Table Of ContentSusanne Peters Hrsg.
Geld
Interdisziplinäre Sichtweisen
Geld
Susanne Peters
(Hrsg.)
Geld
Interdisziplinäre Sichtweisen
Herausgeberin
Susanne Peters
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Magdeburg, Deutschland
ISBN 978-3-658-15060-0 ISBN 978-3-658-15061-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-15061-7
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Inhaltsverzeichnis
Was ist Geld? ................................................. 1
Horst Gischer
Das neoliberale Geldverständnis und der Mythos der
Rationalisierung .............................................. 11
Jakob Fruchtmann
„Und es stinkt doch!“ Eine verstehende Analyse von Geld
in der Alltagsökonomie ......................................... 49
Heiko Schrader
Geld und Glück – Erkenntnisse aus der ökonomischen
Zufriedenheitsforschung ........................................ 75
Andreas Knabe
Geld in der Psychologie: Vom Homo oeconomicus zum
Homo sufficiensis .............................................. 97
Liane Hentschke, Alexandra Kibbe und Siegmar Otto
Mehr als Schall und Rauch: Namen als Kapital und
wertvolles geistiges Eigentum .................................... 119
Angelika Bergien
Von Mitteln, Medien und Gaben: Moderne Philosophien
des Geldes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
Andreas Hetzel
Geld als metaphysisches Zahlungsmittel? .......................... 159
Hans Werner Breunig
V
VI Inhaltsverzeichnis
Zwischen avaritia und curiositas: Wahrnehmungsweisen
von Geld in Mittelalter und Früher Neuzeit ........................ 175
Almut Schneider
Geldmangel, Kollekten und Kredite in Zeiten der Not. Ein
Magdeburger Szenario 1681/1682 ................................ 203
Eva Labouvie
„Tolles Geld“: Geld, Unternehmertum und Kommerz in der
russischen Literatur ........................................... 223
Gudrun Goes
„,Money, O drug!‘ said I aloud, ‚what art thou good for?‘“: Geld
und Ökonomie in Robinson Crusoe (1719) ......................... 263
Laurenz Volkmann
The Fiction of Money: Geld im zeitgenössischen englischen Roman .... 283
Susanne Peters
Einleitung
Susanne Peters
Im Jahr 2012 wurde eine Skizze des berühmten Gemäldes „Der arme Poet“ von
Carl Spitzweg, das als eines der beliebtesten Gemälde der Deutschen gilt,1 vom
Auktionshaus Sotheby’s für 542.500 USD versteigert. Die Skizze zeigt dem
Betrachter bekanntlich einen Dichter, der sich in seiner kalten und feuchten Dach-
stube im Bett liegend den schönen Künsten widmet. Was mag sich wohl der
sicher wohlhabende neue Besitzer dieses Bildes beim Anblick des ärmlichen,
frierenden Poeten denken? Wird ihm bewusst, welche Differenzen zwischen
Betrachter und Betrachtetem bestehen und spielen diese Differenzen überhaupt
eine Rolle? Was ist der „wahre Wert“ dieses Kunstwerks und lässt er sich wirklich
in Dollar beziffern? Auf eindrucksvolle Weise wird mit der Versteigerung dieser
Skizze (und überhaupt mit allen für große Summen versteigerten Kunstwerken)
ein uralter Glaubenssatz thematisch, über dessen Gültigkeit sich in den Diszipli-
nen schon immer trefflich streiten ließ. Er betrifft die Unvereinbarkeit von Geld
und Kunst, von schnödem Mammon und geistreicher Dichtkunst, die Gegensätz-
lichkeit der Welt der Konsumgüter und der Welt der inneren Werte. In immer
neuen Spielarten – und je nach Fachdisziplin – wird die angebliche Konkurrenz
oder auch das Miteinander von Konsum und Konsumverzicht, von Geld und Geist
in historischen wie modernen Gesellschaften verhandelt. Ganz offensichtlich
haben wir Menschen also ein eher schwieriges Verhältnis zum Geld. Das macht
sich insbesondere dann bemerkbar, wenn es an ihm mangelt – aber nicht nur
dann. Was bedeutet uns also Geld? Wie gingen und gehen Gesellschaften mit dem
Zahlungsmittel um und was hat Geld mit Vergeltung zu tun? Wie steht es um die
Ökonomie von Geben und Nehmen? Ist Geld ein Fetisch, ein Ersatz, bedeutet
Reichtum glücklich zu sein? Wieso ist Geld unser Feind? Wie wird Geld zur
Sprache? Welchen moralischen Sinn entdecken wir beim Umgang mit Geld? Und
1So Stefan Koldehoff in Die Zeit (http://www.zeit.de/2012/03/Kunstmarkt-Spitzweg. Zugriff
26.6.2016).
VII
VIII Einleitung
schließlich: Wie wird Geld in der Literatur thematisch? Geld an sich ist nichts
wert. Ein Schein in der Tasche ist nur Papier, ein paar Münzen in der Hand sind
bloß Metall, und was wir auf dem Konto bei der Bank haben (oder auch nicht),
sehen wir nur als substanzlose Zahlen auf dem Kontoauszug. Geld hat seinen
Wert, weil es ein Tauschwert ist, weil es für etwas anderes steht. Es hat ein Poten-
zial, das jederzeit als etwas Anderes realisiert werden kann. Geld ist demnach ein
Tauschmedium, aber auch eine Recheneinheit und ein Wertaufbewahrungsmittel,
und diese dreifache Funktionsbestimmung des Geldes evoziert auch kritische
Positionen innerhalb der Einzeldisziplinen. Dass Geld ein historisches Symbol
des Relativitätscharakters des menschlichen Seins darstellt, macht das Thema so
spannend. Der Philosoph und Soziologe Georg Simmel hat schon zu Beginn des
vorigen Jahrhunderts von einer Steigerung der Kultur der Dinge und einem
Zurückbleiben der Kultur der Personen gesprochen, hat er mit seiner Diagnose
recht behalten? Ist möglicherweise der Eindruck falsch, dass der Prozess der
Monetarisierung unserer Gesellschaften universell und irreversibel ist?
Der vorliegende Band will interessierten Lesern einen Einblick in die univer-
sitäre Vielfalt der akademischen Zugänge zu diesem komplexen Verhältnis geben.
Dabei wird versucht, die dereinst von C.P. Snow propagierte (und teilweise mitt-
lerweile überwundene) Trennung der „two cultures“ in geistes- und kulturwissen-
schaftliche und naturwissenschaftlich-technische Weltzugänge zu überwinden,
denn beide Kulturen haben wichtige Positionen zum Thema Geld entwickelt,
die einander fruchtbar ergänzen können. Der vorliegende Band vereint dreizehn
interdisziplinäre Perspektiven auf dieses Thema, folgt aber nur lose einer Reihen-
folge, die mit einer klassisch ökonomischen Perspektive beginnt und mit Geld
in der zeitgenössischen Belletristik endet. In der Zusammenschau der einzelnen
Beiträge ergibt sich ein vielschichtiges Bild vom Verhältnis des Menschen zum
Kapital, das nun keineswegs erschöpfend sein kann, sondern Anregungen geben
und zeigen will, welche ganz unterschiedlichen Bewertungen des Themas Geld in
Einzeldisziplinen vorgenommen werden. Der Band geht zurück auf eine interdis-
ziplinäre Ringvorlesung an der humanwissenschaftlichen Fakultät der Otto-von-
Guericke-Universität Magdeburg im Sommersemester 2015.
Der Beitrag von Prof. Dr. Horst Gischer, der den Lehrstuhl für Monetäre Öko-
nomie und öffentlich-rechtliche Finanzwirtschaft an der Universität Magdeburg
innehat, gibt einen ersten Überblick über einige grundlegende Fragestellungen
zur Funktionsweise moderner arbeitsteiliger Volkswirtschaften. Bei der Betrach-
tung der Frühgeschichte sozialer Verbände des Menschen werden zunächst der
Naturaltausch und beidseitig akzeptierte Tauschverhältnisse als Basismodell einer
mikroökonomischen Theorie analysiert. Das ausführlich erläuterte Prinzip der
doppelten Koinzidenz zeigt hier, dass Angebots- und Nachfragewünsche poten-
Einleitung IX
zieller Tauschpartner exakt entgegengesetzt sein müssen – eine Situation, in der
der Dreieckstausch Abhilfe schafft. Die Einführung eines einheitlichen Zählgutes,
eines Marktes und eines gemeinsamen Zeitpunktes würde Tauschgeschäfte ver-
einfachen. Gischer zeigt, dass bei Definitionsversuchen immer die Funktionsbe-
schreibung statt intrinsischer Eigenschaften des Geldes im Vordergrund steht. Der
Gebrauch des stoffwertlosen Geldes in einem ungedeckten Verfahren ist dagegen
im Wesentlichen abhängig vom Vertrauen der Nutzer. Dem System ist nämlich
inhärent, dass keine Garantie des Staates in Bezug auf das in seinen nationalen
Grenzen im Umlauf befindliche Geld besteht. Heutige Geldsysteme, so Gischer,
bieten keine Rückfallpositionen; Geld wird nicht akzeptiert, weil es Wert hat,
sondern es hat Wert, weil es akzeptiert wird. Es repräsentiert keinen Wohlstand;
erst die potenzielle Verfügungsgewalt – die in Geld gespeicherte Kaufkraft –
macht seinen Besitzer vermögend.
Dr. Jakob Fruchtmann, der zurzeit als Lecturer of Sociology an der Jacobs
University Bremen arbeitet, setzt sich kritisch mit dem in den Wirtschaftswis-
senschaften und in Teilen seiner eigenen Disziplin noch immer vorherrschenden
„neoliberalen“ Verständnis des Geldes auseinander. Dazu stellt er die wichtigs-
ten soziologischen und anthropologischen Argumente vor, die dieser Konzeption
widersprechen. Auch dieser Beitrag behandelt das Problem der doppelten Koin-
zidenz beim Naturaltausch, und es wird bezweifelt, dass es vormonetäre Tausch-
gesellschaften in der Menschheitsgeschichte tatsächlich gab. Daneben wird auch
eine zweite wichtige Eigenschaft des neoliberalen Geldkonzeptes diskutiert, näm-
lich die These, dass Geld generell neutral sei. Fruchtmann rekurriert in der Frage,
ob Geld ein Motor des Fortschritts sei, auf Weber, und charakterisiert Ansätze, die
Modernisierung und Monetarisierung mit Prozessen der Rationalisierung identi-
fizieren. Auch Simmels Philosophie des Geldes hat hier eine für die Geldsozio-
logie zentrale Stellung. Dabei ist die Länge der wirtschaftlichen Handlungsketten
bedeutsam, denn sie führt dazu, dass die Bedeutung des Geldes immer weiter
zunimmt und dass schließlich aus dem Zwischenzweck Geld ein Endzweck wird.
Dabei kommt dem Geld eine Doppelrolle als Zeichen des relativen Wertes der
Waren als Tauschmittel und als Wert an sich zu. Die Frankfurter Schule stellt
jedoch nicht nur die Auffassung vom Geld als Modernisierungsmotor in ein kriti-
sches Licht, sie hinterfragt auch die Überzeugung von der inhärenten Rationalität
des Geldes, der vierten Grundfeste des neoliberalen Geldkonzeptes. Eine den For-
schungsstand aus soziologischer Perspektive abschließende Fragestellung bezieht
sich dann auf die Transzendenz des Geldes, auf die spannende Frage, ob nicht
Geld im Zuge des fortschreitenden modernen Kapitalismus den Ort des sakralen,
den sozialen Ort Gottes für die Gesellschaft einnimmt.
X Einleitung
Prof. Dr. Heiko Schrader vom Lehrstuhl für Makrosoziologie der Universität
Magdeburg, argumentiert, dass in modernen Gesellschaften Geld – trotz seiner
Funktion als generalisiertes Medium und jenseits der orthodoxen ökonomischen
Theorie, die Geld keinen Eigenwert zuschreibt – auch gleichzeitig zum „Spezi-
algeld“ in verschiedenen Wertsphären werden kann. Es transportiert hier auch
andere als ökonomische Werte und steht deshalb in einem Spannungsverhältnis
zum ökonomischen Wert. Im Alltagshandeln spielt das Aufladen mit und Anhaf-
ten von Qualitäten an Handlungen des Gebers bzw. Nehmers moralisch nach wie
vor eine wichtige Rolle. Die moralische Ökonomie des Tausches steht daher von
der Anlage her der Warenökonomie entgegen, zwischen Markttausch und Gaben-
tausch, so Schrader, existiere eine intrinsische Spannung. Während der Markt-
tausch leistungsbezogen und der Tauschprozess selbst ergebnisorientiert ist, gilt
der Gabentausch dagegen als prestigebezogen. Schraders Argumentation zielt auf
die Betonung der moralökonomischen Aspekte des Geldes, denn die Moralökono-
mie begrenzt den Möglichkeitsraum des Geldes und erzeugt eine Spannung, die
die Akteure lösen müssen. Hier wird eine klare Sphärentrennung zwischen dem
Sozialen und dem Kommerziellen aufrechterhalten.
Prof. Dr. Andreas Knabe, der den Lehrstuhl für Finanzwissenschaft an der Univer-
sität Magdeburg innehat, widmet sich der Frage nach dem Zusammenhang zwischen
Geld und Glück aus der Perspektive der ökonomischen Glücksforschung und bietet
einen Überblick über den Stand der Forschung im Bereich der Sozialindikatoren
und des subjektiven Wohlbefindens. Geld wird hier nicht im engeren wirtschaftswis-
senschaftlichen Sinne verstanden, sondern es geht um die individuelle Verfügungs-
gewalt über materielle Ressourcen, die es uns ermöglichen, unsere Wünsche und
Bedürfnisse zu befriedigen. Der Logik der Wahlmöglichkeiten entsprechend führt
mehr Geld zu mehr individuellem Wohlbefinden. Je wirtschaftlich leistungsfähiger
eine Gesellschaft ist, um so mehr sind ihre Mitglieder grundsätzlich in der Lage,
ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Der Beitrag stellt Verfahren zur Messung des indi-
viduellen und gesellschaftlichen Wohlbefindens mithilfe psychologischer und ande-
rer sozialwissenschaftlicher Methoden vor. Knabe vergleicht die Aussagekraft des
Bruttoinlandsprodukts mit objektiven Wohlfahrtmaßen und diskutiert, wie subjekti-
ves Wohlbefinden gemessen werden kann und wie es durch Einkommen und Wirt-
schaftswachstum beeinflusst wird. Obwohl im internationalen Kontext ein positiver
Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Nettoeinkommen nachzuweisen
ist, finden sich keine überzeugenden empirischen Hinweise, dass allgemeines Wirt-
schaftswachstum zu mehr Lebenszufriedenheit führen muss (Easterlin-Paradox).
Auch der Beitrag von Dipl. Psych. Liane Hentschke, Dipl. Psych. Alexandra
Kibbe und Dr. Sigmar Otto, die am Lehrstuhl für Persönlichkeits- und Sozialpsy-
chologie der Universität Magdeburg tätig sind, ist u. a. mit den Zusammenhängen