Table Of ContentDie Wirkungsweise der
Rektifizier- und Destillier
Apparate
mit Hilfe einfacher mathematischer Betrachtungen
dnrgestellt von
Eo Hausbrancl
KgJ. Haurat
Dritte, vollig nen IJParlJpitete nnd sohI' venllehrte Anflage
:\lit 25 Figl1l'l'll ill! Text UIlt! anf Hi 'l'afeln
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
1916
ISBN 978-3-662-37727-7 ISBN 978-3-662-38544-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-38544-9
Alle Rechte, insbesondere das del'
Ubersetzung in fremde flprachen, vorbehalten.
Copyright 1I II (\ by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprlinglich erschienen bei Juliu5 Springer in Berlin 1916.
Softcover reprint of the hardcover 3rd edition 1916
Vorwort zur dritten Auflage.
Diese Auflage ist eine vollständige Umarbeitung des Buches, obgleich
fast alle Darlegungen der früheren Auflagen auch jetzt ihr Ansehen
behalten. Aber fernere Beschäftigung mit den in jenen behandelten
Gegenständen hat doch manche früher noch etwas dunkle Punkte er
hellt, manche bis dahin unbekannte Beziehungen und Zusammenhänge
aufgedeckt und so weit geführt, daß es gelang, Gleichungen für die
Berechnung der Destillierapparate aufzustellen, deren leichte Her
leitung, angenehm symmetrische :Form und durchsichtige Einfachheit
kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Mit ihrer Hilfe können nun die
Hauptabmessungen aller Apparate zur Trennung von zwei ineinander
vollkommen löslichen Flüssigkeiten durch wiederholte Verdampfung
gefunden werden. Freilich ist zur nützlichen Verwendung dieser Gleichun
gen den Erbauern von Destillierapparaten in jedem Falle die Kenntnis
der physikalischen Eigenschaften der zu trennenden Stoffe erforderlich.
Hier sind wohl noch einige Lücken auszufüllen, denn weder die Ver
dampfungswärme von Mischdämpfen, noch der Zusammenhang zwischen
der Zusammensetzung des Flüssigkeitsgemisches und der des aus ihm
l'llt,standemm Dampfes sind für alle Fälle bekannt. Nur einzelne dieser
unumgänglich erforderlichen Unterlagen können errechnet werden, für
die weitaus meisten ist der Konstrukteur auf die in der Literatur zer
streut veröffentlichten Resultate der Versuche einzelner Forscher an
gewiesen, die erwünschte Aufklärung brachten. Allein bis jetzt sin<l
solche noch nicht für sehr viele Flüssigkeit::nnischungen vorhanden:
F<~ine Anzahl der dem Verfasser erreichbaren sind in den nachfolgenden
Blättern zu finden.
Die latente Wärme des aus Flüssigkeitsmischungen entstandenen
Dampfes ist unseres Wissens nicht von gar vielen Forschern untersucht
worden, und nicht alle sind zu den gleichen Resultaten gekommen. In
neuerer Zeit scheint die Ansieht Geltung zu gewinnen, daß die latente
Wärme von Dampfgemischen, deren Teile aufeinander nicht einwirken,
gleich sei der Summe der latenten Wärme der Komponenten. Dieser
Auffassung haben wir uns im folgenden angeschlossen.
Die benutzten Angaben über die Zusammensetzung des Dampfes
aus Flüssigkeitsgemischen stammen sowohl aus der Literatur als auch
IV Vorwort zur dritten Auflage.
aus Privatnachrichten wohlgesinnter Freunde, denen ich auch hier für
diese danke.
Nachdem im ersten Teil des Buches die Theorie (wenn sie so genannt
werden darf) der Destillierapparate entwickelt worden, folgt im zweiten
ihre Anwendung auf die Berechnung der Apparate, die zur Trennung
einer Anzahl von Mischungen dienen sollen, mit all den Angaben, Resul
taten, Tabellen und Zeichnungen, die zur vollkommenen Verdeutlichung
fast aller Umstände erwünscht scheinen. Es ist bei dieser Darlegung
als Ziel erstrebt, dem Leser volle und leicht erreichbare Aufklärung zu
gewähren. Die Zahl der durchgerechneten Mischungen wird hierzu
hoffentlich genügen. Ein Mehr hätte den Umfang des Buches wohl zu
sehr vergrößert.
Daß auch von Flüssigkeiten absorbierte Gase sich wie aus jenen
entwickelte Dämpfe verhalten können, zeigt das Beispiel von Ammoniak
und Wasser.
Im allgemeinen sind nur die Apparate zur Trennung von zwei
Stoffen behandelt, weil sie die am häufigsten geforderten sind, weil die
theoretisch-physikalischen Unterlagen für mehr als zwei Stoffe zumeist
noch fehlen und weil die praktische Trennung vieler gemischter Stoffe
sich oft als auch eine solche von nur zweien herausstellt. Soviel als an
gängig schien, ist auch über diese Apparate mitgeteilt.
Bei der Vielfältigkeit der Eigenschaften der behandelten Stoffe,
die sich auf Mischungsverhältnisse, spezifische und latente Wärme,
Temperatur, Spannung, Wärmeleitung etc. beziehen, würde eine volle
Berücksichtigung aller dieser, auch innerhalb der Apparate wechselnden
Umstände zu unendlichen Komplikationen und völliger Unübersicht
lichkeit führen. Deshalb sind gewisse Vereinfachungen, über die be
richtet wird, als erwünscht, ja erforderlich zugelassen worden, was auch
deshalb erlaubt schien, weil ihre Wirkungen auf die gewonnenen Resultate
wohl so gering sind, daß sie für den praktischen Gebrauch, der immer
im Auge behalten ist, keinen störenden Einfluß üben.
Soweit wir wissen, ist bis dahin ein Verfahren zur wirklichen Be
rechnung der für viele Industrien so wichtigen Destillierapparate noch
in keiner Sprache veröffentlicht worden. Vieljährige Beschäftigung
mit dem Thema und die außergewöhnlich reiche Gelegenheit zum Studium
und zum Sammeln von Erfahrungen im Konstruktionsbureau und der
'Verkstatt der Firma Heckmann, Berlin haben es dem Verfasser ermög
licht, seine Betrachtungen zu abschließenden Ergebnissen zu führen.
Er bleibt diesen Quellen der Erkenntnis immer dankbar.
Berlin, im Dezember 1915.
Der Verfasse!'.
Inhaltsn'l'zeiehnis.
Erster Teil.
Seito
I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2. Über die Annahmen, die im folgenden gelten sollen (Tafd 1) . . 2
3. Zusammenstellung der Buchsülbenbozeiehnungen, die im folgenden an-
gewendet werden (Fig. 2. H, 4) . . . . . . . . . . . . . . . . 5
L Erklärung der Vorgänge bei der periodisehen Rekt·ifilmtion (Fig. 2 u. 5) S
;i. Vorgänge auf den Säulenböden (Fig. H) ............. . LI)
(i. Der Kondensator (Verdiuhter) .................. . 21
7. Ist es vorteilhaft, statt eines Kondensators über der Säule deren viele,
und zwar zwischcn j(' zwci Bödcn einen anzuordnen? (Fig. 7 u. 8). . 24
8. Soll die Kolonne gegen Wiinueausstrahlung geschützt werden, oder ist
es besser, sie unbekleidet zu lassen? (.Fig. 9). . . . . . . . . . . . 28
U. Kann aus einem Dampfgemisch nur durch Verflüssigung ohnc Auf
kodlUng das Leichtsiedende abgetrennt werden? . . . . . . . . . . 30
W. Soll der gesamte Rücklauf aus dem Kondensator auf den obersten
Siiulcnboden geleitet werdcn, oder ist es vorteilhafter, den Rüeklauf
getrennt, etwa nach seiner Qualität, auf mehrere Böden zu verteilen? ::12
] ]. Die kontinuierlichen DestilIierapparate . . . . . . . . . . . 32
12. Dic Verstilrkungssiiuln stl'ht übter der Abtriebssäule (Fig. 3 u. 10) 3+
]:l. Die erforderliche Anzahl von Aufkochungen oder Böden in den
Säulen .......... . 48
A. In der Verstärkungssäule 48
B. In der Abtriebssäule . . . 51
14. Die Verstärkungssiiule steht neben der Abtriebssäule (l"ig. 4) 55
11i. Allmiihliche Verdampfung und allmähliche Kondelmation von Flüssig
keits- und DampfgemiRchcn. . . . . . . . . . . . . . 5!l
A. Allmähliche Verdampfung (Tafel 11) ...... . 5\J
a) Wenn der geRainte erzeugte Dampf mit dem Rest in Be
rührung bleibt. . . . . . . . . . . . . . . 59
b) Wenn der pntwickelte Dampf jeden Augenblick vom Rost
ganz getrennt wird. . . . .. ..... . 60
TI. Allmähliche Kondensation (Tafd 11) ..... .
10. Zusammenstellung der für die Berechnung von DestilIierapparaten be-
stimmten Hauptgleichungen, wenn in diese nicht das Verhältnis w = f,
a
sondern der Prozcntgehalt der :Flüssigkeiten und Dämpfe an Leicht-
siedendem (a) eingeführt wird. . . . . . . . . . . ti5
17. Trennung von Mischungen aus mehr als zwei Stoffen H7
18. Konstruktionseinzelheiten der DestilIierapparate . . . 70
VI Illhaltsverzeiehllis.
Zweiter Teil.
Seite
19. Äthylalkohol und Wasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
A. Physikalische Eigenschaften (Tafel 12). . . . . . . . . . . . 73
B. Wärmeverbrauch der periodischen Alkohol-Rektifizierapparate . 77
C. Die erforderliche Anzahl von Böden in den Säulen (Tafel 15) . 7!)
D. Der Kondensator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
E. Zahlenbeispiele für die verzögernde Wirkung mehrerer kleiner
Kondensatoren, die statt eines einzelnen über der Säule, zwischen
den Böden angeordnet werden . . . . . . . . . . . . . . . . 83
F. Zahlenbeispiel dafür, daß bei der Rektifikation ohne Aufkochungen
d. h. durch bloße Kondensation (Verflüssigung) die aufeinander
folgenden Niederschlagsmengen so klein wie möglich sein müssen 8:~
G. Kontinuierliche Alkohol-Destillierapparate . . . . . . . . 8:3
1. Die Abtriebssäule (Tafeln 14, 16) . . . . . . . . . . . . 84
2. Die Verstärkungssäule steht über der Abtriebssäule ... 87
3. Die Spiritussäule steht neben der Maischesäule (Tafeln 17
und 18) ........... . !):3
20. Methylalkohol und Wasser . . . . . . . . . !)ß
A. Physikalische Eigenschaften (Tafcl 12) . !)ß
B. Periodische Rektifizierapparate (Tafel 14) !J8
C. Kontinuierliche Destillierapparate (Tafcln 1!1. 20, 21, 22, 24) 100
21. Aceton und Wasser . . . . . . . . . . . . . . 107
A. Physikalische Eigenschaften (Tafel 12) . . . 107
B. Kontinuierliche Destillierapparate (Tafel 23) . 107
22. Aceton und Methylalkohol (Tafel 24) lOB
23. Essigsäure und Wasser (Tafeln 12, 24) .. 111
24. Ameisensäure und Wasser (Tafeln 12, 2:3) llB
25. Ammoniak und Wasser (Tafeln 12, 23). ll4
A. Physikalische Eigenschaften . . . . 114
B. Kontinuierliche DestilIierapparate . . lHi
2(j. Stickstoff und Sauerstoff (Tafeln 23, 24, 25) 118
rrahcll0 Dritter Teil (Tabellen).
NI'.
1. Vergleich dcr VOll Dan. Tyrer gefundenen, mit der nach der Gleichung
C = aa + w,l bcrechneten Vcrdampfungswärme von Dampfgemischen 124
2. Ä thy lalkohol und Wasser (Tafel 12). Alkoholgehalt der l"lüHHig-
keiten und der aus ihnen entstehenden Dämpfe ......... 120
:3. Verdampfungs-Flüssigkeits- und Gesamtwärme der Alkohol-Wasser-Mi-
schungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 L
4. In Verstärkungssäulen erforderliche Rücklaufwärme . . . 132
5. a) b) c) Alkoholgehalt der Flüssigkeit und des Dampfs auf jedem
Boden der Verstärkungssäulen ............ 133
6. Verstärkende Wirkung des Kondensators. . . . . . . . 136
7. Bodcnzahl der Verstärkungssäulen, wenn in ihnen Wärme entzogen wird
und wenn dies nicht der Fall ist . . . . . . . . . . . . . . . . 136
8. Verschiedenes Endresultat, wenn aus 100 kg Alkoholdampf ein Teil in
6 odcr 3 Stufen niedergeschlagen wird. . . . . . . . . . . 138
9. In Abtriebssäulen erforderlicher Wärmeaufwand (Tafel 14). . . . . 13tl
10. Alkoholgehalt auf jedem Boden der Abtriebssäulen (Tafel W) . . . 140
11. Alkoholgehalt der :Flüssigkeit und des Dampfs auf dem Einlaufboden M.
(Tafel 17) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
12. Ein flüssiges Alkohol-Wasser-Gemisch wird in /:ltufen verdampft (Ta-
fel 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144
Inhaltsverzeichnis. VII
Tabelle
NI'. Seite
1:3. Ein Alkohol-Wasser-Dampfgemisch wird in Stufen niedergeschlagen
(Tafel 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
14. Methylalkohol und Wasser (Tafel 12). Alkoholgehalt der Blüssig
keiten und der aus ihnen entstehenden Dämpfe . . . . . . . . . 147
15. In Verstärkungs- und Abtriebssäulen erforderliche Wärme (Tafel 14) 152
16. Alkoholgehalt der Flüssigkeit und des Dampfs auf jedem Boden der
Verstärkungssäulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15:3
17. Alkoholgehalt der :Flüssigkeit und des Dampfs auf dem Einlaufboden M.
('rafel 20) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1M
18. Alkoholgehalt der Flüssigkeit und des Dampfs auf jedmn Boden der A b
triebssäulen (Tafel 21) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11;5
19. Ein flüssiges Methylalkohol-Wassergemisch wird in Stufen verdampft
(Tafel 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
20. Ein Methylalkohol-Wasser-Dampfgemisch wird in ~tufen niedergeschla-
gen (Tafel 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158
21. Azeton und Wasser. Azetongehalt der Flüssigkeiten und der aus
ihnen entstehenden Dämpfe (Tafel 12) . . . . . . . . . . 15!l
22. In Verstärkungs- und Abtriebssäulen erforderliche Wärme (Tafel 2:3) 164
2:3. Azetongehalt auf jedem Boden der Verstärkungssäulen . . . . . . Hili
24. Azetongehalt auf jedem Boden der Abtriebssäulen . . . . . . . . I ()(;
21i. Azeton und l\f ethy lalkohol. Azetongehalt der .Flüssigkeiten und
der aus ihnen entstehenden Dämpfe (Tafel 24) . . . . . 1( )7
2(;' Jn Vel'stärkungssäulen erforderliche IWcklaufwärme (Tafel 2:3) 172
27. Azetongehalt auf jedem Boden der Verstärkullgssäulen In
28. Azetongehalt auf jedem Boden der Abtriebssäulen 1H
2!l. Wasser und Ess igsii ure. Wassergehalt der Flüssigkeiten und des
aus ihnen entstehenden Dampfs. . . . . . . . . . . . ] 7[;
:lO. In Verstärkungs- und Abtriebssäulen erforderliche Wärme j 80
:ll. Wassergehalt auf jedem Boden der Verstärkungssäulen . 181
:~2. Wasser und A meisen sä ure. Wassergehalt der :Fliissigkeiten lind
der aus ihnen entstehenden Dämpfe (Tafel 12) . . . . . . . 182
:1:3. In Verstärkungssäulen erforderliche Rücklaufwiil'lTle (Tafd 23). 185
:14. In Abtriebssäulell erforderliche Wärme (Tafel 2:~). . . 18r.
:15. Wassergehalt auf jedem Boden der Verstärkungssäulen HHi
:36. Wassergehalt auf jedem Boden der Abtriebssäulen 187
:17. Ammoniak und Wasser. Ammoniakgehalt der Fllissigklliten und
der aus ihnen entstphenden Dämpfe (Tafel 12) . . . . . . . . . . 188
38. In Verstärkungs- und Abtriebssäulen erforderlillhe Wärme ('rafe! 2:3) 1!l0
:~9. Ammoniakgehalt auf jedem Boden der Vcrstärkullgssäulen H)l
40. Ammoniakgehalt auf jedem Boden der Abtriebssäulen . . 1!)2
41. Ammoniakgehalt der Flüssigkeit und des Dampfs auf dem Einlauf-
boden M . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19:3
42. Gewicht und Volumen von 1 Kilo Luft, Hauerstoff und ~tickstoff. 194
4:1. Stickstoff und Sauerstoff. Stickstoffgehalt der Flüssigkeiten und
der aus ihnen entstehenden Dämpfe (Tafel 25) . . . . . HIli
44. In Verstiirkungs- und Abtriebssäulen erforderliche Wärme 200
45. Stickstoffgehalt auf jedem Boden der Verstärkungssäulen . 201
46. Rtickstoffgehalt auf jedem Boden der Abtriebssäulen . 201
47. Umwandlung von Maßprozentcn in Gewichtsprozente df'!' Alkohol-
\Vassermischungen . . . . . . . . . . . . .. 202
Erster 'reil.
1. Einleitung.
Die Trennung von Flüssigkeitsgemischen durch wiederholte Ver
dampfung wird in der Industrie im großen Umfange ausgeführt und die
für diese Zwecke erforderlichen Apparate bilden einen erheblichen, oft
den wichtigsten Teil manches chemischen Betriebes.
Obgleich die Kenntnis der Vorgänge in diesen Apparaten ::;owohl
für diejenigen, welche solche Apparate betreiben, als auch für die In
genieure, (lic :eile haucn wollen, von vVichtigkeit ist, ::;0 ist doch unseres
\Vissens noch keine andere einigermaßen \·ollständige Darstellung aller
in ihnen wirkenden Ur~achen lind deren Folgen .erschienen. Dies kann
zum Teil daher rührerl. daß die zu betrachtenden Vorgänge in den Appa
raten auf den ersten Blick komplizierter en,cheinen, als sie es in W"irk
lichkeit sind, zum Teil daher, daß die physikalischen Konstanten für
eingehende rechnende Erörternngell nur für sehr wenige praktisch
wichtige Stoffe bekannt sind und in der Literatur zerstreut waren. Erst
in neuerer Zeit Rind ,;ir' für einige ::\1ischuugr'u mit erfreulicher Sicherheit
festgestellt \,"orden.
Freilich gut benutzbare Formeln, mit deren Hilfe die Zusammen
setzung der Dämpfe, (Iie aus siedenden Flüs:,;igkeitsgemischen von be
stimmter ZusammemlPtzling allfsteigen, berechnet werden kann, sind
noch nicht gefunden. \Vir sind in dieser Beziehung wohl noch auf die
Hesultate von Versuchen !leI' Fon,cher ~1ngewiesen, deren für eine Anzahl
von Flüssigkeitsgemisehen ~ehl' ,.;chölle bekannt geworden sind und es
ist wohl ZH erwarten. claß nach und nach faflt alle \Vünsche in dieser
Hinsieht werden erfüllt werden.
AllCh die Frage mwh der \'crdampfungswärme von Dampfgemisehen
ist lange Zeit hindurch lmhealltwortet geblieben und hat erst in neuester
Zeit, nach mancherlei y('r~ehiedenen Erklärungen 1), durch exakte Ver
snehe, wenigstens für Tkllllpfe allS :-:toffell, die aufeinander nicht chemisch
1) G u s ta\" W i t t. .-\rchi" f. l\Iathem., Astr. u. Physik d. Akademie
Stockholm HJl2. Bd. 7. F(,nncr u. Ridetmeyer, Phys. Revue 1905, 20,
S.7i-8ii. Dolezalek, Zeitsehr. f. physik. Chelll. 1910,71, S. 191.
IIan~Lranü, Hcktifizierapptll'atc. :{. ~\Ill'l.
2 Erster Teil.
einwirken, eine, wie es scheint, ziemlich befriedigende Lösung gefunden.
Glücklicherweise ist in den früheren Auflagen dieses Buches die Ver
dampfungswärme, soweit sie hier interessiert, schon in der gleichen nun
wohl als richtig anzusehenden Weise bestimmt worden. Es wird sich
denn auch hoffentlich im Nachstehenden zeigen, daß die für den vorteil
haftesten Betrieb günstigsten Hauptabmessungen der Apparate für
alle Stoffe, deren physikalische Eigenschaften durch die belohnten Mühen
der Forscher genau genug bekannt sind, auf Grund der gefundenen
Anschauung auch berechnet werden können.
Die Absicht geht dahin, in den nachfolgenden Blättern eine Theorie
der Apparate für die Trennung von Flüssigkeitsgemischen durch Destil
lation zu geben, nicht aber konstruktive Einzelheiten zu besprechen,
obgleich auch diese Dinge ja für die Herstellung, Bedienung und Wirkung
der Apparate von erheblicher Wichtigkeit sind. Vielleicht können an
anderer Stelle die durch Verschiedenheit der zu verwendenden Bau
materialien, Spannungen, Temperaturen etc. bedingten oder erwünschten
Einzelheiten behandelt werden. Hier würde, unserer Ansicht nach, ein
Eingehen hierauf das Interesse nur zersplittern.
Zuerst soll nun eine allgemeine Erklärung der Vorgänge in den
Apparaten, eine Betrachtung über die Gewichte und Bewegungen der
Dämpfe und Flüssigkeiten, sowie über die theoretisch zuzuführende und
abzuführende Wärme, dann die Herleitung der für deren Berechnung
erforderlichen einfachen Formeln vorgeführt und endlich soll die An
wendung dieser Gleichungen für die Berechnung von Apparaten zur
Trennung E'inE'r Anzahl von Flüssigkeitsmischungen gezeigt werden.
2. Über die Annahmen, die im folgenden gelten sollen. (Taf. 1.)
In den folgenden Betrachtungen werden immer die folgenden An
nahmen maßgebend sein:
1. Es wird immer ein Gemisch yon nur zwei Flüssigkeiten, die in
einander unbegrenzt löslich sind, vorgestellt.
2. Die Flüssigkeiten und Dämpfe werden immer als auf ihrem
Siedepunkt angenommen, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes
gesagt ist.
3. Die Verdampfungswärme (latente \Vürme) der aus einem sieden
den Flüssigkeitsgemisch aufsteigenden Dämpfe wird immer gleich
der Summe der latenten \Värmen der einzelnen Dämpfe gesetzt.
Diese schon früher vom Verfasser gemflchte Annahme scheint nach
den Untersuchungen Daniel Tyrers 1) für Diimpfe, die aufeinander nicht
1) Dan. Tyrer, .Journ. of the chemieal Soeiety 1911, Sept., S. 1633 und
1912, Jan., S. 81 und 1912, .Juni, S. 1104. Tyrer kommt zn dem Schluß, daß
für gegenseitig indifferente Dämpfe die latente "Värme ihrer GemiRchc auch der