
Die Kulturökonomie der Gegenwart: institutionelle Ordnung
eines kombinierten Produktions- und Dienstleistungsbereichs .... ....... 70
3.1 Die institutionelle Ordnung der Kulturproduktion ............................. 71
3.2 Teilsektoren der Kulturproduktion nach
Vermarktungsbedingungen .............................................................. 76
3.3 Interne und externe Arbeitsteilung in der
Kulturproduktion .................................... ..................... .................... 80
3.4 Die "Formatierung" der kreativen Arbeit
in der Kulturindustrie ....................................................................... 85
3.5 Die Globalisierung der Kulturökonomie ........................................... 89
3.6 Kulturökonomie und "New Economy" ........................................... 102
5
Kapitel 4:
Lokale Vernetzung in einem urbanen Mediencluster:
Das Beispiel der Filmwirtschaft PotsdamlBabelsberg ......... ............. 108
4.1 Produktionscluster Filmwirtschaft in PotsdamlBabelsberg ............... 111
4.2 Netzwerkanalyse der Unternehmensbeziehungen
im Cluster Filmwirtschaft ............................................................... 117
4.3 Netzwerkpositionen der Akteure im Cluster
PotsdamlBabelsberg ....................................................................... 128
Kapitel 5:
Kulturökonomie einer Metropole: Größenordnung, Dynamik,
und lokale Ousterbildung im innerstädtischen Raum .................. ..... 138
5.1 Kulturproduktion im Metropolenraum Berlin -
"Medienstadt im Aufbruch" ............................................................ 138
5.2 Größenordnungen und Dynamik der Kulturproduktion in Berlin ...... 143
5.3 Lokale Cluster der Kulturproduktion im Stadtraum Berlin ............... 153
Kapitel 6:
Kulturmetropolen und Medienzentren im nationalstaatlichen
Raum: Selektive Standortkonzentration ............................................. 176
6.1 Kulturproduktion in der Bundesrepublik Deutschland ...................... 176
6.2 Zentren der Kulturökonomie im deutschen Städtesystem ................. 186
6.3 Aktivitäts-Profile der Medienstädte im Vergleich ............................ 198
Kapitel 7:
Kulturmetropolen und Medienzentren im globalen Maßstab:
Das Netzwerk der "World Media Cities" ........................................... 202
7.1 Urbane Knotenpunkte der globalen Kulturproduktion ...................... 206
7.2 Medienstädte und weltwirtschaftliche Integration Europas ............... 219
KapitelS:
Kulturproduktion und Medienwirtschaft im Städtesystem:
Zur Konvergenz von Urbanität und Medienszene ...... ........................ 223
Literaturverzeichnis .. ............................ .... .......... ................ .................. 246
Anhang ................................................................................................ 259
Abbildungs- u. Tabellen-Verzeichnis .............. .............. .......... .............. 264
6
Einleitung
Als "Medienstädte" lassen sich heute Kultur- und Medien-Zentren auf ver
schiedensten geographischen Maßstabsebenen umschreiben, die von klein
räumigen lokalen Standortgemeinschaften der Medienwirtschaft im urbanen
Raum bis zu den Kulturmetropolen des globalen Stadt- und Regionalsystems
reichen. Die Medienstadt ist offenbar ein geographisch vielschichtiges Phä
nomen, das in bestimmter Weise mit der klassischen sozialwissenschaftlichen
Thematisierung der Stadtkultur verknüpft ist. Die Thematik der Stadtkultur
im weiten Sinne schließt die Frage nach der Divergenz und Konvergenz der
Lebensweisen in städtischen und ländlichen Räumen wie auch ihren "Zwi
schenräumen" ein, ferner die Frage nach der Vielfalt der Lebensweisen von
Stadtbewohnern - die "Kulturen der Stadt" -, darüberhinaus die Betrachtung
der baulich-räumlichen Gestaltungselemente der Städte, insbesondere der
Neugestaltung von städtischen "Erlebnisräumen" und Kulturangeboten der
Stadt ("urban entertainment") mit ihrer Bedeutung fiir die Attraktivität und
wirtschaftliche Entwicklung der Städte. Diese thematischen Aspekte der
Stadtkultur sind in der Stadtforschung seit langem behandelt worden (Bittner
2001; Roost 2000; Kirchberg/GöscheI1998; Zukin 1995; Keams/Philo 1993;
Kirchberg 1992; Wynne 1992; Crane 1992). Vernachlässigt wurde meist der
Aspekt, daß die Stadt zugleich ein Produktionsort von Gütern und Diensten
fiir einen lokalen und überregionalen Kulturmarkt ist. In dieser Arbeit wird
der Zusammenhang von Stadt und Kultur aus der Perspektive der Produktion
von Kulturgütern einschließlich Medienangeboten untersucht, wobei die in
stitutionelle Ordnung der gegenwärtigen Kulturproduktion und Medienwirt
schaft sowie ihre räumlichen Konfigurationen auf der lokalen, auf der natio
nalstaatlichen wie auch auf der globalen Maßstabsebene in den Mittelpunkt
gestellt werden.
Für eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit Kultur und Stadt müßte die
"Commodification of Culture" ein zentrales Thema sein, d.h. die weltweite
Durchsetzung der Marktgesellschaft auch in Form der marktf6rmigen Pro
duktion von Kulturgütern und der marktbezogenen Selbststilisierung der In
dividuen im Wettbewerb um soziale Positionen unter der Vorherrschaft einer
Mediatisierung gesellschaftlicher Kommunikation, Konsummuster und Le
bensstile. Diese umfassende Verschmelzung von Kultur und Markt ist mit der
gegenwärtigen Stadtentwicklung in bestimmter Weise verbunden.
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Der Ausdruck "Kultur" wird in dieser Arbeit in zwei verschiedenen Di
mensionen verwendet: zwn einen im Sinne von gemeinsamen Werthaltungen
und Anschauungsweisen, Konventionen und Handlungsregeln, Lebensweisen
und Praktiken einer bestimmten Gruppe von Menschen (dh. im Sinne eines
umfassenderen soziologischen Verständnisses von Kultur), zwn anderen im
Sinne bestimmter Produktions-Aktivitäten, die mit den intellektuellen, künst
lerischen Wld symbolischen Ausdrucksformen gesellschaftlichen Lebens zu
sammenhängen - dieses V~rständnis ist eher funktional bzw. sozio-äkono
misch orientiert, verwendet den Ausdruck Kultur meist als Adjektiv in der
Rede von Kulturgütern, Kulturindustrien, Kulturäkonomie usw., und konzen
triert sich dabei auf jene gesellschaftlichen Aktivitätszweige (und deren Pro
dukte), die in besonderem Maße von Kreativität der Arbeit sowie von der
Herstellung Wld Kommunikation symbolischer Bedeutungen und Images ge
prägt sind (vgl. Throsby 2001). Solche Aktivitätszweige umfassen die tradi
tionell definierten Künste ebenso wie die meisten Zweige der heutigen Me
dienwirtschaft -sie werden im Folgenden zusammenfassend als gesellschaft
licher Funktions- und Aktivitätszweig "Kulturäkonomie" bezeichnet. Zwi
schen den beiden Dimensionen von Kultur gibt es Wechselbeziehungen, in
dem etwa die von einer Kulturindustrie verbreiteten Produkte und Images auf
die Werthaltungen, Lebensweisen und Alltagspraktiken von Menschen Ein
fluß nehmen (Wld umgekehrt).
Die Kulturäkonomie der Gegenwart kann als "Vorreiter" der Restruktu
rieTWlg von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Organisationsformen be
trachtet werden, indem sie institutionelle Formen der kreativen und wissens
basierten Produktion, der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung und räumli
chen Organisation, der flexibilisierten Arbeit, sowie der Kreuz- und Quer
Vermarktung von neuen Produkten in immer kürzeren Zyklen hervorbringt,
die sich künftig in vielen Zweigen gesellschaftlicher Arbeit durchsetzen
könnten. Zum Teil ähnliche Restrukturierungsprozesse sind im Bereich soge
nannter Hochtechnologie-Industrien verzeichnet worden, die ebenso wie die
Kulturäkonomie einem starken Innovationswettbewerb ausgesetzt sind und
auf volatilen Märkten agieren, die von Unsicherheit und Risiken geprägt sind
In der räumlichen Dimension ist die Kulturäkonomie ebenfalls ein Pro
totyp künftiger Organisationsformen gesellschaftlicher Arbeit, indem sie z.B.
neue "Stadtindustrien" hervorbringt, die den Rahmen alter Stadtindustrien
(wie z.B. das Druck-und Verlagsgewerbe) weit überschreiten. Dabei formie
ren sich vor allem in den großen Städten und Metropolen urbane Cluster der
Kulturproduktion, die einen erheblichen Anteil an der jeweiligen Regional
wirtschaft erreichen, starke regionsinterne ebenso wie überregionale Bezie-
8
hungsnetze ausbilden, und einen Kern der "kreativen Ökonomie" der Städte
darstellen.
Die selektive Konzentration von Kulturproduktion Wld Medienwirtschaft
in einem begrenzten Kreis von Großstädten Wld Metropolen des Städtesy
stems, die sich auch auf der Ebene des globalen Städtesystems artikuliert, ist
das eine Charakteristikum der räumlichen Konfiguration von Kulturindustri
en; das andere Charakteristikum ist die Clusterbildung innerhalb des groß
städtischen (bzw. metropolitanen) Standortraumes, die lokale Konzentration
von bestimmten Aktivitäten der Kulturproduktion und Medienwirtschaft in
besonderen "Distrikten", vorzugsweise im Bereich der Innenstädte.
Abb. 1: Lokale Konzentrationen ("Cluster") der Kulturproduktion
im Stadtraum Los Angeles
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5km
"'zentraler Geschäftsbezirk
Werbewi rtschaft
("City"-Kern)
Centllry
City
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0
Möbel
Hunlington
Park
Ausgewählte Industrie-Distrikte
in Los Angeles
Quelle: Darstellung nach Scott 1996
9
Die Standortmuster von verschiedenen Sparten der Kulturökonomie und Me
dienwirtschaft wurden seit den 80er Jahren für ausgewählte "Global Cities"
wie z.B. Los Angeles und London ermittelt, und gelten als empirische Fall
beispiele für die These, daß Kultur-Produktionen zur Formierung lokaler Ag
glomerationen spezialisierter Firmen tendieren (Scott 1997). Zu dieser These
wurden bisher als Beispiele stets die Metropolregionen London, Paris, New
York und Los Angeles angeführt (Scott 1996, 1998, 2000; BraczykIFuchs/
Wolf 1999; Grabher 2001; Coe 2001; OakeylKiplinglWildgust 2001).
Abb. 2: Lokale Distrikte der Medienwirtschaft und der Unternehmensdienste
im zentralen Innenstadtgebiet von London (2000)
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Central London (zentrales In..n enstadtgebiet) t
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o 2km
Graphische Skizze in Anlehnung an Grabher 2001
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Die neuere wirtschaftsgeographische Forschung hat auf Basis von Fallstudien
aus Regionen Europas und Nordamerikas in einer Reihe von Produktions
zweigen eine Tendenz zur "Re-Agglomeration" herausgearbeitet. Zu den Pro
duktionszweigen, in denen sich deutliche Tendenzen der Agglomeration bzw.
räumlichen Cluster-Bildung feststellen ließen, gehörten insbesondere For
schungs- und Entwicklungs-intensive Industriezweige, ferner design-intensi
ve Industrien, und nicht zuletzt die Kultur-Industrien. Neue oder revitalisierte
Agglomerationen derartiger Produktionszweige bilden häufig die Basis wett
bewerbsfähiger Regionen, wobei sich die hier betrachteten lokalen Agglome
rationen teils im Zentrum der Kernstädte von Ballungsgebieten und Metro
polregionen, teils in den Randzonen von Metropolregionen identifizieren las
sen (Scott 1998b und 2001).
Abb. 3: Lokale Cluster der Musikindustrie in Los Angeles (1998)
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LOS ANGELES
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Quelle: Scott 1998
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