Table Of ContentNicolle Pfaff
Jugendkultur und Politisierung
Studien zur Jugendforschung
Band 27
Herausgegeben von
Wilfried Breyvogel
Werner Helsper
Heinz-Hermann KrCiger
Nicolle Pfaff
Jugendkultur
und Politisierung
Eine multimethodische Studie
zur Entwicklung politischer
Orientierungen im Jugendalter
VS VERLAG FOR SOZIALWISSENSCHAFTEN
Bibliografische Information Der Deutschen BIbllothek
Die Deutsche BIbllothek verzelchnet diese Publlkation In der Deutschen Nationalblbliografle;
detalllierte bibliografische Daten sind Im internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Gedruckt mit freundllcher Unterstutzung der Hans Bockler Stiftung.
LAuflage Januar2006
Alle Rechte vorbehalten
© VS verlag fur SozialwIssenschaften/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006
Lektorat: Monika Mulhausen / Bettlna Endres
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Umschlaggestaltung: KunkelLopka Medlenentwicklung, Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin
Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrel gebleichtem Papier
Printed in Germany
ISBN 3-531-14689-0
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 7
Einleitung 9
1. Von der Jugendkultur zur Politik - Stand der Forschung 13
1.1 Jugend zwischen Politikverdrossenheit und politischem Aktionismus 14
1.1.1 Jugendprotest im Generationsverlauf 15
1.1.2 Jugend und Politik heute - nur ein padagogisches Verhaltnis? 27
1.2 Jugendkulturen und ihre Beobachtung 39
1.2.1 ,Innovation als Routine': Jugendkultur in der Gesellschaft 39
1.2.2 Bewegung, Subkultur, Stil, Szene - Konzepte von Jugendkultur.. 44
1.3 Zwischen Ausdruck und Aneignung - Jugendkultur und Politik 53
1.4 Zusanmienfassung 65
2. Zur Untersuchung 69
2.1 Fragestellung 69
2.2 Politik und Jugendkultur unter Bedingungen der Entgrenzung
- Grundbegriffe der Studie 70
2.3 Untersuchungsdesign und -methoden 82
2.3.1 Das Jugendsurvey der quantitativen Teilstudie 86
2.3.2 Die Gruppenstudien der qualitativen Teilstudie 92
2.3.3 Das Triangulationskonzept der Studie 98
3 Jugendkulturelle und politische Orientierungen im Zusammenhang.
Ergebnisse eines Jugendsurveys 101
3.1 Die gegenwartige jugendkulturelle Szenerie 102
3.1.1 Begrenzte Sichtverhaltnisse fur Jugendsurveys 103
3.1.2 Jugendliche Ordnungen jugendkultureller Stile 108
3.1.3 Selbstverortung gegeniiber Stilen und Szenen 115
3.1.4 Zuschreibung von Zugehorigkeiten - Zehn Formen
jugendkultureller Selbstverortung 123
3.2 Jugendkulturen und ihr Verhaltnis zu Politik 132
3.2.1 Jugendliche Einstellungen zu und Erfahrungen mit Politik 132
3.2.2 Protestbezogene Jugendkulturen und ihr Verhaltnis zu Politik 144
3.2.3 Musik- und Medienstile und ihr Verhaltnis zu Politik 157
3.2.4 Globale Selbstverortungsformen und ihr Verhaltnis zu Politik 164
3.2.5 Hypothesen zur Entwicklung politischer Einstellungen 168
3.3 Zur Bedeutung der jugendkulturellen Selbstverortung bei der
Entwicklung politischer Einstellungen 172
3.3.1 Zum Bedingungsgefiige politischer Einstellungen 176
3.3.2 Zum Bedingungsgefiige von Partizipations- und
Protesterfahrungen 182
3.3.3 Spezifische Formen jugendkultureller Selbstverortung als
Bedingung von Politisierung 189
4 Stil, Szene, Politik: Zwei Fallstudien zur Entwicklung politischer
Orientierungen in jugendkulturellen Kontexten 191
4.1 Alternative Musikstile und Protestszenen: Jugendkulturelle
Feindschaften im politischen Raum 193
4.1.1 Fallauswahl: die Gothic-Punk-Szene in A-Stadt 194
4.1.2 Die Gruppen alta4 und p-park 196
4.1.3 Uber Politik: Kommunikationsmodi und koUektive
Orientierungen 205
4.2 Musikstile: Hip-Hop als adaquater kultureller und politischer
Ausdruck der Lebenssituation 234
4.2.1 Fallauswahl: die Hip-Hop-Szene in B-Stadt 235
4.2.2 Die Gruppen g-twings und mahiri 236
4.2.3 Hip-Hop als Medium der Deutung gesellschafthcher
Zusammenhange 244
4.3 Jugendkulturelle Zugange zum Politischen. Befunde des Fallvergleichs. 275
5 Politisierung im Kontext von Jugendkulturen? Zusammenfassende
Interpretation der Ergebnisse 281
Literaturverzeichnis 297
Danksagung
Die vorliegende Studie ist als Dissertation vor dem Hintergrund einer intensiven
Zusammenarbeit mit Akteuren in und auBerhalb der Martin-Luther-Universitat
Halle-Wittenberg entstanden, bei denen ich mich an dieser Stelle herzlich bedan-
ken mochte. Allen voran sind dabei die Jugendlichen zu nennen, die bereitwillig
unseren umfangreichen Fragebogen ausgefuUt oder mir Zugang zu ihren Freun-
desgruppen gewahrt und sich auf Gruppendiskussionen eingelassen haben.
Bin besonderer Dank gebiihrt meinem Betreuer Prof. Dr. Heinz-Hermann
Kriiger, der mir in jahrelanger Mentorentatigkeit den Zugang zur Wissenschaft
und zu einer Vielzahl konkreter Forschungs- und Diskussionskontexten eroffnet,
diese Studie so ermoglicht und mit vielen wertvollen Kritiken und Hinweisen
unterstutzt und gefordert hat. Mein Dank gilt auch Prof. Dr. Ralf Bohnsack, der
die Untersuchung mit groBem Interesse, viel Optimismus und einer Menge in-
haltlicher Empfehlungen begleitet hat und dessen Forschungswerkstatt mir die
Moglichkeit gab, meine Kenntnisse im Bereich der Dokumentarischen Methode
um ein Vielfaches zu erweitem. In diesem Sinne sei auch den in den For-
schungskoUoquien an beiden Lehrstuhlen anwesenden Wissenschaftlerlnnen
herzlich fur ihre Diskussions- und Interpretationsfreude gedankt.
Fur inhaltliche und methodische Anmerkungen mochte ich mich bedanken
bei meinen Freundlnnen bzw. KoUeglnnen Beate Krai, Wibke Nietert, Maren
Zschach, Sylke Fritzsche, Melanie Berger und Kathrin Hirschmann fur Interpre
tation und Korrektur, bei Christian Geiser und OHver Bohm-Kasper fur die sta-
tistische Beratung, bei den Mitarbeiterinnen des Projekts ,Politische Orientierun-
gen bei Schiilem im Rahmen schulischer Anerkennungsbeziehungen' fur die
Zusanmienarbeit und bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des For-
schungskoUoquiums am Zentrum ftir Schulforschung und Fragen der Lehrerbil-
dung (ZSL) fur die jahrelange Begleitung und Beratung meiner Arbeit.
Fur groBe Toleranz, Durchhaltevermogen und aufmunternde Unterstutzung
in schwierigen Phasen danke ich herzlich meinem Freund Hubert Prechler, mei
nen Eltern Marita und Lothar Pfaff, meiner ganzen Familie und alien Freunden.
SchUeBHch ist die vorliegende Studie auf der Basis eines dreijahrigen Pro-
motionsstipendiums der Hans-Bockler-Stiftung entstanden, die neben der fman-
ziellen Unterstutzung durch eine Vielzahl innovativer und erhellender Veranstal-
tungen auch ideell zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat.
Einleitung
"Es ist politisch notwendig zu verstehen und nutzbar zu machen, was zu einer be-
stimmten Zeit die asthetische Kritik an Reprasentation, an Macht und Verfugung sagt."
(Diedrichsen 1996,8.113)
Gerade im Hinblick auf das Verhaltnis von Jugend zur Politik wird sowohl poli
tisch als auch sozialwissenschaftlich auf die asthetische Seite der Kritik an Rep
rasentation, Macht und Verfiigung wenig geachtet. Statt dessen dominiert seit
nunmehr fast zwei Jahrzehnten die Diagnose einer ,Politikverdrossenheit' der
Jugend. Eine zunehmende oder hohe Distanz Jugendlicher zur Politik wird seit-
her von einer politikwissenschaftlich orientierten Jugendforschung festgestellt.
Diese fragt im Wesentlichen nach dem Vorkommens und der Genese systemkon-
former Einstellungen und institutioneller politischer Beteiligung (vgl. z.B. die
Shell-Studien 1992, 1997, 2000). Auf eine kulturelle Dimension politischer Mei-
nungen, Einstellungen, Mentalitaten und Verhaltensweisen bei Jugendlichen in
Gestalt von jugendkulturellen Stilen, Praxen und Symboliken weisen inzwischen
jedoch die Resultate verschiedener Untersuchungen vor allem auf dem Gebiet
der Jugendkulturforschung bin (vgl. bspw. Roth/Rucht 2000; MoUer 2000;
Groffmann 2001; Weller 2003). Sie markieren damit die asthetische Seite der
Kritik, die die politikwissenschaftliche Jugendforschung ausblendet.
Jugendkulturelle Stile machen Jugendlichen spezifische Angebote fiir die
Deutung sozialer Zusammenhange, fiir die individuelle und koUektive Selbstrep-
rasentation sowie fur die gemeinsame Bearbeitung von Entwicklungsaufgaben.
Dabei liefem sie gleichsam Raume wie mogliche Konzepte fiir die individu
elle Selbstthematisierung und -darstellung. In Anlehnung an die tJberlegungen
von Kurt Moller (1995) und Heinz Siinker (1996) zur politischen Soziahsation
ist davon auszugehen, dass dies nicht nur in Bezug auf die Mode- und Medienre-
zeption sondem auch beim Erwerb politikbezogener Orientierungen gilt. Trotz
vorliegender Belege fiir eine Bedeutung jugendkultureller Kontexte fur die Ent-
wicklung politischer Orientierungen wurden damit im Zusammenhang stehende
Politisierungsprozesse kaum systematisch untersucht. Die hier vorliegende Un-
tersuchung will einen Beitrag dazu leisten, diese Forschungsliicke aufzufiillen.
Im Zentrum der Studie steht dabei die Frage, welche Bedeutung jugendkul
turellen Kontexten fiir die Entwicklung politischer Orientierungen bei adoleszen-
ten Jugendlichen zukommt. Es geht also damm, zu klaren, ob, und wenn ja, wie
jugendkulturelle und politische Orientierungen in einem Zusammenhang zuein-
ander stehen. Genauer gesagt miissen fur ein solches Vorgehen zwei Ziele be-
stimmt werden: einerseits die Beschreibung von jugendkulturspezifischen politi-
schen Einstellungen und Handlungsformen in ihrem Bedingungsgefuge und
andererseits die Rekonstruktion der Einbettung politikbezogener Deutungen und
politischer Ausdrucksformen in die asthetischen Praxen Jugendlicher.
Eine Analyse der Bedeutung jugendkultureller Kontexte fiir die Politisie-
rung von Jugendlichen kommt mit einem eindimensionalen Politikbegriff nicht
aus. Denn sie kann sich, will sie ihrem Gegenstand gerecht werden, gerade nicht
auf die Beobachtung von Anpassungs- und Ubemahmeleistungen feststehender
politischer Prinzipien und damit auf eine defizitorientierte Perspektive auf ju-
gendliche Handlungspraxis beschranken. Wer die Existenz von Jugendkultur als
gegeben ansieht, muss offen sein fur die Entwicklung wenig angepasster und
vielleicht auch wenig anschlussfahiger politischer Orientierungen und BeteiH-
gungsformen. Unter Politik wird hier deshalb einerseits das poHtische System
mit seinen Institutionen, Akteuren, Entscheidungen und Problemen verstanden
(institutionenbezogener Politikbegriff). Andererseits macht die Untersuchung vor
dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen und mit Blick auf ihren Ge
genstand auch die Sub- oder Mikropolitik nichtstaatlicher sozialer Akteure zum
Gegenstand (lebensweltbezogener Politikbegriff). Damit werden hier all jene
sozialen Phanomene als ,Poltische' gedeutet, die sich auf gesellschaftliche Herr-
schafts- und Machtverhaltnisse sowie auf die Herstellung koUektiv verbindlicher
Entscheidungen beziehen, durch die sich sozusagen soziale Interessen biindeln.
Theoretisch wie auch methodisch kniipft die vorliegende Studie somit an
zwei bislang weitgehend unverbundene Forschungstraditionen an. Dabei handelt
es sich einerseits um die politikwissenschaftliche Jugendforschung und anderer
seits um die gegenwartig mit erheblichen Systematisierungsproblemen kampfen-
de Jugendkulturforschung. Beide Forschungslinien werden hier iiber sozialisati-
onstheoretische Annahmen zur Entwicklung politischer Orientierungen in der
Gleichaltrigengruppe verbunden. Dabei geht die grundlegende Konzeption des
Gegenstandsfeldes in dieser Untersuchung von der Annahme aus, dass JugendH-
che in ihren Gleichaltrigengruppen vor dem Hintergrund soziohistorischer und
milieuspezifischer Bedingungen iiber ihre Stile und asthetische Praxen spezifi-
sche poHtische Orientierungen entwickeln (vgl. u.a. Moller 1995; Sunker 1996).
Damit sind zugleich die zentralen theoretischen Kategorien der Untersu
chung benannt. Neben dem oben beschriebenen Begriff von PoHtik und politi-
schem Handeln, handelt es sich dabei einerseits um ein Konzept von Jugendkul
tur als Sinn- und Sozialkontext und andererseits um ein Verstandnis von Soziali-
sation, dass die Eigenleistung des Subjekts gegeniiber der einseitigen Inkorpora-
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