Table Of ContentLehrbuch der
Technischen Mechanik
für Ingenieure und Physiker
Zum Gebraume bei Vorlesungen
und zum Selbststudium
von
Dr.-lng. Theodor Pöschl
o. Professor ao derTedlDismen Homsmule
in Karlsruhe
Zweiter Band
Elementare Festigkeitslehre
Zweite, umgearbeitete Auflage
Mit 159 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg GmbH 1952
ISBN 978-3-662-23765-6 ISBN 978-3-662-25868-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-25868-2
Alle Rechte, insbesondere das der tlbersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten
Copyright 1936 and 1952 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Urspriinglich erschienen bei Springer-Verlag, OHG., Berlin-Gottingen-Heidelberg 1952
Ans dem Vorwort znr ersten Annage.
Für den vorliegenden zweiten Band meines Lehrbuches der'Tech
nischen Mechanik, der eine Einführung in die technische Festigkeits
lehre enthält, sind dieselben Gesichtspunkte maßgebend gewesen wie
für meine früher erschienenen Lehrbücher. Unter Vermeidung alles
Entbehrlichen sollte das in sachlicher und methodischer Hinsicht Wich
tigste aus dem großen Gebiet gebracht werden, und zwar in einer Form,
die besondprs für die Studierenden unserer technischen Lehranstalten
brauchbar ist.
Obwohl der Inhalt des Buches vielfach bekannte Dinge betrifft.
glaube ioh dooh, daß die Art der Darstellung von der Norm abweicht.
Besonders hinweisen möchte ich nur auf die einheitliche Behandlung
der Frage der Maßstäbe, die ich zum erstenmal in meiner "Getriebe
lehre" (1932) in dieser Form verwendet habe und die sich bei allen
zeichnerischen Verfahren (insbesondere auch in der Nomographie) durch
aus bewährt hat. Die modernen Näherungsmethoden, die immer mehr
an Bedeutung gewinnen und in den gebräuchlichen Lehrbüchern meist
·ganz außer Betracht bleiben, sind wenigstens in den Grundgedanken
und in den einfachsten Anwendungen vorgeführt worden. Auch sonst
wird der Kenner, so glaube ich, manche Einzelheiten feststellen können,
die als neu gelten dürfen.
Die eigentliche Veranlassung für die Herausgabe bildete für mich
der aus den Kreisen meiner Hörer immer wieder geäußerte Wunsch,
auch für die Festigkeitslehre einen handlichen Lehrbehelf in der Art
meiner anderen Lehrbücher zu besitzen. Ich widme daher dieses Buch
den Studierenden unserer techniSchen Lehranstalten mit dem Wunsche,
es möge ihnen bei ihrem Studium ein brauchbarer Führer sein und
ihnen für ihre künftige Ingenieurtätigkeit eine tragsichere Grundlage
schaffen helfen.
Karlsruhe, im Februar 1936.
Tb. Pöscbl.
Vo rwort zur zweiten Auflage.
Für diese neue Auflage des Zweiten Bandes des Lehrbuches der
Technischen Mechanik sind im einzelnen einige Änderungen durchge
führt worden, durch die, wie der Verfasser hofft, die Verwendbarkeit
des Werkes gewonnen haben dürfte. Die wichtigste dieser Änderungen
besteht darin, daß die methodische Durchführung in mehreren Ab
schnitten erweitert worden ist; so sind z. B. die Verfahren zur Berech
nung statisch-unbestimmter Systeme ausführlicher dargestellt worden,
wodurch die Bedeutung der verschiedenen Methoden und ihr Zusammen
hang klarer hervortreten dürfte. überdies sind die hierbei verwendeten
Ansatze bei den einzelnen Belastungsgruppen - Zug, Biegung, Ver
drehung - getrennt angegeben worden. Dagegen sind die rein prak
tischen Verfahren, die oft nur in loser Anlehnung an theoretisch ge
wonnene Erkenntnisse zur Ausbildung gelangten, fortgelassen worden;
dazu gehören z. B. die praktische Berechnung der Nietverbindungen.
Auch bei der Ausarbeitung dieses Bandes und der Herstellung der
Zeichnungen sowie der Durchführung der Korrekturen bin ich durch
die Mitarbeit meiner Assistenten, vor allem des Herrn Privatdozenten
Dr.-Ing.habil. J. Fadle unterstützt worden, denen ich auch an dieser
Stelle meinen verbindlichsten Dank zum Ausdruck bringen möchte.
Das Werk, das infolge der Kriegsereignisse und anderer Umstände
mehrere Jahre auf dem Büchermarkt gefehlt hat, hat sich schon bei
seinem ersten Erscheinen viele Freunde erworben, so daß ich hoffen
darf, daß es auch in seiner etwas abgeänderten Form eine freundliche
Aufnahme finden wird.
Karlsruhe, Oktober 1951.
Tb. Pöscbl.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einlei tung .. . . . . . . . . . . . . . . • . • . . . . . . .. 1
1. Die Aufgabe der Festigkeitslehre S. 1. - 2. Beziehungen zur Mechanik
S. 2. - 3. Technische Festigkeitslehre und mathematische Theorie der
festen Körper S. 2. - 4. über die Einteilung der Festigkeitslehre S. 3. -
5. Geschichtliche Anmerkung S. 4.
I. Der Spannungszustand . . . . . • . • . . . . . . • . . .. 5
6. Äußere und innere Kräfte. Definition der Spannung S. 5.'-7. Normal-
und Schubspannungen S.6. - 8. Der lineare (einachsige) Spannungszu
stand. Reiner Zug S. 7. - 9. Der ebene (zweiachsige) Spannungszustand
S. 10. - 10. Hauptspannungen S. 12. - 11. Anwendungen S. 14. -
12. Hauptspannungslinien und 8chubspannungslinien 8.16.-13. Der drei
achsige (räumliche) 8pannungszustand S. 19. -14. Bemerkung über die
Mohrsche DarsteUung des dreiachsigen Spannungszustandes S.21. -
15. Die Gleichgewichtsbedingungen für das Körperelement S. 22.
11. Der Verzerrungszustand . . . . . . . . . • . . . . . • . . • 25
16. Dehnung und, Gleitung S.25. - 17. Die Komponenten des Verzer
rungstensors S. 26. -18. Anwendungen S. 28. -19. Raumdehnung S. 29.
- 20. Verträglichkeitsbedingungen S. 30. - 21. übergang zu den elasti
schen Gleichungen S. 30.
111. Das Verhalten der festen Körper bei Belastungen . . . •• 31
22. Vorbemerkung S.31. - 23. Physikalische Kennzeichen der Stoffe
S. 3i. - 24. Prüfung der Festigkeitseigenschaften S. 33. - 25. Der Stahl·
stab .beim Zugversuch. Elastizität, Proportionalität S.34. - 26. Quer·
dehnung, Querzahl S.36. - 27. Streckgrenze, Fließen, Verfestigung,
Bruch S. 38. - 28. Physikalisches über Festigkeit und Bruch S. 40. -
.29. Die Elastizitätsgrenze S. 42. - 30. Der Stahlstab beim Druckversuch
S.44. - 31. Verhalten anderer technisch wichtiger Stoffe. Einteilung,
S. 44. - 32. Härte S. 46. - 33. Wechselnde Belastung S. 46. - 34. Bruch·
hypothesen S. 51. - 35. Zulässige Spannungen; Sicherheit S. 54.
IV. Die elastischen Gleichungen. . . . . . . . • . . . . . . . • 55
36. Das Hookesche Gesetz für Schub; Gleitzahl S. 55. - 37. Die allge·
meine Form des Hookeschen Gesetzes S.57. - 38. Der ebene Span·
nungs· 'und Verzerrungszustand S. 58. - 39. Die Raumdehnung in Ab·
hängigkeit von den Spannungen S.59. - 40. Die Formänderungsarbeit
S. 59. - 41. Die Gestaltänderungsarbeit S.62.
V. Zug und Druck • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
42. Zusammenstellung S. 64. - 43. Elementare Beispiele. Statisch-be·
stimmte Aufgaben S.65. -' 44. Berechnung auf Schwingungsfestigkeit
S. 70. - 45. Verschiebungspläne S. 70. - 46. Die Arbeitssätze für statisch·
bestimmte Fachwe~ke S. 72. -:- 47. Der Satz von Castigliano über die
Abgeleiteten der Form~nderungsarbeit S.75.
VI. Statisch"unbestimmte Aufgaben für Zltg und Druck. . . .77
48. Allgemeines S. 77. - 49. Die Formänderungsmethode S. 78. - 50. Das
Cas tiglianosche Prilll7.ip S.80. - 51. Das Prinzip der virtuellen Ar·
beiten S. 83. - 52. Anwendungen S. 85.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
VII. Flächenträgheitsmomente . . . . . .. . . . . . . . . . .. 87
53. Definitionen S. 87. - 54. Allgemeine Sätze für die Berechnung von
Trägheitsmomenten S. 88. - 55. Hauptträgheitsachsen und Hauptträg
heitsmomente S. 90. - 56. Trägheitskreise von Mohr und Land S. 91.-
57. Die Trä12heitsellipse S. 92.:" 58. Zeichnerische Verfahren zur Ermitt
lung von Trägheitsmomenten 8. 93. - 59. Beispiele und Anwendungen
S.96.
VIII. Biegung gerader Stäbe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
A. Allgemeines. - 60. Beziehung der Elastizitätstheorie zur technischen
Biegelehre S. 99. - 61. Spannungsverteilung S. 101. - 62. Die Dirnen
sionierung der geraden Träger in der technischen 'Biegelehre S. 104. -
63. "Bewegte Einzellasten S. 105. - 64. Formänderunll. Die Differential
gleichung der elastischen Linie S. 107. - 65. Die Formänderungsarbeit
durch Biegemomente S. 109. 65a. Berechnung der Durchbiegung in
einern Punkte, i~ dem keine Einzelkraft wirkt S. 110.
B. Schiefe Biegung. - 66. Spannungsverteilung S. 111.
C. Berechnung der Schubspannungen. - 67. Schubspannungen im quer
belasteten Balken S.115. - 68. Durchbiegung infolge der Schubspan
nungen S. 118.
D. Berechnung der Durchbiegungen ................ 119
69. Methoden zur Bestimmung der Biegelinien S. 119. - 70. Biegelinien
durch direkte Integration S. 120. - 71. Biegelinien nach dem Verfahren
von Mohr S. 124. - 72. Die wichtigsten Sonderfälle S. 125. - 73. Zu
sammenstellung der Ersatzträger S. 129. - 74. Zeichnerische Ermittlung
der Dl,Irchbiegung S. 130. - 75. Biegelinien durch Zusammensetzung
von einfacheren Belastungsfällen S. 135. - 76. Statisch-unbestimmte
Biegeträger S. 136. - 77. Beispiele und Anwendungen S. 137. - 78. Ein
fache Rahmen S.141. - 79. Beispiele zur Berechnung von Rahmen 8.142.-
79a. Beispiele für die Anwendung des Satzes von Castigliano für sta
tisch-unbestimmte Systeme S. 145. - 80. Zusammenhang zwischen
Biegemomenten und Drehwinkeln an den Auflagern eines i'n zwei Punk-
ten a, b gestützten Balkens S. 146. - 81. Bemerkungen über Sonder
probleme aus der Biegelehre S.147.
IX. Verdrehung zylindrischer Stäbe ., . . . . . . . . 149
82. Kreiszylinder . Verdrehungswinkel, Spannungsverteilung, Verdre
hungsmoment S. 149. - 83. Beliebige QueI'Schnitte. Theorie von Saint
Venan t S. 152. - 84. Ausführung für einige Querschnitte S. 155. - 85.
Statisch-unbestimmte Aufgaben mit Verdrehungsbeanspruchungen
S.159.
X. Zusammengesetzte Beanspruchungen ............ 160
86. ZUß und Biegung S. 160. - 87. Druck und Biegung. Kern S. 161. - 88.
Ermittlung des Kerns mit Hilfe des Trägheitskreises S. 164. - 89. Be
rechnung der Randspannungen mit Hilfe des Kerns. Ermittlung der
Formänderungen bei exzentrischem Druck S. 166. - 91. Biegung und
Verdrehung S. 167. - 92. Torsion zweiter Art S. 168. - 93. Vergleichs
spannungen für zusammengesetzte Beanspruchungen S.171.
XI.ßiegung von Stäben mit gekrümmte-r Mittellinie ...... 175
94. 'Stäbe mit schwacher Krümmung S. 175. - 95. Statisch-bestimmte
Aufgü.ben S. 178.- 96. Statisch-unbestimmte Aufgab.en über schwach
gekrümmte Stäbe S.179. - 97. Die vollständigen Gleichungen mit Be
rücksichtigung der' veränderlichen Längs- und Querkräfte S. 182. -
98. Stäbe mit starker Krümmung S.185. - 99. Berücksichtigung der
Normalkräfte S. 187.
XII. Kuickung gerader Stäbe. . . . . . . . . . . . . . . .. 189
100. Die Knickung als Instabilität des elastischen Gleichgewichts S. 189.
- 101. Elastische Knickung. Eulersche Theorie S. 190. - 102. Gültig
k61itsbereich der Eu larschen Gleichung S. 193. - 103. Unelastische
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
Knickung. Die Engesser-v .-Karmansche Theorie S. 194. - 104. Die
Versuche von v. Tetmajer S. 198. - 105. Die technische Berechnung
auf Knickung nach Euler.und v. Tetmajer 8.199. -106. Anwendun-
gen S. 200. - 107. Berechnung der Durchbiegung nach Überschreitung
dflr Knicklast S. 201. - ]08. Knickung eines Kreisringes unter konstan-
tem Außendruck 8. 202.
XIII. Ergänzende Bemerkungen über die Arbeitssätze der Festig-
kei tslehre (Energi emethoden) . . . . . . . . . . . . . . . . 204
109. Der Satz vom Minimum der potentiellfln Energie S. 204. - 110. Eine
andere Form des Prinzips dm kleinsten Formänderungsarbeit S. 205. -
111. Die Anwendung des Prinzips der kleinsten Formänderungsarbeit
auf Knickaufgaben S. 209.
XIV. Träger auf nachgiebiger Bettung .............. 212
112. Kennzeichnung der Fragestellung und Annahmen über die Be
schaffenheit des Baugrundes S.212. - 113. Differentialgleichung der
elastischen Linie eines elastisch gebetteten Balkens S. 214. - 114. Inte
gration der Differentialgleichung S. 215. - 115. Angenäherte Lösung.
Verfahren von Rayleigh-Ritz S. 217.
XV. Elasti.sche Sch wingungen. Dynamische Belastung . 219
116. Eingliedrige elastische Schwinger S.220. - 117. Zweigliedrige
Schwinger S. 222. -118. Der Frequenzenkreis S. 223. -119. Biegeschwin
gungen S.224. - 120. Eigenschwingungen von Fachwerken S.225. -
121. Angenäherte Berechnung der Grundschwingzahl eines Fachwerks,
das nur in den Gelenken mit Massen besetzt ist S. 229. - 122. Bestim
mung der Knicklast aus Schwingungsbeobachtungen S.230. - 123.
Schwingungen eines Trägers mit bewegter Last S. 232. - 124. Dynami
sche Belastung S. 234.
8chriftenverzeichnis . . . . 237
Namen- und Sachverzeichnis 240
Inhalt tles ersten Bandes.
Statik und Dynamik.
1. Statik der starren Körper.
II. Dynamik der Punktrnassen.
IIl. Kinematik der starren Körper.
IV. Dynamik der starren Körper.
Einleitung.
1. Die Aufgabe der Festigkeitslehre besteht darin, die Grundlagen
für die Berechnung der Abmes8ungen der Bauwerke der Technik - im
weitesten Sinne genommen - mit Rücksicht auf Sicherheit und Wirt-
8chaftlichkeit zu schaffen; ihr Ziel liegt darin, diese Abmessungen mit
hinreichender Genauigkeit im voraus, d. h. vor der eigentlichen Her
stellung festzulegen (Dimensionierung). Die Abmessungen bilden den
Ausgangspunkt für die darauf folgende technische Gestaltung.
Die genannte Forderung, die auf die g-rößtmögliche Ausnützung der
Werkstoffe hinausläuft, verlangt zu ihrer Erfüllung 'einerseits eine ge
naue Kenntnis der Eigen8chaften der in Betracht kommenden Stoffe,
andrerseits die Ausbildung von Begriffen, die zur Beschreibung und
Kennzeichnung dieser Eigenschaften und ihrer Verwendung in den
Konstruktionen der Technik dienen können.
Die Gegenstände der Untersuchung sind die Bau-und Werkstoffe der
Technik, wie Eisen und Stahl, Metalle, Holz, GesMine, Beton u. dgl.,
deren Verhalten in geeigneter Weise 'erfaßt und gekennzeichnet werden
muß - also feste Körper im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Von den
Eigenschaften dieser Körper kommt es in der Festigkeitslehre vor allem
auf die an, bei geeigneter Anordnung und Formgebung äußere Kräfte
- "Lasten" - von entsprechender Größe aufnehmen zu können und
dabei unter normalen Verhältnissen nur kleine Formänderungen zu er
fahren.
Die Notwendigkeit einer genauen Kenntnis der Bau-und Werkstoffe
verbindet die Festigkeitslehre einerseits mit der Stoffkunde, die sich
mit den technischen Eigenschaften jener Stoffe befaßt, andrerseits mit
dem Materialprüfung8wesen, das die Gesichtspunkte und Verfahren zur
experimentellen und messenden Untersuchung jener Eigenschaften ent
wickelt. Beide stellen heute selbst umfangreiche Lehrgebiete dar, die
sich vielfach mit der Festigkeitslehre überschneiden; im folgenden ist
von ihnen nur so viel aufgenommen worden, wie zum Verständnis der
Festigkeitslehre selbst erforderlich ist. - Von den der Festigkeitslehre
eigentümlichen Begriffen ist in erster Linie die Beanspruchung zu nennen;
er bringt das Maß der Ausnützung der Stoffe zum Ausdruck, das natur
gemäß von Fall zu Fall verschiedenen Bedingungen zu genügen haben
wird. Wir können daher sagen, wenn auch diese vorläufige Aussage
ihl'en eigentlichen Inhalt erst durch die folgenden Entwicklungen fin
den wird:
Pöschl, Mechanik, Bd. IX, 2. Auf!.
2 Einleitung.
Die .Festigkeitslelvre beschiiftigt sich. mit der BeanBpruchung der Stoffe
und mit der VoraUBberechnung der in der Technik aUBzuführenden Kon
struktionen und ihrer Teile. Sie gründet sich auf die Kenntnis der phy
sikalischen Eigenschaften der technischen Bau-und Werkstoffe.
2. Beziehungen zur Mechanik. Die theoretischen Ansätze der Festig
keitslehre stützen sich auf die allgemeinen Gesetze der Mechanik, deren
Kenntnis hier vorausgesetzt wird. Vor allem sind es die Sätze über die
Zusammensetzung der Kräfte in der Ebene und im Raume, der Projek
tions- und Momentensatz, die Gleichgewicktsbedingungen, das Prinzip
der virtuellen Arbeiten, das d' Alembertsche Prinzip und andere Sätze,
die einen von der Art des Mediums (starr, fest, flüssig) unabhängigen
Inhalt haben und jeweils den Ausgangspunkt bilden müssen1•
Zu den aus der Mechanik der starren Körper bekannten Begriffen
kommen in der Festigkeitslehre eine Anzahl weiterer hinzu, die erst in
ihr Sinn und Bedeutung erhalten; von diesen sind zwei besonders wichtig,
auf deren Ermittlung es in der Festigkeitslehre vor allem ankommt;
und zwar sind es die Begriffe Spannung und Formfinderung (Verzerrung),
oder allgemeiner SpannungszUBtand und FormänderungszUBtand. Mit die
sen Begriffen hängt praktisch die BeanBtprUchung ·an irgendeiner Stelle
eines durch äußere Kräfte beeinflußten Körpers zusammen; der Begriff
der Formänderung führt überdies z. B. zu Angaben über die mit der
Beampruchung verbundene Durchsenkung eines Brückenträgers, die
Längenänderung oder Durchbieguny eines Maschinenteils usw.
Die Spannungen lassen sich nur in einer besonders einfachen Gruppe
von Aufgaben, die man als statisch-bestimmt bezeichnet, unabhängig
von den Formänderungen bestimmen. Im allgemeinen ist dies nicht
der Fall; für diese Aufgaben, die man statisch-unbestimmt nennt, ist die
Ermittlung der Spannungen nicht mehr unabhängig von den Form
änderungen möglich. Die eigenartige Verknüpfung jener Begriffe kommt
erst bei diesen Aufgaben voll zur Geltung; zu ihnen gehören auch die
zwei- und dreidimenBionalen kontinuierlichen elastischen Systeme, die nach
den allgemeinen Ansätzen der mathematischen Elastizitätstheorie be
handelt werden.
3. Technische Festigkeitslehre und mathematische Theorie der festen
Körper. Soll die Vorausberechnung, von der oben die Rede war, eine
praktische Bedeutung besitzen, so muß sie. hinreichend einfach und so
beschaffen sein, daß sie gleichwohl die wesentlichen Merkmale des
Verhaltens der Stoffe wiedergibt. Der elementare Teil des Lehrgebäudes,
der unter dieser Beschränkung zur Ausbildung gelangte und der eine
vereinfachte, aber dennoch für viele Zwecke ausreichende Auffassungs
weise ermöglicht, ist die technische Festigkeitslehre ; von ihr handelt das
vorliegende Buch.
Daneben gibt eE, ohne daß übrigens die Trennung eine vollkommen
f!charfe wäre, einen zweiten, mehr theoretischen Teil, der eine genauere
Analyse auf breiterer mathematischer Grundlage und unter Verwendung
1 Pöschl, Th.: Lehrbuch der Technischen Mechanik Bd.l, 3. Auflage (ab
gekürzt zitiert als TM I). Berlin: Springer 1949.