Table Of ContentFORTSCHRITTE
DER
CHEMISCHEN FORSCHUNG
HERAUSGEGEBEN VON
PROF. DR. U. HOFMANN PROF. DR. KL. SCH~IFER
GREBLEDIEH GREBLEDIEH
PROF. DR. G. WITTIG
GREBLEDIEH
SCH RIFTLEITUNG
H. MAYE R-KAU PP
GREBLEDIEH
4. BAND, 1. HEFT
TIM 02 ABBILDUNGEN
BERLIN • GOTTINGEN • HEIDELBERG
S PRINGE R-VE R LAG
1963
II Fortschritte der ehemischen Forschung. .4 Band, I. Heft
Die
,,Fortschrltte red chemischen Forschung,,
erscheinen zwanglos in einzeln berechneten Heften, die zu B~nden vereinige wcrden.
Ihrc Aufgabe liege in der Darbictung monographischer Fortschrittsberichte fiber aktuelle
Themen aus allen Gebieten der chemisehen Wissenschaft. Hauptgesichtspunkt ist niche
lfickenloses Zitieren der vorhandenen Literaturangaben, sondern kritische Sichtung der
Literatur und Verdeutlichung der Hauptrichtungen des Fortschritts. Auch wenden sich
die Fortschrieesberichte niche ausschlieBlich an den Spezialisten, sondern an eden inter-
essierten Chemiker, dcr sich fiber die Entwicklung auf den bIachbargebieten zu unter-
richten wfinscht. Die Bericheerstattung erstreckt sich vorl~ufig fiber den Zeitraum der
letzten l0 Jahre. Beitr~ge nichtdeutscher Autoren k6nnen in englischer oder franz6sischer
$prachc ver6ffentlicht werden.
In der 1Regel werden nur angeforderte Beitrlige ver6ffentlicht. Niche angeforderte
Manuskripte wcrden dem Hcrausgeberkollegium iiberwiesen, das fiber die Annahme ent-
scheidet. Ffir Anregungen betreffs geeigneter Thcmen sind die Herausgeber jcderzeit
dankbar.
Es ist ohne ausdriickliche Genehmigung des Verlages niche gestattet, photographische
Vervieli~ltigungen, Mikrofilme, Mikrophoto u. ~. yon den Zeitschriftenheften, yon einzel-
nen BeitrXgen oder yon Teilen daraus herzustellen.
Ansehriften :
Prof. Dr. U. Ho/mann, 96 Heidelberg, elfartsnetragrei.T (Anorganische Chemie).
Prof. Dr. Kl. Schafer, 69 Heidelberg, Tiergartenslrafle (Physikalische Chemic).
Prof. Dr. .G Wittig, 69 Heidelberg, Tiergartenstra~e (Anorganische Chemic).
Dr. H. Mayer-Kaupp, 69 Heidelberg, Neuenheimer Landstra~e 28--30 (Springer4Verlag).
galreV-regnirpS
69 Heidelberg ~1 Postfach 3027 I Berlln-Wilmersdorf, Heidelberger Platz 3
Fcrnsprecher 2 ~097 Fcrnsprecher 83 03 Ot
Fernschreib-Nr. 04-6t 723 Fernschreib-Nr. 01-83 3t9
4. :Band Inhaltsverzeichnis t. Heft
etieS
,IKSWOGOR F., Fundamentalproblem der Strukturchemie. Untersuchungen fiber die
Addiviti~t der Atombesti~nde. Mit 8 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . 1
WEmEL, F., Die Chemic der Transplutoniumelemente . . . . . . . . . . . . . . 5t
,NNAMLHOB F., H IKSWONROB und CH. ARNDT, Natfirllch vorkommende Acetylen-
verbindungen. Mit 12 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
,R~GR-~BZTUERK A., Die Chemie des s-Triazins . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
Die Wiedergabe yon Gebrauchsnamen, HandeIsuamen, Warenbezeichnungen usw. in dieser Zeitschrift borsch-
tigt hcxta ohne besondere Kennzelchnung nicht zn der Annahme, Qad solche Namen im Sinne der Warenzeichen-
trod Markenschutz- Gesetzgebung als frei zu betrachten w~ren nnd daher yon jedermann benutzt werden .netfrkid
Fortschr. chem. Forsch. 4, 1--50 (1962)
Ein Fundamentalproblem der Strukturchemie
Untersuchungen fiber die Additivitiit der Atomabst~inde
Von
F. ROGOWS~KI
Mit 8 Abbildungen
Inh~Its fibersicht Seite
I. Die Frage nach der Additivit/tt der Atomabst~nde . . . . . . . . . . . 2
tL Die Messung der Atomubst~tnde 3
III. Die Methode der Elektronenbeugung an Gasen und D~mpfen . . . . . . 4
a) Experimentelles . . . . . . . . . . . . . . . : . . . . . . . . . 4
b) Strukturberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l 1
t. Die allgemeine Streuformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . t t
2. Die verein~achte Streulormel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
3. Der Parameter b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . t 3
4. Der Parameter a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
5. Das Streuverm6gen einer Periocle . . . . . . . . . . . . . . . . t 5
6. Beispiele: Propan, ~than, Wasser, Butan und R-Propyl . . . . . . 16
c) Der Temperaturfaktor
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
d) Sicherheit und Eindeutigkeit der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . 20
IV. Betrachtungen fiber die Atomabst~nde CC, CO und CN 22
. . . . . . . . .
a) Prototypen dieser Abst/inde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
b) Substanztabellen mit Abstandswerten . . . . . . . . . . . . . . . 24
Tabelle 1. CC-Abstand der Einfachbindung . . . . . . . . . . . . 24
Tabelle 2. CC-Abstand der :)oppelbindung 27
. . . . . . . . . . . . .
Tabelle 3. CC-Abstand der Dreifachbindung . . . . . . . . . . . . 28
Tabelle 4. CO-Abstand der Einfachbindung . . . . . . . . . . . . 28
Tabelle 5. CO-Abstand der Doppelbindung .... " . . . . . . . . . 29
Tabelle 6. CN-Abstand der Einfachbindung . . . . . . . . . . . . 30
Tabelle 7. CN-Abstand der Dreifachbindung . . . . . . . . . . . . 31
c) Er6rterungen fiber die Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1. Keine unbedingte Additivit~t . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2. Konstanz der Abst~nde besteht in Molekfilen mit gesgttigten Bin-
dungen 33
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3. Verkfirzung und Charakter der ungesgttigten Dindung ........ 34
4. Verst~trkte Verkfirzung dutch mehrere unges~ittigte Bindungen . , (cid:12)9 37
5. Reichweite 39
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6. Die Abst~inde CO und CN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
7- Ringverbindungen und das 3enzolproblem . . . . . . . . . . . . 42
8. Regeln fiber die Atomabst~tnde . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
Fortschr. chem. Forscb., Bd. 4 1
2 .F~ ROGOWSKI
I. Die Frage nach der Additivit~t der Atomabst~nde
Aufgabe der Strukturchemie ist es, die chemische Analyse in einem
mehr physikalisch-chemischen und physikalischen Bereich fortzusetzen.
Wenn yon einer Substanz die Bruttoformel bekannt ist und man aus dem
chemischen Verhalten auch Schlfisse auf die Konstitution gezogen hat,
soll die Struktur zun~chst mit anderen als rein chemischen Mitteln
best~ttigt werden. Ist dies geschehen, so sollen diese Angaben quanti-
tativ unterbaut werden. Unter den physikalisch meBbaren Gr61~en sind
ftir die Strukturchemie die Atomabst~nde die wichtigsten.
Nun ist die Chemie einige Jahrhunderte ~lter als die Strukturchemie.
Daraus ergibt sich 6fter ein MiBverht~ltnis zwischen den Fragen des
Chemikers und den M6glichkeiten zu ihrer Beantwortung durch den
Physikochemiker. Schon sehr fri~hzeitig hat man, um drttngende Syn-
theseprobleme zu 15sen, empirische Zuordnungen zwischen der Konsti-
tution, wie sie aus dem chemischen Verhalten erkennbar wird, und
physikalischen Eigenschaften gesucht und gefunden. (cid:127)s sei an die
Molrefraktion, die Verbrennungsw~men, das optische DrehungsvermS-
gen, den Parachor usw. erinnert. Aus den Untersuchungen an einfachen
und in vieleHei \u bekannt erscheinenden Verbindungen ergaben sich
empirische MaBzahlen, die auf die elementaren Einheiten yon Atomen
und Ionen, aber auch Bindungsarten bezogen sind. Sie hatten oft nur
den Charakter yon Rechengr613en. Bei der Behandlung h6herer, nicht
mehr so t~bersichtlicher Molekfile wurden sie dann angewendet im Ver-
trauen darauf, dal3 das Prinzip der Additivitttt gilt. Meistens zeigte dann
die Weltere Entwicklung, dab dieses Prinzip doch nicht so streng erffillt
ist, wie man ursprfinglich angenommen hatte. Entweder muBten zahl-
reiche und sehr ins einzelne gehende Korrekturen eingefiihrt werden,
so dab man nicht mehr yon einer Gesetzmtt~igkeit sprechen durfte,
oder die ursprfinglich rein empirischen Mal3zahlen konnten im grt~/3eren
Rahmen der Phys~k verstanden werden und bfiBten zugunsten weniger
em~rischer GrSBen etwas an Aktualitttt ein.
Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit den Atomabst~nden ? Im
Vergleich zu den oben genannten Gr613en haben sie den Vorzug, Grund-
gr6Ben zu sein, physikalische Begriffe also, die qualitativ nicht wandelbar
und heute ebenso aktuell wie vor 30 oder 40 Jahren sind. Verttnderungen
in den damals spektroskopisch oder interferometrisch erhaltenen Ab-
standswerten von zweiatomigen Molektilcn sind h6chstens insofern ein-
getreten, als die Mel3genauigkeit vergr6Bert wurde. Beim ~bergang zu
nere31~trg Molekiilen stellten sich dann aber andersartige Schwierigkeiten
heraus. Der Rechenaufwand n~mlich, der zur Erzielung eindeutiger
Aussagen mit einer ffir alle mittleren Moleki~lgr63en gleichbleibenden
Genauigkeit notwendig ist, w~chst mit zunehmender Anzahl der Atome
Ein Fundamentalproblem der Strukturchemie 3
im Molekiil sehr stark an und macht damit exakte Untersuchungen mit
einem Minimum an Voraussetzungen iiul3erst mtihevoll und zeitraubend.
Um dann die Vielzahl der Strukturparameter h6herer Molektile einzu-
schriinken oder auf Bekanntes zurtickzuftihren, verfiihrt man nicht selten
wie in der Friihzeit der physikalischen Chemie: Man postuliert gleiche
Verh~iltnisse bei allen Molektilen und tibertr~igt den an kleinen Molektilen
gewonnenen Erfahrungsschatz auf die gr6Beren.
Die Frage, der hier nachgegangen werden soll, ist, ob die vorliegenden
exakten Messungen an kleinen Molekiilen schon Schliisse darfiber zulas-
sen, wieweit sich die Atomabstgnde tats/ichlich immer streng additiv
verhalten, oder, was damit gleichbedeutend ist, ob die Atomabst/inde
nach allen unseren Erfahrungen immer als konstant anzusehen sind.
Sehr geeignete Beispiele ffir diese Betrachtungen bietet die organische
Chemie. Namentlich das Kohlenstoffatom, aber auch die anderen darin
mit Vorzug auftretenden Atome sind in ihrem Verhalten so vielseitig
und typisch, dab man sicher sein kann, dab wenn das Prinzip der
Additivit~it in der Kohlenstoffchemie besteht, es in der gesamten Chemie
gelten wird, und umgekehrt, dab man hier anfgefundene Widerspriiche
zu dem Prinzip iiberall in der Chemie feststellen wird.
II. Die Messung der Atomabst~inde
Unter einem Atomabstand verstehen wit den mittleren Abstand der
beiden Atomkeme bei Versuchstemperatur. Der Schwerpunkt der Elek-
tronenhiille wird wohl oft mit dem Kern zusammenfallen; doch sind
auch, besonders bei Molektilen mit leichten Atomen, Abweichungen beob-
achtet worden, die man in Rechnung zu stellen hAtte, wenn man mit
RSntgenstrahlen arbeitet und bei den Ergebnissen yon Atomabst~inden
sprechen will. Um eine BeeinfluBbarkeit dutch Nachbarmolekiile nicht
berticksichtigen zu rntissen, wollen wir nur freie Molektile betrachten,
und die im gebundenen Zustand hSchstens als Parallelen in Zweifels-
Iiillen heranziehen. Bei Gittern kleiner Molektile weil3 man zwar, dab
die Abstandsunterschiede gegeniiber dem freien Molekiil nicht so groB
sind wie in Ionengittern; doch weil3 man nichts Genaues dartiber, ob
das auch ffiir grSBere Molektile zutrifft.
Zur Messung der Atomabst~nde (61), (63) bedient man sich spektro-
skopischer Methoden oder der Beugung von R6ntgen-, Elektronen-,
Protonen- oder Neutronenstrahlen. Die Spektroskopie liefert die Triig-
heitsmomente, aus denen die Abst/inde zu berechnen sind. Da man mit
Hilfe der Ultrarot-, der Raman- und der Mikrowellenspektroskopie sehr
genau messen kann, sind auch die so erh~iltlichen Abstandswerte yon
hoher Genauigkeit. Die Berechnung tier Abst~inde aus den Tr~igheits-
momenten ist allerdings nut bei zweiatomigen Molektilen einfach, bei
grSBerer Atomzalll wird sie rasch um vieles komplizierter, und darum
1"
4 F. ROGOWSKI
sind bis jetzt noch nicht alhu viele Substanzen vollst~ndig durch-
gerechnet worden. Jede dieser Arbeiten hat dabei der Strukturchemie
neue Impulse vermittelt, die bisherigen Erkenntnisse wurden best~tigt
und vertieft, und andere, die bis vor kurzem auBerhalb der experimen-
tellen M6glichkeiten lagen, wurden neu erschlossen. So sei nur auf exakte
Bestimmung von CH-Abst~inden durch Mikrowellenspektren verwie-
sen (17) und auf die so wichtige Rolle der Kraftkonstanten u.a. in der
Frage der Bindungsordnung (29).
Welter in das Gebiet der grSBeren Molekfile vorzustoBen, erlaubt die
Methode der Elektronenbeugung (abgektirzt EIBg). Zum Unterschied
von spektroskopischen Methoden messen die Beugungsmethoden die
Abst~inde bzw. die LAngengrSBen unmittelbar. Welche Wellenart man
zu den Untersuchungen heranzieht, h~ngt yon den Untersuchungs-
objekten und vonder Wechselwirkung der Wellen mit der Materie ab.
Zu Yiolekfilstrukturuntersuchungen bediente man sich anfangs in An-
lehnung an die Debye-Scherrer-Methode fiir Kristallpulver der R6ntgen-
beugung an Gasen. Sie lieferte eine Reihe sehr schSner Ergebnisse,
verlor dann aber an Bedeutung -- teilweise sehr zu Unrecht -- neben
der Elektronenbeugungsmethode. Wegen der wesentlich st~irkeren
Wechselwirkung der einfallenden Elektronen mit den Atomelektronen
und besonders mit den Atomkernen, wegen der leichteren Herstellbarkeit
eines intensiven monochromatischen Elektronenstrahls, wegen der st~ir-
ker zusammengerafften sekund~en Intensit~tsverteilung ist diese der
R6ntgenbeugung bei der Strukturermittlung meistens etwas fiberlegen.
3anche dieser Vorteile k6nnen abet auch je nach dem vorliegenden
Problem Nachteile sein. Wenn das Hauptinteresse auf die Lage der
Atomkerne gerichtet ist, wird die E1Bg-Methode zu bevorzugen sein,
w~hrend die R6ntgenbeugung eher fiir Fragen der Elektronenhfille und
gegebenenfalls sogar der 3indungselektronen in Betracht kommt.
Im Falle der hier zu behandelnden Frage nach der Additivit~t der
Atomabst~inde sind die Ergebnisse der Untersuchungen vieler Substanzen
zu sichten. Es werden daher die nach allen Methoden gewonnenen Werte
herangezogen. Die E1Bg-Methode hat bei diesen den Hauptanteil ge-
liefert. Aus diesem Grunde und auch, weft sie bei uns in Deutschland
nicht sehr hiiufig angewendet wird, sei fiber sie berichtet, soweit es ffir
die Strukturbestimmung von Belang ist.
III. Die Methode der E!ektronenbeugung
an Gasen und D~mpfen
a) Experimentelles
Im guten Hoehvakuum kreuzt ein feiner, intensiver und mono-
chromatischer Elektronenstrahl einen iihnlich feinen Dampfstrahl der
zu untersuchenden Substanz (56). In einer Entfemung yon 10 bis 05 cm
Ein Fundamentalproblem der Strukturchemie 5
befindet sich ein Empfiinger fiir die gestreuten Elektronen. Der iilteste
Empf~nger ist der Leuchtstoffschirm; besser zur Registrierung geeignet
ist die photographische Platte oder, ftir Zwecke der feineren MeBtechnik,
auch ein Halbleiter-Kristall, den man auf der Ebene der Platte durch
den Streukegel bewegt, mit Verst~rker und Schreiber (67). Die Streu-
verteilung erscheint dem Auge als ein System sehr breiter und sehr
verwaschener Ringe, die sich fiber einem stark abfallenden Untergrund
subjektiv -- wegen des Kontrasteffekts -- als Maxima und Minima,
objektiv in den Kurven des Registrierphotometers oder des Schreibers
als Wellungen des Abfalls zu erkennen geben. Die Gesamtheit dieser
Erscheimmg setzt sich zusammen aus einem koh~renten und einem
inkoh~renten Anteil. Im Falle der koh~renten Streuung verlassen die
Elektronen das Streuobjekt ohne Energieverlust oder mit unver~nderter
de Broglie-Wellenl~Luge, im anderen Fall ist ein Bruchteil der Energie
wiihrend des Streuprozesses verloren gegangen, und die Wellenlimge der
austretenden Elektronen ist l~nger. Der koh~trente Streuanteil ist ab-
h~lgig einmal von den Atomen im Molekfil allein und dann von den
Entfernungen der Atome innerhalb des Molekfils. Diese beiden Glieder
sind mit dem Rutherford-Faktor verbunden, der besagt, dab die Anzahl
der koh~rent gestreuten Elektronen wie s- 4 kleiner wird, worin s = 2 sin
2
und # den Streuwinkel bedeuten. Da dieser Faktor s -4 ffir die Struktur
des Molektils unspezifisch ist, wird er durch einen rotierenden Sektor
w~hrend der Aufnahme herausdividiert. Der Sektor mul3 so geschnitten
sein, dab die damit modifizierte Streuverteilung einen nahezu waage-
rechten und geradlinigen Untergrund erh~lt. Dann werden die frtiheren
Wellungen zu wirklichen Maxima und Minima und sind objektiv genauer
auszumessen Die inkohiirente Streuung ist im Gegensatz dazu nut von
den Atomen und nicht vonder Molekiilstruktur abhiingig. Ihr Einflul3
auf den Untergrund ist bei den gew6hnlich verwendeten Beschleuni-
gungsspannungen viel geringer als der des Rutherford-Faktors und geht
iiberdies mit wachsendem s in die H6he. Man kann ihn ebenfalls in den
Sektor einbeziehen; doch bringt dies ffir die Auswertung nicht soviel
Gewinn wie die Eliminierung von s -4. Die Kunst des Experimentators
besteht nun darin, von einer Substanz m6gliehst viele Maxima und
Minima sichtbar zu machen, ihre Durchmesser genau zu bestimmen und
vielleicht sogar einige Aussagen fiber die H6hen der Extrema zu machen,
etwa in der Art, dab ein Maximum niedriger als die beiden angrenzenden,
dab sich irgendwo eine Wellung, d.i. ein nicht voll ausgebildetes Maxi-
mum oder Minimum, befindet oder dgl. Weitergehende Informationen
tiber Intensitiiten bei photographischer Registfierung objektiv zu er-
halten, ist sehr schwierig. Die Photometerkurven nach einer Photoplatte
k6nnen leicht t~iusctien, weil Schw~irzung und Intensitiit nut sehr
Fortschr. chem. Forseh., Bd. 4 l~
6 F. IKSWOGOR
begrenzt miteinander proportional sind und augerdem die Schw~irzung
sehr empfindlich von mehreren Nebeneffekten beeinfluBt sein kann, die
je nach der Versuchsanordnung verschieden stark ausfallen.
Zur n~iheren Erl~iuterung des Vorstehenden folgen einige Bilder einer
Elektronenbeugungsapparatur und die Photometerkurven von Aufnah-
men, die damit erhalten wurden. Die Abb. t, 5 bis 8 wurden (40) ent-
nommen.
Die Abb. t zeigt ein Schema der Apparatur. Die Hochspannung
tritt bei I in die Kathode, die durch ein Porzellanrohr 3 yon der auf
Erdpotential gehaltenen Apparatur isoliert ist. Der Elektronenstrahl
entsteht bei 8 an einer Wolframdrahtspitze und kann durch ein Wehnelt-
Potential, das zwischen Glfihdraht und WehneIt-Zylinder angelegt ist,
in einem schlieBlieh kegelf6rmigen Strahl gesammelt werden. Durch
ErhShung des Potentials verkleinert man den 0ffnungswinkel. 7 ist
ein Blendenkanal. Der Strahlkegel wird durch Kippen oder Parallel-
verschieben -- die Stetlschrauben sind bei 4 angedeutet, 6 ist ein Falten-
balg aus Tombak -- so justiert, dab dureh den Blendenkanal ein m6glichst
intensiver Strahl hindurchtritt. Dieser hat beim Eintritt in den Streu-
raum den Durchmesser von 0,07 mm. Das Untersuchungsobjekt be-
findet sich bei 9. Entweder ist es ein Dampfstrahl, der sofort nach der
Streuung an einem hier nicht gezeichneten stark gektihlten Kondensa-
tionsk6rper ausgefroren wird, oder eine Bezugsfolie mit einem bekannten
Kristallgitter. Dampfstrahl und Bezugsfolie k6nnen durch Bewegung
von augen her gegeneinander ausgetauseht und dureh eine Feinbewegung
so versehoben werden, dab ein gr6gerer Bereich mit dem feststehenden
Elektronenstrahl abzutasten ist. Bei diesen Bewegungen wird die
Beugungsl/inge, d.i. der Abstand vom Streuobjekt 9 zum Empffinger 13,
nicht ge/indert. Der bei der Beugung im Punkt 9 entstehende Kegel
der Sekund~irstrahlen trifft nach etwa 20 cm Weg auf die photographi-
sche Platte 13. Vorher mul3 er durch den Sektor lI modifiziert werden.
Der Sektor dreht sich, von augen her angetrieben, in einer Ebene senk-
recht zur Zeichenebene um die Fortsetzung des Primfirstrahls als Achse.
Damit man das Zentrum des Sektors genau auf den Prim~irstrahl einstellen
kann, muff der sich drehende Sektor von augen her horizontal und vertikal
verschoben und in der giinstigsten Stellung sistiert werden k6nnen. Das
Fortschreiten und den Erfolg der Justierung kann man fiber das Fen-
ster 15, die Spiegel I6 und den kleinen Leuchtschirm 12, der auf dem
Sektor befestigt ist, beobachten. 12 hat am Ort der Sektormitte, die
gleichzeitig auch Mittelpunkt der Drehbewegung sein mug, eine feine
Bohrung. Ist der Prim/irstrahl durch diese ,,eingeflidelt", so erseheint
auf dem Leuchtschirm des Beobachtungsfensters 14 ein heller Punkt.
W~hrend der Streuaufnahme wird der immer noch starke Streustrahl
~=0 nicht gebraucht und zur Vermeidung von (Jberstrahlung durch
Ein Fundamentalproblem der Strukturchemie 7
die kleine Blende lO abgefangen. Das Hochvakuum von 10 4 bis 10 s tor
w~ihrend der Aufnahme wird durch zwei kr~iftige Quecksilberdiffusions-
pumpen aufrecht erhalten. Sie sind bei 8 fiber je einen Absperrschieber
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Sohem~ red
rulaP~pp~gnuguebnenorfke/E
Abb. .1 Schema der Elektronenbeugungsapparatur
Abb. 2. Gesamtansicht der Apparatur, linke SeRe
und ein stark wirksames Ausfriergef~13 an den Kathodenraum und an
den Streuraum der Apparatur angeschlossen.
Abb. 2 ist eine Gesamtansicht der Apparatur, und zwar, in Richtung
des Elektronenstrahls gesehen, die linke Seite. Nicht sichtbar ist hier
8 F. ROGOWSKI
der Motor des Sektorantriebs. Wegen st6render Magnetfelder befindet
er sich, ebenso wie die Pumpenmotoren, Heizplatten und dgl. in gr613t-
m6glicher Entfernung vom Elektronenstrahl. Die Drehbewegung wird
durch Keilriemen, Riemenscheiben und endlich fiber eine Drehdurch-
fiihrung eigener Konstruktion ins Vakuum fibertragen. Die Drehge-
schwindigkeit des Sektors ist 8 bis 10 Umdrehungen pro Sekunde, die
der Antriebswelle in der Drehdurehfiihrung etwa dreimal so groB.
Abb. .3 Gesamtansicht der Apparatur, rechte Seite
Abb. 3 zeigt die Apparatur vonder anderen Seite. In dem Glasgefiig
rechts befindet sich die zu untersuchende Substanz. Zur Erzeugung des
Dampfstrahls wird sie auf einer Temperatur gehalten, dab der Dampf-
druek 20 bis 30 tor betr/igt. Das Metallrohr, auf dem das Glasgef~ig
fiber einen Schliff aufgesetzt ist, endet in der Metalldiise vor dem
Elektronenstrahl. In der nicht lackierten Messingbiichse befindet sich
eine Durchffihrungsdichtung und der Feintrieb zur Bewegung des Rohres
senkrecht zum Elektronenstrahl. Die Stellschraube parallel zum Falten-
balg erlaubt das Schwenken der Dtise innerhalb der zum Elektronenstrahl
senkrechten Ebene. Nach Beendigung einer Aufnahmeserie wird das
Metallrohr um einige Millimeter zuriickgezogen, bis die Folie mit dem
Bezugskristallgitter an der Stelle des Dampfstrahls im Elektronenstrahl
steht.