Table Of ContentIn Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges:
Öffentliche Erinnerungsdiskurse
in Deutschland und den USA im Jahr 2005
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie
an der
Ludwig-Maximilians-Universität München
vorgelegt von
Beate Kleber
aus Kirchenthumbach
München 2013
Referent: Prof. Dr. Michael Hochgeschwender
Korreferent: Prof. Dr. Martin H. Geyer
Tag der mündlichen Prüfung: 19.07.2010
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Gewidmet
meinen Eltern
und
meinem Patenkind Max
3
Vorwort
Vorwort
An allererster Stelle gilt mein größter Dank meinen Eltern Anneliese und Johann Kleber.
Sie haben stets an mich und meinen eingeschlagenen Weg geglaubt und mich in all dieser
langen Zeit mit viel Liebe und Aufmerksamkeit unterstützt. Meinem Freund Markus bin
ich innigst verbunden für die stetige persönliche und wissenschaftliche Motivation sowie
für die Geduld und den starken Rückhalt, mit denen er mich in den letzten Jahren trotz
manch schwieriger Zeit begleitet hat. Ebenso möchte ich mich bei meinen Geschwistern
bedanken, die mich bedingungslos und mit viel Zuspruch unterstützt haben.
Großen Dank gebühre ich ebenso meinem Doktorvater Prof. Hochgeschwender für die
vertrauensvolle, geduldige und konstruktive Betreuung auch in Zeiten des Zweifelns und
des Gefühls des Stillstandes. Nicht zu vergessen sind hier Prof. Geyer und Frau PD Dr.
Waldschmidt-Nelson, welche mir in ihren Seminaren und in persönlichen Gesprächen
wichtige Anregungen gaben. Weiterhin habe ich meinen Kollegen im Doktorandenseminar
für ihre kritischen Anregungen und die entspannenden Stammtisch- und Kinoabende zu
danken, bei all den Mitarbeitern der Library of Congress, der Staatsbibliothek zu Berlin,
der UB München und BSB München, aber besonders bei Frau Dipl. Bibl. Höhn für die wert-
vollen Literaturhinweise; Manuela Eitel M.A. für ihr geduldiges Ohr sowie Claudia Reitz,
M.A. und Marjam Oskoui, M.A., die sicherlich oftmals keine leichte Aufgabe mit der Korrek-
tur hatten; Familie Preisser für die liebevolle Beherbergung in Washington sowie Frau
Tandler und Frau Attenberger, die es mir oft erleichterten, Arbeit und Promotion in Ein-
klang zu bringen.
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Inhaltsverzeichnis
In haltsverzeichnis
Vorwort 4
Inhaltsverzeichnis 5
Abbildungsverzeichnis 7
Tabellenverzeichnis 7
Einleitung 8
I Theoretische und methodische Fundierung 18
1 Kolle ktives Gedächtnis und Erinnerungskulturen —Untersuchungsrelevante
Aspe kte 21
1.1 Kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung 21
1.2 (Massen)Medien und kollektives Gedächtnis 38
1.3 Erinnerung, kollektive Identitäten und Geschichtspolitik 43
2 Disku rstheorie und Diskursanalyse 46
3 Empi risch-methodisches Vorgehen 53
3.1 Auswahl der Printmedien 53
3.2 Untersuchungsschritte der Diskursanalyse 57
II Historischer Erinnerungskontext: Konjunkturen der öffentlichen Erinnerung
3.3 Vergleich der Ergebnisse der Diskursanalysen 64
an den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus seit 1945 66
1 Erinnerungskonjunkturen in Deutschland 67
1.1 Die formativen Jahre bis zur doppelten Staatsgründung: Schuldfrage,
Schuldabwehr und Opferbewusstsein 76
1.2 Amnestie, Verdrängung und Aufarbeitung in der frühen Bundesrepublik 86
1.3 Aufklärungsbestreben und Politisierung der Erinnerung ab Ende der
1950er bis Ende der 1970er Jahre 101
1.4 Der Beginn des medialen Erinnerungsbooms und öffentliche Debatten in
den 1980ern 112
1.5 Deutschland nach der Wiedervereinigung: Intensivierung der
Erinnerung und Opferthematik 116
2 Erinn erungskonjunkturen in den USA 120
2.1 Die Nachkriegszeit und der Beginn des Kalten Krieges 123
2.2 Erinnerung im Kontext des Vietnamkrieges und gesellschaftlicher
Transformationsprozesse 128
2.3 Erinnerungsvielfalt und die Wiederbelebung des Patriotismus 131
2.4 Die öffentliche Erinnerungspräsenz des Zweiten Weltkrieges ab den
III Formale und strukturelle Ergebnisse der Presseanalyse 139
1990ern 135
1 Umfang, Verteilung und Verlauf der Berichterstattung 139
IV Der öffentliche Erinnerungsdiskurs in Deutschland im Gedenkjahr 2005 150
2 Journalistische Darstellungsformen und Platzierung der Beiträge 146
1 Them enspektrum 151
1.1 Historische Themenbezüge 151
1.2 Aktuelle gesellschaftliche Themenbezüge 153
1.3 Dominante Themenverschränkungen 158
5
Inhaltsverzeichnis
2 Medien, Orte und Formen der Erinnerung 166
2.1 Materielle Manifestationen der Erinnerung: die Gedenkstätte Neue
Wache, das Holocaust-Mahnmal und die Dresdner Frauenkirche 167
2.2 Offizielle Gedenkfeiern: Die Gedenkveranstaltungen in Berlin zum
8. Mai und die Siegesfeier in Moskau am 9. Mai 175
2.3 Mediale Darstellungen: Erinnerungsgeschehen in Film und Publizistik 180
3 Akteu re der Erinnerung 185
3.1 Sprecherposition Zeitzeuge 186
3.2 Sprecherposition Historiker bzw. Wissenschaftler 189
3.3 Sprecherposition Politiker 191
3.4 Sprecherposition Journalist 192
4 Erinn erungsstrategien und Deutungsoptionen 193
4.1 Argumentationsstruktur des „richtigen“ Umgangs mit der Vergangenheit 194
4.2 Deutungsperspektiven zum Tag des Kriegsendes 198
V Der öffentliche Erinnerungsdiskurs in den USA im Gedenkjahr 2005 208
5 Zusammenfassung und Einbindung der Ergebnisse in den historischen Kontext 201
1 Them enspektrum 208
1.1 Historische Themenbezüge 209
1.2 Aktuelle gesellschaftliche Themenbezüge 211
1.3 Dominante Themenverschränkungen 216
2 Medien, Orte und Formen der Erinnerung 220
2.1 Materielle Manifestationen der Erinnerung: Denkmäler,
Soldatenfriedhöfe und Gedenkstätten 220
2.2 Offizielle Gedenkfeiern: Die Gedenkfeiern zum Jahrestag der Befreiung
Auschwitz und des Kriegsendes in Europa 224
2.3 Mediale Darstellungen: Erinnerungsgeschehen in Film und Publizistik 227
3 Akteu re der Erinnerung 230
3.1 Sprecherposition Zeitzeuge 231
3.2 Sprecherposition Historiker bzw. Wissenschaftler 234
3.3 Sprecherposition Politiker 235
3.4 Sprecherposition Journalist 236
4 Erinn erungsstrategien und Deutungsoptionen 238
4.1 Der Vergleich mit anderen Kriegen 239
4.2 Deutungsoptionen des Kriegsendes in Europa und im Pazifik 241
VI Die (trans)nationale Dimension der öffentlichen Erinnerungsdiskurse –
5 Zusammenfassung und Einbindung der Ergebnisse in den historischen Kontext 244
Eine Bilanz 250
Schlussbetrachtung 260
Literaturverzeichnis 264
Zeitungs- und Zeitschriftenverzeichnis 280
Anhang 286
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Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Theoretisches Konzept 21
Abbildung 2: Prozentuale Verteilung der Artikel nach Presseerzeugnis
(D Sample, n= 1026) 139
Abbildung 3: Prozentuale Verteilung der Artikel nach Presseerzeugnis
(USA Sample, n=523) 140
Abbildung 4: Monatlicher Verlauf der Berichterstattung im Jahr 2005 im deutschen
Pressesample 141
Abbildung 5: Monatlicher Verlauf der Berichterstattung in den ausgewählten deutschen
Tageszeitungen 142
Abbildung 6: Monatlicher Verlauf der Berichterstattung in den ausgewählten deutschen
Die Zeit
Nachrichtenmagazinen 143
Abbildung 7: Monatlicher Verlauf der Berichterstattung in der Wochenzeitung 144
Abbildung 8: Monatlicher Verlauf der Berichterstattung im Jahr 2005 im US-
amerikanischen Pressesample 145
Abbildung 9: Monatlicher Verlauf der Berichterstattung in den ausgewählten US-
amerikanischen Nachrichtenmagazinen 146
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Journalistische Darstellungsformen Gesamt 147
Tabelle 2: Tatsachenbetonte Darstellungsformen 148
Tabelle 3: Meinungsbetonte Darstellungsformen 148
7
Einleitung
Einleitung
Mehr als 60 Jahre nach Kriegsende sind Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und den
Holocaust im öffentlichen Bewusstsein der ehemaligen involvierten Ländern und Nachfol-
gestaaten präsenter denn je. Historische Dokumentationen, semifiktionale Fernsehsen-
dungen, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Zeitzeugenberichte, Diskussionsabende,
Museumsausstellungen, offizielle Gedenkveranstaltungen oder Debatten über den richti-
gen Umgang mit der Vergangenheit – die Überflutung mit Erinnerungen und die Präsenz
von Zeitzeugen erschweren es dem Einzelnen, sich nicht für dieses Thema zu interessieren
1
oder diesem gar auszuweichen. Besonders „runde“ Jahrestage und die dazugehörigen
Gedenkveranstaltungen dienen als Anlass zur Vergegenwärtigung zurückliegender Ereig-
nisse und zur Auffrischung von historischem Wissen. Schon für den 50. Jahrestag des
Kriegsendes im Jahr 1995 attestierten Wissenschaftler und Medien einen Höhepunkt des
medialen Erinnerungsinteresses in Deutschland, das nicht mehr zu übertreffen sein wür-
de, und begründeten dies vor allem mit der Angst vor dem Schwinden der Zeitzeugen und
2
damit dem direkten Zugang zu Primärerfahrungen. In den darauf folgenden zehn Jahren
ist das Interesse jedoch nicht abgeebbt. Ganz im Gegenteil. Pünktlich zum 60. Jahrestag des
Kriegsendes wird erneut in den Medien und in der Wissenschaft ein Gedächtnisboom at-
Die Zeit
testiert. So bestätigt schon im Oktober 2004 der Zeithistoriker Norbert Frei in einem Arti-
kel für , die mediale Erinnerungsschlacht um den 60. Jahrestag des Kriegsendes
1945 habe bereits begonnen. Die Gedenkmaschine laufe. „So viel Hitler“ wäre denn auch
3
noch nie gewesen :
Wer vor zehn Jahren geglaubt hatte, ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende sei der
Gipfelpunkt der Kommemoration erreicht, der sieht sich heute belehrt. Seit ein fan-
tastisch gut aussehender Sebastian-Graf-Koch-von-Stauffenberg im Spätwinter
2004 im Führerbunker die Bombe zündete, ist die Erinnerungsschlacht eröffnet.
(…) Chronologie und zeitliche Nähe zu den unterschiedlichen historischen Ereignis-
sen spielen so gut wie keine Rolle mehr. Aus Angst, im Kampf um Zuschauer und
Leser ins Hintertreffen zu geraten, operieren Buchverlagen, Presse, Film und Fern-
sehen inzwischen mit absurden Vorlaufzeiten. Einzig die Politik, wiewohl gleichfalls
4
auf perfekte Inszenierung trainiert, erinnert noch gedenktagsgenau.
Politik mit der Erinnerung: Gedächtnisorte im Streit um die
1nationalsozialistische Vergangenheit
Zum „Mythos der runden ZahDle“ rs iKerhiee gP aetlse rT Rexeti:c Dheals, Jahr 1945 im kulturellen Gedächtnis der Presse
(Frankfurt a. M.: Fischer, 1999), 229.
2
Siehe dazu Klaus Naumann, Die Zeit (Hamburg:
Hamburger Edition, 1998), 9-11.
3
Norbert Frei, "Gefühlte Geschichte", , 21.10.2004.
4
Ebd.
8
Einleitung
Ebenso wird von deutschen und US-amerikanischen Historikern für die USA ein anstei-
gendes Interesse an der Thematik des Zweiten Weltkrieges im medialen und memorialen
5
Bereich in den letzten zwei Jahrzehnten beobachtet.
Laut der Kulturwissenschaftlerin Astrid Erll ist ein monokausaler und auf einzelne Na-
6
tionen eingegrenzter Ansatz zur Erklärung dieser „Obsession mit dem Gedächtnis“ nicht
ausreichend. Sie nennt drei Faktoren für die transnationale Aktualität des Gedächtnisthe-
mas: (1) historische Transformationsprozesse wie den Verlust der Zeitzeugengeneration
des Zweiten Weltkrieges und des Holocaust, die Pluralisierung von nationalen und ethni-
schen Gedächtnissen in Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion sowie aufgrund De-
kolonialisierung und Migrationsbewegungen, (2) technologische Veränderungen und
Neuerungen im Kommunikations- und Medienbereich sowie die Wirkung der Medien vor
allem als Medien der Vergangenheitsrepräsentation und (3) Entwicklungen im geisteswis-
senschaftlichen Bereich in Folge der Auseinandersetzung mit Postmodernismus und Post-
7
strukturalismus. Von einer Krise des Gedächtnisses sprechend, heben der Psychologe
Gerald Echterhoff und der Philosoph Martin Saar dagegen zwei Ursachen besonders her-
vor: zum einen die schwindende Existenz von „Angehörigen der Generation der Augen-
zeugen und Opfer des Holocaust und des Zweiten Weltkrieges“ als bedeutende Erinne-
rungsträger und zum anderen das sich in den letzten Jahrzehnten zunehmende Angebot
8
an neuen Speicher- und Kommunikationsmedien. In Anlehnung an die von Jan Assmann
entwickelten Terminologie des kulturellen Gedächtnisses sehen Echterhoff und Saar die
„Erinnerung an die Katastrophen und Verbrechen der Mitte des Jahrhunderts in einem
Übergangsstadium von einem kommunikativen, gelebten zu einem kulturellen, medial
fixierten Gedächtnis“ und nehmen diesen Übergang als „Anlass, von einer Krise des Ge-
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dächtnisses auszugehen“. Neue Computertechnologien und Softwareentwicklungen er-
The Greatest Story Ever Remembered: Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg als
s5innstiftendes Element in den USA
Siehe u. a. Kristina Scholz, Quarterly Jour-
nal of Speech (Frankfurt a. M.: Lang, 20 0A8 D),a Btea rWbharicah AW. iBlli eLsievcek: ePre,a "rRl eHmarebmobr einri nAgm Weroicraldn
WMeamr oIIr:y The Rhetoric and Politics of National Commemoration at the Turn of 21st Century", in:
88:4 (2002), 393-409, und Emily S. Rosenberg,
(Durham, NC: Duke Univ. Press, 2003), 117-125. Michael Kammen hat allgemein von einem „nostalgia
phenomen” bzw. „heritage phenomen“ gesprochen, welche sich durch eine zunehmende Kommerzialisierung,
Medialisierung und Demokratisierung amerikanischer Traditionen seit den 1970er und 1980er Jahren
auszeichnet: „The pervasiveness of nostalgic yearnings, the peculiarity of disremembering amidst pride in the
past, the expanded role fort he media in presenting ’memories,’ and the commercialization of tradition supply
some of the centrale themes thatT hche aMraycstteicr izCehdo rodusr oofw Mne tmimoery w: iTthhe i tTs rsatnrasfnogremlya tsiuopne orffi cTiaral dseitniosne oinf hAimstoerriyc aans
hCuerltiutargee – a commodity to be packaged in hundreds of ways ranging from docudramas to ‘collectibles’ at flea
markets.”(MiKcholaleekl tGiv. eKs aGmedmäechnt, nis und Erinnerungskulturen: Eine Einführung
(New York: Vintage Books, 1993) 533-536, 572, Zitat siehe S. 535-536).
6
Astrid Erll, (Stuttgart: Metzler, 2005), 2.
7
8 Ebd. 2-4. Kontexte und Kulturen des Erinnerns: Maurice Halbwachs und das
P aGreardailgdm Eac hdteesr khoolflfe kutnivde Mn aGretdinä cShatanri,s s"eEsinleitung: Das Paradigma des kollektiven Gedächtnisses. Maurice Halb-
wachs und seine Folgen", in: Dies., Hrsg.,
(Konstanz: UVK, 2002), 13.
9
Ebd.
9
Einleitung
möglichen zwar die Speicherung und Kommunikation großer Datenmengen, diese werfen
10
aber auch „unausweichlich (…) Fragen von Auswahl und Schwerpunktsetzung“ auf.
Diese Übergangsphase von Primärerfahrungen hin zu ausschließlich Sekundärerfah-
rungen stellt eine bedeutende und für die Forschung zu nutzende Chance dar, die unter
einem öffentlich konstruierten Eindruck von Zeitknappheit stattfindenden Aushandlungs-
und Deutungsprozesse über das Sagbare und das notwendige zu erinnernde Wissen über
den Zweiten Weltkrieg zu untersuchen. Ein Fokus auf den nationalen Kontext reicht dabei
nicht aus. Denn Erinnerungen und Rückbezüge an den Zweiten Weltkrieg spielen nicht nur
in Deutschland eine essentielle Rolle. Insbesondere die zahlreichen Gedenkfeiern der letz-
ten Jahrzehnte anlässlich runder Jahrestage zum 8. bzw. 9. Mai, dem Tag des Kriegsendes,
und die dabei anwesende internationale Politikprominenz lassen erkennen, dass die Erin-
nerungen von den ehemaligen am Zweiten Weltkrieg beteiligten Nationen als miteinander
verschränkt wahrgenommen und Entwicklungen in den anderen Ländern hinsichtlich
ihres Umgangs mit der Vergangenheit genau beobachtet werden. Das Ende des Zweiten
lieux de mémoire
Weltkrieges in Europa, der 8. bzw. 9. Mai, ist somit zu einem transnationalen Gedächtnis-
11
ort im Sinne von Pierre Noras Konzept der geworden.
In der heutigen gegenseitigen Wahrnehmung der USA und Deutschland ist auf politi-
scher Ebene nicht mehr viel vom Selbstverständnis als Sieger oder als Verlierer zu erken-
nen. Die Fakten sind geklärt, die Ursachen für das Entstehen des Zweiten Weltkrieges sind
übereinstimmend gefunden, die Hauptschuldigen für den Völkermord sind benannt und
Deutschland kommt seiner historischen Verantwortung inner- und außerhalb des Landes,
seit einigen Jahren auch in militärischer Form, nach. Beide Staaten haben jedoch nach
1945 aufgrund ihrer gegensätzlichen Ausgangspositionen als ehemaliger Kriegsaggressor
und Verlierer bzw. als Befreier und Sieger je ihr eigenes kollektives Repertoire an Ge-
schichtsbildern, Vergangenheitsinterpretationen und Mythen über den Zweiten Weltkrieg
und das Kriegsende entwickelt, welche in offiziellen Gedenkfeiern, in gesellschaftspoliti-
schen und wissenschaftlichen Debatten sowie in der Darstellung von Erinnerungsorten
immer wieder aufgegriffen und medial vergegenwärtigt werden. Im Gegensatz zu den USA,
die mit ihren Narrativen über den Zweiten Weltkrieg an jahrhundertealte historische Tra-
ditionslinien des Kampfes für Freiheit, Gerechtigkeit und der Verbreitung von Demokratie
anknüpfen konnten, bedeutete das Kriegsende und damit die Auseinandersetzung über
die Verantwortung für die vom nationalsozialistischen Regime begangenen Verbrechen
für die neue Bundesrepublik und zum Teil für die DDR ein Ende der Meistererzählungen.
10 Gegenläufige Gedächtnisse: Über Geltung und Wirkung des Holocaust
Ebd. 13-14.
11
Vgl. dazu Dan Diner, (Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht, 2007). Dan Diner spricht vom 8. bzw. 9. Mai 1945 als eine den west- bzw. osteuro-
päischen Staaten gemeinsame „Ereignisikone“ (54). Gleichbedeutend verwendet er dafür auch die Begriffe
„Gedächtnisikone“ und „Erinnerungsikone“.
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Description:von Michael Hochgeschwender, Kollektive Identitäten: Ein umstrittenes analytisches Instrument (München: Mai 1955 denn auch eher als ein Gedenken in Stille 1950s were marked by a significant increase in anti-Semitic behavior or if the public perception of Mobile army surgical hospitals.