Table Of ContentUniversität der Bundeswehr München
Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik
Institut für Arbeitswissenschaft
Kontrollierbarkeit von Notfall-Fahrerassistenz-
systemen in frühen Entwicklungsphasen mit der
„VIL-Methode“
Fabian Rüger, M.Sc.
Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik der
Universität der Bundeswehr München zur Erlangung des akademischen Grades eines
Doktor- Ingenieurs (Dr.-Ing.)
genehmigten Dissertation
1. Berichterstatter: Univ.-Prof´in Dr.-Ing- Barbara Deml
2. Berichterstatter: Univ.-Prof. Dr. Berthold Färber
Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Lion
Diese Dissertation wurde am 02.03.2016 bei der Universität der Bundeswehr München,
85579 Neubiberg eingereicht und durch die Fakultät für Luft- und Raumfahrttechnik am
09.03.2016 angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 10.06.2016 statt.
Kurzfassung I
Kurzfassung
Vor dem Hintergrund der Zunahme des Individualverkehrs im urbanen Raum werden in
Forschungsinitiativen wie UR:BAN (Lehsing et al. 2013) neue Systeme der aktiven Si-
cherheit zur Senkung der Unfallzahlen in Ortschaften entwickelt. Diese Fahrerassistenz-
systeme beinhalten potentielle Eingriffe in die Längs- und Querführung, um Hindernissen
auszuweichen, wenn eine Kollision alleine durch Bremsen nicht mehr zu vermeiden wäre
(vgl. Winner 2015). Im Rahmen der Absicherung dieser Systeme müssen bereits in frühen
Phasen des Entwicklungsprozesses Fragen der Kontrollierbarkeit evaluiert werden (vgl.
ISO 26262 2011). Speziell Systeme der aktiven Sicherheit erfordern valide Testmethoden
für belastbare Aussagen über deren Beherrschbarkeit (Breuer 2012). Die Entwicklung
solcher Prüfmethoden und deren Verifikation soll parallel zur Entwicklung der eigentli-
chen Assistenzfunktionen stattfinden (RESPONSE Consortium 2009).
In der vorliegenden Arbeit wird eine solche Methodik für die Kontrollierbarkeitsprüfung
der in UR:BAN entwickelten Ausweichfunktionen vorgestellt. Die "VIL-Methode" nutzt
als Grundlage die gleichnamige Prüfumgebung: das Vehicle in the Loop (VIL). In einem
ersten Schritt wurde dieser Hybrid aus Realfahrzeug und Sichtsimulation in generischen
Manövern mit realen Fahrten auf einer Teststrecke verglichen und der Nachweis erbracht,
dass das VIL in den untersuchten Fällen reales Fahrerverhalten abbildet. Auf dieser Basis
wurden anschließend mehrere Testfälle zur Beantwortung von Kontrollierbarkeitsfrage-
stellungen bei Ausweichassistenzsystemen exemplarisch im VIL untersucht. Zum einen
wurden Eingriffe von Ausweichsystemen aus Gegenverkehrsperspektive evaluiert. Es
zeigte sich, dass aufmerksame Fahrer durch geeignete Gegenmaßnahmen solche Eingriffe
in entgegenkommenden Fahrzeugen entschärfen können. Die ermittelte Grenze, ab der
die Fahrerleistungen dafür nicht mehr ausreichen, stellt gleichzeitig ein funktionales Li-
mit für die Auslösung von Ausweichsystemen dar. Zum anderen wurden Eingriffe von
Ausweichfunktionen im VIL untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass Fahrer zu starke
Eingriffe situationsadäquat dämpfen können, um einerseits eine Kollision mit dem Hin-
dernis zu vermeiden, andererseits den eigenen Fahrstreifen bei belegtem Gegenfahrstrei-
fen nicht zu verlassen. Ein Abgleich der untersuchten Situationen mit etablierten Verfah-
ren auf der Teststrecke konnte die Reliabilität der Ergebnisse im VIL bestätigen und die
Methode verifizieren.
Kurzfassung II
Abstract III
Abstract
With a rising amount of individual traffic in urban areas the development of active safety
systems, aiming to reduce accidents in cities is subject to current research initiatives such
as UR:BAN (Lehsing et al. 2013). These advanced driver assistance systems (ADAS)
potentially intervene in the longitudinal or lateral control of vehicles to evade obstacles
even if it is too late to brake to a standstill (e.g. Winner 2015). In order to ensure safe
usage of those systems, aspects of system controllability have to be evaluated in early
stages of the system development process (e.g. ISO 26262 2011). Especially active safety
systems require valid testing methods for obtaining well-founded evidence (Breuer 2012).
The development of such testing methods and their verification should be done in parallel
to the development process of the assistance functions themselves (RESPONSE Consor-
tium 2009).
In the present work, a methodology for the controllability assessment of automatic eva-
sion systems is presented. The so-called “VIL-Method” uses the testing environment “Ve-
hicle in the Loop (VIL)”, a driving simulator that is operated in a car on a test track. In a
first step, driving behavior in the VIL was compared with the behavior that drivers display
with the test track vehicle in a number of generic maneuvers. The results showed that the
VIL is a valid test method for the investigated situations. Subsequently, exemplary con-
trollability assessments with the VIL were performed. For one, interventions of automatic
evasion systems were investigated from the perspective of on-coming vehicles. The re-
sults showed that attentive drivers are able to counteract interventions of automatic eva-
sion systems in on-coming vehicles adequately to avoid an accident in the investigated
situations. The measured performance limits of the drivers set the limits for the functional
design. Furthermore, interventions of automatic evasion systems were examined in the
VIL. It was shown that drivers can mitigate drastic interventions according to the driving
situation. Drivers were able to avoid a collision with an obstacle and stay in their lane
when the opposing lane was occupied. Comparing the investigated situations with well-
established methods on the test track, the reliability of the results and the VIL-Method
itself could be verified.
Abstract IV
Vorwort V
Vorwort
Diese Dissertation entstand in meiner vierjährigen Zeit am Institut für Arbeitswissen-
schaft der Universität der Bundeswehr München. Ich möchte mich an dieser Stelle bei
allen bedanken, die meinen Weg begleitet und zum Gelingen beigetragen haben.
An erster Stelle danke ich Herrn Prof. Dr. Berthold Färber, der als mein Doktorvater und
ständiger Diskussionspartner die Arbeit ermöglicht, vorangetrieben und ihr zum Ab-
schluss verholfen hat. Mein Dank gilt auch dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses
Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Lion und der Berichterstatterin Frau Prof. Dr.-Ing.
Barbara Deml.
Einen besonderen Dank hat Frau Jun.-Prof. Dr.-Ing. Verena Nitsch verdient, die mir fach-
lich und menschlich immer zur Seite stand und damit einen wesentlichen Anteil an dieser
Promotionsarbeit hat. Meinen Masterarbeits-Betreuern Dr.-Ing. Guy Berg und Ines Karl
danke ich dafür, dass sie mich zum experimentellen Arbeiten verführt und damit letzt-
endlich die Arbeit angestoßen haben.
Ich hatte die besondere Freude während meiner Promotion im Förderprojekt UR:BAN
arbeiten zu dürfen. Ich danke dem KON-Team und allen voran der Leiterin Alexandra
Neukum sowie Dr. Christian Purucker und Norbert Schneider für die wunderbare Zusam-
menarbeit und die gemeinsamen Studien. Die eine oder andere Studie wäre auch ohne
technische Unterstützung nicht möglich gewesen. Deshalb danke ich Dr.-Ing. Karl-Heinz
Siedersberger, Andreas Siegel und dem Team vom Projekthaus Fahrerassistenzsysteme,
dass sie unserem Versuchsträger das „Ausweichen“ beigebracht haben.
Der größte Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden, die mich während der gesam-
ten Zeit unterstützt, entbehrt und ertragen haben. Ich habe das große Glück mit Eltern
beschenkt zu sein, die ihr letztes Hemd geben würden, um ihren Kindern alles zu ermög-
lichen und hoffe Sie mit ein wenig Stolz zu erfüllen. Diese Doktorarbeit wäre nie möglich
gewesen ohne die Unterstützung meiner lieben Ehefrau Eva-Maria. Danke, dass du mir
in der langen und manchmal beschwerlichen Zeit immer den Rücken freigehalten hast!
Ich freue mich auf viele freie Wochenenden mit dir und will dir an dieser Stelle sagen,
dass ich dich über alles liebe!
München, den 15.06.2016
Vorwort VI
Inhaltsverzeichnis VII
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung ....................................................................................................................... I
Abstract ............................................................................................................................ III
Vorwort ............................................................................................................................. V
Inhaltsverzeichnis .......................................................................................................... VII
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................. XI
Tabellenverzeichnis ...................................................................................................... XIII
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................. XV
1 FAS erobern den urbanen Raum .............................................................................. 1
1.1 Ansatz und Zielsetzung der Arbeit ............................................................ 4
1.2 Vorgehen .................................................................................................... 5
2 Absicherung und Test von Fahrerassistenzsystemen ............................................... 7
2.1 Sicherheit und Risikobewertung im Sinne der ISO 26262 ........................ 8
2.2 Der Begriff der Kontrollierbarkeit ........................................................... 11
2.3 Vorgehen zur Absicherung von Fahrerassistenzsystemen ....................... 13
2.3.1 Absicherung von Fahrerassistenzsystemen der Wirkweisen A
und B .......................................................................................... 14
2.3.2 Absicherung von Systemen der Wirkweise C ........................... 17
2.3.3 Intendierte Funktionseinschränkung von FAS .......................... 19
3 Aspekte einer validen Kontrollierbarkeitsprüfung ................................................. 21
3.1 Versuchsdesign ........................................................................................ 22
3.1.1 Auswahl von Testfällen ............................................................. 22
3.1.2 Geeignete Pass-/Fail-Kriterien ................................................... 24
3.1.3 Versuchsplan .............................................................................. 27
3.1.4 Stichprobe .................................................................................. 28
3.1.5 Fahrerzustand und Fahrererwartungen im Experiment ............. 29
3.2 Prüfumgebungen ...................................................................................... 31
3.2.1 Versuche im Realverkehr .......................................................... 31
3.2.2 Versuche auf der Teststrecke ..................................................... 32
3.2.3 Fahrsimulatoren ......................................................................... 35
3.2.4 Vehicle in the Loop ................................................................... 39
4 Validität von Versuchsergebnissen ........................................................................ 45
4.1 KON-Parameter: Evaluation von Simulationsumgebungen .................... 47
4.1.1 Ermittlung der KON-Parameter ................................................. 49
4.1.2 KON-Parameter für das VIL ..................................................... 56
4.1.3 Interpretation der Versuchsergebnisse ....................................... 75
Inhaltsverzeichnis VIII
4.2 Transfer von Untersuchungsergebnissen ................................................. 82
4.2.1 Vorüberlegungen für Transferfunktionen .................................. 83
4.2.2 Transfer von Versuchsdaten ...................................................... 88
4.2.3 Kritik am Verfahren und Ausblick ............................................ 90
5 Controllability-Assessment mit der VIL-Methode ................................................ 93
5.1 Kontrollierbarkeitsfragen bei Ausweichassistenzsystemen ..................... 93
5.1.1 Generierung relevanter Testfälle ............................................... 96
5.1.2 Ableiten von Pass-/Fail-Kriterien .............................................. 97
5.2 Testfall 1: Kontrollierbarkeit von Ausweichsystemen aus Sicht anderer
Verkehrsteilnehmer .................................................................................. 98
5.2.1 Expertenevaluation zur Eingrenzung von
Versuchsbedingungen ................................................................ 98
5.2.2 Probandenversuch: Versuchsdesign ........................................ 101
5.2.3 Probandenversuch: Stichprobe ................................................ 103
5.2.4 Probandenversuch: Auswertung und Ergebnisse ..................... 104
5.2.5 Interpretation der Ergebnisse ................................................... 110
5.3 Testfall 2: Kontrollierbarkeit von Ausweichsystemen im Nutzenfall ... 113
5.3.1 Versuchsdesign ........................................................................ 114
5.3.2 Stichprobe ................................................................................ 116
5.3.3 Auswertung und Ergebnisse .................................................... 117
5.3.4 Interpretation der Ergebnisse ................................................... 136
5.4 Testfall 3: Kontrollierbarkeit von Falschauslösungen bei
Ausweichsystemen ................................................................................. 141
5.4.1 Versuchsdesign ........................................................................ 141
5.4.2 Auswertung und Ergebnisse .................................................... 143
5.4.3 Interpretation der Ergebnisse ................................................... 147
5.5 Fazit........................................................................................................ 150
5.5.1 Kontrollierbarkeit von KAB-Systemen ................................... 150
5.5.2 Methodisches Vorgehen .......................................................... 152
6 Zusammenfassung und Ausblick ......................................................................... 155
Literaturverzeichnis ....................................................................................................... 159
Eigene Publikationen ..................................................................................................... 181
Betreute Studentische Arbeiten ..................................................................................... 183
Anhang .......................................................................................................................... 185
A Versuchspläne ........................................................................................ 185
B Fragebögen ............................................................................................. 189
KON-Parameter für das VIL .................................................................. 189
Fahrerfragebogen ................................................................................... 189
Testfall 1 ................................................................................................ 197
Testfall 2 ................................................................................................ 201
Description:stages of the system development process (e.g. ISO 26262 2011). Especially active safety FAS in der sogenannten "Hazard Analysis and Risk Assessment" (ISO 26262-3 2009). Dort werden zur .. Entkopplung des Fahrers während des Lenkeingriffs durch eine Steer-By-Wire-Lenkung mit einer