Table Of ContentViola Riemann
Kontaktanzeigen
im Wandel der Zeit
Studien zur Kommunikationswissenschaft
Band 43
Viola Riemann
Kontaktanzeigen
im Wandel der Zeit
Eine Inhaltsanalyse
Westdeutscher Verlag
AIle Rechte vorbehalten
© Westdeutscher Verlag GmbH, OpladenlWiesbaden, 1999
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Umschlaggestaltung: Christine Huth, Wiesbaden
ISBN-13: 978-3-531-13390-4 e-ISBN-13: 978-3-322-89588-2
DOl: 10.1007/978-3-322-89588-2
Auch diese Arbeit wurde, wie unzahlige Dissertationen vor ihr, nicht ohne die Hilfe
von zahlreichen Freunden, Verwandten und Bekannten erstellt. Ihnen allen mochte
ich meinen Dank sagen.
Allen voran danke ich meinen Eltern, denen ich diese Arbeit widme. Sie haben mich
fmanziell unterstiitzt und mir freie Hand gelassen bei meinem Weg, darauf ver
trauend, daB ich mein Ziel - frilher oder spater - erreichen wtirde. Meine Schwester
hat mir mit ihrer Frohlichkeit und damit, daB sie immer fUr mich da war, sehr gehol
fen.
Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Klaus Merten, danke ich fUr sein Engagement, sei
nen Einsatz und den anregenden Impuls, den ich von ihm erhalten habe, urn diese
Arbeit iiberhaupt zu scbreiben.
So viele Freunde haben mich unterstiitzt, daB ich sie an dieser Stelle nicht alle nen
nen kann. Namentlich danken mochte ich Dr. Klaus Wilmers [Loi], der immer daran
geglaubt hat, daB ich es doch noch schaffe, und der mit seiner mitreiBenden und un
ermiitlichen Tatkraft manches Mal Retter in ausweglos erscheinenden Situationen
war. Auch Claudia Knoblauch war - vor allem in der Endphase - als kritischer und
helfender Geist stets da, wenn ich sie brauchte. Geduldigen Riickhalt habe ich von
Andreas Feyand erhalten.
Vor aHem Friederike Uhr, aber auch allen anderen Comdats mochte ich fUr die
freundliche und ermutigende Unterstiitzung danken.
Inhalt
1 Einleitnng ......................................................................................................... 9
1.1 Ziel der Arbeit. ................. '" ....................................................................... 10
1.2 Aufbau der Arbeit ...................................................................................... 11
2 Wertewandel in Gesellschaft nnd Partnerwahl ............................................ 13
2.1 Wertewandel in Partnersuche und Partnerschaft ........................................ 14
2.1.1 Partnerwahl und Wertvorstellungen bis zum 20. Iahrhundert ................ 15
2.1.2 Partnerwahl und Wertvorstellungen im fiiihen Btirgertum ..................... 17
2.1.3 Partnerwahl und Wertvorstellungen im spiiten Burgertum ..................... 19
2.1.4 Partnerwahl und Wertvorstellungen hente .............................................. 21
2.2 Strukturen des Partnerwahlprozesses ......................................................... 26
2.2.1 Kriterien der Partnerwahl... ..................................................................... 28
2.2.2 Erwartenserwartung im PartnerwahlprozeB ............................................ 3 0
2.3 Partnerschaftsformen heute -Ehe, Partnerschaft, Single ........................... 32
2.4 Wertewandel in der Gesellschaft ............................................................... 35
3. Geschichte der Kontaktanzeige ..................................................................... 38
3.1 England ...................................................................................................... 39
3.2 Deutschland ............................................................................................... 40
3.3 Kontaktanzeigen heute ............................................................................... 43
3.4 Alternative Kontaktsuche ........................................................................... 45
4. Strnktnr von Kontaktanzeigen ...................................................................... 47
4.1 Inhaltliche Strukturmerkmale einer Kontaktanzeige ................................ .48
4.2 Differenzierung der formalen Strukturmerkmale ...................................... 51
4.3 Differenzierung der inhaltlichen Strukturmerkmale .................................. 53
4.4 Erwartenserwartung in Kontaktanzeigen ................................................... 60
5. Fnnktion nnd Intention der Kontaktanzeige ................................................ 64
6. Informelle nnd Offentliche Kommnnikation in Kontaktanzeigen .............. 66
6.1 Intimitiit nnd Offentlichkeit in Kontaktanzeigen ....................................... 67
6.2 "Marktcharakter" der Kontaktanzeige ....................................................... 69
6.3 Antagonismus zwischen "Marktcharakter" und Intimitat .......................... 70
8 InhaIt
6.4 Obertreibung und "Ulgen" in Kontaktanzeigen ......................................... 72
Exkurs: Analysemoglichkeiten von Kontaktanzeigen ..................................... 74
7. Die Kontaktanzeige in der Literatur. ............................................................ 79
7.1 Synoptische Darstellung ............................................................................ 79
7.2 Zusatnmenfassung ..................................................................................... 126
8. Hypothesen zur empirischen Untersuchung ................................................ 132
8.1 Hypothesen zu Kontaktanzeigen und zu ihrer Akzeptanz ......................... 132
8.2 Hypothesen zu den Werten in Kontaktanzeigen ........................................ 135
8.3 Hypothesen zur Erwartenserwartung in Kontaktanzeigen ......................... 140
9. Verfahren in der Inhaltsanalyse .................................................................... 143
9.2 Auswahl von Untersuchungsgegenstand und -zeitraum ............................ 145
9.3 Das Kategoriensystem ............................................................................... 145
9.4 Reliabilitat und Validitat der Ergebnisse ................................................... 146
10. Untersuchungsdesign .................................................................................... 148
10.1 Stichprobenauswahl ................................................................................. 148
10.2 Stichprobenziehung ................................................................................. 150
10.3 Infonnationseinheiten .............................................................................. 150
lOA Instrumentenentwicklung ......................................................................... 151
10.5 Datenauswertung ..................................................................................... 152
11. Auswertung der Inhaltsanalyse -Ergebnisse ............................................. 153
11.1 Ergebnisse -Kontaktanzeigen und ihre Akzeptanz ................................. 153
11.2 Ergebnisse -Werte in Kontaktanzeigen ................................................... 164
11.3 Ergebnisse -Erwartenserwartung in Kontaktanzeigen ............................ 188
12. Fazit ............................................................................................................... 220
13. Literatur ........................................................................................................ 224
14. Anhang .......................................................................................................... 233
14.1 Codesheet ................................................................................................. 233
14.2 Kommentar zum Codesheet ..................................................................... 236
14.3 Tabellen / Variablen nach Jahren ............................................................. 240
14.4 Tabellen / Variablen nach Geschlecht ..................................................... 264
1 Einleitung
Gesellschaftliches Zusammenleben und Gesellschaftsformen allgemein sind einem
steten Wandel unterworfen. Er manifestiert sich in den Veranderungen der Sitten
und Gebrauche des alltaglichen Lebens und laBt sich beobachten im Normen- und
Wertesystem der Menschen. Soziale Geflechte bedingen, regeln und ordnen das
menschliche Mit- und Nebeneinander. Die Wertvorstellungen einer Gesellschaft
verandem sich mit ihren jeweiligen situationalen Randbedingungen. So lagen bau
erlichen und handwerklichen Gesellschaften andere Normen zugrunde als der heuti
gen hochtechnisierten Informationsgesellschaft; in Kriegszeiten gelten andere Werte
als in wirtschaftlich prosperierenden, friedlichen lahrzehnten. Wertvorstellungen
sind schicht- und geschlechtsspezifisch unterschiedlich. Sie manifestieren sich vor
allem und am deutlichsten in menschlichen Interaktionen.
Ein zentrales Handeln aller menschlichen Gemeinschaften stellen Partnersuche
und Partnerwahl dar. Anhand einer Beobachtung der ihnen zugrundeliegenden Nor
men und Vorschriften lassen sich die in der jeweiligen Gesellschaft besonders wich
tigen Werte ableiten. Die Partnersuche als eine Art von menschlicher Interaktion
folgt verschiedenen Wegen zur Verwirklichung und Umsetzung ihrer Ziele. Medien,
vor allem Massenmedien, haben heute einen immer grofieren Anteil am Zustande
kommen menschlicher Kommunikation, mithin auch am Initiieren des Partnerwahl
prozesses. In Printmedien, im Femsehen, im Radio und via Internet konnen Singles
mittlerweile versuchen, ersehnte Kontakte zu knupfen. Kaum ein Medium verzichtet
auf diesen Service, der uber seine eigentliche Funktion hinaus einen nicht zu unter
schiitzenden Unterhaltungseffekt birgt.
Nach wie vor sind - trotz der Konkurrenz durch neuere Massenmedien - Anzei
gen zur Partnersuche in Zeitung und Zeitschrift das Mittel, das besonders haufig
genutzt wird und viele Rezipienten erreicht.
Anzeigen als Mittel, urn werbend auf Waren und Dienstleistungen hinzuweisen,
gibt es in Zeitungen und Zeitschriften schon seit dem 17. lahrhundert. Zunachst
wurden sie von Geschiiftsleuten genutzt, urn auf ihre Angebote und Leistungen auf
merksam zu machen. Spater nutzten auch Privatleute diese Form der Werbung fur
Waren und Dienstleistungen. Ende des 17. lahrhunderts kam erstmalig in England
die Idee auf, auf diesem Wege nicht nur Guter zu vermitteln, sondem diese Form
der Kommunikation dazu zu nutzen, selbst wieder Kommunikation in Gang zu brin
gen: urn so eine ersehnte Partnerschaft bzw. Ehe zu initiieren. Auf diese Weise
wurde erstmals ein Offentliches Medium fur die Partnerwahl genutzt. Der Umweg
uber ein Kommunikationsmittel wurde dazu eingesetzt, urn direkte Kommunikation
10 1 Einleitung
herzustellen: Damit war die Kontaktanzeige1 erfunden. Diese Form, Kommunika
tion in die Wege zu leiten, hat sich nach anflinglichen Akzeptanzschwierigkeiten2 zu
einer immer gebrauchlicheren Methode der Partnersuche entwickelt. Heute fmdet
man in fast jeder Zeitung und Zeitschrift regelmiiBig Kontaktanzeigen.
Kontaktanzeigen dienen vordringlich dem Erreichen eines Zieles: der Partnerfm
dung. Dariiber hinaus kt>nnen sie zudem -wie in der Arbeit zu erlautem sein wird -
als "Spiegel der Gesellschaft"3 genutzt werden. Sie beinhalten damit einen Erkennt
nisgewinn, den sieh die Wissenschaft fUr die Untersuchung verschiedener Gesell
schaftsformen, ihren Grundlagen und Wertvorstellungen zunutze macht.
Diese wissenschaftliche Dimension ist dem Initiator selbst - dem Inserenten - vt>llig
unbewuBt. Diese vollstiindige Trennung des Inserenten und seiner Anzeige von der
spateren Auswertung macht die wissenschaftliche Aussage von Kontaktanzeigen
wertvoll; denn der Inserent realisiert Oblicherweise wahrend des PublikationsprozeB'
nieht, daB seine Anzeige wissenschaftlich betrachtet und ausgewertet werden kann.
Die Inhalte von Kontaktanzeigen zeigen bei einer Analyse, betrachtet man sie
Ober einen liingeren Zeitraum hinweg, welche Entwicklungen die Vorstellungen von
Partnerschaft und welche Entwicklungen die Einschiitzung von bestimmten Werten,
die in den Anzeigen genannt werden, nehmen.
Kontaktanzeigen kt>nnen also als Spiegel von Wertvorstellungen und Beziehungs
entwOrfen innerhalb der Gesellschaft verstanden werden.
1.1 Ziel der Arbeit
Ziel der Arbeit ist die Betrachtung und Darstellung einiger Werte und Normen, die
der bundesdeutschen Gesellschaft zugrundeliegen. Sie sollen untersucht werden
anhand einer Inhaltsanalyse von Kontaktanzeigen.
Der Umsetzung dieses Ziels solI eine Darstellung der Wertvorstellungen dienen,
die die Partnerwahl in unserer Gesellschaft beeinflussen. Aus ihnen und den diesbe
zOglichen Ergebnissen anderer wissenschaftlicher Untersuchungen zum Thema
Kontaktanzeigen sollen Annahmen abgeleitet werden zur Entwieklung dieser gesell
schaftlichen Werte im letzten lahrzehnt. Diese Hypothesen sollen anhand einer
inhaltsanalytischen Auswertung von je 300 Kontaktanzeigen aus den lahren 1981,
1986, 1991 und 1994 Oberpriift werden.
Ziel der Analyse soli es sein, auf kommunikationstheoretischer Basis diese Art
von Anzeigen in ihrer Eigenschaft als "Spiegel der Gesellschaft" zu betrachten und
zu Oberpriifen, welche Normen, Wertvorstellungen und Gesellschaftsbilder sieh in
ihnen entdecken lassen.
1 Vgl. zur Definition der Kontaktanzeige Kapitel3.
2 Vgl. zu den Akzeptanzschwierigkeiten von Kontaktanzeigen Kapitel3.1.
3 Vg l. zu dieser Annahme Kapitel 7, das die synoptische Darstellung der Literatur enth!llt.
1.2 Autbau der Arbeit 11
1.2 Autbau der Arbeit
In dieser Arbeit sollen zunachst die Bedingungen, unter denen Partnerwahl und
Partnersuche in den letzten lahrhunderten bis heute stattgefunden haben, dargestellt
werden (Kapitel 2). Diese geschichtliche Entwicklung hat die heutige Partnerwahl,
ihre Form, ihre Struktur und ihre Kriterien, entscheidend mitgepragt. Daraus ergibt
sich die Darstellung der Strukturen des Partnerwahlprozesses und der Partner
schaftsformen, die in der heutigen Gesellschaft bestehen. Dieses zweite Kapitel
abschlieBend werden die Werte und Normen noch einmal zusammenfassend darge
stellt, die der Partnerwahl zugrundeliegen und dam it auch gesamtgesellschaftliche
Vorstellungen mit beeinflussen.
1m dritten Kapitel wird die Entwicklung der Kontaktanzeige von ihren Anfangen
bis heute exemplarisch nachgezeichnet. Dazu werden anhand von historischen Bei
spielen die Einfiihrung dieser Inserate in Deutschland und England und die Reaktio
nen darauf skizziert. Dem folgt eine kurze Darstellung der heutigen erweiterten
Moglichkeiten der Mediennutzung zur Partnerfindung auch durch andere als die
Nutzung von Printmedien. Dazu gehOrt die Kontaktsuche tiber Horfunk, Fernsehen
oder per Internet genauso wie indirekt durch Medien initiierte Treffs auf Kontakt
Parties und in Single-Vereinen.
AnschlieBend (Kapitel 4) werden die formalen und inhaltlichen Strukturmerk
male von Kontaktinseraten beschrieben. Hier wird die Frage beantwortet, was Kon
taktanzeigen beinhalten und wie diese Inhalte geordnet und kategorisiert werden
konnen. Diese Kategorisierung solI spater der wissenschaftlichen Auswertung zu
grundegelegt werden. Zur Erstellung einer korrekten und sinnvollen Kategorisie
rung wird beispielhaft auf die Vorgehensweise anderer Arbeiten zuriickgegriffen,
diese kritisch verarbeitet und daraus eine eigene Ordnung aufgestellt.
1m darauffolgenden fUnften Kapitel werden die Funktion und die Zielsetzung
einer Kontaktanzeige erlautert. Urn das Ziel der Kontaktaufnahme zu erreichen,
mtissen die Inserenten einige Normen und Vorschriften, die hinsichtlich der "norma
len" Partnerwahl bestehen, umgehen bzw. vernachlassigen.
Die Diskrepanz zwischen den in Kapitel 2 beschriebenen gesellschaftlich vorge
gebenen Partnerwahlstrukturen und den Funktionen einer Kontaktanzeige fUhrt zu
einem Kommunikations-Paradox zwischen Intimitat und Offentlichkeit, das in Ka
pitel 6 dargestellt wird. In einem Exkurs werden die verschiedenen Analysemoglich
keiten, die sich aus den zuvor dargestellten Strukturen der Kontaktanzeige ergeben,
erlautert.
Eine Synopse aller deutschsprachigen und ausgewiihlter auslandischer Arbeiten
zum Thema Kontaktanzeigen schlieBt den ersten (theoretischen) Teil der Arbeit ab
(Kapitel 7). Diese Zusammenstellung enthalt die Darstellung der Analysemethoden
und ihrer Ergebnisse, die abschlieBend in einer Zusammenfassung betrachtet wer
den.
Kapitel 8 leitet tiber zum empirischen Teil der Arbeit. Es enthalt die sich aus der
Darstellung der Werte und Normen ergebenden Annahmen und Hypothesen beziig-